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ID0121104300

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    Deutscher Bundestag — 211. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1952 9255 211. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1952 Geschäftliche Mitteilungen . . . . 9256B, 9262C Eintritt des Abg. Moosdorf in den Bundestag 9256C Begrüßung des Abg. Bazille nach seiner Genesung 9256C Austritt des Abg. Wittmann aus der Fraktion der DP/DPB 9256C Einspruch des Abg. Loritz gegen den ihm in der 210. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 520) 9256C, 9258B Beschlußfassung 9258C Ausscheiden des Abg. Dr. Schäfer aus der deutschen Delegation zur Beratenden Versammlung des Europarats und Zuwahl des Abg. Dr. Freiherrn von Rechenberg 9256D, 9262C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes und der Verbrauchsteuergesetze 9256D Gesetz über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln 9256D Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 9257A Bericht des Bundesministers der Justiz über die Angelegenheit des tschechoslowakischen Staatsangehörigen Frantisek Kroupa (Nr. 3368 der Drucksachen) 9257A Bericht des Bundeskanzlers über den Ausbau der Bundesstraßen 51 und 54 (Nr. 3357 der Drucksachen) 9257A Bericht des Bundeskanzlers über das Freiburger Flugplatzprojekt (Nr. 3358 der Drucksachen) 9257A Zwischenbericht des Bundeskanzlers über die Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nr. 3359 der Drucksachen) 9257A Ergänzende Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit zur Anfrage Nr. 231 der Fraktion der SPD betr. Möglichkeiten der Einberufung einer europäischen Regionalkonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (Nrn. 2826, 2895, 3046, 3366 der Drucksachen) 9257A Kleine Anfrage Nr. 260 der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen gegen Besatzungsnotstände in Bad Oeynhausen (Nrn. 3299, 3367 der Drucksachen) . . . . 9257B Kleine Anfrage Nr. 263 der Abg. Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Wertpapierbereinigung (Nrn. 3309, 3361 der Drucksachen) 9257B Zur Tagesordnung 9257B Antrag der Gruppe der KPD auf Aufsetzung eines Antrags auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses betr. Überprüfung der Vorgänge in Essen am 11. Mai 1952 auf die Tagesordnung . 9257C Renner (KPD) 9257C Unterbrechung der Sitzung . . . 9258B Widerspruch gegen Aufsetzung 9258B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufnahme eines Kredits durch den Bund im Rahmen der von den Vereinigten Staaten gewährten Wirtschaftshilfe (Nr. 3333 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 3345 der Drucksachen) 9258C Dr. Semler (CSU), Berichterstatter . 9258C Wehner (SPD) ' 9259C Abstimmungen 9259C, 9260A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz — TZAndG —) (Nr. 3217 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 3337 der Drucksachen) 9260A Meyer (Hagen) (SPD), Berichterstatter 9260B Abstimmungen 9261B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Nr. 3354 der Drucksachen) 9261C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 9261C Beschlußfassung 9262B Unterbrechung der Sitzung . . . 9262C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800, z u 1800, 3300, z u 3300 der Drucksachen, Umdruck Nr. 490); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 515; Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 516 bis 519, 521 bis 534) 9262D Zur Geschäftsordnung: Schütz (CSU) 9262D Unterbrechungen der Sitzung . . 9262D Allgemeine Beratung: Ollenhauer (SPD) 9263A Kriedemann (SPD) 9265D, 9292B Kunze (SPD) 9269A Schütz (CSU) .9271B Dr. Kather (CDU) 9273D Dr. Keller (Fraktionslos) 9275D Rische (KPD) 9277C Dr. Atzenroth (FDP) 9280A Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 9281A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 9283A von Thadden (Fraktionslos) 9284C Dr. Reismann (FU) 9285D Loritz (Fraktionslos) 9288C Farke (DP) 9290B Dr. Ott (DP-Gast) 9291B Weiterberatung vertagt 9292C Ausschluß des Abg. Renner für 20 Sitzungstage 9292C Nächste Sitzung 9292D Die Sitzung wird um 9 Uhr 5 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Johannes Kunze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß Herr Kollege Ollenhauer als erster an dieser Stelle gestanden und unter Beweis gestellt hat, daß die Opposition in allem Opposition zu machen bereit ist, indem er bestimmte Dinge der gesamten Politik unter Kritik stellt und dabei bewußt Tatbestände verschweigt, die das Ergebnis dieser Politik sind.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Sie haben, Herr Kollege Ollenhauer, die soziale Marktwirtschaft angegriffen. Sie haben dabei nicht gesagt, daß durch diese Politik 3 1/2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden sind,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und Sie haben — verzeihen Sie, wenn ich Ihnen das ganz persönlich sage — mir zum großen Schmerz etwas getan, was sich nicht gehört. Sie haben in dem Wissen, daß der Herr Bundeskanzler krank war, seine Abwesenheit hier mit Bedauern als eine politisch begründete Abwesenheit festgestellt. So sollten wir nicht verfahren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun erlauben Sie mir, daß ich mich im Namen meiner Freunde grundsätzlich mit den Gedanken auseinandersetze und die Linien aufzeige, die uns bei den Beratungen bis zur letzten Stunde bewegt haben. Wir haben Ihnen am Anfang der Beratung der zweiten Lesung erklärt, daß wir die Anträge der Opposition mit der gleichen Sorgfalt prüfen würden wie die unserer eigenen Freunde:

