Rede von
Dr.
Konrad
Adenauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Demontagen in Berlin wurden völlig eingestellt. Durch das Petersberger Abkommen ist es gelungen,
den größten Teil der wichtigsten deutschen Werke
vor der Demontage zu retten.
Es gelang dann, noch weitere Erleichterungen zu erreichen,
insbesondere wurden die Werke Watenstedt-Salzgitter fast ganz gerettet.
Und nun, meine Damen und Herren, durch den am 26. Mai 1952 unterzeichneten Deutschland-Vertrag fallen sämtliche Begrenzungen und Einschränkungen der deutschen Produktion und des deutschen Handels fort.
Es handelt sich nur noch um zwei Ausnahmen: den Bau von Flugzeugen und die Herstellung von Atomwaffen. Die Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Atomenergie ist nicht mehr verboten.
Es ist nämlich nötig, meine Damen und Herren, daß man sich die ganze Situation und die ganze Entwicklung an diesem Scheidewege der deutschen Geschichte, an dem wir stehen, einmal vor Augen hält.
Es handelt sich bei der Entscheidung, die der Bundestag zu treffen hat, nicht um eine Entscheidung wie über irgendein anderes Gesetz, sondern — ich wiederhole nochmals — die deutsche Geschichte steht an einer Wende. Es ist nötig, daß man sich klarmacht, welchen Weg wir zurückgelegt haben, damit man dadurch in die Lage versetzt wird, zu sehen, ob der Weg, den wir eingeschlagen haben, richtig ist und ob es richtig ist, diesen Weg auch fortzusetzen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, auch einige Ausführungen machen zu sollen über die
politische Entwicklung bei uns und später über die politische Entwicklung in der Sowjetzone.
Auf politischem Gebiet war der Zustand in der Bundesrepublik bei der bedingungslosen Kapitulation doch so, daß nur noch Gemeindebehörden wenigstens einigermaßen funktionierten. Der ganze übrige staatliche Apparat war zerschlagen. Am 5. Juni 1945 übernahmen die Alliierten die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Der Wiederaufbau der Verwaltungs- und staatlichen Organisationen erfolgte in den drei Zonen in verschiedenem Tempo, aber im wesentlichen nach dem gleichen Schema. Sowohl in den Gemeinden wie in den neugeschaffenen Ländern wurden Parlamente eingesetzt, in die ernannte Mitglieder berufen wurden. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit wurden freie Wahlen sowohl für die Gemeindeverwaltungen wie für die Landtage gestattet. Die zunächst ziemlich schroffe Überwachung der Gemeinde-und Länderverwaltungen wurde fortschreitend gelockert.
Im Dezember 1946 vereinbarten die amerikanischen und britischen Behörden die Zusammenlegung ihrer Besatzungszonen in wirtschaftspolitischer Hinsicht. In Frankfurt wurde der Zweizonenwirtschaftsrat gebildet.
Gleichzeitig erfolgte die Errichtung des deutschen Obergerichts. Auf Grund des Londoner Deutschlandkommuniqués wurde am 1. Juli 1948
die Bildung einer verfassunggebenden Versammlung und einer zentralen Regierung vorgeschlagen. Die elf Regierungschefs der Länder des westlichen Besatzungsgebiets arbeiteten Gegenvorschläge aus, in denen zum erstenmal vom Parlamentarischen Rat und vom Grundgesetz gesprochen wurde. Dann trat der Ausschuß in Herrenchiemsee zusammen. Der Parlamentarische Rat konstituierte sich, das Grundgesetz wurde beschlossen, und am 14. August 1949 fanden die Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag statt.
Nach der Bildung der Bundesregierung erfolgte der erste Besuch des Bundeskanzlers und von Mitgliedern des Kabinetts auf dem Petersberg
am 21. September 1949. 23/4 Jahre später wurde der Petersberg geräumt,
und am 26. Mai 1952 wurde hier bei uns in Bonn der Deutschland-Vertrag unterzeichnet, der die Aufhebung aller politischen Beschränkungen vorsieht.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun einen Blick werfen auf die Entwicklung in der Sowjetzone.
Im Juli 1945 wurde dort der Antifaschistische Block gebildet.
Im April 1946 bildete sich die Sozialistische Einheitspartei. Im September 1946 gab der sowjetrussische Außenminister Molotow eine Erklärung über die deutsche Ostgrenze ab.
Die einzige Konferenz aller deutschen Ministerpräsidenten in München scheiterte im Juni 1947 infolge Abreise der Sowjetzonenvertreter.
Im März 1948 verließ die sowjetische Delegation den Alliierten Kontrollrat. Im April 1948 begann die Abschnürung Berlins, und im November 1948 wurde die Spaltung der Stadt durch die Einsetzung eines Ost-Magistrats vollzogen.
Im Oktober 1949 konstituierte sich die provisorische Volkskammer. Im Juni 1950 erkannte die Sowjetzonenregierung in einem Abkommen mit Polen die Oder-Neiße-Linie als endgültige Grenze an,
und im Oktober 1950 fanden die Wahlen zur Volkskammer statt.
Im Gegensatz zu den finanziellen Hilfeleistungen an die Bundesrepublik im Rahmen des Marshallplans wurden in der sowjetischen Zone an die Besatzungsmacht in verschiedenster Gestalt in der Zeit von 1945 bis 1951 Werte in Höhe von insgesamt 31 Milliarden DM abgeführt.
Das wirtschaftliche Leben ist in der Sowjetzone aufs schwerste beeinträchtigt. Die Bevölkerung leidet Not.
Sie muß schwerste Arbeit leisten.
Freie Wahlen gibt es nicht, ebenso wenig freie Parteien,
Freiheit der Meinung, der Presse, der Versammlungen. Es gibt dort keine Grundrechte, wie wir sie besitzen.