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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 218. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Juni 1952 9569 218. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. Juni 1952. Geschäftliche Mitteilungen . . 9570A, B, 9607C Zur Tagesordnung 9570A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der DP u. Gen. betr. Gewährleistung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Nr. 3346 der Drucksachen) 9570B Walter (DP), Anfragender 9570B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 9572B Fisch (KPD) 9573A Ewers (DP) 9574B Stierle (SPD) 9575B Dr. von Merkatz (DP) . . . 9577D, 9582B Dr. Wuermeling (CDU) 9579C Heiland (SPD) 9580B, 9582A von Thadden (Fraktionslos) . . . 9582D Goetzendorff (Fraktionslos) 9583C Dr. Hammer (FDP) 9584A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Hebung des Fischkonsums (Nr. 3324 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 572) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der DP u. Gen. betr. Förderung der deutschen Fischerei (Nr. 3347 der Drucksachen) 9584D Brookmann (CDU), Anfragender . . 9585A, 9597C Dr. Mühlenfeld (DP), Anfragender . 9586C, 9598C Dr. Dr. h. c. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 9588D Frau Dr. Gröwel (CDU) 9591D Loritz (Fraktionslos) 9593A Glüsing (CDU) 9593D Dannemann (FDP) 9594C Mertins (SPD) 9595D, 9598D Gundelach (KPD) 9596D Abstimmungen 9599B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung der Gartenbauwirtschaft (Nr. 3384 der Drucksachen) 9599B Ausschußüberweisung 9599B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung' für das Getreidewirtschaftsjahr 1952/53 und über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1952/53) (Nr 3342 der Drucksachen) 9599B Ausschußüberweisung 9599B Erste Beratung eines Flurbereinigungsgesetzes (Nr. 3385 der Drucksachen) . . 9599C Ausschußüberweisung 9599C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über Sozialversicherung (Nr. 3376 der Drucksachen) 9599C Ausschußüberweisung 9599D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nr. 3407 der Drucksachen) . . . 9599D Ausschußüberweisung 9599D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Aufhebung von Sperrmaßnahmen und Freigabe der von der Besatzungsmacht auf den friesischen Inseln beschlagnahmten Hotels usw. (Nrn. 3397, 2969 der Drucksachen) 9599D Dr. Hasemann (FDP), Berichterstatter 9600A Beschlußfassung 9600B Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages zur Belastung eines Teiles der Liegenschaft der durch Entmilitarisierungsmaßnahmen zerstörten ehemaligen Torpedoversuchsanstalt Süd in Eckernförde mit einem Erbbaurecht zugunsten der Niederdeutschen Optik G.m.b.H. in Eckernförde (Nrn. 3399, 3227 der Drucksachen) 9600B Beschlußfassung 9600B Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Maßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu sichern (Nr. 3371 der Drucksachen) 9570A, 9600C Dr. Greve (SPD), Anfragender: zur Geschäftsordnung 9600C zur Sache 96001D, 9605A Dr. Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz . . . . 9602D Dr. Laforet (CSU) 9606B Dr. Schneider (FDP) 9606D Nächste Sitzung 9607C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Besprechung, die am 7. Januar bei mir stattfand, waren sich alle Beteiligten einschließlich des Bundesjustizministeriums darüber einig, daß alles verwaltungsmäßig Mögliche geschehen sollte, um die sehr schwierige Geschäfts-


    (Staatssekretär Dr. Strauß)

    tage des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zu erleichtern. Ich darf Ihnen in Beantwortung der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion der zeitlichen Reihenfolge nach mitteilen, was wir in der Zwischenzeit unternommen haben.
    Am Tage nach unserer Besprechung hat mein Haushaltssachbearbeiter sich mit den Haushaltssachbearbeitern des Bundesfinanzministeriums in Verbindung gesetzt, um mit dem Bundesfinanzministerium die Einplanung der erforderlichen Mittel zu besprechen. In der gemeinsamen Besprechung mit den Herren Abgeordneten waren wir dahin übereingekommen, daß dem Ersten Senat Hilfsarbeiter — nicht Hilfsrichter, das ist nicht möglich — zur Verfügung gestellt werden sollten dergestalt, daß jedem Richter ein solcher Hilfsarbeiter beigegeben werden sollte.