    (Zurufe links.)

    Wenn wir das Ergebnis dieser Prüfungen jetzt im Zuge der dritten Lesung Punkt für Punkt aufzeigen, dann werden Sie sehen, daß wir zu ganz bestimmten Entscheidungen gekommen sind, die beweisen, daß es uns und unseren Freunden ernst ist um die Lösung dieses von Ihnen ganz richtig gekennzeichneten, für die Demokratie entscheidenden und sozial wichtigen Gesetzes über den Lastenausgleich.
    Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß ohne soziale Befriedung die Bereitschaft eines Volkes, um seine Existenz zu kämpfen und in die Verteidigung der freien Welt einzutreten, nicht erwartet werden kann. Wir sind aber ebenso der Überzeugung, daß wir auf dem Weg, den wir gegangen sind, genau den Dienst tun, der von uns gefordert wird, und daß Ihre Erklärung: „Wir stehen auf der Seite der Vertriebenen" eine Erklärung ist, die zum mindesten an die Grenze der Geschmacklosigkeit reicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Denn wir haben gemeinsam in 15monatiger Arbeit bewiesen, daß es uns allen, Ihnen und uns, großer Ernst ist, das berechtigte Anliegen der Vertriebenen und der Kriegssachgeschädigten in den Grenzen des Möglichen zu erkennen und zu befriedigen.

    (Zuruf links: Aber nur am Anfang!)

    Ich darf Ihnen eine einzige Zahl nennen, während im übrigen mein Kollege Schütz zu dieser Frage Stellung nehmen wird. Sie haben sich jetzt durch Ihre Anträge in bezug auf den Punkt Hauptentschädigung entscheidend zur Regierungsvorlage bekannt. Diese Regierungsvorlage nimmt in ihrer Auswirkung für die Hauptentschädigung einen Betrag von 10 Milliarden in Anspruch. Was meine politischen Freunde darüber hinaus getan haben, nimmt 650 Millionen in Anspruch, also 6 1/2 % mehr!
    Man kann sich durchaus darüber unterhalten,
    ob diese Frage so in der idealsten Weise gelöst ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Aber man kann sich nicht darüber unterhalten, daß wir gemeinsam auf dem Boden gestanden haben, die soziale Befriedung müsse der Anfang sein. Vergessen Sie doch bitte nicht — Sie und auch der Herr Kollege Kriedemann haben sich da in einer für mich unverständlichen Weise geäußert —: Wir waren uns doch schon in der ersten Lesung darin eins, daß der Vorschlag der Bundesregierung für die Lösung der Kriegsschadenrente nicht der richtige war. Bitte, verschweigen Sie das nicht. Ich will es darum laut und deutlich sagen, damit nicht hinterher die Propaganda ins Volk hinausgeht, daß Sie alleinige Hüter sozialer Belange seien und wir alleinige Verteidiger und Verfechter kapitalistischer Interessengruppen.

    (Sehr richtig! und Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Wir werden Ihnen und der Öffentlichkeit zu gegebener Stunde einmal die Ergebnisse der Beratungen vor Augen führen, damit die Offentlichkeit erkennt, daß wir in den entscheidenden sozialen Fragen völlig übereingestimmt haben und daß die Ausschußvorlage in diesen Punkten das Ergebnis gemeinsamer Beratungen und gemeinsamer Verantwortung gewesen ist. Aber es ist sehr gefährlich, wenn Sie hingehen und Methoden anwenden, die zum Teil klassenkämpferischen Geist atmen.

    (Beifall in der Mitte. — Lachen bei der SPD. — Abg. Mellies: Ihre Anträge waren Klassenkampf!)

    Bei der Beratung der Gesetzesvorlage über den Lastenausgleich sollte man so nicht prozedieren, und ich habe nicht die Absicht, hier in der gleichen Form zu polemisieren.

