Meine Damen und Herren! Der Antrag der Regierungsparteien zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln, kurz Teuerungszulagengesetz, beschäftigt sich mit einem Gesetz, das zu den unglücklichsten
und zu den schlechtesten Gesetzen
gehört, die der Bundestag jemals verabschiedet hat. Unmittelbar nach der Beratung hier im Plenum und nach der Annahme dieses Gesetzes durch den Bundestag waren bereits die Rentenversicherungsträger einstimmig der Überzeugung, daß dieses Teuerungszulagengesetz nicht durchgeführt werden kann. Ich nehme an, die Regierung hat selbst eingesehen, daß das Teuerungszulagengesetz, das uns damals undurchdacht und unvollständig
vorgelegt worden ist, nicht durchgeführt werden kann, und daß sie deshalb die Regierungsparteien veranlaßt hat, heute diesen Antrag zur Änderung und Ergänzung dieses Gesetzes zu stellen.
Ich habe bei der Beratung dieses Gesetzes am 12. Juli vorigen Jahres darauf hingewiesen, daß es die sozialdemokratische Fraktion ablehnen muß, ihre Zustimmung zu Gesetzen zu geben, die dem Bundestag von der Regierung in der letzten Minute zugeleitet werden. Als wir seinerzeit das Gesetz berieten, war der letzte Tag vor den Ferien, der bereits lange Zeit vorher bekannt war. Wir haben das Gesetz in der letzten Minute zugestellt bekommen, und während wir im Sozialpolitischen Ausschuß darüber berieten, fand im Plenum die erste Beratung über den Schumanplan statt.
Herr Kollege Arndgen, Sie erinnern sich noch daran, daß der Vorsitzende des Sozialpolitischen Ausschusses an den Herrn Präsidenten des Bundestages noch einen Brief gerichtet hat, in dem er ihn gebeten hat, die Sitzung nicht zu schließen, bevor nicht noch am selben Tage dieses Gesetz vom Bundestag verabschiedet worden sei. Wir hatten damals keine Möglichkeit, über den materiellen Inhalt dieses Gesetzes zu beraten; aber ich habe bereits damals darauf hingewiesen, daß wir lediglich im Interesse der armen Teufel, die die 3 Mark erhalten sollten, zustimmten, daß wir aber bereit seien, sofort nach den Ferien erneut zu diesem Gesetz Stellung zu nehmen, um noch einmal unsere Meinung zu diesen Dingen zu sagen und wieder darüber zu beraten.
Wir haben seinerzeit den Herrn Finanzminister in den Ausschuß holen lassen und haben damals erreicht, daß auch diejenigen, die bei der Mindestrente in der Sozialversicherung ausgefallen sind und nichts erhalten haben, mit in dieses Gesetz aufgenommen werden sollten.
Das Gesetz ist am 1. Juli 1951 in Kraft getreten. Bis zum heutigen Tage sind die Durchführungsbestimmungen nicht erlassen worden. Ich weiß, daß manche gesetzestechnischen Schwierigkeiten damit verbunden waren. Aber immerhin haben die ausführenden Organe bis heute keine Ausführungsbestimmungen, so daß dieses Gesetz überhaupt nicht durchgeführt werden konnte.
Ein Teil der Zulagenberechtigten hat bis zum heutigen Tage überhaupt nichts bekommen. Lediglich die Krankenkassen, die Arbeitsverwaltung und die Berufsgenossenschaften haben das Gesetz durchgeführt, während die Rentenversicherungsträger, die Invalidenversicherung, die Angestelltenversicherung und die Versorgungsämter dieses Gesetz infolge des Fehlens der Durchführungsbestimmungen bis zum heutigen Tage nicht durchgeführt haben. Ich brauche hier nicht besonders zu betonen, welche Verbitterung draußen in der Öffentlichkeit bei den armen Leuten besteht, die auf die drei Mark warten und sie nicht erhalten können.
