Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Arndt hat zu Beginn seiner Ausführungen über die Vertretungsbefugnis des Präsidenten des Bundestages in Verfassungsrechtsstreitigkeiten Ausführungen gemacht, um eine Zerstörung der Institution des Präsidenten zu verhindern. Ich sehe mich darum veranlaßt, hier ein Kurzes dazu zu sagen. Es handelt sich bei dem gegenwärtigen Antrag und der Erörterung dieses Antrags nach meiner Überzeugung überhaupt gar nicht um die Frage, ob der Präsident oder andere Mitglieder des Bundestages den Bundestag vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten sollen, sondern es handelt sich hier ausschließlich um die Frage, ob der Bundestag überhaupt vor dem Bundesverfassungsgericht in diesem Verfassungsrechtsstreit vertreten sein soll.
Aber da nun zu dieser Frage der Vertretungsbefugnis des Präsidenten etwas gesagt ist, darf ich dazu in wenigen Sätzen meine Stellungnahme zum Ausdruck bringen.
Der Kollege Dr. Arndt hat die Berechtigung des Präsidenten, den Bundestag in Verfassungsrechtsstreitigkeiten zu vertreten, bestritten. Ich befinde mich in der angenehmen Lage, feststellen zu können, daß diese Frage bereits durch einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 1952, nämlich in dem Verfassungsrechtsstreit über die Gültigkeit des § 96 der Geschäftsordnung, auf Antrag des Herrn Kollegen Dr. Arndt entschieden worden ist, und zwar in folgendem Satz:
Der Präsident des Deutschen Bundestags kann in diesem Verfassungsrechtsstreit den Deutschen Bundestag vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten.
— Meine Damen und Herren, auf diesen Einwand, Herr Abgeordneter Dr. Arndt, war ich gefaßt. Da Sie damals eine Zwischenentscheidung beantragt haben, nämlich für das Verfahren, das damals anstand, konnte der Beschluß selbstverständlich nur für dieses Verfahren ergehen, und zwar nicht als Zwischenentscheidung, sondern als Beschluß in dem konkreten Verfahren über § 96 der Geschäftsordnung.
Im übrigen ist die Begründung, die das Bundesverfassungsgericht dafür gegeben hat, eindeutig, klar und allgemeingültig. Es heißt nämlich darin:
Das Bundesverfassungsgericht hatte nur die Vertretungsbefugnis nach außen zu prüfen. Die Befugnis des Bundestagspräsidenten ergibt sich aus § 7 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags vom 6. Dezember 1951. Sie muß auch für die Vertretung in Verfassungsstreitigkeiten gelten,
da die Geschäftsordnung eine besondere Regelung für solche Verfahren nicht trifft.
Es werden einige Entscheidungen des Staatsgerichtshofs in der Literatur zitiert.
Als Vertreter des Bundestags nimmt der Präsident vor dem Bundesverfassungsgericht die Anliegen des Bundestags als Gesamtheit und nicht die Anliegen einer Mehrheit wahr.
Er befindet sich dabei in keiner anderen Lage als ein Vertreter, den der Bundestag durch besonderen Beschluß bestellen würde.
Meine Damen und Herren, diese Begründung gibt fast wörtlich das wieder, was ich zur Begründung meines Standpunkts in dem Verfahren vorgetragen habe, im Gegensatz zu der Meinung des Herrn Kollegen Dr. Arndt. Wie damals nehme ich auch heute für mich nicht in Anspruch, in Verfassungsrechtsstreitigkeiten der allein mögliche Vertreter des Deutschen Bundestags zu sein. Ich habe damals wie Sie sich erinnern werden, die Vertretung in einem Verfahren, das wegen § 96 der Geschäftsordnung gegen den Deutschen Bundestag gerichtet war, übernommen, da ein Beschluß des Deutschen Bundestags über eine anderweitige Vertretung nicht vorlag,
und habe geglaubt, damit die mir nach der Geschäftsordnung obliegenden Pflichten zu erfüllen. Ich habe in dem Verfahren selbst vorgetragen, daß nach meiner Überzeugung eine anderweitige Regelung der Vertretung über § 129 der Geschäftsordnung möglich sei, und zwar als eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung einer Vorschrift der Geschäftsordnung. Der Geschäftsordnungsausschuß hat sich zu meiner Freude völlig auf den gleichen Standpunkt gestellt und hat in der eben zitierten Beschlußfassung vom 20. März 1952 — von diesem Tag ist das Schreiben — den Standpunkt vertreten, den Herr Dr. Arndt vorgetragen hat. Der Geschäftsordnungsausschuß hat — ich muß ihn insofern in Schutz nehmen — nicht für sich in Anspruch genommen, daß er diese Frage endgültig entscheiden könne, sondern er hat diese Meinungsäußerung als Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuß im Rahmen des § 129 der Geschäftsordnung abgegeben.
