Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beschwerden gegen die GEMA haben auch den kulturpolitischen Ausschuß und seinen Unterausschuß Kunst beschäftigt, und zwar an Hand wichtiger Petitionen, die uns vorgelegt worden sind. Ich möchte aber trotzdem etwas differenzieren und mich nicht so ohne weiteres den etwas temperamentvollen Ausführungen des Herrn Eh r en anschließen.
— Ja, Herr Kollege, Sie treffen weitgehend zu, soweit, wie der Herr Minister soeben bemerkt hat, die eine Seite in Frage kommt. Es ist gar kein Zweifel, daß es ungerecht ist, daß Vereine, die irgendwie volksbildend oder erziehend wirken, in dieser Weise belastet werden, wie es hier mit Recht kritisiert worden ist.
Aber das eigentliche Übel sitzt noch woanders. Ich darf, ohne zu wiederholen, das noch ergänzend hinzufügen. Besonders wird über die ungemeine Tarifspanne Klage geführt, deren sich die GEMA bedient. Man hört, daß für dieselbe Sache erst 360 Mark und dann 460 Mark gefordert worden sind. Man hat offenbar noch keinen Maßstab für eine gerechte Belastung gefunden. Es scheint da große Willkür zu herrschen.
Außerdem werden Beschwerden vorgebracht, daß
die GEMA zu bürokratisch aufgebaut sei. Ich kann
nicht sagen, daß ich das selber hätte prüfen können.
Aber vielleicht ist der Herr Minister mit den neuen Vereinbarungen imstande, da etwas hineinzuleuchten. Es wird z. B. behauptet, daß 31 % aller Einnahmen der GEMA für ihre eigene Verwaltung verbraucht würden, und zwar obwohl die GEMA die Amtshilfe in Anspruch nimmt, während doch die Amtshilfe eigentlich den größten Teil der Verwaltungsarbeit darstellen müßte, — nach Auffassung von uns Laien, die wir die Dinge nicht genau durchschauen. Hier wäre ein dankbares Feld der Nachprüfung für das Bundesjustizministerium gegeben.
Außerdem wird behauptet, daß in der Zentralverwaltung der GEMA allein 700 Menschen beschäftigt und sehr gut besoldet seien. Nun, wie gesagt, ich lasse dahingestellt, was daran zutreffend ist und wieweit das notwendig ist. Es ist ja mit Befriedigung von uns vernommen worden, daß der Herr Minister jetzt in der Lage ist, diese Verhältnisse kritisch aufzuklären. Meine Damen und Herren, es handelt sich noch um einen zweiten wichtigen Punkt: Die GEMA ist eine Art Monopolorganisation. Diese Monopolorganisation arbeitet wie schon gesagt, mit Amtshilfe der öffentlichen Körperschaften. Wenn sie das tut, dann hat sie auch besondere Verpflichtungen zu übernehmen. Als im Dritten Reich dieser Organisation die Monopolstellung zugestanden wurde, hat sie eine wichtige Auflage bekommen: das sogenannte ernste Drittel der Musik. Hier liegen die Dinge völlig anders als bei den Schlagerkomponisten. Wenn Herr Kollege Muckermann mit Recht gesagt hat, daß es Schlagerkomponisten gibt, die bis zu 300 000 Mark Jahreseinkommen beziehen, so ist die Lage auf dem Gebiet der ernsten Musik völlig umgekehrt. Einer der bedeutendsten Opernkomponisten Deutschlands war kürzlich hier im Hause und hat mir erzählt, für eine Aufführung seiner erfolgreichen Opern bekomme er 40 Mark,
wenn er sie dirigiert, bekommt er 1000 Mark. Das bloß mal zum Vergleich, wie man die schöpferischen Kräfte wirklich bewertet! Es wäre im Interesse der deutschen Kultur wirklich angebracht, wenn man einer Organisation, die eine solche Monopolstellung einnimmt und dazu noch Amtshilfe in Anspruch nimmt, die Auflage machte, dem ernsten Drittel der Musik wieder seine Rechte einzuräumen, damit von dorther die wirklich schöpferischen Kräfte, aus deren seelischer Substanz heraus wir leben, am Leben erhalten werden könnten, sonst könnte es passieren, daß in ein paar Jahren der letzte ernste Komponist verhungert ist.
