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ID0121104700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 211. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1952 9255 211. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1952 Geschäftliche Mitteilungen . . . . 9256B, 9262C Eintritt des Abg. Moosdorf in den Bundestag 9256C Begrüßung des Abg. Bazille nach seiner Genesung 9256C Austritt des Abg. Wittmann aus der Fraktion der DP/DPB 9256C Einspruch des Abg. Loritz gegen den ihm in der 210. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 520) 9256C, 9258B Beschlußfassung 9258C Ausscheiden des Abg. Dr. Schäfer aus der deutschen Delegation zur Beratenden Versammlung des Europarats und Zuwahl des Abg. Dr. Freiherrn von Rechenberg 9256D, 9262C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes und der Verbrauchsteuergesetze 9256D Gesetz über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln 9256D Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 9257A Bericht des Bundesministers der Justiz über die Angelegenheit des tschechoslowakischen Staatsangehörigen Frantisek Kroupa (Nr. 3368 der Drucksachen) 9257A Bericht des Bundeskanzlers über den Ausbau der Bundesstraßen 51 und 54 (Nr. 3357 der Drucksachen) 9257A Bericht des Bundeskanzlers über das Freiburger Flugplatzprojekt (Nr. 3358 der Drucksachen) 9257A Zwischenbericht des Bundeskanzlers über die Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nr. 3359 der Drucksachen) 9257A Ergänzende Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit zur Anfrage Nr. 231 der Fraktion der SPD betr. Möglichkeiten der Einberufung einer europäischen Regionalkonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (Nrn. 2826, 2895, 3046, 3366 der Drucksachen) 9257A Kleine Anfrage Nr. 260 der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen gegen Besatzungsnotstände in Bad Oeynhausen (Nrn. 3299, 3367 der Drucksachen) . . . . 9257B Kleine Anfrage Nr. 263 der Abg. Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Wertpapierbereinigung (Nrn. 3309, 3361 der Drucksachen) 9257B Zur Tagesordnung 9257B Antrag der Gruppe der KPD auf Aufsetzung eines Antrags auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses betr. Überprüfung der Vorgänge in Essen am 11. Mai 1952 auf die Tagesordnung . 9257C Renner (KPD) 9257C Unterbrechung der Sitzung . . . 9258B Widerspruch gegen Aufsetzung 9258B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufnahme eines Kredits durch den Bund im Rahmen der von den Vereinigten Staaten gewährten Wirtschaftshilfe (Nr. 3333 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 3345 der Drucksachen) 9258C Dr. Semler (CSU), Berichterstatter . 9258C Wehner (SPD) ' 9259C Abstimmungen 9259C, 9260A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz — TZAndG —) (Nr. 3217 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 3337 der Drucksachen) 9260A Meyer (Hagen) (SPD), Berichterstatter 9260B Abstimmungen 9261B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Nr. 3354 der Drucksachen) 9261C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 9261C Beschlußfassung 9262B Unterbrechung der Sitzung . . . 9262C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800, z u 1800, 3300, z u 3300 der Drucksachen, Umdruck Nr. 490); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 515; Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 516 bis 519, 521 bis 534) 9262D Zur Geschäftsordnung: Schütz (CSU) 9262D Unterbrechungen der Sitzung . . 9262D Allgemeine Beratung: Ollenhauer (SPD) 9263A Kriedemann (SPD) 9265D, 9292B Kunze (SPD) 9269A Schütz (CSU) .9271B Dr. Kather (CDU) 9273D Dr. Keller (Fraktionslos) 9275D Rische (KPD) 9277C Dr. Atzenroth (FDP) 9280A Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 9281A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 9283A von Thadden (Fraktionslos) 9284C Dr. Reismann (FU) 9285D Loritz (Fraktionslos) 9288C Farke (DP) 9290B Dr. Ott (DP-Gast) 9291B Weiterberatung vertagt 9292C Ausschluß des Abg. Renner für 20 Sitzungstage 9292C Nächste Sitzung 9292D Die Sitzung wird um 9 Uhr 5 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Linus Kather


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der dritten Lesung dieses Gesetzes erscheint es mir angebracht, noch einmal auf einen Punkt hinzuweisen, der auch in der Präambel angesprochen ist, nämlich darauf, daß I das Lastenausgleichsgesetz und der damit erstrebte