Aber noch etwas anderes ist bezeichnend. Es gibt Kreise, denen die Teuerungszulage von 3 DM nach dem Teuerungszulagengesetz zusteht, die sie aber bis zum heutigen Tage nicht bekommen haben, sondern die im Gegenteil noch 3 DM abgezogen 'bekommen haben.
Ich will Ihnen einmal ein Beispiel sagen. Wenn
eine Witwe 50 DM Versorgungsrente als Elternrente und dazu 35 DM Soforthilfe, also zusammen 85 DM bekommt, dann werden von der Soforthilfe 3 DM abgezogen, so daß sie nur 82 DM ausgezahlt erhält. Anstatt 85 DM bekommt sie nur 82 DM ausgezahlt. Anstatt daß sie die 3 DM Teuerungszulage bekommt, kriegt sie noch 3 DM von ihrer bisherigen Rente abgezogen. Das ist doch ein unmöglicher Zustand, und es ist deshalb notwendig, daß möglichst rasch auf diesem Gebiete etwas getan wird.
Wir haben bereits am 13. Dezember 1951 in einer Anfrage, die wir an die Regierung gerichtet haben, festgestellt, daß die Auszahlung an die Rentner der Invalidenversicherung und der Angestelltenversicherung nicht durchgeführt werden kann, und haben verlangt, daß die Ausführungsbestimmungen möglichst rasch erlassen werden. Wir haben die Regierung gebeten, uns Auskunft darüber zu geben, warum die Ausführungsbestimmungen nicht erlassen worden sind und wann mit dem Erlaß zu rechnen ist. Wir haben gefragt, ob es richtig ist, daß zunächst etwa 3 Millionen Fragebogen gedruckt, ausgegeben und ausgewertet werden müssen, um dieses Gesetz überhaupt durchzuführen. Am 12. Januar hat uns die Regierung geantwortet. Sie hat darauf hingewiesen, daß infolge verschiedener Umstände die Ausführungsbestimmungen nicht erlassen werden konnten. Sie hat lediglich bestritten, daß 3 Millionen Fragebogen gedruckt und ausgegeben werden müssen; sie hat aber nicht bestritten, daß Millionen von Fragebogen ausgegeben werden müssen, um dieses Gesetz überhaupt durchzuführen;
vielleicht noch mehr als 3 Millionen. Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sind drei Vierteljahre vergangen, und es scheint mir notwendig zu sein, daß jetzt möglichst rasch gehandelt wird, um das Gesetz auch wirklich in seiner ganzen Breite durchzuführen.
Ich will auf den materiellen Inhalt, den der Herr Abgeordnete Arndgen begründet hat, nicht näher eingehen. Ich will nur folgendes feststellen. In einer Vorlage, die mir vorliegt -- sie ist nicht von der Regierung unterschrieben, aber anscheinend ist sie doch von der Regierung —, ist in der Begründung zu dem neuen Entwurf festgestellt, daß seit dem 10. August 1951, an dem das Teuerungszulagengesetz beschlossen worden ist, eine erhebliche Verbesserung für die Kreise der Bezugsberechtigten eingetreten sei, weil damals infolge Wegfalls der Subventionen die Teuerungszulagen für die Grundnahrungsmittel gewährt werden sollten, die Subventionen aber zum Teil weiter gewährt worden seien und zum Teil die Rohstoffpreise, insbesondere der Margarinepreis gesunken seien, so daß die Teuerungszulage, die jetzt gewährt werde, um mindestens 50 % über das hinausgehe, was die Teuerung damals ausgemacht habe. Wenn ich die Begründung richtig verstehe, dann bereut anscheinend die Regierung, daß sie damals den Zulageberechtigten 3 DM versprochen hat.
Ich bin deshalb der Meinung, daß wir den Antrag, wie Herr Kollege Arndgen gesagt hat, möglichst rasch, nachdem der Sozialpolitische Ausschuß ihn zugewiesen bekommen hat, beraten und verabschieden sollten, damit endlich das Gesetz in
seiner ganzen Wirkung für diese armen Leute durchgeführt werden kann.