    (Zuruf von der SPD: Klassenkampf von oben! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Worauf kommt es uns hier an? In der Erkenntnis, daß Eigentum verpflichtet, sind wir in der Belastung des Eigentums bis an die Grenzen des von uns Vertretbaren gegangen.

    (Oh-Rufe bei der SPD.)

    Sie, Herr Kollege Kriedemann, haben selber erklärt — und Sie haben das auch in den Ausschußberatungen mit uns so beschlossen —, daß unter den gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Verhältnissen wesentlich anderes nicht hätte gemacht werden können.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Darüber waren wir uns doch eins. Wir sollten doch
    hier mit einem letzten Ernst in der Verantwortung
    miteinander stehen, auch da, wo wir einmal Gegensätze haben. Man sollte doch jetzt nicht so tun,
    als ob wir kapitalschonend handelten und uns den
    Verpflichtungen gegenüber den Vertriebenen und
    Kriegssachgeschädigten entziehen wollten. Wir


    (Kunze)

    haben auf der Entschädigungsseite, über die mein Kollege Schütz gleich sprechen wird, die entscheidenden Dinge gemeinsam geordnet. Wenn Sie jetzt hingehen und die Regierungsvorlage verteidigen, dann ist das für uns immerhin ein beachtlicher Erfolg, weil Sie am Anfang der Beratungen meilenweit davon entfernt waren.

    (Abg. Kriedemann: Na, dann kommen Sie doch auf den Pfad der Tugend zurück, Herr Kollege Kunze!)

    Ein zweites: Wir glauben, daß unsere Haltung in bezug auf die Berücksichtigung der Kriegsschäden, die in § 38 des Gesetzes ihren Niederschlag gefunden hat, wesentlich mehr den Interessen der Kriegssachgeschädigten gerecht wird als die Anträge, die Sie dazu gestellt haben.

    (Abg. Seuffert: Welcher Kriegssachgeschädigten? — Abg. Kriedemann: Aber nur die, die Vermögen haben!)

    — Es wird keinen Menschen geben, der ernsthaft beansprucht, Entschädigung für etwas zu bekommen, was er nie verloren hat, weil er es nie besessen hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber darüber waren wir uns eins.
    Wir wissen genau, daß das Problem der Eingliederung derjenigen Menschen, denen das Schicksal die Existenzgrundlage genommen hat, die wichtigste und zentralste Frage ist. So wollen Sie gütigst auch die Regierungspolitik und die von uns vertretene soziale Marktwirtschaft mit in den Kreis Ihrer Überlegungen einbeziehen, wenn Sie jetzt fragen: Was habt ihr getan? Was wir getan haben, werden wir vor dem deutschen Volk und vor der Weltöffentlichkeit zu verantworten wissen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn Sie, Herr Kollege Ollenhauer, davon sprechen, daß es sich hier um eine der entscheidenden Grundlagen der Demokratie handelt, dann antworte ich: Ja. Diese Demokratie darf aber nicht dazu führen, den Eigentumsbegriff in einer untragbaren Weise zu nivellieren. Ich bin auch, das sage ich ganz offen, kein Freund davon, Millionen-Vermögen mit Millionen wiederherzustellen. Aber unbeschadet der Konzeption des § 269 kann man doch nun wirklich nicht sagen, daß, wenn jemand von einem Vermögen von soundsoviel Millionen 2 °/o bekommt, das ein kapitalistisches Unternehmen sei, das wir auf Kosten der sozialen Belange machen müßten, zumal Sie genau wissen, daß diese Dinge alle nach Dringlichkeitsstufen zum Zuge kommen. Wir haben mit Ihnen gemeinsam für die ersten Jahre die Eingliederung in der Form der Darlehen vorgesehen, um dann erst in den späteren Jahren Zug um Zug zu der Herstellung des Eigentums in den Grenzen des Möglichen und Notwendigen zu kommen.
    Noch ein Wort zur Frage der Behandlung der öffentlichen Hand. Sie wird uns j a zweifellos beschäftigen, wenn wir zur Beratung Ihrer Anträge kommen. Herr Kollege Kriedemann, ich bin in der Lage, Ihnen morgen eine Unterlage des Statistischen Bundesamts auf den Tisch zu legen und den Nachweis zu erbringen, daß die öffentliche Hand, Bund, Länder und Gemeinden, die von uns vorgesehenen 250 Millionen DM echt erspart hat.

    (Abg. Mellies: Das ist doch gar nicht das Problem!)