    (Dr. Kather)

    Zweck, die Eingliederung der Vertriebenen, in keinem Widerspruch steht zu unserm Anspruch und unserm Recht auf die Heimat. Im Gegenteil, wir sind der Überzeugung, daß die Rücksiedlung, wenn wir sie eines Tages vornehmen können, mit Erfolg nur durchgeführt werden kann, wenn die körperliche, seelische und auch die wirtschaftliche Substanz der Vertriebenen erhalten geblieben ist,

    (Sehr richtig! bei der CDU)

    und das kann nur geschehen, wenn sie in die westdeutsche Wirtschaft eingegliedert werden.
    In der Präambel ist auch das Wort von dem Anspruch enthalten und das Wort „Rechtsanspruch" vermieden. Ich möchte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen und möchte mich auch durch keine Kritik davon abhalten lassen, noch einmal herauszustellen, daß wir einen Rechtsanspruch auf eine gerechte Verteilung der Kriegs- und Kriegsfolgelasten zu haben glauben. Wir sind durchaus für die Ausgestaltung des Lastenausgleichs nach sozialen Gesichtspunkten und haben uns diesen Anforderungen auch nicht verschlossen; aber es darf nicht in die Umkehr gegangen werden, als ob der Rechtsanspruch überhaupt nur noch etwas ist, das ganz hinten rangiert und auf das angewiesen ist, was übrigbleibt. Ich habe schon neulich gesagt, daß gerade die Höchstgrenze, die Entschädigung von 15.000 DM, uns eine Negation nicht nur des Rechtsanspruchs, sondern auch des Begriffs vom Privateigentum zu sein schiene, auch wenn man da nur an mittlere Vermögen dachte. Herr Kriedemann hat heute vorgetragen, daß für 50 000 oder 52 000 Menschen eine Milliarde aufgewendet werden solle. Ich glaube, die Zahl ist etwas zu hoch gegriffen. Aber, meine Damen und Herren, wenn man von dem Gesamtaufkommen von 60 Milliarden ausgeht und dann zu der Konsequenz kommt, daß davon 59 Milliarden für kleine und mittlere Vermögen Verwendung finden sollen und eine Milliarde für größere Vermögen, dann scheint mir das auch kein sicherer Beweis für eine asoziale Haltung zu sein.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien. — Abg. Pelster: Außerdem ist es nur behauptet!)

    Meine Damen und Herren, der Lastenausgleich nach unseren Begriffen schließt die Forderung nach einer echten Vermögensumschichtung, nach einem Eingriff in die Substanz ein; denn sonst kann man nicht von einer Neuverteilung des Zufallsbesitzes, wie ihn der Krieg übriggelassen hat, sprechen. Es ist festzustellen, daß im Gesetz, wie es uns jetzt in der Fassung der zweiten Lesung vorliegt, davon nichts zu finden ist. Der von uns gestellte Antrag, daß gewisse Abgabepflichtige eine anderthalbfache statt der einfachen Annuität zahlen sollen — das war das letzte, was man als direkten Eingriff in die Substanz wohl ansehen konnte —, ist abgelehnt worden. Man hat die Form der Vermögensteuer gewählt und hat die Abgabe auf 30 Jahre verrentet. Wir stehen damit vor der Tatsache, daß der Lastenausgleich von einer falschen Grundkonzeption ausgeht, nämlich von der Verrentung auf 30 Jahre, und dann doch für die Abgabe ein Stichtagvermögen zugrunde lest. Das ist -bei so langer Zeitdauer nicht sinnvoll. Es ist unzweifelhaft, daß nach 30 Jahren — schon ein sehr viel kürzerer Zeitraum wird das erweisen — diese Vermögen sich fast ganz oder zum großen Teil verflüchtigt haben werden. Deshalb ist für die Vertriebenen nach meiner Auffassung diese Konzeption, die sich in diesem Stadium leider nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg angreifen läßt, nur tragbar, wenn diese Mängel durch eine starke Vorfinanzierung ausgeglichen werden und dadurch der Bedarf für die ersten Jahre sichergestellt wird.

