Rede von
Friedrich
Rische
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kommunistische Bundestagsfraktion
stellt an die Spitze ihrer Stellungnahme zu diesem Lastenausgleichsgesetz das klare Bekenntnis zu einem politisch und sozial gerechten Lastenausgleich. Die Opfer des zweiten Weltkrieges, des Zusammenbruchs und der unsozialen Währungsreform
müssen ausschließlich auf Kosten der Schuldigen des zweiten Weltkriegs, der Kriegs- und Währungsgewinnler gerecht entschädigt werden.
Selbst bei der wohlwollendsten Betrachtung ist dieser sogenannte Lastenausgleich nicht geeignet, die Hoffnungen der Geschädigten auch nur annähernd zu befriedigen.
Im Gegenteil, dieses Gesetz ist nichts anderes als ein großangelegter Versuch, den Massen ein großes soziales Werk vorzutäuschen, um damit ihre Zustimmung zu der verderblichen Politik der Wiederaufrüstung und des Krieges zu erkaufen.
Sieben Jahre lang haben Millionen von Menschen vergeblich auf die Einlösung eines Versprechens gewartet. Am Tage der Währungsreform wurde das Versprechen eines sozialen Lastenausgleichs sogar in verbindlicher Form gegeben und seine Einlösung spätestens bis zum 31. Dezember 1948 in Aussicht gestellt. Vier Jahre lang wurden seitdem Sitzungen abgehalten, wurden Paragraphen gedrechselt und Aktenstöße gewendet. Aber es geschah nichts.
Es ist bezeichnend, daß diese Lastenausgleichsdebatte ausgerechnet zu dem Zeitpunkt aufgezogen wurde, in dem Adenauer hinter dem Rücken dieses Bundestags im forcierten Eiltempo die letzten Vorbereitungen für die Unterzeichnung eines Vertrages trifft. der für unser deutsches Volk eine Entscheidung im Sinne ungeheuerlicher wirtschaft-
licher und politischer Tribute, eine Entscheidung über Leben und Tod bedeuten würde.
Es erfüllt uns mit großer Sorge, daß dieses Gesetz
im Zeichen des Generalvertrags und, wie es in der
Regierungserklärung des Herrn Vizekanzlers
Blücher heißt, der unmittelbaren militärischen
Ziele der Regierungspolitik steht. Wir stellen darum fest, daß bei der in Bonn betriebenen Politik
der Aufrüstung und Kriegsreifmachung jede
Sozialpolitik über kurz oder lang unmöglich wird.
Die Lasten und die Folgen des zweiten Weltkriegs können nicht behoben werden, wenn im Zeichen des Generalvertrags der großen Masse der Bevölkerung unerhörte neue Lasten zur Vorbereitung des dritten Weltkrieges aufgebürdet werden. Der Generalvertrag wird in seinen finanziellen und finanzpolitischen Verpflichtungen dem ganzen deutschen Volke neue Milliardentribute auferlegen und das wirtschaftliche und soziale Geschehen rücksichtslos verändern. Alle gemachten Vorschläge, jede ernstgemeinte Politik der sozialen Sicherung unseres Volkes muß im Zeichen des Generalkriegsvertrags und seiner Auswirkungen letztlich unmöglich werden.
Flüchtlingsminister Dr. Lukaschek hat die Konsequenzen der Bonner Politik und somit auch dieses Gesetzes am Montagabend in Köln in einer eindeutigen Weise erläutert. Er forderte die Flüchtlinge auf, heute wieder bereit zu sein, Deutschland vor den slawischen Völkern zu schützen,
so wie es die deutschen Landsmannschaften 700 Jahre hindurch mit Erfolg getan hätten.
Er fügte hinzu, die Flüchtlinge sollten ihre Verteidigungsbereitschaft und ihren Pioniergeist einsetzen.
Das ist die neueste regierungsamtliche Erläuterung der von Hallstein bereits formulierten Eroberungspolitik bis zum Ural.
Das ist eine erneute offene Aufforderung zum Revanchekrieg. Wir sagen ganz klar: wer den Revanchekrieg predigt, Aufrüstungsmaßnahmen empfiehlt oder durchführt, kann keinen Ausgleich. der Lasten des letzten Krieges schaffen, sondern nur neue Lasten für den neuen Krieg.
Das zeigen schon Geist und Buchstabe des Gesetzes selbst. Es ist eindeutig darauf gerichtet, die wirklich Besitzenden, die Aktienbesitzer, die Kriegs- und Währungsgewinnler zu schonen. Fast zur Hälfte stammt das echte Aufkommen aus der öffentlichen Hand.