    — Verzeihen Sie, der Lastenausgleich ist nicht dazu da, die öffentliche Hand zu entlasten. Der Lastenausgleich ist dazu da, die öffentliche Hand genau so zu belasten, wie sie bisher nach fürsorgerechtlichen Bestimmungen belastet war,

    (Abg. Seuffert: Nein!)

    und im übrigen die Geschädigten zu ihrem Recht
    kommen zu lassen. Es ist eine durchaus falsche
    Politik, wenn man uns immer wieder vorwirft, —

    (Abg. Mellies: Sie haben von der Bedeutung des Vermögens der öffentlichen Hand nie etwas begriffen!)

    — Ich glaube, Herr Kollege Mellies, daß ich davon auch etwas verstehe.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Wenn Sie bedenken wollen, daß wir in der Frage der Abwälzung auf den kleinen Mann doch nicht so simplifizieren sollten, kann ich Ihnen an zwei Beispielen beweisen, daß solche Simplifikationsmethoden falsch sind.
    Erstens: Die Steuergesetzgebung, und zwar in erster Linie die Lohn- und Einkommensteuergesetzgebung, die die Regierungsparteien und die von ihr getragene Regierung dem Hause vorgelegt haben und die von uns verabschiedet worden ist, ist eine echte soziale Lösung dieser Frage.

    (Widerspruch und Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Bitte sehen Sie sich doch einfach die Einkommensteuerentwicklung an, gehen Sie auf 1926 zurück und bis zum heutigen Tage, dann werden Sie sehen, daß wir diese Einkommensteuerpolitik verantworten können.

    (Zurufe von der SPD.)

    Zum zweiten, meine Damen und Herren: Wenn Sie den § 15 genau studieren, dann sehen Sie, daß wir nach sorgfältigen Beratungen mit den zuständigen Sachverständigen des Bundesrats jede Notwendigkeit einer Erhöhung der Tarife für die Allgemeinheit der Verbraucher vermieden haben; denn wir haben, insoweit die allgemeinen Verbraucher, sei es von Energie, sei es von Wasser, sei es von sonstigen Dingen, die in Frage kommen, die Befreiung eingeführt und haben nur gesagt: insoweit die Wirtschaft Abnehmer ist, soll die Wirtschaft die Belastung tragen. Das zieht sich doch wie ein roter Faden und meiner Meinung nach in klarer Logik durch dieses Gesetz auf seiner Abgabenseite hindurch. Wir fragen nach dem Zweck des Vermögens und seiner Verwendung und prüfen von da aus die Belastung in ihrer sachlichen Notwendigkeit, in der sachlichen Begrenzungsnotwendigkeit und in der wirtschaftlichen Tragbarkeit. Während Sie — man nennt Sie j a im Scherz hier im Hause die Partei der Oberbürgermeister
    — sich von rein kommunalpolitischen Interessen leiten lassen, haben wir den Mut zu sagen: wir vertreten diese kommunalpolitischen Interessen genau so wie Sie, aber wir glauben, daß wir sie in der zwingenden Logik dieses Gesetzes besser vertreten.
    Und ein Letztes, meine Damen und Herren. Es gehört zur simplen Weisheit eines Nationalökonomen, daß es drei Faktoren gibt: den Faktor Boden, den Faktor Kapital und den Faktor Arbeit. Sollen wir hingehen und den notwendigen Faktor Kapital fortgesetzt weiter zerstören? Wir machen keinen Versuch mit, diesen Faktor auf dem Wege der Sozialisierungspolitik zu zerstören,

    (Zuruf von der KPD: Furchtbar!)

    um des Volkes willen.
    Sollen wir den Faktor Boden dadurch gefähr-


    (Kunze)

    den, daß wir der Landwirtschaft Belastungen auferlegen, von denen wir wissen, daß sie nicht tragbar sind?

    (Abg. _Seuffert: Seit wann ist das Kapital in der Landwirtschaft? — Abg. Heiland: Aber den Arbeiter können Sie belasten!)

    — Der Arbeiter wird nicht belastet!

    (Zuruf von der SPD: Natürlich wird er belastet!)

    Was der Arbeiter an Belastung bekommt, ist mit Ihren Fraktionskollegen im Ausschuß genau beschlossen worden. -

    (Zustimmung und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist sehr leicht, Herr Kollege Heiland, solche Sätze ins Plenum zu schleudern, wenn man von keinerlei Sachkenntnis getrübt ist

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und die Protokolle dieses Ausschusses nicht genügend studiert hat.

    (Abg. Ollenhauer: Herr Kunze in der Oberlehrerrolle!)

    Denn Sie wissen, daß wir den kleinen Leuten aus sozialen Gründen mit den Freigrenzen das gegeben haben, was sie mit Recht fordern.

    (Zuruf von der SPD: Aber Sie belasten sie über die Steuern!)