    (Richtig! bei der CDU.)

    Wir haben diesen Bedarf für die ersten Jahre — ich brauche das hier nicht zu sagen —, sonst kommt für allzu viele die Hilfe zu spät.
    Die Bilanz sieht traurig aus; daran ist kein Zweifel möglich. Darüber wollen wir aber nicht verschweigen oder_ übersehen, daß dieses Gesetz auch wesentliche Verbesserungen bringt. Ich nenne nur zwei: die Kriegsschadenrente und die Hausratentschädigung. Die Hausratentschädigung ist natürlich für die Forderungen, die von unseren Leuten gerade in dieser Hinsicht erhoben werden, auch dann unbefriedigend, wenn 500 Millionen im' Jahr dafür zur Verfügung gestellt werden. Aber vergleicht man diese Zahl mit dem, was bisher gegeben worden ist, so ist fraglos ein Fortschritt festzustellen.
    Schlechter sieht die Situation für eines unserer ersten Anliegen aus, nämlich für die produktive Eingliederung der Vertriebenen. Auch darüber brauche ich nichts mehr zu sagen, nachdem ich neulich auf die Notlage der Bauern, der Gewerbetreibenden usw. hingewiesen habe, die endlich wieder einen Start machen wollen. Nach der Rechnung, die uns aufgemacht ist, haben wir im ersten Jahre 200 Millionen für die Eingliederungshilfe. Diese 200 Millionen sind wegen der Übergangsschwierigkeiten noch mit einem kleinen Fragezeichen versehen. Ich glaube aber, daß sich das kassenmäßig überwinden lassen wird. Damit ist jedoch der Bedarf, den wir auf eine Milliarde pro Jahr in den ersten drei Jahren beziffert haben, nicht gedeckt. Er kann nur auf zwei Wegen gedeckt werden: durch Erhöhung der Abgabe und Vorfinanzierung.
    In der Frage der Heranziehung der öffentlichen Hand können wir uns der Auffassung der Sozialdemokratischen Partei nicht anschließen, einfach aus der Tatsache heraus, daß wir jetzt schon zu wenig Gelder haben.

    (Zuruf des Abg. Kriedemann.)

    — Ja, Herr Kriedemann, wir können es nicht machen wie der Bundesrat, der auf der einen Seite durch Erhöhung der Ausgaben um 300 Millionen den Topf geschmälert und auf der anderen Seite — um das „auszugleichen" — die Einnahmen um 300 Millionen gekürzt hat.

    (Vizepräsident Dr. Schäfer übernimmt den Vorsitz.)

    Ich glaube aber auch — ich sagte das heute schon —, daß ein Grund vorliegt, die öffentliche Hand insoweit heranzuziehen, denn sie hat echte Ersparnisse. Kein Vertriebener wird meiner Auffassung nach das Gefühl haben, daß er nun doch Wohlfahrtsempfänger ist, wenn die öffentliche Hand diese 250 Millionen zurückgibt. Denen ist das vollkommen egal; Hauptsache, daß sie selbst nichts mit dem Wohlfahrtsamt zu tun haben und daß sie einen Rechtsanspruch haben.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wir haben in der zweiten Lesung vier Vorschläge zur Erhöhung des Aufkommens gemacht: Vermögensteuer, Erhöhung der Abgabe bei Landwirtschaft und Hausbesitz um 1 %, Heranziehung des Hausratsvermögens und des Kirchenvermögens. Den Antrag auf Heranziehung des Hausratsver-


    (Dr. Kather)

    mögen haben wir in zweiter Lesung zurückgezogen. Ich möchte den Grund dafür angeben: wir haben diese Forderung, die wir für gerechtfertigt halten, nicht aufgegeben; wir wollten aber, nachdem feststand, daß die Mehrheitsparteien und die Opposition diesen Antrag nicht unterstützen, das Haus nicht damit aufhalten. Wenn ich jedoch Unterstützung bekomme, dann könnten wir darüber reden.
    Wir haben Vorschläge für die Vorfinanzierung gemacht. Im Gesetz haben wir den Bonus. Es ist uns zugesagt worden — allerdings bisher nicht in verbindlicher Form —, daß der Weg über den 7 d gegangen werden soll. Unser Antrag sieht weiter eineinhalbfache Annuitäten, steuerliche Vergünstigungen und die Möglichkeiten von Anleihen vor. Man braucht nicht alle diese Wege zu gehen, aber man sollte sie doch insoweit gehen, daß unser Rechtsanspruch und das Bedürfnis für die ersten Jahre wenigstens annähernd gedeckt wird.
    Meine Damen und Herren von der Koalition, wäre es nicht eine reizvolle Angelegenheit, Herrn Kriedemann einmal den Nachweis zu erbringen, daß es doch manchmal ganz gut ist, wenn sich einer auf dem Marktplatz hinstellt und schreit?

