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ID0120404200

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    Deutscher Bundestag - 204. Sitzung. Bonn, den 3. und 4. April 1952 8743 204. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. April, und Freitag, den 4. April 1952. Erster Tag: 3. April 1952 Geschäftliche Mitteilungen 8744D, 8799D, 8800A Zur Tagesordnung 8745A, 15 Erweiterung des Punktes 2 durch die Anträge Nrn. 3268 und 3276 der Drucksachen betr. Truppenübungsplatz Bergen-Belsen 8745A Antrag auf Erweiterung des Punktes 1 durch den Antrag der Fraktion der SPD betr. Verhandlungen über das Saargebiet (Nr. 3236 der Drucksachen): Mellies (SPD) 8745A Dr. von Brentano (CDU) 8745C Widerspruch gegen Aufsetzung 8745D, 8799D Absetzung der Punkte 3 a bis f betr. Zollfragen: Dr. Horlacher (CSU) 8745D Mellies (SPD) 8746A Sperrfrist für Fragen zur nächsten Frage- stunde 8745A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU, betr. Deutschen Verteidigungsbeitrag (Nrn. 3163, 3084 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Erklärungen des Staatssekretärs Prof. Dr. Hallstein (Nrn. 3203, 3279 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einheit Deutschlands (Nrn. 3210, 3277, 3288 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Auswärtiges Amt (Nr. 3211 der Drucksachen) 8746B Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8746C als Abgeordneter 8798A Eichler (SPD), Anfragender 8748C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 8751C, 8758A, 8767C Wehner (SPD), Antragsteller . . . . 8753B Dr. Reismann (FU), Antragsteller . 8762A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 8763C 011enhauer (SPD) 8763D, 8790A Euler (FDP) 8768D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 8771B Dr. von Merkatz (DP) 8776B Dr. von Brentano (CDU) 8779B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (FU) 8782D Reimann (KPD) 8784A Dr. Tillmanns (CDU) 8787A Kiesinger (CDU) 8791D Hedler (Fraktionslos) 8795B Loritz (Fraktionslos): zur Sache 8796A persönliche Bemerkung 8800B Dr. Reif (FDP) 8797C Abstimmungen 8798B Zur Geschäftsordnung, betr. Weiterberatung: Dr. von Brentano (CDU) 8800A Unterbrechung der Sitzung 8800B Zweiter Tag: 4. April 1952 Geschäftliche Mitteilungen . 8800C, 8801A, 8816C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU betr. Beschlagnahmen durch die Besatzungsmächte für militärische Zwecke (Nrn. 3246, 3006 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU betr. Beschlagnahmung von Geländeteilen für militärische Zwecke (Nrn. 3247, 3145 der Drucksachen), mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Flugplatzbau in Söllingen-Stollhofen und den Antrag der Fraktion der KPD betr. Freigabe des Städtischen Schwimmbades in Frankfurt/Main- Fechenheim durch die Besatzungsmacht (Nrn. 3248, 2961, 2968 der Drucksachen), mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Verhinderung von Landbeschlagnahmung für militärische Zwecke und den Antrag der Fraktion der FU betr. Militärflugplatz in Münster-Handorf (Nrn. 3249, 2922, 3007 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Truppenübungsplatz Bergen-BelsenMunster-Fallingbostel (Nr. 3268 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Erweiterung des Truppenübungsplatzes Bergen-Belsen (Nr. 3276 der Drucksachen) 8745A, 8800C Dr. Hasemann (FDP): als Berichterstatter 8801A als Abgeordneter 8807D Matthes (DP), Antragsteller 8802C Frau Korspeter (SPD), Antrag- stellerin 8803D Majonica (CDU) 8804B Niebergall (KPD) 8804C Morgenthaler (CDU) 8805A Müller (Frankfurt) (KPD) 8805D Dr. Bertram (FU) 8806B, 8807B Jaffé (DP) 8806D • Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 8807A Dr. Arndt (SPD) (zur Abstimmung) . 8808A Abstimmungen 8808A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz) (Nr. 3217 der Drucksachen) . . . 