Rede von
Dr.
Herta
Ilk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es tut mir leid, daß ich meine Rede mit einem Bedauern anfangen muß, dem Bedauern darüber, daß Frau Kollegin Schanzenbach bei unserer ach so kurz bemessenen oder, besser gesagt, so ausgefüllten Zeit hier im Plenum die Zeit am Anfang ihrer Rede mit Angriffen gegen andere Gesetze ausgefüllt hat, die zum Teil bereits erlassen, zum Teil noch in der Beratung sind
und die mit dem zur Diskussion stehenden Jugendgerichtsgesetz gar nichts zu tun haben.
— Ich fühle mich aber trotzdem veranlaßt, ein paar Worte dazu zu sagen, Herr Kollege Mellies, weil nämlich der Eindruck erweckt werden könnte, daß von seiten der Bundesregierung und der Regierungsparteien in den ganzen Jahren nichts getan worden sei,
was in irgendeiner Weise der Jugend helfen sollte.
Und gerade die stellvertretende Vorsitzende des Jugendfürsorgeausschusses sollte wissen, wie wir uns um die Sache bemüht haben.
Darüber hinaus möchte ich einen Satz herausgreifen, der doch wohl im Hinblick auf dieses Gesetz gesprochen wurde, den Satz nämlich, daß wir schuldlos schuldig Gewordene strafen wollten. Wenn ein Gesetz geschaffen wurde, um Jugendlichen unter Berücksichtigung der schwierigen sozialen Verhältnisse der letzten 10 bis 15 Jahre zu helfen, dann ist es doch gewiß das vorliegende Jugendgerichtsgesetz. Ich finde, daß die Ausführungen, die Frau Kollegin Schanzenbach in der sachlichen Würdigung des vorliegenden Gesetzes gemacht hat, ihre ersten Ausführungen eigentlich Lügen gestraft haben.
(Abg. Frau Schanzenbach: Dann haben Sie den
ersten Teil meiner Rede nicht verstanden!)
— Ich glaube, Frau Schanzenbach, daß ich nicht gar so schwer von Begriff bin, daß ich Ihre Ausführungen nicht verstanden hätte. Oder sie waren eben etwas unklar oder für uns, die wir zuhörten, mißverständlich. Die Meinung war einheitlich.
— Ja, einheitlich auf unserer Seite und ganz sicherlich, glaube ich, auch auf der Ihrigen.
— Herr Kollege, wir wollen uns ja nicht darüber streiten. Ich meine aber, von „Einseitigkeit" würde ich an Ihrer Stelle nicht reden!
Eines jedenfalls ist sicher. Das vorliegende Gesetz ist in jeder Beziehung ein Gesetz, das zur Hilfe der Jugendlichen geschaffen worden ist. Wenn in einem Gesetz die schwierigen sozialen Umstände. die die Jugend vielleicht aus Unwissenheit, aus Mangel an Erziehung haben schuldig werden lassen, berücksichtigt werden, wenn irgendein Gesetz diesen jungen Menschen hilft, dann ist es das vorliegende. Auch wir begrüßen ebenso wie Sie das Erziehungsprinzip als leitenden Gedanken in diesem Gesetz.
— Ja, in Sachen der Erziehung sind wir, was dieses Gesetz anlangt, offenbar nicht so verschiedener Meinung, Frau Schanzenbach; aber bezüglich Ihrer nicht zur Sache gehörenden Vorrede sind wir verschiedener Meinung.
— Ich glaube nicht, aber lassen wir es dahingestellt. Wir werden im Ausschuß noch darüber diskutieren.
— Natürlich bei Jugendstraftaten. Aber haben denn Jugendliche bisher keine Straftaten begangen
und werden sie in Zukunft keine Straftaten begehen?
Nun sagen Sie mir doch bitte einmal, wann ist in diesem Gesetz überhaupt von Strafen die Rede? Doch nur in bezug auf besonders schwere Fälle. Aber in diesem Gesetz ist dem Jugendrichter und dem Jugendstaatsanwalt so viel Macht in die Hand gegeben, daß er nicht einmal genötigt ist, eine Anklage zu erheben oder irgendeine richtige Strafe zu beantragen bzw. zu verhängen, wenn von dem Jugendlichen eine strafbare Handlung begangen wurde, sofern ein Erziehungsmittel für ausreichend erachtet wird. Herr Kollege, Sie müssen doch ganz genau wissen, welche Möglichkeiten, dem Jugendlichen zu helfen, gerade auf Grund dieses Gesetzes den Richtern und den Staatsanwälten in die Hand gegeben werden.
