Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Meine Damen und Herren! Ich kann wohl davon ausgehen, daß der Antrag Drucksache Nr. 3236 durch die Regierungserklärung für erledigt angesehen wird, so daß nur noch die Abstimmung über die beiden Anträge übrigbleibt, die von der Koalition und von der Opposition gestellt worden sind. Die Abstimmung darüber wird ausgesetzt, bis beide Anträge schriftlich vorliegen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung vorläufig erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend GEMA .
Das Wort hat der Abgeordnete Muckermann.
Muckermann , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, Drucksache Nr. 3251, rückt ein Problem in das Rampenlicht dieses Hohen Hauses und damit der Öffentlichkeit, das in zunehmendem Maße, selbst in kleinen Dorfgemeinden unserer Bundesrepublik, Beunruhigung, j a man kann sagen, Empörung hervorruft. Viele Zuschriften an Abgeordnete dieses Hohen Hauses und persönliche Erfahrungen beweisen das. Das, was in einigen Briefen zum Ausdruck kommt, die in diesen Tagen in dieses Hohe Haus gelangt sind, trifft nicht die Bedeutung dieses Problems. Eine Drucksache, die das Präsidium der GEMA im Tagungsbüro für die einzelnen Mitglieder dieses Hauses hat auslegen lassen, wird wohl niemanden in Versuchung führen, sie als Annex zu unserer Großen Anfrage zu betrachten.
Außerdem ist folgendes Schreiben von der Vereinigung der Bühnenverleger und Bühnenvertriebe
e. V. an den Herrn Justizminister eingegangen: Der unterzeichnete Vorstand fühlt sich verpflichtet, seine schärfsten Bedenken und seine außerordentliche Besorgnis zu den Absichten und Tendenzen der Großen Anfrage der CDU-Fraktion zum Ausdruck zu bringen.
Ich halte dieses Schreiben für einen sehr kühnen Vorgriff. Wir wollen doch erst einmal abwarten, was überhaupt mit dieser Anfrage gemeint ist. Zweitens halte ich dieses Schreiben für einen sehr arroganten Vorgriff. Denn wenn eine Fraktion dieses Hohen Hauses — mag sein, welche es will — sich verpflichtet fühlt, irgendein Problem in diesem Hause anzuschneiden, läßt sie sich auch nicht durch Schreiben von irgendwelchen Verbänden daran hindern.
Im übrigen kann ich zum Inhalt dieser Schreiben nur sagen, daß niemand in diesem Hohen Hause die Absicht hat, die Interessen der Künstler, Verleger, Komponisten, Autoren und aller, die durch das Urheberrecht geschützt sind, auch nur irgendwie anzutasten. Der Sinn dieser Anfrage ist ein ganz anderer. Das Problem, das wir hier behandeln wollen, heißt: das musikalische Tantiemerecht in Deutschland und seine Auswirkungen. Zwei Parteien stehen hier einander gegenüber: die Urheber, d. h. die Autoren und Komponisten, und die weiten musikverbrauchenden Kreise der Bevölkerung. Ihr Verhältnis zueinander ist durch das sogenannte Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 geregelt. Dieses Gesetz gilt noch heute in der Fassung vom 22. Mai 1910. Der Unterschied zwischen der Fassung von 1901 und der von 1910 besteht hauptsächlich darin, daß die öffentliche Aufführung von Musikstücken grundsätzlich in jedem Falle von der Einwilligung des Urhebers abhängt und die Aufführung damit dem Urheber gegenüber gebührenpflichtig ist. Die eine Seite, die Autoren und die Komponisten, umfaßt inzwischen auch die Verleger, die Bearbeiter und die Textdichter. Sie gelten als Urheber und sollen gesetzlich geschützt werden. Auf der anderen Seite ist im Zeitalter der mechanisierten Musik der Kreis der Musikverbraucher wesentlich erweitert worden. So haben wir also auf der einen Seite die Musik liebende und dafür zahlende Bevölkerung und auf der anderen Seite die Musik spendende, die Tantieme empfangende Autorenschaft.
Daß dieses Urheberrechtsgesetz von 1901 bzw. von 1910 einer Überprüfung bedarf, steht wohl außer Frage. Es gilt aber noch und wirkt sich folgendermaßen aus. Seit 1913 ist jener Name aufgetaucht, der zur Zeit im Lande draußen wie ein Geßlerhut zu wirken scheint, nämlich GEMA, Genossenschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte. An ihre Stelle trat von 1933 bis
1945 die Stagma, die staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte, ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung nach § 22 BGB. Vom 15. Februar 1934 bis 1945 galt die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Vermittlung von Musikaufführungsrechten. Die Stagma erhielt das Einziehungsmonopol aus Aufführungsrechten.
Diese Tätigkeit der Stagma wurde durch die alliierte Kontrollbehörde am 24. August 1947 genehmigt. Nur der Name Stagma mußte wieder dem Namen GEMA weichen. In 23 Bezirksdirektionen wacht dieser Verein über die Musikverbraucherschaft. Es wurden schon bis 17 Millionen Mark im Jahr eingezogen. Zur Zeit betragen die Eingänge im Gebiet der Bundesrepublik etwa 10,5 Millionen DM pro Jahr. An erster Stelle steht der Rundfunk mit 4,5 Millionen DM, es folgen die gewerblichen Musikveranstalter, die Vereine, Varietés usw. mit 2 Millionen DM, dann die Phono-Industrie mit 1,5 Millionen DM, der Film mit 1,5 Millionen DM und schließlich die Veranstalter ernster Musik mit 600 000 DM. Von diesen Tantiemen erhalten die Komponisten 35 %, die Verleger 35 %, die Bearbeiter 10 % und die Textdichter 20 %. Hauptempfänger sind die Komponisten leichter Musik, vor allem die 200 bis 300 Schlagerkomponisten der Bundesrepublik mit jährlichem Einzeleinkommen bis zu 300 000 DM. Die ganze Situation ist heute so, daß man nicht nur von einem Schutz der Urheber sprechen kann, sondern bereits von einem Schutzbedürfnis der Musikverbraucher reden muß.
