Meine Damen und Herren! Es ist unmöglich, in der mir von Ihnen zugeteilten, nur fünf Minuten betragenden Redezeit
das ganze Thema auch nur einigermaßen erschöpfend zu behandeln.
Ich möchte daher nur auf einige Bemerkungen zurückkommen, die heute gefallen sind, sei es aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers, sei es aus anderem Munde.
Zunächst: Der Herr Bundeskanzler hat heute im Vergleich zu dem, was er uns vor kurzer Zeit bei der Remilitarisierungsdebatte sagte,
eine Kehrtwendung um 180 Grad vollzogen.
Damals sagte er, wie drohend die Kriegsgefahr sei, wie die 200 oder, was weiß ich, wieviel russischen Divisionen bereit stünden zum Einmarsch nach Westdeutschland. Heute sagte er das Gegenteil, heute erklärte er, daß er, Dr. Adenauer, keineswegs daran glaube, daß Rußland einen Krieg beabsichtige, weil Rußland zur Zeit genügend innenpolitische Arbeiten durchzuführen habe.
Als er — zuerst durch einen Zwischenruf von mir und dann durch die längeren Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ollenhauer, der darauf zu sprechen kam — anscheinend sehen mußte, daß er damit seine eigene Politik nicht gerade sehr schmeichelhaft charakterisierte, da sagte er: ja, deswegen beabsichtige Rußland keinen Krieg von jetzt ab oder im heutigen Moment, weil der Westen schon zu stark sei. So habe er, Adenauer, das gemeint. Damit hat Dr. Adenauer seiner Politik noch weiterhin eine eigene Kritik angehängt;
denn wenn der Westen schon so stark ist, Herr Dr. Adenauer, daß sich Rußland keinen Krieg mehr nach dem Westen leisten kann, dann braucht der Westen die deutsche Remilitarisierung nicht, die Sie, Herr Dr. Adenauer, den Allierten bei jeder Gelegenheit anbieten; dann braucht es die zwölf deutschen Divisionen nicht, die Sie den Amerikanern zu einem Zeitpunkt offerieren, wo die Vereinigten Staaten von Amerika erst vor wenigen Wochen die allgemeine Wehrpflicht für ihr eigenes Volk abgelehnt haben, indem sie die entsprechende Vorlage an den Militärausschuß des Repräsentantenhauses zurückverwiesen haben, was, wie eine Zeitung in Deutschland mit Recht schrieb, einem
Staatsbegräbnis erster Klasse hinsichtlich der allgemeinen Wehrpflicht in Amerika gleichkommt.
Das zu dem einen Punkt!
Zweitens: Herr Adenauer sprach davon, eine Neutralisierung Deutschlands würde aus Deutschland einen Staat minderen Rechts machen.
Herr Dr. Adenauer, ich will mich nicht mit Ihnen streiten,
ob einé Neutralisierung — —
sowohl dem Westen wie dem Osten klarzumachen, daß es nicht bloß im Interesse Deutschlands, sondern genau so im Interesse Rußlands auf der einen Seite und Amerikas auf der anderen Seite liegt, wenn sich Deutschland aus den Auseinandersetzungen zwischen Amerika und Rußland heraushält.
Dieses Ziel der deutschen Politik sollte Herr Dr. Adenauer verfolgen!
Welcher Weg aber von der Regierung Adenauer leider gegangen wird,
— einen Satz noch! —, das ist ganz klar: Siehe die Äußerungen Dr. Hallsteins!
Aber nicht bloß Herr Dr. Hallstein hat diese Entgleisungen gemacht, die heute mit soviel Recht kritisiert wurden.
Was sagen Sie denn, meine Herren Zwischenschreier,
was sagen Sie dazu, wenn heute ein Blatt von Ihnen,
ein führendes, immer die Regierungspolitik unterstützendes Blatt wörtlich schreibt:
Der Kanzler hat einen weit kühneren Plan: Wiederaufrüstung, dann Gespräche mit den Russen in der Absicht, sie zu bewegen, hinter den Bug zurückzuweichen.
— Hinter den Fluß Bug, ja, in Ostpolen!
An diesem Ziel hält Dr. Adenauer seit langem mit Hartnäckigkeit fest.
Das ist auch schon der erste Teil auf dem berüchtigten Weg zum Ural! Von diesem Weg hinter den Bug
haben wir schon einmal gehört, und vor dem warnen wir mit aller Entschiedenheit! Es wäre sehr gut gewesen, wenn heute ein Redner auf diesen blühenden Unsinn,
den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vertreten hat, eingegangen wäre!
— Meine Herren von der CDU/CSU, Sie können nicht mit Lachen und Zwischenrufen hier so wichtige Dinge niederschreien! Es sollte Aufgabe dieses Bundestages sein, alle diese Entgleisungen, diese falschen Wege der Regierungspolitik zu kritisieren und einen Weg aufzuzeigen, wie man es besser machen kann.
Das verhindern Sie durch Ihr Schreien. Es tut mir außerordentlich leid, daß ich nicht länger zu diesem ganzen Thema sprechen kann.
Ich möchte schließen mit einem Satz Bismarcks:
„Man darf den Faden der Verhandlungen niemals abreißen lassen". Und weil der Herr Bundeskanzler heute schon Schweizer Zeitungen zitierte, möchte ich ihm ebenfalls sagen, was einer der bekanntesten Schweizer Professoren neulich erklärte. Er sagte, Ziel schon der Bismarckschen Politik war es, und Ziel der heutigen Politik Deutschlands müßte es eigentlich sein, sowohl dem Westen wie dem Osten klarzumachen, daß ein Deutschland, das sich bei diesen Auseinandersetzungen zwischen West und Ost nicht beteiligt und nicht einmischt, heute im Interesse der ganz en Welt handeln würde.
Und wenn Herr Kiesinger sagte,
es könne noch eine andere Türe zugeschlagen werden — —