    Aber wir haben zugleich daran gedacht, daß der Arbeiter oder der kleine Mann, der aus dem Osten, aus der Heimat vertrieben wurde und der dort sein kleines Häuschen hatte, nun auch an uns fragend herantritt: „Wenn ihr den schont, was macht ihr mit mir?", und wir haben uns redlich bemüht, das Gleichgewicht der beiden Seiten in den Grenzen des Möglichen herzustellen.
    Darf ich zum Schluß noch einen entscheidenden Grundsatz proklamieren, den meine Freunde und ich zu vertreten gewillt sind. Wir haben die Auffassung, daß es von entscheidender Wichtigkeit ist, dieses Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden und in Kraft zu setzen, damit der Anfang gemacht wird zur Lösung einer Frage, die ganz sicher — das wird auch von Ihnen nicht bestritten werden —

    (Sehr gut! bei der CDU)

    auf einmal nicht in hundertprozentiger Richtigkeit gelöst werden kann in einer Zeit, in der das Tempo der Entwicklung derart ist, daß man fast Angst und Schrecken kriegen kann, wenn man heute eine Gesetzesvorlage im Ausschuß verabschiedet, ob sie nach einem Vierteljahr überhaupt noch möglich ist. Wir sind der Meinung, wir wollen jetzt den Anfang machen, und glauben, das, was wir an Grundsätzen proklamiert und was wir an Abgaben auf der Abgabeseite festgestellt haben, ist das, was — bis auf gewisse Ihnen noch zugehende Änderungsvorschläge — die Grenzen dessen erreicht, was die deutsche Wirtschaft im Interesse des arbeitenden Volkes, um das Ziel der Eingliederung zu erreichen, zu tragen imstande ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schütz (CDU/CSU).

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    Rede von Hans Schütz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Haus hat in seiner nun fast dreijährigen Arbeit manches Gesetz in einer Zeit verabschiedet und verabschieden müssen, die einen Bruchteil von der Zeit ausmacht, in der man in den sogenannten normalen Zeiten gleich bedeutungsvolle Gesetze zu verabschieden pflegte. Wenn das Lastenausgleichsgesetz, das wir heute in dritter Beratung zu verabschieden beginnen, unvoreingenommen betrachtet wird, wenn es einmal in Geltung sein sollte, dann wird es im Bereich der Bundesrepublik nur ein einziges Gesetz geben, das man mit diesem Gesetz vergleichen kann, nämlich das Bürgerliche Gesetzbuch,

    (Lachen links — Abg. Loritz: Oho!)

    was Umfang und Tiefenwirkung betrifft. Daran aber haben unsere Großväter volle 22 Jahre gearbeitet.

    (Zurufe von der KPD: Da findet man sich auch nicht durch! Wir erleben das Gesetz nicht mehr! — Abg. Loritz: So ein Senf!)

    Meine Damen und Herren, ich darf alle Beteiligten, auch diejenigen draußen im Lande, bitten, einmal an die bitteren Vorwürfe zu denken, die man diesem Hause gemacht hat — diesem Hause ohne Unterschied der Fraktionen —, weil es etwa 15 Monate dazu gebraucht hat, dieses Gesetz zu verabschieden. Nein! Diese Generation ohne Unterschied der politischen Richtung ist nicht um so viel gescheiter und um so viel gelenker, als es unsere Großväter waren. Ich will gar nicht für uns in Anspruch nehmen, daß unser Gesetz, das heute zur Diskussion steht, etwa so fein ausgearbeitet ist wie das Bürgerliche Gesetzbuch. Aber ich bitte, auch zu vergleichen, daß zwischen 15 Monaten und 22 Jahren auch in der deutschen Bundesrepublik 1951 etliche Unterschiede bestehen.

    (Zurufe links: 1952! — Lachen links. — Zuruf von der KPD: Kluges Kerlchen!)

    — Es sind nicht alle so gescheit wie die anderen
    Leute. —

    (Heiterkeit.)

    Wir wissen es: 2560 Tage warten die Betroffenen, oft in einer unvorstellbaren Notlage, auf diesen Lastenausgleich.

    (Zuruf von der SPD: Auf diesen?— Abg. Loritz: Daran seid ihr schuld, daß sie schon so lange warten müssen!)

    Aber dieser Bundestag ist erst rund 950 Tage überhaupt am Leben.

    (Lachen links. — Abg. Loritz: Das langt, um ein Gesetz zu machen!)

    Er ist nicht dafür verantwortlich, daß eine Diskrepanz zwischen 2500 Tagen und den 950 Tagen entstanden ist.

    (Zuruf von der SPD: Wieviel Minuten sind das?)

