Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß Herr Kollege Ollenhauer als erster an dieser Stelle gestanden und unter Beweis gestellt hat, daß die Opposition in allem Opposition zu machen bereit ist, indem er bestimmte Dinge der gesamten Politik unter Kritik stellt und dabei bewußt Tatbestände verschweigt, die das Ergebnis dieser Politik sind.
Sie haben, Herr Kollege Ollenhauer, die soziale Marktwirtschaft angegriffen. Sie haben dabei nicht gesagt, daß durch diese Politik 3 1/2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden sind,
und Sie haben — verzeihen Sie, wenn ich Ihnen das ganz persönlich sage — mir zum großen Schmerz etwas getan, was sich nicht gehört. Sie haben in dem Wissen, daß der Herr Bundeskanzler krank war, seine Abwesenheit hier mit Bedauern als eine politisch begründete Abwesenheit festgestellt. So sollten wir nicht verfahren.
Nun erlauben Sie mir, daß ich mich im Namen meiner Freunde grundsätzlich mit den Gedanken auseinandersetze und die Linien aufzeige, die uns bei den Beratungen bis zur letzten Stunde bewegt haben. Wir haben Ihnen am Anfang der Beratung der zweiten Lesung erklärt, daß wir die Anträge der Opposition mit der gleichen Sorgfalt prüfen würden wie die unserer eigenen Freunde:
Wenn wir das Ergebnis dieser Prüfungen jetzt im Zuge der dritten Lesung Punkt für Punkt aufzeigen, dann werden Sie sehen, daß wir zu ganz bestimmten Entscheidungen gekommen sind, die beweisen, daß es uns und unseren Freunden ernst ist um die Lösung dieses von Ihnen ganz richtig gekennzeichneten, für die Demokratie entscheidenden und sozial wichtigen Gesetzes über den Lastenausgleich.
Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß ohne soziale Befriedung die Bereitschaft eines Volkes, um seine Existenz zu kämpfen und in die Verteidigung der freien Welt einzutreten, nicht erwartet werden kann. Wir sind aber ebenso der Überzeugung, daß wir auf dem Weg, den wir gegangen sind, genau den Dienst tun, der von uns gefordert wird, und daß Ihre Erklärung: „Wir stehen auf der Seite der Vertriebenen" eine Erklärung ist, die zum mindesten an die Grenze der Geschmacklosigkeit reicht.
Denn wir haben gemeinsam in 15monatiger Arbeit bewiesen, daß es uns allen, Ihnen und uns, großer Ernst ist, das berechtigte Anliegen der Vertriebenen und der Kriegssachgeschädigten in den Grenzen des Möglichen zu erkennen und zu befriedigen.
Ich darf Ihnen eine einzige Zahl nennen, während im übrigen mein Kollege Schütz zu dieser Frage Stellung nehmen wird. Sie haben sich jetzt durch Ihre Anträge in bezug auf den Punkt Hauptentschädigung entscheidend zur Regierungsvorlage bekannt. Diese Regierungsvorlage nimmt in ihrer Auswirkung für die Hauptentschädigung einen Betrag von 10 Milliarden in Anspruch. Was meine politischen Freunde darüber hinaus getan haben, nimmt 650 Millionen in Anspruch, also 6 1/2 % mehr!
Man kann sich durchaus darüber unterhalten,
ob diese Frage so in der idealsten Weise gelöst ist.
Aber man kann sich nicht darüber unterhalten, daß wir gemeinsam auf dem Boden gestanden haben, die soziale Befriedung müsse der Anfang sein. Vergessen Sie doch bitte nicht — Sie und auch der Herr Kollege Kriedemann haben sich da in einer für mich unverständlichen Weise geäußert —: Wir waren uns doch schon in der ersten Lesung darin eins, daß der Vorschlag der Bundesregierung für die Lösung der Kriegsschadenrente nicht der richtige war. Bitte, verschweigen Sie das nicht. Ich will es darum laut und deutlich sagen, damit nicht hinterher die Propaganda ins Volk hinausgeht, daß Sie alleinige Hüter sozialer Belange seien und wir alleinige Verteidiger und Verfechter kapitalistischer Interessengruppen.
Wir werden Ihnen und der Öffentlichkeit zu gegebener Stunde einmal die Ergebnisse der Beratungen vor Augen führen, damit die Offentlichkeit erkennt, daß wir in den entscheidenden sozialen Fragen völlig übereingestimmt haben und daß die Ausschußvorlage in diesen Punkten das Ergebnis gemeinsamer Beratungen und gemeinsamer Verantwortung gewesen ist. Aber es ist sehr gefährlich, wenn Sie hingehen und Methoden anwenden, die zum Teil klassenkämpferischen Geist atmen.
Bei der Beratung der Gesetzesvorlage über den Lastenausgleich sollte man so nicht prozedieren, und ich habe nicht die Absicht, hier in der gleichen Form zu polemisieren.