    (Abg. Dr. Greve: Nicht nur dem Ersten Senat, Herr Staatssekretär!)

    — Nur für den Ersten Senat!

    (Abg. Dr. Greve: Das war Ihre Auffassung! Unsere war: jedem Richter!)

    — Nein. Darf ich Sie darauf hinweisen, Herr Kollege Dr. Greve, daß der damals anwesende Präsident der Zweiten Senats ausdrücklich darauf verzichtet hat, Hilfsarbeiter für seinen Senat zu gewinnen und daß wir uns auf die Zahl von 11 — nicht von 10, wie Sie sagten — Hilfsarbeitern geeinigt hatten, weil nur die 12 Richter des Ersten Senats derartige Hilfsarbeiter zu benötigen glaubten und weil ein Hilfsarbeiter, nämlich der des Präsidenten, bereits vorhanden war.
    Ich bin daher so verfahren, daß ich für den Ergänzungshaushalt 1951, mit dessen baldiger Verabschiedung ich allerdings rechnen zu können glaubte, 6 Hilfsarbeiter und 6 Stenotypistinnen beantragt habe und daß ich die weiteren 5 mit dem Bundesfinanzministerium für das Haushaltsjahr 1952 vereinbart habe. In dieser Besprechung mit dem Bundesfinanzministerium am 8. Januar wurde insoweit Übereinstimmung erzielt. Wir haben die Ansätze in der Ergänzungsvorlage zum Haushaltsplan 1951 am 10. Januar eingeplant und dem Bundesfinanzministerium zugeleitet. Das Kabinett hat am 12. Februar seine Zustimmung erklärt.
    Wir haben nun nicht etwa gewartet, bis die Sache durch den Haushaltsausschuß durchging. Es war auch nicht erforderlich, die Bewilligung sofort zu beantragen; denn zunächst einmal mußten wir uns darum bemühen, die Hilfsarbeiter zu beschaffen. Die Ausgaben für die Hilfsarbeiter hätte uns das Bundesfinanzministerium in dem Augenblick, in dem diese verfügbar waren, vorwegbewilligt. Wir haben am 23. Januar an sämtliche Landesjustizverwaltungen geschrieben und um entsprechende Vorschläge gebeten, an sämtliche rechtswissenschaftlichen Fakultäten der deutschen Universitäten am 28. Januar. Der Eingang der Vorschläge war außerordentlich schleppend. Er erfolgte zwischen Mitte Februar und Mitte April, und zwar meistens derart, daß, falls überhaupt Vorschläge gemacht wurden, die Personalakten nicht beigegeben waren und erst beigezogen werden sollten. Das Gesamtergebnis war, daß von den rechtswissenschaftlichen Fakultäten keine geeigneten Vorschläge gemacht wurden, von den Landesjustizverwaltungen insgesamt 8. Nachdem wir die Personalakten beisammen hatten, haben wir zunächst 2 Hilfsarbeiter angefordert und erhalten, die der Senat vordringlich benötigte. Sie haben ihren Dienst Ende März bzw. Anfang Mai angetreten.
    Die übrigen Personalakten haben wir am 14. Mai — die Große Anfrage der Fraktion der SPD ist uns am 21. Mai zugegangen — dem Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts übersandt und ihn um Prüfung sowie um Vorschläge gebeten, die Einberufung welcher dieser Herren er wünsche. Die Vorschläge des Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts sind bei uns am 3. dieses Monats, also am 3. Juni, eingegangen. Wir haben die zuständigen Landesjustizverwaltungen am 4. Juni gebeten, die Herren abzuordnen. Drei von ihnen treten in diesen Tagen an, ein weiterer nach kurzer Zeit. Sowie wir weitere fünf Herren ermittelt haben, werden wir die entsprechenden Vorwegbewilligungsanträge für das Haushaltsjahr 1952 stellen.
    Sie sind vielleicht etwas überrascht, daß die Gewinnung von Hilfsarbeitern so lange dauerte. Ich glaube mich aber zu entsinnen, Herr Kollege Greve, daß ich in unserer Besprechung vom Januar auf die sachlichen und persönlichen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht habe.