8808B Arndgen (CDU), Antragsteller 8808B, 8810C Freidhof (SPD) 8808D Renner (KPD) 8810A Ausschußüberweisung 8810D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Gastarbeitnehmer vom 23. November 1951 (Nr. 3208 der Drucksachen) 8810D Ausschußüberweisung 8810D Erste Beratung des von der Fraktion der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Abschnitts I des Grundgesetzes (Nr. 3206 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. steuerliche Erleichterungen für Handwerks- und Kleingewerbebetriebe (Nr. 3212 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Altersversorgung für das deutsche Handwerk (Nr. 3213 der Drucksachen) 8810D Dr. Etzel (Bamberg) (FU), Antragsteller 8811A Dr. Preusker (FDP), Antragsteller 8811D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 8812A Loritz (Fraktionslos) 8812B Renner (KPD) 8812D Ausschußüberweisungen 8813A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zúm Strafverfahren gegen den Abg. Hilbert gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 14. Februar 1952 (Nr. 3222 der Drucksachen) 8813B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8813B Beschlußfassung 8813D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und ,Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 7. März 1952 (Nr. 3235 der Drucksachen) 8813D Löbe (SPD), Berichterstatter . . . 8814A Renner (KPD) 8814B Dr. Mende (FDP) 8814C Ritzel (SPD) 8814D Beschlußfassung 8815A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik (37. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Devisen für den deutschen Kunst- handel (Nrn. 3231, 3099 der Drucksachen) 8815A Dr.-Ing. Decker (FU), Berichterstatter 8815B Hennig (SPD) 8815D Beschlußfassung 8816C Nächste Sitzung 8816C Erster Tag: Donnerstag, den 3. April 1952. Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Max Reimann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Die Antwortnote der drei Westmächte auf den Vorschlag der Regierung der UdSSR, Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrages aufzunehmen, war mit -dem Bundeskanzler Dr. Adenauer und, wie wir heute aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers erfahren haben, auch mit dem Oberbürgermeister von West-Berlin, der der Sozialdemokratischen Partei angehört, abgesprochen.
    Der offensichtliche Zweck des Tones und des Inhaltes der Antwortnote ist, das- Zustandekommen von Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland im jetzigen Augenblick zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Wie die Presse .meldet, hat Dr. Adenauer in Paris auf- eine Verschärfung der Antwortnote der Westmächte hingewirkt Diese Tatsache, in Verbindung mit verschiedenen Erklärungen aus Regierungskreisen und des Bundeskanzlers selber, zeigt, daß Dr. Adenauer bestrebt ist, das Zustandekommen von Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrages, über die Wiederherstellung der nationalen Einheit und der Unabhängigkeit Deutschlands zu verhindern und statt dessen die Verhandlungen über den Abschluß des -Generalvertrags zu beschleunigen.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Nach der Ursache dieses Verhaltens Dr. Adenauers forschen, heißt die Grundkonzeption seiner gesamten Politik klarlegen. Sowohl in der internationalen wie in der deutschen Presse hat die Erklärung des Staatssekretärs Hallstein, die Integration Europas umfasse das ganze Europa bis zum Ural, großes Aufsehen erregt. Der CDUPressedienst nannte einen Tag später diese Erklärung des Staatssekretärs und nächsten Mitarbeiters Dr. Adenauers eine große politische Konzeption.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Mit der Erklärung über den Zusammenschluß Europas bis zum Ural hat der Herr Staatssekretär das politische Programm seines Kanzlers in sehr offener und drastischer Weise charakterisiert.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Dr. Adenauer selber erklärte in Siegen, daß seine
    Politik auf die Neuordnung Osteuropas gerichtet
    sei.