Worauf kommt es uns hier an? In der Erkenntnis, daß Eigentum verpflichtet, sind wir in der Belastung des Eigentums bis an die Grenzen des von uns Vertretbaren gegangen.
Sie, Herr Kollege Kriedemann, haben selber erklärt — und Sie haben das auch in den Ausschußberatungen mit uns so beschlossen —, daß unter den gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Verhältnissen wesentlich anderes nicht hätte gemacht werden können.
Darüber waren wir uns doch eins. Wir sollten doch
hier mit einem letzten Ernst in der Verantwortung
miteinander stehen, auch da, wo wir einmal Gegensätze haben. Man sollte doch jetzt nicht so tun,
als ob wir kapitalschonend handelten und uns den
Verpflichtungen gegenüber den Vertriebenen und
Kriegssachgeschädigten entziehen wollten. Wir
haben auf der Entschädigungsseite, über die mein Kollege Schütz gleich sprechen wird, die entscheidenden Dinge gemeinsam geordnet. Wenn Sie jetzt hingehen und die Regierungsvorlage verteidigen, dann ist das für uns immerhin ein beachtlicher Erfolg, weil Sie am Anfang der Beratungen meilenweit davon entfernt waren.
Ein zweites: Wir glauben, daß unsere Haltung in bezug auf die Berücksichtigung der Kriegsschäden, die in § 38 des Gesetzes ihren Niederschlag gefunden hat, wesentlich mehr den Interessen der Kriegssachgeschädigten gerecht wird als die Anträge, die Sie dazu gestellt haben.
— Es wird keinen Menschen geben, der ernsthaft beansprucht, Entschädigung für etwas zu bekommen, was er nie verloren hat, weil er es nie besessen hat.
Aber darüber waren wir uns eins.
Wir wissen genau, daß das Problem der Eingliederung derjenigen Menschen, denen das Schicksal die Existenzgrundlage genommen hat, die wichtigste und zentralste Frage ist. So wollen Sie gütigst auch die Regierungspolitik und die von uns vertretene soziale Marktwirtschaft mit in den Kreis Ihrer Überlegungen einbeziehen, wenn Sie jetzt fragen: Was habt ihr getan? Was wir getan haben, werden wir vor dem deutschen Volk und vor der Weltöffentlichkeit zu verantworten wissen.
Wenn Sie, Herr Kollege Ollenhauer, davon sprechen, daß es sich hier um eine der entscheidenden Grundlagen der Demokratie handelt, dann antworte ich: Ja. Diese Demokratie darf aber nicht dazu führen, den Eigentumsbegriff in einer untragbaren Weise zu nivellieren. Ich bin auch, das sage ich ganz offen, kein Freund davon, Millionen-Vermögen mit Millionen wiederherzustellen. Aber unbeschadet der Konzeption des § 269 kann man doch nun wirklich nicht sagen, daß, wenn jemand von einem Vermögen von soundsoviel Millionen 2 °/o bekommt, das ein kapitalistisches Unternehmen sei, das wir auf Kosten der sozialen Belange machen müßten, zumal Sie genau wissen, daß diese Dinge alle nach Dringlichkeitsstufen zum Zuge kommen. Wir haben mit Ihnen gemeinsam für die ersten Jahre die Eingliederung in der Form der Darlehen vorgesehen, um dann erst in den späteren Jahren Zug um Zug zu der Herstellung des Eigentums in den Grenzen des Möglichen und Notwendigen zu kommen.
Noch ein Wort zur Frage der Behandlung der öffentlichen Hand. Sie wird uns j a zweifellos beschäftigen, wenn wir zur Beratung Ihrer Anträge kommen. Herr Kollege Kriedemann, ich bin in der Lage, Ihnen morgen eine Unterlage des Statistischen Bundesamts auf den Tisch zu legen und den Nachweis zu erbringen, daß die öffentliche Hand, Bund, Länder und Gemeinden, die von uns vorgesehenen 250 Millionen DM echt erspart hat.
— Verzeihen Sie, der Lastenausgleich ist nicht dazu da, die öffentliche Hand zu entlasten. Der Lastenausgleich ist dazu da, die öffentliche Hand genau so zu belasten, wie sie bisher nach fürsorgerechtlichen Bestimmungen belastet war,
und im übrigen die Geschädigten zu ihrem Recht
kommen zu lassen. Es ist eine durchaus falsche
Politik, wenn man uns immer wieder vorwirft, —
— Ich glaube, Herr Kollege Mellies, daß ich davon auch etwas verstehe.
Wenn Sie bedenken wollen, daß wir in der Frage der Abwälzung auf den kleinen Mann doch nicht so simplifizieren sollten, kann ich Ihnen an zwei Beispielen beweisen, daß solche Simplifikationsmethoden falsch sind.