    (Abg. Dr. Greve: Das stimmt!)

    Denn ich bin ja selbst seit Jahren in der unglücklichen Lage, junge Menschen auszusuchen und zu versuchen, geeignete Kräfte für die Behörden zu gewinnen. Die Hilfsarbeiter, die mit einer Aufgabe der Unterstützung der Richter am Bundesverfassungsgericht betraut werden, bedürfen, wie ja auch wohl in unserer Besprechung anerkannt wurde, bestimmter Kenntnisse, die nicht jeder junge Jurist hat. Leider! Die Herren Juristen unter uns wissen alle, daß das Interesse für das öffentliche Recht lange nicht so vorhanden ist, wie wir das alle wünschen, und gerade aus den Antworten der rechtswissenschaftlichen Fakultäten geht hervor, daß sie an ähnlichen Erscheinungen leiden, daß auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts der junge Nachwuchs — wie früher übrigens auch — zahlenmäßig nicht sehr umfangreich ist. Ich bin auch der Auffassung, daß man möglichst nur junge Richter für diese Aufgabe verwenden soll, weil bei Herren vorgerückteren Lebensalters die Schwierigkeiten der Abordnung und auch andere Umstände dagegen sprechen. Ich bleibe weiter bemüht, die restlichen 5 Hilfsarbeiter ausfindig zu machen und so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen.
    In der Frage der Sekretärinnen bestehen keine Schwierigkeiten; sie sind in genügender Anzahl vorhanden.
    In der Frage der Räumlichkeiten des Bundesverfassungsgerichts teile ich völlig die Sorgen des Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und bin ebenso wie mein Herr Minister genau so unglücklich wie der Herr Präsident Professor Höpker-Aschoff, daß wir in dieser Frage nicht schneller vorwärtsgekommen sind. Das Bundesjustizministerium hat sich dieser Frage seit November vorigen Jahres angenommen, also bevor wir unsere gemeinsame Besprechung hatten. Die Dinge sind, wie ich Ihnen damals darzulegen versuchte, dadurch etwas kompliziert, daß das Land — damals Württemberg-Baden — den Ausbau zu finanzieren in Aussicht gestellt hatte und der Hauseigentümer mit dem Lande verhandelt hat. Wir haben bei jeder sich bietenden Gelegenheit bei dem Lande nachgestoßen. Die Verzögerung, die eingetreten ist, ist besonders durch den Übergangszustand verursacht worden, der infolge der damals schwebenden Bildung des Südwestlandes vorhanden war. Der Finanzminister des neuen Lan-


    (Staatssekretär Dr. Strauß)

    des Baden-Württemberg hat uns nunmehr aber zugesagt, sich bei seinem Kabinett dafür einzusetzen, daß das erforderliche Darlehen — darum handelt es sich — in Höhe von 250 000 DM so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt wird. Das Bundesjustizministerium kann von sich aus Mittel bekanntlich nicht zur Verfügung stellen, und man wird es nicht unverständlich finden, daß der Herr Bundesfinanzminister sich sträubt, Mittel dann zu gewähren, wenn ein Land bereits in Aussicht gestellt hat, die gleichen Mittel zu geben.

    (Abg. Dr. Greve: Das Bundesverfassungsgericht ist doch ein Bundesorgan, Herr Staatssekretär!)