    (Abg. Heiland: Er wird nur heiser dabei! — Heiterkeit.)

    — Ich bin nicht davon heiser geworden, denn ich habe letzten Sonntag den Marktplatz ängstlich gemieden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich habe auf diesen beiden Kundgebungen eine
    Vorfinanzierung von etwa 3 Milliarden für die
    ersten drei Jahre gefordert. Es wäre doch sehr
    schön, wenn sich bei dieser Gelegenheit im Bundestag herausstellte, daß ich damit nichts Unmögliches
    gefordert habe, und wenn Sie diese Forderung uns
    wenigstens in etwa bewilligten. Herrn Kriedemann
    muß ich aber sagen, daß das echte Anliegen und
    die echte Not, die uns zu dieser Demonstration gezwungen haben, mit derartigen Vokabeln kaum
    richtig gewürdigt und von den Vertriebenen — —

    (Abg. Kriedemann: Da müssen Sie anders reden! Diese Vokabeln nützen den Leuten nichts!)

    — Tun Sie das ruhig, Herr Kriedemann; aber Sie tun sich damit keinen Dienst.
    Der Vergleich der Leistungen aus dem Lastenausgleich mit den Leistungen zum Wehrbeitrag drängt sich geradezu zwangsläufig auf. Es wird immer so sein, daß die Vertriebenen und die anderen Geschädigten sagen: Dort ist in einem Jahr mehr da als für uns in drei Jahren! Oder man wird sagen: Die eine Milliarde, die wir für die produktive Eingliederung haben wollen, bekommen wir nicht, aber für den Wehrbeitrag ist fast die gleiche Summe in einem Monat zu zahlen! Meine Damen und Herren, der Zusammenhang kann auch gar nicht in Abrede gestellt werden. In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf ist ausdrücklich gesagt, daß jede Leistung aus dem Lastenausgleich einen echten Beitrag zur Verteidigung darstellt. Der Herr Bundeskanzler hat das von dieser Stelle am 7. Februar betont und sogar von einem Vorrang der sozialen Leistungen gesprochen. Ich glaube auch, daß die Erkenntnis, daß das eine ohne das andere — und das gilt für beide — wenig sinnvoll ist, Allgemeingut und unbestritten ist.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Deshalb sollten wir die Relationen und Vergleiche
    der Größenordnungen sehr ernst nehmen. Denn die
    Leute, die auf den Lastenausgleich warten, werden
    diese Vergleiche anstellen und sie werden das alles sehr ernst nehmen. Ich glaube, daß die Bundesregierung gerade diesem Gesichtspunkt in den Verhandlungen mit den Westmächten eine besondere Bedeutung und eine besondere Aufmerksamkeit beimessen sollte. Nur wenn wir den sozialen Frieden durch dieses Gesetz gewinnen, hat ein Verteidigungsbeitrag Sinn und Zweck.
    Die Vertriebenen haben — das ist ebenfalls nicht zu bestreiten — einen großen Anteil an dem Aufbau der westdeutschen Wirtschaft.

    (Abg. Schütz: Sehr richtig!)