Erstens: Die Steuergesetzgebung, und zwar in erster Linie die Lohn- und Einkommensteuergesetzgebung, die die Regierungsparteien und die von ihr getragene Regierung dem Hause vorgelegt haben und die von uns verabschiedet worden ist, ist eine echte soziale Lösung dieser Frage.
Bitte sehen Sie sich doch einfach die Einkommensteuerentwicklung an, gehen Sie auf 1926 zurück und bis zum heutigen Tage, dann werden Sie sehen, daß wir diese Einkommensteuerpolitik verantworten können.
Zum zweiten, meine Damen und Herren: Wenn Sie den § 15 genau studieren, dann sehen Sie, daß wir nach sorgfältigen Beratungen mit den zuständigen Sachverständigen des Bundesrats jede Notwendigkeit einer Erhöhung der Tarife für die Allgemeinheit der Verbraucher vermieden haben; denn wir haben, insoweit die allgemeinen Verbraucher, sei es von Energie, sei es von Wasser, sei es von sonstigen Dingen, die in Frage kommen, die Befreiung eingeführt und haben nur gesagt: insoweit die Wirtschaft Abnehmer ist, soll die Wirtschaft die Belastung tragen. Das zieht sich doch wie ein roter Faden und meiner Meinung nach in klarer Logik durch dieses Gesetz auf seiner Abgabenseite hindurch. Wir fragen nach dem Zweck des Vermögens und seiner Verwendung und prüfen von da aus die Belastung in ihrer sachlichen Notwendigkeit, in der sachlichen Begrenzungsnotwendigkeit und in der wirtschaftlichen Tragbarkeit. Während Sie — man nennt Sie j a im Scherz hier im Hause die Partei der Oberbürgermeister
— sich von rein kommunalpolitischen Interessen leiten lassen, haben wir den Mut zu sagen: wir vertreten diese kommunalpolitischen Interessen genau so wie Sie, aber wir glauben, daß wir sie in der zwingenden Logik dieses Gesetzes besser vertreten.
Und ein Letztes, meine Damen und Herren. Es gehört zur simplen Weisheit eines Nationalökonomen, daß es drei Faktoren gibt: den Faktor Boden, den Faktor Kapital und den Faktor Arbeit. Sollen wir hingehen und den notwendigen Faktor Kapital fortgesetzt weiter zerstören? Wir machen keinen Versuch mit, diesen Faktor auf dem Wege der Sozialisierungspolitik zu zerstören,
um des Volkes willen.
Sollen wir den Faktor Boden dadurch gefähr-
den, daß wir der Landwirtschaft Belastungen auferlegen, von denen wir wissen, daß sie nicht tragbar sind?
— Der Arbeiter wird nicht belastet!
Was der Arbeiter an Belastung bekommt, ist mit Ihren Fraktionskollegen im Ausschuß genau beschlossen worden. -
Es ist sehr leicht, Herr Kollege Heiland, solche Sätze ins Plenum zu schleudern, wenn man von keinerlei Sachkenntnis getrübt ist
und die Protokolle dieses Ausschusses nicht genügend studiert hat.
Denn Sie wissen, daß wir den kleinen Leuten aus sozialen Gründen mit den Freigrenzen das gegeben haben, was sie mit Recht fordern.
Aber wir haben zugleich daran gedacht, daß der Arbeiter oder der kleine Mann, der aus dem Osten, aus der Heimat vertrieben wurde und der dort sein kleines Häuschen hatte, nun auch an uns fragend herantritt: „Wenn ihr den schont, was macht ihr mit mir?", und wir haben uns redlich bemüht, das Gleichgewicht der beiden Seiten in den Grenzen des Möglichen herzustellen.
Darf ich zum Schluß noch einen entscheidenden Grundsatz proklamieren, den meine Freunde und ich zu vertreten gewillt sind. Wir haben die Auffassung, daß es von entscheidender Wichtigkeit ist, dieses Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden und in Kraft zu setzen, damit der Anfang gemacht wird zur Lösung einer Frage, die ganz sicher — das wird auch von Ihnen nicht bestritten werden —
auf einmal nicht in hundertprozentiger Richtigkeit gelöst werden kann in einer Zeit, in der das Tempo der Entwicklung derart ist, daß man fast Angst und Schrecken kriegen kann, wenn man heute eine Gesetzesvorlage im Ausschuß verabschiedet, ob sie nach einem Vierteljahr überhaupt noch möglich ist. Wir sind der Meinung, wir wollen jetzt den Anfang machen, und glauben, das, was wir an Grundsätzen proklamiert und was wir an Abgaben auf der Abgabeseite festgestellt haben, ist das, was — bis auf gewisse Ihnen noch zugehende Änderungsvorschläge — die Grenzen dessen erreicht, was die deutsche Wirtschaft im Interesse des arbeitenden Volkes, um das Ziel der Eingliederung zu erreichen, zu tragen imstande ist.