Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich habe am 10. März 1950 vor dem Bundestag die folgende Erklärung abgegeben, die ich am 30. Mai 1951 wiederholt habe: „Die endgültige Regelung der Verhältnisse an der Saar muß in einem mit uns, d. h. mit der Bundesregierung, zu schließenden Friedensvertrag erfolgen.
Daraus ergibt sich, daß vor Abschluß des Friedensvertrags an der Saar keine Verhältnisse geschaffen werden dürfen, deren Änderung durch den Friedensvertrag nicht mehr möglich ist.
Wir haben den dringenden Wunsch, daß an der Saar die Grundsätze der Freiheit und der Demokratie verwirklicht werden.
Wir wünschen eine Regelung der Saarfrage, die den Interessen aller beteiligten Staaten einschließlich Frankreichs und des Saargebiets gerecht wird."
Anläßlich der Unterzeichnung des Schumanplans ist dieser Gedanke am 18. April 1951 in einem Briefwechsel mit Herrn Minister Schuman dadurch ergänzt worden, daß die Saarfrage nicht nur durch den Friedensvertrag, sondern auch durch einen gleichartigen Vertrag vor Abschluß eines endgültigen Friedens geregelt werden könne. Wir haben immer wieder erlebt, daß das Saarproblem die Entwicklung einer engen und friedlichen Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs behindert und deshalb geeignet ist, die europäische Integration zu stören, wenn nicht gar zu verhindern. Ich erinnere an die Schwierigkeiten, die das Saarproblem bei dem Abschluß des Schumanplans gemacht hat. Ich erinnere an die Spannung, die anläßlich des Verbots der DPS durch die Saarregierung zwischen Deutschland und Frankreich entstehen mußte. Auch die Arbeiten im Europarat werden laufend dadurch gestört, daß keine Einigkeit darüber erzielt werden kann, in welcher Form die Bevölkerung des Saargebiets in den Genuß der Europa-Konventionen zu setzen ist. So erklärt es sich, daß dieses Problem immer mehr zu einer ständigen Sorge aller verantwortungsbewußten europäischen und amerikanischen Staatsmänner geworden ist.
Anläßlich der Viererkonferenz in London haben die Herren Acheson und Eden bei Herrn Schuman und mir angeregt, eine Lösung des Saarproblems noch vor Abschluß des Friedensvertrags herbeizuführen. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien, so haben sie ausgeführt, seien der Auffassung, daß diese Lösung durch direkte Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich herbeigeführt werden sollte; sie würden aber eventuell ihre guten Dienste zur Verfügung stellen.
Dementsprechend habe ich mit Herrn Schuman in London und Paris Besprechungen geführt, die das Ziel hatten, zu untersuchen, welche Lösungsmöglichkeiten überhaupt bestünden. Bei diesen Besprechungen wurde auch die Möglichkeit der Schaffung eines europäischen Territoriums an der Saar erörtert, das Sitz der Hohen Behörde des Schumanplans würde.
Einigkeit bestand darüber,
daß bei der zu suchenden Lösung das Votum eines völlig frei zu wählenden Landtags des Saargebiets nicht außer Betracht gelassen werden dürfe.
Des weiteren war ich mit Herrn Schuman einer Meinung darüber, daß Vertreter der Bundesregierung und der französischen Regierung sich sofort in das Saargebiet begeben sollten, um mit den Behörden an der Saar die Frage zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine völlig freie Landtagswahl im Saargebiet gegeben seien. Unter diesen Umständen schien es mir angebracht, die Verhandlung über die Frage, ob an der Saar die politischen Freiheiten gewährleistet seien, eine Frage, die auf meinen Antrag auf die Tagesordnung des Ministerkomitees des Europarats gesetzt worden war, zunächst absetzen zu lassen. In einem Memorandum hatte die Bundesregierung den Mitgliedsregierungen des Europarats eingehend dargelegt, inwiefern die politischen Grundfreiheiten im Saargebiet nach Auffassung der Bundesregierung nicht gewährleistet seien.
Es ist zum Ausdruck gebracht worden, ich hätte in Paris den Standpunkt der Bundesregierung in der Saarfrage aufgegeben. Insbesondere hat man behauptet, ich hätte die Saarregierung als Regierung eines Staates anerkannt.