    Leider ist auch nicht zu bestreiten, daß dieser Anteil größer an der Arbeit war als am Gewinn. Wir sollten auch eines nicht außer acht lassen; auch was aus dem Lastenausgleich den Geschädigten zugute kommen wird, wird letzten Endes wieder der gesamtdeutschen Volkswirtschaft zugute kommen. Wir dürfen gerade in dieser Stunde die Gesamthaftung des deutschen Volkes — das ist heute schon einmal angedeutet worden — für einen gemeinsam geführten und verlorenen Krieg nicht außer acht lassen. Wenn man aber diesen Gesichtspunkt wirklich bewertet und berücksichtigt, dann kann man nicht zu dem Ergebnis kommen, hier sei etwas ex caritate zu bewilligen. Hier ist vielmehr ein echter Anspruch auf Entschädigung festzustellen, das wollen wir nicht außer acht lassen. Der Deutsche Bundestag darf gerade bei dieser Frage nicht versagen. Ich bitte doch einmal zu überlegen, ob es nicht möglich ist, durch eine Erhöhung des Aufkommens, z. B. durch die Heranziehung des Stichtagvermögens zur Vermögensteuer und durch ins Gewicht fallende Vorfinanzierungsmaßnahmen, den Geschädigten wenigstens für die ersten drei Jahre den Betrag zu geben, den sie zur Eingliederung ihrer Schicksalsgenossen brauchen und den ja auch das ganze deutsche Volk braucht. Denn letzten Endes ist nichts so teuer wie das Geld, das für Arbeitslose dahingegeben wird.

    (Abg. Schütz: Sehr richtig!)

    Mit Deklamationen und der Aussicht auf Novellen können wir uns allerdings nicht abfinden. Es müßten dann schon konkrete Vorschläge hierzu gemacht werden. Es geht hier schließlich um mehr als Geld und Geldeswert.
    Meine Damen und Herren, ich habe die herzliche Bitte gerade an die Mehrheit des Hauses — denn sie ist kraft ihrer Mehrheit für das Gesetz verantwortlich —: prüfen Sie, wie das heute schon von anderer Seite gefordert wurde, noch einmal ernsthaft die Situation! Prüfen Sie wirklich ernsthaft die Möglichkeiten, die die deutsche Wirtschaft hat, und geben Sie uns einen Lastenausgleich, zu dem auch wir ja sagen können!

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD. — Abg. Kriedemann: Wo sind die Anträge? — Abg. Dr. Kather: Die kommen, die sind noch in der Bearbeitung! — Gegenruf von der SPD: Das freut uns!)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Keller, BHE.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilfried Keller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (Fraktionslos)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was mir in dieser Debatte zu sagen zufällt, entspringt einer besonderen Situation. Was ich darin gemeinsam auch für die leider verhinderten Kollegen Tichi und Fröhlich zu sagen habe, steht nicht nur für die Stimme eines heute allein vor Ihnen stehenden Mitglieds dieses Hohen Hauses, sondern es hat auch für diejenigen zu


    (Dr. Keller)

    stehen, die draußen heute schon in fünf Länderparlamenten nicht unwesentlich in Erscheinung
    getreten sind, die heute schon in vier Landesregierungen Verantwortung übernommen haben und
    seit geraumer Zeit tragen und denen lediglich im
    Jahre 1949 ein dem Grundgesetz einwandfrei
    widersprechender Lizenzzwang von äußerer Seite
    verwehrt hat, so in Erscheinung zu treten, wie es
    nach demokratischen Grundsätzen ihr Recht und
    — wie sie meinen — ihre Pflicht gewesen wäre.

    (Zuruf rechts: Loritz!)

    In diesem Sinne darf ich Ihnen für den BHE, den Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten, die Meinung dieser Gruppe unterbreiten.
    Ich möchte vorausschicken, daß der BHE in dem uns vorliegenden Gesetzentwurf, wie er sich im Augenblick darstellt, nicht einen wirklichen und nicht einen echten Lastenausgleich erblicken kann und daß selbst bei dem Bemühen, die Dinge vollkommen objektiv zu betrachten, wir den Eindruck einer — wie es hier einmal dargestellt worden ist — ungeheuren Finanztransaktion nicht teilen können. Gerade, wenn man neu in dieses Haus tritt, drängt sich einem unwillkürlich der Eindruck einer ungeheuren Finanzmanipulation auf, bei der unter zunächst äußerst eindrucksvollen großen Zahlen im Effekt doch nicht erreicht wird, was, wie oft erklärt worden ist, allen Gutwilligen hier vorgeschwebt hat. Der Bundesvorsitzende des BHE, Minister Waldemar K r a f t, hat die Dinge einmal in eine, wie ich meine, sehr einfache und treffende Formulierung gekleidet, indem er gesagt hat, daß ein gemeinsam verlorener Krieg, der gemeinsam geführt und gemeinsam verloren worden ist, nun auch in seinen Folgen gemeinsam getragen werden müßte. Er hat das Wort von der gemeinsamen Zeche gebraucht, die gemeinsam bezahlt werden sollte.