    Die ungeduldig Wartenden haben recht mit ihrer Ungeduld. Aber die Männer und Frauen dieses Hauses — und ich darf sagen, trotz der spöttischen Zwischenrufe, ohne Unterschied der politischen Richtung — haben mit der Hingabe ihrer ganzen Persönlichkeit in diesen 15 Monaten an der Gesetzwerdung und an der Fertigstellung gearbeitet.
    Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, der heute diesem Hause zur dritten Beratung vorliegt, ist — davon sind wir überzeugt — nicht der Weisheit letzter Schluß. Dieses Gesetz wird die deutsche Bevölkerung in drei Teile einteilen: in solche, die etwas abzugeben haben;

    (Zuruf von der KPD: Dreiklassenwahlrecht!) in solche, die etwas zu empfangen hoffen;


    (Zuruf von der KPD: Wirklich? Hoffen?)

    und in solche, die weder — noch!


    (Schütz)


    (Zuruf von der KPD: Die enttäuscht werden!)

    — Enttäuscht werden sie alle sein; das steht außer Zweifel.

    (Zuruf links: Die einzige Wahrheit!)

    — Meine Damen und Herren von dort drüben (zur KPD), wir hätten der Bevölkerung diese Enttäuschung ersparen können, wenn Sie nicht dieses Unglück veranlaßt hätten!

    (Beifall bei der CDU. — Lachen und Zuruf bei der KPD: Herr Schütz, denken Sie an Ihre Vergangenheit!)

    Wo die letzte Grenze für die möglichen Belastungen liegt, das kann mit einer absoluten Sicherheit weder auf dieser Seite noch auf jener Seite jemand bis ins letzte sicher behaupten. Auf beiden Seiten kann nur mit der größten Vorsicht geschätzt und angenommen werden. Aus diesen beiderseitigen Schätzungen, Überlegungen und Annahmen ist das Ergebnis, wie es dieser Entwurf enthält, zustande gekommen. Wesentliche Differenzen über das Ausmaß der Belastungen und der Belastungsmöglichkeiten sind während der 15monatigen Beratungen im Ausschuß nicht aufgetreten.

    (Sehr gut! und Sehr richtig! bei der CDU.) Soweit sie vorhanden waren, hat die Spezialdebatte in der zweiten Beratung die deutsche Öffentlichkeit darüber unterrichtet.

    Dagegen gab es von Anfang an über die sogenannte Verteilerseite grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten. Auch sie sind in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit eingehend diskutiert worden. Im wesentlichen standen einander zwei Auffassungen gegenüber. Einmal sagte man, man solle bei der Verteilung nicht nach rückwärts schauen; man solle die Mittel nach dem Zustand der Geschädigten, wie er hier und heute gegeben ist, nach den sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen verteilen. Unter allen anderen grundsätzlichen Einwendungen schienen uns — d. h. meinen politischen Freunden — aber für eine solche Entscheidung die letzten objektiven Maßstäbe zu fehlen. Wer entscheidet denn darüber, wo die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse im einzelnen beginnen? Daher entschied sich meine Fraktion und mit ihr die Mehrheit im Ausschuß dafür, daß der tatsächliche Verlust an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, an Hausbesitz, an Betriebsvermögen sowie an Gegenständen zur Berufsausbildung der Ausgangspunkt für die Entschädigung sein sollten. Für diese Entscheidung plädierten ohne Ausnahme auch alle Geschädigtenverbände, sowohl die der Heimatvertriebenen als auch die der Kriegssachgeschädigten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Was also die prinzipielle Frage der Verteilerseite betrifft, so befindet sich die Mehrheit dieses Hauses und die Mehrheit des Ausschusses im Einvernehmen und in Übereinstimmung mit den beiden großen Geschädigtengruppen bzw. ihren Repräsentanten. Daß darüber hinaus auch den dringendsten sozialen Erfordernissen Rechnung zu tragen versucht wurde, beweisen die im Gesetz vorhandenen Lösungen.
    Lassen Sie mich mit ein paar Zahlen darauf eingehen! Von den etwa 45 Milliarden DM, die aufzubringen sind, entfallen auf die Kriegsschadenrente rund 10 Milliarden DM, auf die Hauptentschädigung mit Zinsen rund 18 Milliarden DM, auf die Hausratentschädigung 7 Milliarden DM, auf die Wohnraumhilfe rund 3 Milliarden DM, auf den Härtefonds 1 Milliarde DM und auf die sonstigen
    Förderungsmaßnahmen rund 2 Milliarden DM. Wenn Sie diese Summen jetzt auseinanderlegen, dann werden Sie, ohne daß Sie es vielleicht beabsichtigen, feststellen, daß rund 21 Milliarden DM — nämlich die 10 Milliarden DM für die Kriegsschadenrente und die Summen für die Wohnraumhilfe, den Härtefonds und die Hausratentschädigung
    — auf den sozialen Sektor entfallen.