Wenn ich den Begründer der Anfrage richtig verstanden habe, so hat er ausgeführt, daß ich das zwar nicht de jure, nicht rechtlich, daß ich es aber de facto getan hätte. Nun, meine Damen und Herren, auch de facto ist das nicht geschehen. Ich habe es seit Bestehen der Bundesrepublik als eines der vordringlichsten Ziele unserer Politik bezeichnet, daß die Saarfrage bald zu einer alle Teile befriedigenden Lösung gelangt. Diesem Ziele sollten in unveränderter Weise auch meine Pariser Besprechungen dienen. Daß bei der oben erwähnten Untersuchung der Verhältnisse im Saargebiet auch Besprechungen mit Vertretern der Saarbehörden notwendig werden würden, liegt in der Natur der Sache.
Aber gerade um den Eindruck zu vermeiden, als werde eine Anerkennung ausgesprochen, haben Herr Schuman und ich davon abgesehen, einen gemeinsamen Ausschuß einsetzen zu wollen. Vielmehr haben wir nur von „Vertretern der französischen Regierung und Vertretern der Bundesregierung" gesprochen.
Daß, wie mein Herr Vorredner auch gesagt hat, Vertreter der Saarbehörden sogar in einem Ausschuß stimmberechtigt sein sollten, ist niemals auch nur andeutungsweise — —
— Ich glaube, beanspruchen zu können, daß man der Erklärung des deutschen Bundeskanzlers mindestens so viel Glaubwürdigkeit beimessen sollte
wie der Erklärung des Außenministers eines nichtdeutschen Staates.
Wie wenig ich bereit bin, eine Regierung des Saarlandes anzuerkennen, zeigt sich darin, daß ich den Widerspruch, den die Bundesregierung am 31. Januar 1952 gegen die Unterzeichnung weiterer Europa-Konventionen durch die Saarregierung eingelegt hat, in vollem Umfang aufrechterhalten habe.
Meine Damen und Herren, wenn ich in Paris nach meinen Besprechungen mit Minister Schuman der Meinung sein konnte, der Boden für eine baldige allgemein befriedigende Regelung der Saarfrage sei bereitet, so haben die Ereignisse der Zwischenzeit leider gezeigt, daß wir mit unseren Besprechungen offenbar der Entwicklung vorausgeeilt waren.
Ich verweise hierbei insbesondere auf die Debatte,
die am 1. April 1952 im französischen Senat über
die Ratifikation des Schumanplans und im Zusammenhang damit über die Saarfrage stattgefunden hat. Diese Debatte läßt vermuten, daß der europäische Gedanke noch nicht überall genügend Stärke und Überzeugungskraft besitzt.
Wie aus dem Beschluß des Senats hervorgeht, hält man in gewissen Kreisen Frankreichs unverrückbar an der politischen Trennung des Saargebiets von Deutschland und an der wirtschaftlichen Vereinigung mit Frankreich fest
und stellt sich auf den Standpunkt, diese beiden Forderungen könnten nicht Gegenstand von Verhandlungen sein,
verhandelt werden könne vielmehr nur über die noch verbleibenden Probleme. Ich glaube nicht, daß Verhandlungen auf dieser Grundlage irgendeine Aussicht auf Erfolg bieten.
Zu meinem großen Bedauern scheint die Regelung des Saarproblems also vorerst noch zurückgestellt werden zu müssen.
Die Bundesregierung erhebt aber nach wie vor und ganz unabhängig von dieser Frage die Forderung, daß die Saarbevölkerung sofort in den Genuß der vollen politischen Freiheitsrechte gesetzt wird.
In Paris waren wir übereingekommen, dieses Problem an Ort und Stelle prüfen zu lassen. Die Bundesregierung wird sich, soweit es in ihren Kräften steht, weiterhin bemühen, die französische Regierung zur Einhaltung dieser Absprache zu bewegen.
Im folgenden will ich den Standpunkt der Bundesregierung nochmals klarstellen. Es ist eine von den alliierten Mächten nicht bestrittene, selbst von der Präambel der Verfassung des Saargebiets anerkannte Tatsache, daß ein internationales Statut für das Saargebiet nicht besteht. Zwischen der Bundesregierung und der französischen Regierung besteht Übereinstimmung, daß die gegenwärtige Ordnung an der Saar keine endgültige ist, daß vielmehr die endgültige Ordnung dem Friedensvertrag oder einem gleichwertigen Vertrag vorbehalten bleibt.
Dies haben die Bundesregierung und die französische Regierung anläßlich der Unterzeichnung des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in dem Briefwechsel vom 18. April 1951 ausdrücklich niedergelegt.
In einer Note der Hohen Kommission vom 2. August 1951 haben die drei westalliierten Regierungen diese Auffassung der Bundesregierung abermals bestätigt.