    — Ja! Ebenso wie uns das Land Bayern etwa bei Bundesoberbehörden in seinem Bereich durch Zurverfügungstellung von Räumen geholfen hat und andere Länder das auch tun, ist es der Wunsch des Bundesfinanzressorts, daß in solchen Fällen die Länder, die durch Steuereinnahmen und Verkehrszunahmen Vorteile haben, bei der Unterbringung der Gerichte und Behörden mitwirken. Ich glaube nicht, daß hier das Bundesjustizministerium ein Vorwurf treffen kann.
    Die Lage bezüglich der Arbeitsräume für die Richter kenne ich persönlich, und sie beunruhigt mich sehr. Sie beunruhigt mich, nicht seit heute und gestern, sie beunruhigt mich seit vorigem September. Die von Ihnen mit Recht gerügten Zustände, daß nichtrichterliche Angehörige des Gerichts sich im Anfangsstadium — als allerdings die Arbeitslast der Richter für diese Herren noch nicht übersehbar war — einen etwas breiten Raum selber zur Verfügung gestellt haben, haben wir so schnell wie möglich abgestellt. Bei Beginn der Tätigkeit des Gerichts im Herbst 1951 standen drei normale Einzelarbeitsräume und sieben aushilfsweise benutzte Räume zur Verfügung. In den sieben aushilfsweise benutzten Räumen sitzen mehr als ein Richter, was unbefriedigend ist. Wir haben seit Anfang Mai vier weitere Einzelarbeitszimmer im Erdgeschoß durch Ausbau, der mit unseren Mitteln möglich war, erreicht. Das Endziel kann aber erst dann erreicht werden, wenn durch die Darlehnsgewährung durch das Land Baden-Württemberg der Ausbau des Erdgeschosses erfolgt ist, eine bauliche Arbeit, die wir dann mit allen zu Gebote stehenden Mitteln beschleunigen würden. Aber, meine Herren, ich bitte doch — aus den Erfahrungen der ganzen vergangenen Jahre, die die meisten von uns doch gemeinsam erlebt haben —, sich daran zu erinnern, daß beim Aufbau von Gerichten und Behörden — ich selbst habe es ja genügend oft durchexerziert — stets Schwierigkeiten bestehen, die sich nur allmählich lösen.
    Das gilt auch für eine Frage, die Sie nicht erwähnt haben, die ich aber auch als unbefriedigend bezeichnen möchte. Das ist die Wohnungsfrage. Ich glaube, das Bundesjustizministerium ist sogar bekannt dafür, daß es sich der Wohnungsfürsorge nicht nur für seine Angehörigen, sondern für die Angehörigen aller Instanzen, die es dienstlich, verwaltungsmäßig zu betreuen hat, besonders annimmt; das ist wiederholt anerkannt worden. Bis Oktober werden für alle Wohnungen vorhanden sein, mit Ausnahme der Professoren, die nur Ausweichzimmer oder Ausweichwohnungen benutzen und ihre eigentliche Wohnung an ihrer Universität behalten — das sind vier Herren —, und von zwei oder drei weiteren Herren, die Eigenheime bauen. Diese Frage wird also in absehbarer Zeit geklärt sein.