    (Abg. Kriedemann: Die Hausrathilfe eine soziale Leistung?)

    — Wenn Sie die Hausrathilfe auf die Entschädigungsseite nehmen, dann bleiben auf beiden Seiten 21 Milliarden, sowohl auf der Entschädigungsseite
    — nämlich die 18 plus 3 für die Hausratentschädigung — als auch auf der anderen, der sozialen Seite.

    (Zurufe links.)

    Meine Damen und Herren, aus diesen Zahlen ist ersichtlich, daß hier niemand sagen kann, daß es ein einseitiger, nur nach der Hauptentschädigung, also nach den ehemaligen Besitzbürgern hinneigender Lastenausgleich wäre.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber noch einmal wiederholen, was der Kollege Kunze schon ausgesprochen hat. Herr Kollege Kriedemann, Sie werden es nicht bestreiten können, daß bei der ersten Lesung, wo das Thema „Unterhaltshilfe" angesprochen wurde, überhaupt niemand im Ausschuß dagewesen ist, der nicht damit übereingestimmt hätte, an der Lösung der Unterhaltshilfe, wie sie das Soforthilfegesetz vorsah, zum mindesten nach unten hin nicht zu rütteln.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Darauf hat von Anfang an die ganze Arbeit gefußt.
    Nun lassen Sie mich ein Wort zu der Hauptentschädigung sagen! Der Kollege Kriedemann hat dankenswerterweise gar nicht bestritten, daß sich die Kollegen von seiner Fraktion im Grundsatz für eine Hauptentschädigung ausgesprochen haben. Ich stimme mit dem Kollegen Kunze und vielleicht auch — auch wenn Sie manchmal ein spöttisches Wort über die kleinen Geister haben —

    (Zuruf von der SPD)

    mit Ihnen überein, daß man über die Höhe streiten kann Das ist die Wahrheit. Aber ich glaube, Sie werden mit mir übereinstimmen, daß es in der Demokratie eine Spielregel gibt: Wenn sich eine Mehrheit für ein System ausgesprochen hat, dann ist eben durch diese Majorität eine Autorität gesetzt, und wer diese Spielregel lächerlich macht, der macht die Demokratie lächerlich!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist wahr — und Sie brauchen uns davon nicht zu überzeugen —, daß man mit einer Majorität nicht immer Wahrheit finden und setzen kann.

    (Zurufe von der SPD.)

    Aber in der Demokratie ist uns keine andere Spielregel gesetzt als die, durch eine Mehrheit eine Autorität zu setzen.

    (Zurufe links. — Abg. Loritz: Welch merkwürdige Auffassung von Demokratie!)

    — Herr Kollege Ollenhauer. ich habe nicht die Absicht. mit Ihnen in der gleichen Art zu diskutieren wie Sie mit uns! Ich darf Ihnen sagen, es war ein Schmerz

    (Abg. Ollenhauer: So?)

    — jawohl! —, bei diesem Anlaß die Töne — um mit Ihrem Wort zu sprechen: die Musik — in der


    (Schütz)

    Art feststellen zu müssen, wie wir das bei Ihren Ausführungen erlebt und gehört haben. Ich möchte es mit dem großen Sozialisten Ignazio Silone halten, an dessen Buch „Brot und Wein" sich in der schlimmen Zeit der Diktatur mancher aus Ihren Kreisen erbaut und aufgerichtet hat. Er sagt:
    Die wahre Demokratie, der ehrliche politische Kampf kann nur auf Toleranz, dem friedlichen Beisammenleben und der gegenseitigen Achtung aller Bürger, welcher verschiedenen Anschauung sie auch sein mögen, begründet sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Loritz: Das wäre gut! Das merkt euch wohl! — Gegenrufe von der Mitte: Ruhe!)

    Aber ein paar Worte möchte ich doch dazu sagen. Man hat hier gesagt, dieses Lastenausgleichsgesetz sei einfach ein Glied in der Kette einer sehr abscheulichen Politik, die in den letzten Jahren abgelaufen ist. Selbstverständlich gibt es in der Politik — auch in der Wirtschaftspolitik — keine Dogmen; da kann man sowohl — als auch denken. Aber wenn wir uns heute fragen, ob sie wirklich so verwerflich war nach all dem, was seit 1949 seit dieses Haus angetreten ist, geschah,

    (Abg. Rische: Angetreten ist gut! — Abg. Loritz: Abgetreten wäre besser!)

    dann möchte ich doch sagen, daß diese Politik vor der Geschichte unseres Volkes durchaus bestehen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Als wir 1949 die Regierung Adenauer bildeten, da gab es 20 Millionen Menschen in diesem Staate, die Löhne, Gehälter, Unternehmergewinne, Für-
    ;) sorge oder Renten oder Pensionen empfingen. 1948 lag bei fast 7 Millionen dieser 20 Millionen — das ist mehr als jeder Dritte — das monatliche Durchschnittseinkommen unter 100 DM. Heute sind es 22 Millionen Menschen, die Löhne, Gehälter oder andere Einkommen haben. Von diesen 22 Millionen Menschen sind — Gott sei es geklagt — noch 3 Millionen in der gleichen armseligen sozialen Lage wie die 7 Millionen, die 1948 in dieser Lage waren.