Von diesen Musikverbrauchern interessieren uns die 40 000 Vereine in besonderer Weise und unter ihnen wiederum besonders diejenigen, die kulturelle, volkserzieherische und jugenderzieherische Aufgaben haben. Es ist dabei die Beobachtung gemacht worden, daß das Urheberrechtsgesetz vielfach unklar ausgelegt wird. Mit aller Deutlichkeit muß darum vor allem auf den § 27 des Urheberrechtsgesetzes hingewiesen werden, der die Ausnahmebestimmungen enthält, d. h. diejenigen Fälle kennzeichnet, welche von der Tantiemepflicht ausgeschlossen sind. Dieser § 27 lautet:
Für öffentliche Aufführungen eines erschienenen Werkes der Tonkunst bedarf es der Einwilligung des Berechtigten nicht, wenn sie keinem gewerblichen Zwecke dienen und die Hörer ohne Entgelt zugelassen werden. Im übrigen sind solche Aufführungen ohne Einwilligung des Berechtigten zulässig:
1. wenn sie bei Volksfesten, mit Ausnahme der Musikfeste, stattfinden;
2. wenn der Ertrag ausschließlich für wohltätige Zwecke bestimmt ist und die Mitwirkenden keine Vergütung für ihre Tätigkeit erhalten;
3. wenn sie von Vereinen veranstaltet werden und nur die Mitglieder sowie die zu ihrem Hausstande gehörigen Personen als Hörer zugelassen werden.
Auf die bühnenmäßige Aufführung einer Oper oder eines sonstigen Werkes der Tonkunst, zu welchem ein Text gehört, finden diese Vorschriften keine Anwendung.
Im Sinne dieses § 27 muß gefordert werden, daß außer den Veranstaltungen für Kirchen und Schulen, die an sich tantiemefrei sind, erstens Veranstaltungen für die Jugend ebenfalls tantiemefrei bleiben, daß zweitens althergebrachte historische
Volksfeste wie Kirchweih- und Schützenfeste, als Volksfeste im Sinne des § 27 anzusehen und tantiemefrei sind, daß drittens Veranstaltungen kultureller und weltanschaulicher Vereine nach § 27 Abs. 1 Ziffer 3 zu behandeln sind, auch wenn Gäste und Freunde des Vereins an den Veranstaltungen teilnehmen. Ein Eintrittsgeld zur Deckung der Unkosten darf kein Hindernis sein, falls grundsätzlich kein gewerblicher Zweck verfolgt wird. Viertens: Betriebsveranstaltungen, Betriebsfeiern können in keinem Fall als Veranstaltungen gewertet werden, die einen gewerblichen Zweck verfolgen. Es steht darum durchaus nichts im Wege, daß sie ebenfalls unter den § 27 fallen. Die Legislative muß doch imstande sein, diese gerechten Forderungen baldmöglichst wirksam werden zu lassen, ohne dadurch die Interessen der Komponisten zu vernachlässigen.
Ein weiteres wesentliches Moment ist die Methode der Erfassung. Im allgemeinen bedient sich die GEMA dabei der sogenannten gemeindlichen Auskunft, d. h. die kommunalen Behörden, vor allem die Lustbarkeitssteuerbehörden usw., bei denen Veranstaltungen gemeldet werden, teilen gleichzeitig der GEMA mit, wann und wo musikverbrauchende Veranstaltungen stattfinden. Die Vereine empfinden aber diese Methode als Bespitzelung. Man muß eine neue Methode finden, die beiden Seiten gerecht wird.
Wie einzelne Vereine über dieses Problem und die Methode denken, mögen Sie aus einigen Zuschriften entnehmen. So schreibt z. B. ein großer Verband, der über 200 000 Mitglieder hat und auf kultureller Ebene in Deutschland arbeitet:
Zur Zeit machen die GEMA-Gebühren in weiten Bevölkerungskreisen viel von sich reden,
da die Gebührensätze der Gesellschaft wiederum
erhöht wurden.
Ich darf in Klammern hierbei bemerken, daß am 20. Februar 1952 in Hamburg ein Schiedsspruch ergangen ist, wodurch die GEMA-Gebühren für die Musik in Gaststätten und in Vereinen mit sofortiger Wirkung um 50 °/o erhöht werden. Die GEMA hatte das Vier- bis Sechzehnfache der Gebühren gefordert.
Die 50%ige Gebührenerhöhung auch für die Vereine ist trotz schärfsten Protests der Musikverbraucherorganisation erfolgt.
Der eben zitierte Verband fährt dann fort:
Eine grundsätzliche Änderung wäre im Interesse der gesamten Jugendarbeit und aller Jugendorganisationen dringend notwendig.
Ähnliche Schreiben liegen vor von Schützenvereinen und Schützenbruderschaften, die ebenfalls
durch diese Methoden der GEMA um ihre Existenz
gebracht werden.
Abschließend möchte ich zusammenfassend sagen, daß es notwendig ist, die Forderung, die ich eben aufgestellt habe, möglichst bald gesetzgeberisch zu verwirklichen. Ich glaube, daß alle durch dieses Problem Betroffenen auf die Antwort, die die Bundesregierung auf unsere drei Fragen erteilen wird, sehr gespannt sind.