    Betroffen hat mich — verargen Sie es mir nicht, wenn ich das sage; ich weiß, daß dieser Eindruck auch in Karlsruhe besteht —, daß man gegen uns und damit gegen mich als den für die Haushaltsgebarung und Haushaltsdurchführung Verantwortlichen den Vorwurf erhebt, daß wir etwa mit Absicht Belange des Bundesverfassungsgerichts und seiner Angehörigen in dienstlicher oder persönlicher Hinsicht nicht hinreichend wahrnehmen. Ich bedaure, daß gewisse Spannungen entstanden sind. Ich will nicht leugnen, daß diese Spannungen entstanden sind. Sie sind vielleicht darauf zurückzuführen, daß wir uns nicht genügend häufig aussprechen. Insofern habe ich wahrscheinlich auch selber schuld. Aber Sie wissen, unter welchem Zeitdruck wir stehen. Ich möchte Ihnen, gleichzeitig für meinen Minister, die verbindliche Erklärung abgeben, daß uns niemals andere Erwägungen geleitet haben und leiten werden als die, in der Betreuung der Belange des Bundesverfassungsgerichts in verwaltungsmäßiger und dienstlicher Hinsicht das Äußerste zu tun, was wir können. Glauben Sie doch nicht, daß wir ein geringeres Interesse als die Mitglieder dieses Hauses daran haben, daß die Richter möglichst ungestört und ruhig arbeiten können. Ich kann mir ungefähr eine Vorstellung von der Arbeitsweise machen, die für einen Richter dieses Gerichts erforderlich ist. Er bedarf der Besinnung, er bedarf der Ruhe; er muß die technischen Mittel haben, die dazu notwendig sind. Was in dieser Beziehung noch nachgeholt werden kann, wird geschehen. Aber hier wie auch sonst so oft — ich bedaure, daß mein Kollege Herr Hartmann weggegangen ist, ich hätte es gern in seiner Gegenwart gesagt — ist das Bundesjustizministerium der Prügelknabe bzw. der Prellbock gegen-
    über dem Bundesfinanzministerium.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sie sollten in anderen Fragen, die Sie nicht erwähnt haben und über die ich gern bereit bin mit Ihnen noch persönlich zu sprechen, einmal unsere Akten ansehen, wie wir bei jeder Gelegenheit, mit meiner Unterschrift, uns bemüht haben, die Wünsche des Bundesverfassungsgerichts beim Finanzressort durchzusetzen.
    Auf der anderen Seite möchte ich zu bedenken geben, daß wir auch bei den Bundesverfassungsrichtern in verwaltungsmäßiger Hinsicht an Vorschriften gebunden sind. Wenn ich mich auch bemühe und zum Teil mit Erfolg bemüht habe, diese Vorschriften so weit wie nur irgend möglich auszulegen, so gibt es hier doch eine Grenze.
    Ich glaube, der Kern liegt doch etwas anders. Obwohl das nur mittelbar mit der großen Anfrage zusammenhängt, möchte ich es, zumal ich mich mit vielen Richtern von Karlsruhe über diese Dinge bei den verschiedensten Gelegenheiten ausgesprochen habe, am Rande doch einmal erwähnen. Ich kann mir vorstellen, daß es für einen Richter im Ersten Senat allmählich unerträglich wird, das Gefühl zu haben, soviel und so intensiv er auch arbeitet, er kommt durch die Aktenberge nicht durch. Der Grund hierfür — ich glaube das ganz objektiv feststellen zu können und zu sollen — liegt darin, daß die Zuständigkeiten durch Gesetz zwischen den beiden Senaten aufgeteilt worden sind und daß eine Änderung der Zuständigkeiten. die etwa dazu führen könnte — das haben wir ja damals bei unserer gemeinsamen Besprechung auch erörtert —, daß gewisse Zuständigkeiten von dem einen auf den anderen Senat verlagert werden oder daß man zu einer ganz anderen Regelung kommt, auch nur