    (Erneute Rufe von der KPD: Hört! Hört! — Gegenrufe rechts.)

    Nach einem Bericht der „Neuen Zeitung" sagte Dr. Adenauer, erst wenn der Westen stark genug sei, ergebe sich ein wirklicher Ausgangspunkt für Verhandlungen mit dem Ziel, nicht nur die Sowjetzone, sondern das versklavte Europa östlich des Eisernen Vorhangs zu befreien.

    (Lebhafte Rufe von der KPD: Hört! Hört! — Sehr gut! rechts. Abg. Renner: Der neue Hitler!)

    Dr. Adenauer erklärte also im Prinzip dasselbe wie sein Staatssekretär. Die Konzeption Dr. Adenauers lautet: Aufrüstung Westdeutschlands, Eingliederung Westdeutschlands in eine Militärallianz mit dem Ziel, durch militärische Gewalt nicht nur die Deutsche Demokratische Republik, sondern das ganze östliche Europa zu erobern. Wer auf dem Gebiet der internationalen Politik, der Beziehungen zwischen den Völkern die militärische Macht in die Waagschale wirft, betreibt nichts anderes als eine Politik des Säbelrasselns, der Kriegsdrohung und des Krieges.

    (Zuruf von der Mitte: Moskau!)

    Er beschreitet damit den Weg, den bereits Hitler ging, der auch unter der Losung „Neuordnung Europas" mit bewaffneter Faust ein Land nach dem anderen besetzte.

    (Abg. Bausch: Im Bündnis mit Stalin!)

    Die Folge war, daß das deutsche Volk und ganz Europa in einen furchtbaren Krieg gestürzt wurden. Die Geschichte der letzten 35 Jahre dürfte allen zeigen, daß die Drohung mit militärischer Gewalt nicht die geeignete Basis für die Beziehungen zwischen den Völkern, insbesondere nicht für die Beziehungen mit der Sowjetunion ist.

    (Zustimmung bei der KPD.)

    Die Erfahrungen aller Eroberer beweisen, daß derjenige, der seine Beziehungen zur Sowjetunion auf der Grundlage des Gesprächs der Kanonen aufbauen will, daran zugrunde geht.

    (Erneute Zustimmung bei der KPD.)

    Die Adenauersche Konzeption der Aufrüstung, d. h. des Drohens mit der militärischen Gewalt, kann somit nur die Verwandlung Deutschlands in den Hauptkriegsschauplatz in einem dritten Weltkrieg sein.

    (Zuruf von der Mitte: Was Rußland will! Abg. Rische: Schmutzige Hetze!)

    Die Interessen des deutschen Volkes dagegen erfordern es, daß alles getan wird, damit sofortige Verhandlungen über den Abschluß des Friedensvertrages mit Deutschland aufgenommen werden. Solche Verhandlungen würden wesentlich dazu beitragen, daß die Gegensätze in Europa und in der Welt entspannt würden, und wären ein entscheidender Faktor zur Sicherung des Friedens in Europa.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)



    (Reimann)

    Daß die Sowjetunion an einer Entspannung der internationalen Lage interessiert ist, wird aufs neue durch das äußerst bedeutsame Interview des Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR Generalissimus Stalin unterstrichen.

    (Abg. Dr. Friedensburg: Sie sind aber bescheiden!)

    Stalin bestätigt darin abermals, daß die Sowjetunion auf dem Standpunkt des friedlichen Nebeneinanderbestehens der beiden Systeme steht,

    (Abg. Dr. Friedensburg: Wo steht denn das?)

    daß sie ihrerseits den Willen zur Zusammenarbeit, die Einhaltung eingegangener Verpflichtungen und den Grundsatz der Gleichberechtigung als Grundlage des Nebeneinanderbestehens der beiden Systeme betrachtet.

    (Abg. Dr. Friedensburg: Das steht ja gar nicht drin!)

    — Es steht wörtlich so drin! —
    Es ist für das deutsche Volk von besonderer Wichtigkeit, daß Stalin ausdrücklich erklärt, er halte den derzeitigen Zeitpunkt für die Vereinigung Deutschlands für geeignet. Das Interview Stalins sollte allen westdeutschen Politikern Anlaß geben, ihre Haltung zur Note der Regierung der UdSSR zu überprüfen

    (Sehr gut! bei der KPD)

    und alles für das Zustandekommen von Verhandlungen über einen Friedensvertrag und gesamtdeutsche Beratungen, über freie und demokratische
    Wahlen zur Nationalversammlung zu unternehmen. Dr. Adenauer aber befindet sich voll auf der
    Linie der amerikanischen Politik, die an dem Abschluß eines Friedensvertrags nicht interessiert ist.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Dr. Adenauer fürchtet das Zustandekommen von Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrags. Er fürchtet gesamtdeutsche freie Wahlen. Der Bundeskanzler weiß ganz genau, daß er in einem einheitlichen demokratischen und friedliebenden Deutschland durch den demokratischen Willen unseres Volkes kein Kanzleramt einnehmen könnte.