    (Abg. Kriedemann: Das ist ganz gut!)

    Der Entwurf, der vor uns liegt, wird diesen Dingen in keiner Weise gerecht. Um einige Einzelheiten herauszugreifen: von der schnellen Hilfe, von der gleichfalls hier schon oft gesprochen worden ist, kann nicht die Rede sein. Gerade bei den Sparten, die einer besonders schnellen Hilfe bedürfen, auf dem Gebiet der produktiven Eingliederung, die neue Werte mit schaffen helfen soll, auf dem Gebiet der Hausratsentschädigung — dem Dringendsten und Notwendigsten vielleicht wird der Entwurf den Erfordernissen nicht gerecht und verlagert darüber hinaus ganz allgemeine soziale Aufgaben, die der öffentlichen Hand auch ohne einen Lastenausgleich nun einmal zugefallen wären und ihr obgelegen hätten, auf den Lastenausgleich, wobei ich besonders etwa an die Fragen der Wohnraumbeschaffung und der Arbeitsplatzbeschaffung denke — allgemeine Probleme, die noch zu allen Zeiten immanent gewesen sind und vor uns gestanden haben.
    Wir erblicken weiter einen wesentlichen Mangel dieses Entwurfs darin, daß in diesem Gesetz bei der vollkommen willkürlichen Festsetzung eines Stichtages ganz übersehen worden ist, daß seit diesem Stichtag Milliarden, ungezählte Milliarden von Investitionen sich neu im Volksvermögen ergeben haben, nicht nur geschöpft und beileibe nicht nur allein geschöpft aus der Hilfe des Auslandes, sondern, wie es heute bereits Statistiken einwandfrei ausweisen, geschöpft aus der deutschen Wirtschaftssubstanz selbst und nicht zuletzt geschöpft aus den summierten und dann doch ein Großes gebenden unzähligen Pfennigen des Konsumenten, die dazu beigetragen haben, daß neue erhebliche Investitionen getätigt werden konnten. Der Entwurf macht nach unserer Auffassung zu seiner wesentlichen Grundaufgabe eine scheinbare Vermögensabgabe, die in Wirklichkeit doch nur eine sehr milde und noch dazu vom verwaltungsmäßigen und finanzwirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen manchmal geradezu unsinnig anmutende Vermögensteuer darstellt. Letzten Endes läßt er in der Erfassung und Berechnung des zu erhebenden Aufkommens Möglichkeiten zu, daß das Aufkommen nicht so eingeht, wie es sich uns von den Statistiken her präsentiert. Auf der andern Seite, wenn es z. B. darum geht, daß der kleine Arbeiter mit der Lohnsteuer seinen Tribut an die Gesamtheit leistet, pflegt man die Erhebung ganz anders zu handhaben.
    Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, man sollte nicht sagen, daß es nicht anders ginge. Es gibt, Gott sei Dank, möchte ich sagen, heute schon Beispiele — nicht weit von uns — in der Welt dafür, daß es wirklich anders geht, wenn man wirklich anders will. Ich glaube sagen zu dürfen, daß das Beispiel der kleinen, tapferen und klugen Nation der Finnen im Norden unseres Erdteils heute schon dafür steht, wie man einen Lastenausgleich vollziehen kann, wenn man die Notwendigkeit dazu erkennt. Ich möchte sagen, daß Finnland nach dem Jahre 1945 im wesentlichen vor derselben Titanenaufgabe gestanden hat wie wir in Deutschland leider auch. Dort hat man aber die Dinge ernster genommen. In Finnland hat man nachweisbar heute schon jedem Geschädigten gerade in den untersten Grenzen — ich sage das, um auch einmal den sozialen Wünschen eines Teils dieses Hauses das Wort zu reden — volle Entschädigung bis zum Vergleichswert von 42 000 DM gewährt. Finnland .ist an diesen Dingen nicht zugrunde gegangen, sondern Finnland lebt und scheint einer wirtschaftlichen Gesundung entgegenzugehen.