    (Staatssekretär Dr. Strauß)

    durch Gesetz geschaffen werden könnte. Die Überlastung des Ersten Senats — in dem großen Umfang, in dem sie jetzt vorhanden ist und, ich glaube, eine geraume Zeit anhalten wird, ehe nicht gewisse grundsätzliche Fragen, etwa Fragen der Verfassungsbeschwerden, durch die Rechtsprechung vorab geklärt sind — werden wir auch nicht durch noch so fähige Hilfsarbeiter lösen können. Ich glaube, man muß vielmehr einmal den Mut haben, sich die Frage vorzulegen, ob man nicht doch an der Zuständigkeitsverteilung etwas ändern müßte, wenn man die Richter des Ersten Senats von dem beklemmenden Gefühl befreien will, daß quantitativ die Arbeit nicht zu schaffen ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Damit ist die Anfrage beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine Aussprache gewünscht wird.

(Zurufe.)

— Die Aussprache wird gewünscht. Die dafür erforderliche Stimmenzahl ist vorhanden. Ich empfehle nach den Vorschlägen des Ältestenrats eine Gesamtaussprachezeit von 60 Minuten. — Ich
nehme die Zustimmung des Hauses an.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Otto Heinrich Greve


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einigen wenigen Worten auf die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs des Bundesjustizministeriums eingehen. Nach seinen Ausführungen hat es sich tatsächlich so zugetragen — ich darf das unterstellen —, daß Bemühungen des Bundesjustizministeriums nicht zu verkennen sind, gewisse Schwierigkeiten, die bei der Arbeit des Bundesverfassungsgerichts aufgetreten sind, zu beheben. Aber, Herr Staatssekretär, es kommt uns nicht darauf an, ob Sie in diesem Falle nun der Prügelknabe sind und in Wirklichkeit Ihr Kollege Hartmann oder gar der Herr Bundesminister der Finanzen selber derjenige ist, der eigentlich angesprochen werden müßte. Das ist doch eine Angelegenheit, die Sie innerhalb der Bundesregierung abzumachen haben. Der Bundestag muß verlangen, gleichviel, wer zuständig ist, daß das Bundesverfassungsgericht in die Lage gebracht wird, die notwendig ist, damit seine Richter arbeiten können. Ob das das Bundesfinanzministerium oder das Bundesjustizministerium macht, ist für uns gleichgültig. Sie haben bisher die Federführung für das Bundesverfassungsgericht gehabt, deswegen mußten wir Sie auch ansprechen. Es war Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß von seiten des Bundesfinanzministeriums die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, und zwar so rechtzeitig, wie Sie sie benötigen, um die Arbeiten durchzuführen, die für die ordnungsmäßige Erledigung der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts durchgeführt werden müssen.
    Sie haben die Wohnungsfrage angeschnitten. Ich verkenne nicht, daß Sie sich auch da Mühe gegeben haben, die schwierigen Verhältnisse, die aufgetreten sind, zu beseitigen. In diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort zur Unterbringung von Bundesoberbehörden, Bundesgerichten usw. sagen. Wenn es sich darum handelt, derartige Behörden oder Gerichte in eine Stadt zu bekommen, werden vorher von den Magistraten und den Ländern Versprechungen gemacht, die so schön sind, daß man sich gar nicht vorstellen kann, wie es anders sein könnte. Wenn es aber dann nachher soweit ist, daß durch einen Beschluß des Bundestages oder durch eine Entscheidung der Bundesregierung die Behörden oder Gerichte in diese Stadt gelegt werden, kümmert sich von seiten der Gemeinde oder des betreffenden Landes kein Mensch mehr darum, wie die Schwierigkeiten zu beheben sind. Das haben wir schon beim Bundesgerichtshof erlebt, Herr Staatssekretär!
    Ich weiß, daß die Schwierigkeiten in der Unterbringung der Richter am Bundesgerichtshof heute noch nicht behoben sind und daß auch die Richter des Bundesverfassungsgerichts manche Wünsche haben, die — wir wollen es mal ruhig sagen — eigentlich nicht an die Adresse des Bundes gerichtet werden müßten, sondern an die Adresse des Magistrats der Stadt Karlsruhe bzw. an die Regierung des Landes -- jetzt — Baden-Württemberg. Ich will damit nicht zum Ausdruck bringen, daß das, was uns veranlaßt hat, diese Große Anfrage hier einzubringen, etwa vom Bundesjustizministerium abgeschoben werden könnte auf das frühere Land Württemberg-Baden, das jetzige Land Baden-Württemberg oder auf den Magistrat der Stadt Karlsruhe.