Ich habe dem Ältestenrat des Bundestags vorgeschlagen, die damit angeschnittene Frage nicht sofort, sondern erst bei einem auftretenden Fall zu entscheiden und die von Herrn Dr. Arndt gewünschte Entscheidung des Plenums herbeizuführen. Insofern befinde ich mich also in erfreulicher Übereinstimmung mit Herrn Kollegen Dr. Arndt, daß diese Frage nicht von dem Ausschuß, auch nicht vom Geschäftsordnungsausschuß, auch nicht vom Ältestenrat, auch nicht vom Präsidenten, sondern vom Plenum zu entscheiden ist.
Nun darf ich zu dem speziellen Fall etwas sagen, meine Damen und Herren. Ich habe wie in allen mir zugehenden Verfassungsbeschwerden oder anderen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht entsprechend einem Beschluß des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, der mir von dem Herrn stellvertretenden Vorsitzenden des Rechtsausschusses, nämlich dem Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Arndt, am 7. November 1951 zugeleitet worden ist, verfahren zu müssen geglaubt. In diesem Schreiben heißt es:
Gibt das Bundesverfassungsgericht durch Schreiben seines Präsidenten dem Bundestag Gelegenheit zur Äußerung, so wird, falls Sie, Herr Präsident, wie bisher diesen Vorgang dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht übermitteln, zunächst ein Mitglied des Ausschusses darüber referieren, ob der Streitfall überhaupt für den Bundestag von
Interesse ist und eine Äußerung des Bundestags über seine Beteiligung am Verfahren sich empfiehlt.
Kommt der Ausschuß auf Grund des Referates zu dem Ergebnis, daß der Bundestag an dem Streitfall kein Interesse hat, so wird er Sie, Herr Präsident, davon mit der Empfehlung unterrichten, die Sache als erledigt anzusehen. Nur wenn der Ausschuß auf Grund des Referates ausnahmsweise zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Stellungnahme des Bundestags erforderlich ist, wird er Sie bitten, die Sache auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen. Dann sollte der Berichterstatter des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht entweder im Plenum beantragen, ein Mitglied des Bundestags oder zwei mit einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht zu beauftragen — was in der Regel genügen wird —, oder wie im Südweststaat-Prozeß ein Mitglied des Bundestags oder mehrere zum Zwecke der Beteiligung am Verfahren, insbesondere mit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zu betrauen.
Ich habe die eingegangene Verfassungsbeschwerde der Frau Abgeordneten Albertz und Genossen dem Rechtsausschuß zugeleitet. Wie mir mitgeteilt worden ist, hat der Rechtsausschuß beschlossen, von einer Beteiligung an diesem Verfahren abzusehen.
— Herr Abgeordneter Arndt, es geht aus dem Protokoll des Rechtsausschusses des Bundestages hervor, daß dieser Ausschuß, wenn ich recht unterrichtet bin, in Abwesenheit der Herren Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion diesen Beschluß gefaßt hat.
— Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter Arndt. Ich habe das Protokoll gelesen. In einem Schriftsatz, den Sie dem Bundesverfassungsgericht eingereicht haben, ist aber ein Protokoll des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags wiedergegeben, in dem die Herren sozialdemokratischen Mitglieder nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts über die Vertretungsbefugnis erklärt haben, daß sie es ablehnten, sich als „Gehilfen des Bundestagspräsidenten" behandeln zu lassen, solange der Präsident des Bundestags für sich das Recht in Anspruch nehme, in Verfassungsstreitigkeiten gegenüber dem Bundesverfassungsgericht an Stelle des Bundestags Erklärungen abzugeben.
Meine Damen und Herren, ich habe niemals den Eindruck gehabt, daß ich dann, wenn ich einem Beschluß des Rechtsausschusses folge und ihm Eingänge in Verfassungsstreitigkeiten zuleite, auch nur in den Verdacht kommen könnte, Mitglieder dieses Ausschusses oder des Bundestags als „Gehilfen" zu benutzen, sondern ich habe entsprechend dem Beschluß des Rechtsausschusses um eine gutachtliche Äußerung gebeten, und die ist mir von dem Rechtsausschuß zugeleitet worden. Ich habe zu dieser Frage, die ich hier nicht weiter auszuführen brauche, gegenüber dem Rechtsauschuß Stellung genommen und gebeten, mir eine Entscheidung des Rechtsausschusses zuzuleiten, in welcher Weise er künftig solche Angelegenheiten
zu behandeln gedenkt. Ich werde gerne bereit sein, dem Plenum den Vorschlag zu machen, in entsprechender Weise zu verfahren.
Was hier heute zur Debatte steht, ist aber nicht die Frage, ob der Bundestagspräsident oder andere zu vertreten haben, sondern die Frage ist, ob auf Grund des Antrags, den die sozialdemokratische Fraktion gestellt hat, eine Beteiligung an dem Verfassungsrechtsstreit erfolgt. Zu einer Erklärung ist der Bundestag nicht verpflichtet, da er nicht unmittelbar Partei ist. Wenn der Bundestag keinen ausdrücklichen Beschluß faßt, sich in dieser Angelegenheit zu äußern, wenn er also etwa den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ablehnen sollte, habe ich als Präsident des Bundestags weder die Möglichkeit noch die Absicht, in irgendeiner Weise in diesem Verfahren für den Bundestag tätig zu werden.