Rede von
Dr.
Karl
Mommer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
— nach allgemeiner Überzeugung der beste Fachmann in diesen Fragen und ein hockqualifizierter Beamter.
Die SPD-Presse hat mehrmals die Behauptung aufgestellt, daß diese Entlassung auf eine Forderung der französischen Regierung zurückgehe. Diese Behauptung der SPD-Presse ist nicht dementiert worden, und wir fordern auch darüber Aufklärung durch den Herrn Bundeskanzler.
Ich möchte eine Frage stellen: Wie denkt sich der Herr Bundeskanzler und Außenminister denn die organisatorische und personelle Unterbauung seiner zukünftigen Saarpolitik? Kennt er nicht den gewaltigen Apparat, den die französische Regierung am Quai d'Orsay und in Saarbrücken — mit den Steuergeldern der deutschen Bevölkerung — aufgebaut hat, um die Saarpolitik durchzuführen? Es ist doch unmöglich, in internationalen Verhandlungen gute Arbeit aus dem Handgelenk zu leisten. Man braucht dazu die Hilfe eines guten Apparats. Wenn man diese Verhandlungen aus dem Handgelenk führt, dann kommen solche Resultate dabei heraus.
Noch ein Wort zu der Frage, ob der Herr Bundeskanzler die Hoffmann-Regierung durch seine Besprechungen anerkannt habe. Herr Schuman, Herr Grandval und Herr Hoffmann haben es zunächst so ausgelegt. In Bonn wurde dementiert. Und dann erklärte Herr Schuman am 24. März, daß es sich nicht eigentlich um eine Anerkennung handle. „Aber das Neue ist", sagte er, „daß der Kanzler offiziell anerkannt hat, daß eine Lösung nur unter Mitwirkung der Saarregierung und mit Billigung des neuen Saarparlaments zustande kommen kann." Gewiß, es handelt sich nicht um eine De-jure-Anerkennung. Aber wieder einmal ist die faktische 'Anerkennung der Saarregierung und damit der Separation des Saargebiets ein Stück weitergekommen.
Die Pariser Abmachungen waren ein gewaltiger Rückschlag in dem Kampf um die Saar und ein Rückschlag in dem Kampf um die deutschen Grenzen überhaupt. Aufgabe der Aussprache ist es, über den Zusammenhang dieses Problems mit der Oder-Neiße-Linie noch manches zu sagen, und ich kann es mir hier ersparen. Der Rückschlag war besonders schmerzlich für die deutsche Bevölke-
rung an der Saar, und es ist bewundernswert, daß sie trotzdem an den Ketten rüttelt. Die eine Partei kämpft gegen das Verbot; zwei andere kämpfen um ihre Zulassung. Und dann: ein wichtiges Ereignis ist seitdem eingetreten. Die größte Organisation des Landes, die Einheitsgewerkschaft, hat sich eine Führung gewählt, die bereit ist, den Kampf gegen die Tunesien-Politik Frankreichs an der Saar energisch zu führen. Alle diese deutschen Menschen an der Saar erwarten, daß ihnen die Saarpolitik der Bundesregierung Rückendeckung und Rückenstärkung gibt. Statt dessen sagen und schreiben sie uns alle, auch die Freunde des Herrn Bundeskanzlers an der Saar, daß ihnen der Herr Bundeskanzler mit der in Paris inaugurierten Politik in den Rücken gefallen ist,
und ihre Gegner, die Separatisten, können sagen, ihre bisherige Politik sei glänzend gerechtfertigt, und sie jubeln. Dieser Jubel, Herr Bundeskanzler, scheint mir eine vernichtende Kritik zu sein.
Wenn der Verdacht der Aufgabe der Saar durch den Herrn Bundeskanzler unbegründet wäre, warum hat er dann nicht schon lange einen erlösenden Satz gesprochen? Er hätte wiederholen können, was er hier vor einem Jahr gesagt hat: Die Saar ist deutsch, und ganz Deutschland einschließlich der Saar wird sich mit Frankreich in Europa zusammenfinden. Er hat das nicht getan. Der Bundestag und das ganze deutsche Volk erwarten, daß er endlich heute sagt, was er in Paris vereinbart hat und was er weiter in der Saarfrage tun will.