Was man jedoch der öffentlichen Hand nimmt, muß sich in Form neuer Belastungen in den Gemeinden, Kreisen und Städten zuungunsten der sozial Schwachen und somit der Masse der Geschädigten auswirken.
Dagegen ist die Belastung für die Großbesitzer bei diesem Gesetz viel niedriger als beim Soforthilfegesetz. Während die große Masse der Geschädigten mit geringen Almosen abgespeist wird, erhalten ca. 12 000 große Vermögensbesitzer, darunter die Besitzer von Vermögenswerten der oberschlesischen Schwerindustrie, weit über 400 Millionen DM aus diesem Lastenausgleichsfonds. Ich möchte für diese Feststellung die „Frankfurter Rundschau", eine angesehene bürgerliche Zeitung, zitieren:
Wer kein Vermögen an Geld, Wertpapieren oder Grundbesitz besaß, bekommt nichts, auch wenn er durch den Krieg Wohnsitz oder Existenz verlor, die früher ihn und seine Familie ernährten. Eine klägliche Hausratentschädigung ist der einzige, wenn auch kümmerliche soziale Lichtblick im herzlosen Dunkel der materiellen Quote.
Damit ist der unsoziale Geist dieses Gesetzes am besten charakterisiert.
Die kommunistische Bundestagsfraktion steht ausdrücklich zu ihren in der zweiten Lesung eingebrachten Anträgen.
Unsere Forderungen entsprechen den Wünschen
der Geschädigten wie auch den berechtigten Sorgen
der großen Masse der durch dieses Gesetz zu belastenden kleinen Besitzer. Ich möchte hier eindeutig erklären, daß die von uns aufgestellte Belastungshöchstgrenze von 40 000 DM im Hinblick
auf die gesamte Belastungspolitik gerechtfertigt ist.
Die Vermögensheranziehung, gestaffelt nach den Gesichtspunkten der stärkeren Belastung des großen Besitzes, ist die einzige sozial vertretbare Konsequenz überhaupt.
Das vorliegende Gesetz belastet jedoch die kleinen Besitzer, die Eigentümer von Siedlungshäusern, darunter Bergarbeiter, ferner Handwerksbetriebe, Winzer und Bauern mit ihren Grundstücken, also Menschen, die im Zeichen der Kriegsvorbereitungen unter der Last der Steuern, Abgaben und Zölle bereits sehr schwer stöhnen, während durch die Investitionspolitik die Urheber des zweiten und die Vorbereiter des dritten Weltkrieges ausdrücklich mit Milliardenbeträgen belohnt werden.
Man hat im Verlauf der Debatte unsere Vorschläge und unsere guten Argumente durch Hinweise auf die Lösung des Flüchtlingsproblems in der Deutschen Demokratischen Republik
zu entkräften versucht. In der Deutschen Demokratischen Republik wurden allein 95 000 Flüchtlinge und insgesamt 500 000 sonstige landlose Menschen mit Grund und Boden versorgt.
Eine Reihe von Gesetzen der Regierung sieht darüber hinaus die politische und soziale Gleichstellung der Ausgesiedelten mit allen Bürgern vor. Diese Gleichstellung ist heute — nach einigen Schwierigkeiten der Nachkriegszeit — vollends erreicht.
Ja, es ist heute so, daß die Menschen der Deutschen Demokratischen Republik ihren Grund und Boden, ihre erworbene Gleichstellung, ihren individuellen und ihren volkseigenen Besitz gegen alle
Angriffe, woher sie auch kommen mögen, mit Entschlossenheit verteidigen werden.
Die stärksten Stützen der demokratischen Ordnung sowie der politischen und sozialen Gesetzlichkeit sind die ehemaligen Flüchtlinge, Bauern und Arbeiter, die sich gegen die Expansionsbestrebungen reaktionärer militaristischer Kreise der Bundesrepublik und gegen jeden Anschlag auf ihre errungene soziale Ordnung mit a 11 e n Mitteln zur Wehr setzen werden. Niemand sollte sich darum wundern, wenn das Volk in der Deutschen Demokratischen Republik die notwendigen Maßnahmen zur Verteidigung der demokratischen Ordnung ergreift.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die besten Voraussetzungen für einen sozial gerechten Ausgleich aller Schäden in einem friedlichen, wiedervereinigten demokratischen Deutschland gegeben sind.