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Ja, ich weiß, Herr Kollege; mein Wunsch war es nicht, daß der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gekommen sind. Ich habe auch nichts dazu getan, daß das so geworden ist, Herr Kollege Leonhard. Sie wissen, meine Freunde und ich waren der Auffassung, daß sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht in eine andere Stadt kommen sollten. Die Mehrheit des Hauses hat aber so entschieden, und — wie sagt man so schön? — nun stehen wir vor dem Riß, nun müssen wir uns mit allen diesen Fragen beschäftigen. Das nur am Rande.
    Ein paar Worte noch, Herr Staatssekretär, zu dem, was Sie zuletzt gesagt haben, ohne daß die Möglichkeit gegeben ist, heute diese Frage in dem Umfang zu erörtern, der notwendig ist, um das Problem zu lösen. Ich bin mit der Absicht nicht auf die schwierige Zuständigkeitsfrage in der Verteilung Erster Senat - Zweiter Senat eingegangen. Sie wissen, daß in der vorgeschlagenen Änderung der Geschäftsverteilung des Bundesverfassungsgerichts, die Herr Präsident Professor Dr. Höpker-Aschoff Ihnen und uns zugeleitet hat, Ausführungen darüber gemacht sind und daß wir uns auch in der Besprechung am 7. Januar 1952 darüber unterhalten haben, daß beispielsweise der Herr Präsident des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Bedenken, die der Herr Präsident des Ersten Senats vorgetragen hat, nicht teilt. Das ist eine Angelegenheit, die man sich aber zunächst einmal ansehen sollte. Sie wissen, daß sowohl mein Freund Arndt wie auch die anderen Herren, die an dieser Besprechung teilgenommen haben — ich selbst auch —, zum Ausdruck gebracht haben, daß wir nicht abgeneigt sind, dann, wenn es sich wirklich als notwendig herausstellen sollte, auch insoweit eine Änderung des Gesetzes ins Auge zu fassen, daß wir uns aber nicht dazu verstehen konnten, schon einige wenige Monate nach Aufnahme der Arbeit des Bundesverfassungsgerichts das Gesetz gleich im Hinblick auf die Zuständigkeit des Ersten und des Zweiten Senats zu ändern. Herr Staatssekretär, wenn sich nach einer Zeit, die man heute vielleicht schon übersehen kann, herausstellen sollte, daß nicht nur unter Berücksichtigung der Anlaufschwierigkeiten des Gerichts, insbesondere beim Ersten Senat, sondern bei normaler Arbeits-


    (Dr. Greve)

    verteilung die im Gesetz vorgenommene Verteilung der Zuständigkeit zwischen Erstem und Zweitem Senat änderungsbedürftig ist, werden Sie uns auch unter denjenigen sehen, die für eine solche Änderung des Gesetzes sind. Dann wird man aber nicht nur auf Grund solcher Vorschläge, wie sie der Herr Präsident Dr. Höper-Aschoff uns in seiner Denkschrift gegeben hat, zu einer Änderung kommen können, sondern dann muß man natürlich auch Gesichtspunkte ins Auge fassen, die bei der Verteilung der Zuständigkeit durch den Bundestag bei der Verabschiedung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht eine Rolle gespielt haben. Es handelt sich da beileibe nicht um politische Gesichtspunkte, sondern darum, dann dafür zu sorgen, daß eine Gleichmäßigkeit sowohl der Aufgaben wie auch der Zuständigkeiten zwischen Erstem und Zweitem Senat beachtet wird.
    Ich glaube, Herr Staatssekretär, wir sollten heute davon absehen, die nach Ihrer Auffassung nicht glückliche Verteilung der Zuständigkeit dafür verantwortlich zu machen, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner Gesamtheit, insbesondere der Erste Senat, nicht so arbeitsfähig ist, wie wir es wünschten, und daß die Erledigung mancher anhängigen Sachen, insbesondere beim Ersten Senat, lange auf sich warten läßt. Dafür sind u. a. Gründe maßgebend, die mit Fragen zu tun haben, auf die der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts in seiner Denkschrift auch eingegangen ist. Ich glaube aber, Herr Staatssekretär, wir sollten darauf verzichten, diese Dinge heute zum Gegenstand der Erörterung zu machen.