Aus diesen Tatsachen ergibt sich nach Auf fassung der Bundesregierung, daß alle Bewohner des Saargebiets das Recht haben müssen, in völlig
freier Weise schon jetzt zu erörtern, welche Gestalt die künftige Ordnung annehmen soll.
Sie müßten in der Lage sein, schon jetzt ihrem Willen politisch wirksamen Ausdruck zu verleihen durch die Wahl eines Landtags, dessen Mitglieder nicht im voraus verpflichtet sind, in der Frage einer kommenden Ordnung eine ganz bestimmte Haltung einzunehmen.
Diesen Forderungen entsprechen die Maßnahmen nicht, die die Saarregierung getroffen hat. Insbesondere hält das von dem saarländischen Landtag am 17. März erlassene Gesetz betreffend politische Parteien an der Auffassung fest, daß im Saargebiet nur Parteien zugelassen werden können, die von vornherein den gegenwärtigen Status an der Saar bindend anerkennen und sich verpflichten, allen Bestrebungen entgegenzutreten, auf Grund deren für die Zukunft eine andere Ordnung eingeführt werden soll.
Dieses Gesetz widerspricht somit der international — auch von Frankreich — anerkannten Tatsache, daß die gegenwärtige Regelung der Saarfrage eine vorläufige ist und daß der Bevölkerung Gelegenheit gegeben werden muß, sich frei darüber zu äußern, welche Regelung sie für die Zukunft haben will.
Die Saarregierung hat bisher immer wieder betont, daß es nur eine kleine Gruppe von Außenseitern sei, die mit der gegenwärtigen Regelung unzufrieden sei. Diese Behauptung ist in der Zwischenzeit eindeutig widerlegt worden.
Der neugewählte Erste Vorsitzende der Einheitsgewerkschaften des Saargebiets hat am 30. März 1952 auf dem zweiten Landeskongreß der Einheitsgewerkschaften wörtlich folgendes erklärt:
Bei einer Lösung der Saarfrage ziehen wir Deutschland vor,
weil die deutsche Sprache, Art und Kultur uns eigen sind.
Wir sind aber auch mit einer europäischen Lösung einverstanden, wenn keine französische Vorherrschaft die Voraussetzung ist und wir unser Eigenleben in Freiheit aufbauen können.
Auch Nachrichten in der heutigen Presse zeigen, daß die Behauptung der Saarregierung, daß nur einige Außenseiter mit der gegenwärtigen Ordnung an der Saar nicht einverstanden seien, falsch ist.
Nun, meine Damen und Herren, noch ein Wort zu der von dem Herrn Vorredner angeschnittenen Frage in bezug auf Herrn Strohm. Es ist im allgemeinen nicht Brauch, daß man persönliche Angelegenheiten eines Beamten hier im Bundestag zur Sprache bringt.
Der Herr Vorredner hat gesagt, daß in mehreren sozialdemokratischen Zeitungen ausgesprochen worden sei, ich hätte den Herrn Strohm entlassen – entlassen ist er übrigens nicht —, weil das die französische Regierung von mir verlangt habe; weil ich bisher auf diese Äußerungen deutscher Zeitungen keine Antwort gegeben hätte, wünschte man hier eine Auskunft. Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen. Wenn eine deutsche Zeitung behauptet, ich hätte einen Beamten entlassen, weil die französische Regierung das von mir verlangt habe, so halte ich es tatsächlich für unter meiner Würde, darauf überhaupt zu antworten.
Ich möchte aber, nachdem nun diese Angelegenheit hier zur Sprache gekommen ist, folgendes ausdrücklich erklären. Von keiner französischen Seite irgendwelcher Art ist irgendwie ein solches Ansinnen oder eine Bitte oder auch nur etwas Ähnliches mir gegenüber ausgesprochen worden,
auch nicht einem meiner Mitarbeiter gegenüber, sondern ich habe Herrn Strohm aus folgendem Grunde vorläufig seiner Funktionen enthoben.
Herr Strohm hat am Tage vor meiner Abreise nach Paris einem Vertreter der United Press in Paris eine ausführliche Darstellung meiner Absichten und Ansichten, die ich in Paris vertreten würde, mitgeteilt,
und der Vertreter der United Press hat noch vor meiner Abreise aus Paris diese ihm von Herrn Strohm gemachten Mitteilungen der Öffentlichkeit übergeben.
Meine Damen und Herren, ich halte es für unmöglich, daß ein hoher Beamter des Auswärtigen Amts ohne mein Vorwissen eine solche Erklärung einer Presseagentur übergibt,
Die Untersuchung dieses Vorganges ist noch nicht zu Ende, und je nach ihrem Ausfall wird die Entscheidung gefällt werden.