Herr Eh r e n, ich möchte noch eine kleine Anmerkung machen zu dem Vorschlage, die Honorierung einfach den Verlegern und allen nachgeordneten Stellen zu überlassen. Das wird in der Praxis sehr schwer gehen. Soweit ich höre, sind gerade bei der ernsten Musik die Verleger genötigt, außerordentlich hohe Opfer zu bringen, um diese ernste Musik überhaupt herausbringen zu können. Ich höre von 30 000 Mark, die ein Verleger hat tatsächlich zuschießen müssen, damit ein großes musikalisches Werk der neueren Zeit erscheinen konnte. Das sind also Umstände, die das Justizministerium — ich bitte den Herrn Minister darum — sehr wohl miterwägen möge, wenn es an die Ausarbeitung des neuen Urheberrechts herangeht.
Ich hoffe auch, daß das Gesetz über die Verwertungsgesellschaften, das der Herr Justizminister in
Aussicht gestellt hat, diesem großen Urheberrechtsgesetz so weit vorausgeht, daß den Beschwerden, die gegen die GEMA vorgebracht worden sind, abgeholfen werden kann.
Zum Urheberrecht lassen Sie mich noch einige Randbemerkungen machen. Das Urheberrecht ist in seiner moralischen Bedeutung für die schöpferischen Kräfte des Geisteslebens selbstverständlich unbestritten. Das Urheberrecht, wie es heute noch gilt, hat sehr starke Schlagschatten. Z. B. ist ein Verleger verpflichtet, bei Verweigerung einer zweiten Auflage eines vergriffenen Werkes dem Dichter die Verlagsrechte zurückzugeben. Heute kann der Verleger, wenn er auch nur sechs oder sieben Exemplare in seinem Schrank zurückbehält, jederzeit nachweisen, daß das Werk noch nicht vergriffen ist und daß er es darum nicht nötig hat, die Verlagsrechte zurückzugeben. Es gibt viele markante Beispiele dieser Art, die ich mir und Ihnen erspare; sie müssen aber bei der Neubearbeitung des Urheberrechts berücksichtigt werden.
Meine Damen und Herren, ich sagte eben, es sei moralisch völlig unbestritten, daß ein Urheberrecht nötig sei und daß dieses Urheberrecht ein wirksames Mittel darstellt, den Autoren das Wenige zu sichern, was ihre Geistesarbeit einbringt. Aber die meisten von uns — und darum sage ich das von dieser Tribüne aus — ahnen gar nicht, welche wirtschaftlichen Werte hier in Frage stehen. Ich habe einmal den Versuch gemacht, feststellen zu lassen, was der eine Mann Goethe dem deutschen Volke wirtschaftlich eingebracht hat. Diese Feststellung ist natürlich unexakt. Ich habe mich daran gehalten, daß im Hochstift Goethehaus in Frankfurt 60 000 Bände sind. Wenn man annimmt, daß jedes Buch durchschnittlich mit 5000 Stück herauskommt und bei den heutigen Preisverhältnissen jeder solche Band ungefähr fünf Mark kostet, so macht das bei dem einen Goethe allein etwa 1,5 Milliarden DM aus. Das ist die wirtschaftliche Bedeutung unserer Dichter. Das bezieht sich nur auf das Schaffen Goethes. Rechnen Sie das nun einmal um auf das gesamte deutsche dichterische und musikalische Schaffen! Sie werden dann auf phantastische Zahlen kommen, die kein Mensch zu glauben geneigt ist, bis man es ihm vorrechnet.
— Sie verstehen: cum grano salis, meine Damen und Herren! Aber immerhin, wir wollen dessen eingedenk sein, daß wir die Frage der Neugestaltung des Urheberrechts nicht bloß um moralischer und geistiger Interessen willen außerordentlich ernst zu nehmen haben.