    (Abg. Frau Krahnstöver: Und die Preissteigerung!)

    Sie können nun sagen: das ist eine Schande, daß es noch die 3 Millionen gibt. Ich darf aber sagen: Es ist ein Verdienst, daß es 4 Millionen weniger geworden sind!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Von den Preissteigerungen inzwischen haben Sie nichts gehört, Herr Schütz? — Abg. Loritz: Dafür sind die Preise höher geworden! — Zurufe von der KPD und Gegenrufe von den Regierungsparteien.)

    Es ließe sich aber auch noch ein anderes Wort sagen, Herr Kollege Mellies, z. B. folgendes: In diesem Raum, in dem es heute 47 Millionen Menschen gibt, gab es 1938 36 Millionen Menschen. In den letzten Kriegsjahren und in den ersten Nachkriegsjahren sind durch den Bombenhagel und
    die Demontagen rund 50 vom Hundert aller industriellen Arbeitsplätze zerstört worden. Wir beschäftigen heute an den restlichen 50 % der Arbeitsplätze dreieinhalb Millionen Menschen mehr als in Hitlers größtem Aufrüstungsmonat, dem Oktober 1936.

    (Zuruf des Abg. Loritz.) Das ist nicht allein das Verdienst der Regierung

    Adenauer, ganz gewiß nicht. Aber das ist auch
    ein Verdienst dieser Regierung Adenauer,

    (Abg. Loritz: Aha!)

    und so schlecht war die Wirtschaftspolitik, wie Sie sie hier darzustellen versuchten, nicht.

    (Abg. Kriedemann: Aber schlecht genug!)

    Sie haben mit Recht gesagt, daß sich der grüßte Teil der Geschädigten aus den kleinen Leuten, den Arbeitnehmern rekrutiere. Wer dazu einen Beitrag geleistet hat, diesen kleinen Leuten einen Arbeitsplatz zu verschaffen, der hat wahrlich auch einen Beitrag zum Lastenausgleich geleistet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dieser Lastenausgleich — ich sagte es schon — wird auf beiden Seiten keine Begeisterung auslösen; dessen sind sich alle, die daran mitgearbeitet haben, voll bewußt. Aber dieser Lastenausgleich will ein Beitrag sein auf dem Wege zur Schaffung einer neuen sozialen Ordnung in diesem armen Deutschland.
    Ich möchte noch ein Wort nach der andern Seite sagen. Es gibt viele Leute — auch auf dieser Seite —, die es gerne gesehen hätten, wenn es möglich gewesen wäre, daß für dieses Gesetz eine Mehrheit hätte geschaffen werden können, die weit über die sogenannte Regierungsmehrheit hinaus geht.

    (Abg. Schoettle: Das haben Sie noch immer in der Hand!)

    — Jawohl, wir geben die Hoffnung noch nicht auf.

    (Abg. Frau Krahnstöver: Wir auch nicht! — Abg. Schoettle: Dafür muß man aber auch etwas tun!)

    Lassen Sie mich nur ein Wort sagen. Von 1884 bis zur Jahrhundertwende ist in diesem Deutschland kein Sozialversicherungsgesetz beschlossen worden, für das diese Seite ja gesagt hätte.

    (Zurufe von der SPD: Na, na!)

    — Jawohl, bis zur Jahrhundertwende habe ich gesagt, Frau Schroeder. Es hat aber nicht lange gedauert nach der Jahrhundertwende, da war man sich nicht nur bei den Vätern dieser Seite (rechts), sondern auch bei den Vätern dieser Seite (links) darüber einig, daß es eine klassische deutsche Sozialgesetzgebung gewesen sei, die damals begonnen worden ist.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Vielleicht gibt die Entwicklung auch den paar unverbesserlichen Optimisten dieses Hauses recht, daß selbst in den Kreisen, die sich heute nicht entschließen können, einmal die Stunde reift, in der man sagt: es ist etwas Ordentliches daraus geworden.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Dazu wollten wir heute mit dieser dritten Lesung den ersten Grundstein legen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)