    (Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

    Man sollte in Deutschland nicht glauben, der Situation, die Finnland offensichtlich zu diesen Anstrengungen und Opfern beflügelt hat, entgangen zu sein. Ich glaube, wir können nicht sagen, daß wir in Deutschland gegen die Situation, die Finnland zu diesen Schritten bewegt hat, heute schon so gefeit wären, daß es entsprechender Anstrengungen nicht bedürfte.
    Eines, meine sehr Verehrten, wird dieses Gesetz wohl schaffen: es wird Klarheit schaffen. Wenn das Gesetz so über die Bühne geht, wie es im Augenblick den Anschein hat, wird man — den Eindruck habe ich — wissen, daß ein echtes Opfer zunächst an die eine Seite nicht herantritt, und daß auf der anderen Seite, auf der Seite derer, die seit Jahren auf diesen Tag gewartet haben, selbst bescheidene Hoffnungen zunächst vergeblich gewesen sind.

    (Lebhafte Zurufe von der FDP.)

    Man hat die immer so disziplinierten Demonstrationen der Vertriebenen und Geschädigten auf dem Marktplatz in Bonn als einen Ausdruck der Straße abzutun versucht; aber ich möchte meinen, daß draußen auf der Straße und im Lande, wo das Volk lebt und arbeitet, die Dinge manchmal etwas richtiger erkannt werden als an grünen Tischen und grünen Pulten, wo immer sie stehen mögen. Hier muß ich zu meinem Leidwesen eines erwähnen. Der Herr Bundesfinanzminister hat


    (Dr. Keller)

    geglaubt, in seiner berühmt gewordenen Rede von Tuntenhausen den vielleicht durch die Jahre geretteten und geschonten oder mit saurer Muhe neu erworbenen Anzug dieses oder jenes der Demonstranten, der sich nun aus der grauen Not dieser Masse herausgehoben hat, bemangeln und beanstanden zu mussen. Ich muß dabei lebhaft an das Wort denken: Das war kein Meisterstuck, Oktavio. — Ich möchte meinen, daß zum mindesten im Effekt — ob bewußt oder unbewußt — diese Auffassung geradezu einer Provokation derer gleichkommt, die nun Jahr und Tag bewiesen haben, daß sie in Geduld auf eine Lösung des Rechts zu warten gewillt sind. Ich bedaure, daß diese Menschen, die immer wieder sittliche Geduld und Ausdauer bewiesen haben, über die man nicht hinweggehen und nicht hinwegsehen kann, diese Taktlosigkeit hinnehmen mußten.
    Es geht hier nicht allein um die materiellen Dinge, die in den Änderungsanträgen und Entwürfen immer wieder die Rolle spielen und immer wieder diskutiert werden. Ich glaube, wir dürfen hier nicht vergessen, daß hier ein ideelles Band zwischen den glücklicher Gebliebenen und den zunächst Betroffenen geschlungen werden soll, das unser Volk in dieser Zeit gerade dringendst braucht. Es wird vielleicht noch zu wenig betont, daß dieser Lastenausgleich letzten Endes eine moralische, sittliche und rechtliche Pflicht unseres . Volkes ist. Jedem in diesem Land muß das Gefühl zurückgegeben werden — denn es besteht im Augenblick nicht mehr, dieses Gefühl —, daß das Volk für die letzten seiner unschuldig in Not Geratenen das zu tun gewillt ist, was unter Anspannung aller Kräfte in seiner Macht steht. Jedem muß das Gefühl zurückgegeben werden, daß der einzelne Glied dieses Volkes geworden ist mit allen Rechten und Pflichten, auf die man gerade in der nächsten Zukunft hofft.
    Es ist mir für die innere Haltung dieser Vertriebenen und Geschädigten bezeichnend gewesen, daß das Lied eines Bekenntnisses zu Deutschland, das nicht etwa ein Lied gewesen ist, das erst das „Dritte Reich" gebracht hat, sondern — —

    (Glocke des Präsidenten.)