Wir sagen ganz klar, daß die Geburtsurkunde eines wirklichen Lastenausgleichs die Urkunde über einen gerechten Frieden für unser ganzes Volk in Ost- und Westdeutschland sein würde.
Gerade in dieser Stunde müssen darum alle Versuche unternommen werden, über die Durchführung freier Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung
eine deutsche Regierung als Vertragskontrahenten zu schaffen. Wenn man ernstlich will, gibt es überhaupt keine Schwierigkeit, dies morgen schon zu verwirklichen; dazu bedarf es keines umständlichen Notenkrieges. Die Konsequenz bleibt aber auch: der Generalvertrag darf nicht unterzeichnet werden! Wir Kommunisten freuen uns ehrlich auf den Tag, an dem wir in einem friedlichen wiedervereinigten Deutschland nach Abschluß eines gerechten Friedensvertrages mit allen demokratischen Kräften unseres Volkes ein großzügiges Programm des Wiederaufbaus durchführen können. Im Rahmen eines friedlichen Wiederaufbaus, im Rahmen eines ungehinderten Einsatzes unserer friedlichen Wirtschaftskräfte im Export sowie im innerdeutschen Handel ergeben sich alle Möglichkeiten, um unsere Industrie auf volle Touren zu bringen. Statt Stahl für Panzer
den Friedensstahl für den sozialen Wohnungsbau, um den Wiederaufbau unserer Städte und Kulturstätten in Angriff zu nehmen! Dieses Deutschland wird blühen, wird fruchtbare Acker und blühende Gemeinwesen haben
und damit zu gleicher Zeit die gesündeste Grundlage abgeben für soziale Sicherheit, für die Eingliederung der Opfer des zweiten Weltkrieges in ein gesundes, soziales und demokratisches Staatswesen.
Uns hat es auch sehr befremdet, daß die sozialdemokratische Fraktion im Rahmen der Debatte über dieses Gesetz in vielen kleinen und großen Fragen, die sich ergaben, dieses große gemeinsame Grundprinzip aller kleinen Leute und aller wahrhaften Deutschen nicht konsequent zum Ausdruck brachte.
Jegliche Tolerierung der von Bonn aus betriebenen verderblichen Politik muß sich verderblich auch auf die deutsche Sozialdemokratie auswirken.
Dies gilt sowohl für das Lastenausgleichsgesetz als auch für das angedrohte Wahl-, Parteien- und Versammlungsgesetz, ganz zu schweigen von dem Betriebsverfassungsgesetz,
das auf den kampfentschlossenen Willen der Arbeiterschaft stößt. Die deutsche Sozialdemokratie steht an einem geschichtlichen Wendepunkt.
Sie muß sich heute in den kleinen wie in den großen Schicksalsfragen
eindeutig bekennen gegen Bonn, gegen Adenauer, aber kämpfen für Deutschland und für den Frieden.
Geredet, möchte ich sagen, ist auf seiten der Sozialdemokratie heute genug. Die Mitglieder der Sozialdemokratie und die Mitglieder der Gewerkschaften verlangen aber von dieser Sozialdemokratischen Partei entscheidende Taten.
Man hat von seiten der Regierungskoalition gesagt, man beabsichtige, dieses Gesetz später durch Novellen zu verbessern. Wir erklären schon heute, daß mit der Unterzeichnung des Generalkriegsvertrages diese hier geöffnete Tür nichts anderes bedeutet, als die kläglichen Bestimmungen auch dieses Gesetzes im gegebenen Zeitpunkt noch weiter zu verschlechtern.
Die kommunistische Fraktion sieht sich darum nicht in der Lage, die Verantwortung für ein solches Gesetzgebungswerk zu übernehmen. Wir lehnen dieses Gesetz ab,
werden aber, soweit es sich um einzelne positive Bestimmungen handelt, diese mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln mit der Masse der Geschädigten gegen unweigerlich kommende Angriffe verteidigen.
Wir sagen aber allen klipp und klar: der gerechteste Lastenausgleich
ist der Friedensvertrag. Die gesündeste Grundlage
für soziale Gleichstellung und sozialen Wohlstand
ist ein friedliches, wiedervereinigtes Deutschland.
Ein gerechter Lastenausgleich — jawohl, aber Sicherung durch einen Friedensvertrag in einem wiedervereinigten demokratischen 'Deutschland.
— Warum denn unter kommunistischer Führung? Machen Sie doch mit!