— Ich brauche ja kein Kolloquium mit Ihnen über die einzelnen Fragen hier anzustellen. Aber so viel juristische Kenntnisse können Sie mir schon zutrauen, daß ich weiß, wann ein Richter ein Verfahren eröffnet und wann ein Staatsanwalt Anklage erhebt.
— Ihre Zwischenrufe sind doch töricht, entschuldigen Sie bitte!
Die Hilfe von seiten des Gerichts kann ja so weit gehen, daß sogar von verschiedenen Seiten der Vorwurf erhoben wurde, wir würden in diesem Gesetz Gedanken verankern, die die Humanität gegenüber den jungen Menschen irgendwie überspitzten. Demgegenüber sagen wir aber, daß gerade nach einer solch turbulenten Zeit, in der unsere Jugendlichen aufgewachsen sind, straffällige Jugendliche nur mit besonderer Liebe und mit Einfühlungsvermögen wieder auf den richtigen Weg gebracht werden können.
Wir begrüßen darum die Maßnahmen, die hier getroffen sind, und wir begrüßen es vor allen Dingen auch, daß man die Heranwachsenden vom 18. bis zum 21. Jahre noch unter das Jugendgerichtsgesetz stellt, und daß man vor allen Dingen dem Jugendrichter die Entscheidung überläßt, ob er den Jugendlichen vom 18. bis zum 21. Lebensjahr nach Jugendrecht oder nach Erwachsenenrecht behandelt wissen will.
Wir wollen auch nicht vergessen, daß der Jugendliche, der in irgendeiner Weise gestrauchelt ist, eine Stütze haben muß. Darum erscheint uns die neue Einrichtung des Bewährungshelfers als eine außerordentlich glückliche Lösung.
Natürlich gebe ich Ihnen vollkommen recht, wenn Sie sagen, daß diese Bewährungshelfer auch ganz besonders gut ausgebildet werden müssen. Ich bin auch mit meinen Freunden der Meinung, daß die Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte in Anbetracht ihrer großen Machtbefugnisse eine besonders gründliche Ausbildung haben müssen. Man sollte vielleicht auch von seiten des Bundes an die Länder eine Empfehlung geben dergestalt, daß sie keine Mittel scheuen, um diese gute Ausbildung herbeizuführen und die Richter auch in psychotherapeutischer Beziehung auszubilden, damit sie
sich vielleicht noch etwas besser als bisher in die
Geisteshaltung Jugendlicher hineinfühlen können.
Aber, Frau Kollegin Schanzenbach, wenn Sie heute sagen, daß bei allen Jugendgerichtsverfahren, die stattgefunden haben, die Richter und Staatsanwälte keinerlei Verständnis für die Not und die Sorgen der Jugendlichen hatten
— bitte, ich habe mir notiert: es habe am nötigen Verständnis gefehlt, haben Sie gesagt —, dann muß ich Ihnen allerdings sagen, daß Sie sich auch da irren. Ich glaube, daß Sie dann nicht oft genug in die Verhandlungen hineingekommen sind, und bitte, daß Sie sich weiter informieren. Sehr viele Jugendliche, die etwas begangen haben, sind ja gar nicht vor den Strafrichter gekommen. In Kenntnis der Tatsache, daß es oft schon schlimm für einen Jugendlichen ist, vor dem Strafrichter zu stehen, hat man in Anbetracht der vorhandenen Erziehungsmöglichkeit den Verstoß des Jugendlichen mit einer Ermahnung als ausreichend abgegolten angesehen. Wir wollen doch auch dem, was bisher geschehen ist, in etwa Genüge tun.
Aber als Ganzes will ich im Namen meiner Fraktion eines sagen. Wir müssen dahin wirken, daß Jugendämter, Bewährungshelfer, die an den Jugendämtern und bei der Jugendgerichtshilfe tätig sind, und daß Richter und Staatsanwälte ganz besonders sorgfältig arbeiten, gerade im Hinblick auf unsere Jugend, die in diesen Dingen heute etwas labil und anfällig ist. Das beste Gesetz, der beste Wille nützen nichts, wenn die Menschen, die diese Arbeit vorzunehmen haben, nicht genügend ausgebildet und nicht genügend in ihrem Wissen fundiert sind. Ich glaube, daß es das beste ist, was wir an unseren Jugendlichen tun, wenn wir ihnen, wenn sie straffällig geworden sind, helfen. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir uns viele Fälle von Alterskriminalität ersparen, wenn es uns gelingt, durch eine gute Strafrechtspflege straffällig gewordene Jugendliche auf den rechten Weg zu bringen, Jugendliche, die vielleicht durch eine ungerechte oder unsachgemäße Behandlung weiter abgeglitten wären.
Ich schließe mich dem Antrag von Frau Schanzenbach auf Überweisung dieses Gesetzes an den Rechts- und an den Jugendfürsorgeausschuß an.