    (Lachen in der Mitte. — Zuruf von der Mitte: Weil Sie es dann werden!)

    Darum beschleunigt er den Abschluß des Generalvertrags, um Tatsachen zu schaffen., die, wie die Einbeziehung Westdeutschlands in den Atlantikpakt und die Aufstellung westdeutscher Truppenverbände in der Europa-Armee, die Herstellung der Einheit Deutschlands unmöglich machen.

    (Zuruf rechts: Davor hast du doch Angst!)

    Die amerikanische Zeitung „New York Harald Tribune" hat die Hintergründe der Entsendung der UN-Kommission enthüllt, wenn sie schreibt, daß diese Kommission erst im September den Vereinten Nationen ihren Bericht zu erstatten habe, daß aber bis dahin der europäische Verteidigungspakt unterzeichnet und die Rekrutierung deutscher Divisionen in Gang sein könne. Das heißt, meine Damen und Herren, die Kommission wurde nur nach Deutschland entstandt, um das Zustandekommen gesamtdeutscher freier Wahlen hinauszuzögern, bis mit dem Abschluß des Generalvertrags solche Tatsachen geschaffen sind, die die Herstellung der Einheit Deutschlands und den Abschluß eines Friedensvertrags mit einem geeinten Deutschland unmöglich machen sollen.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Das erklärt auch, warum in der Antwortnote der Westmächte an die Sowjetregierung ausdrücklich die Bedingung enthalten ist, daß Deutschland sowohl vor wie nach dem Abschluß eines Friedensvertrags Teil des Atlantikkriegsblocks werden kann. Wie bekanntgeworden ist, ist in dem Generalvertrag der Passus enthalten, daß alle Verpflichtungen, die der Bundesrepublik auferlegt sind, von einem wiedervereinten Deutschland voll übernommen werden müssen.

    (Hört! Hört! bei der KPD. — Bravo! rechts.)

    Es ist einleuchtend, daß ein solcher Passus im Generalvertrag eine Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich machen würde.
    Daß Dr. Adenauer bereit ist, für seine völlig auf der amerikanischen Linie liegende politische Konzeption auf deutsche Interessen zu verzichten, beweist nicht zuletzt sein Abkommen mit dem französischen Außenminister Schuman und dem Ministerpräsidenten der Saarregierung Hoffmann.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Es gibt keinen Zweifel darüber, daß Dr. Adenauer, um das Zustandekommen seiner Europapläne zu erleichtern, auf die Saar als Bestandteil Deutschlands verzichtet hat. Es gibt weiterhin keinen Zweifel darüber, daß er durch seine Abmachungen und sein Gespräch mit Hoffmann die separatistische Saarregierung de facto anerkannt hat.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    In Westdeutschland zeichnen sich also immer eindeutiger zwei politische Linien ab. Die eine ist die von Dr. Adenauer verfolgte Politik der Eingliederung Westdeutschlands in den Atlantikkriegsblock, der Remilitarisierung Westdeutschlands und der fortschreitenden Aufrichtung eines Polizeiregimes und der Militärdiktatur.

    (Lachen in der Mitte.)

    Diese Politik dient dem von den USA verfolgten Ziel der Aufrichtung ihrer Weltherrschaft.

    (Zuruf von der Mitte: Besser ablesen!)

    Die andere politische Linie ist gerichtet auf die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf friedlichem Wege durch gesamtdeutsche demokratische Wahlen zur Nationalversammlung, die Bildung einer deutschen Regierung und den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland. Die Note der Regierung der UdSSR hat den Abschluß des Friedensvertrags mit Deutschland in den Mittelpunkt des internationalen Interesses gerückt. Im wachsenden Maße erkennt die westdeutsche Bevölkerung, daß in der Note der Sowjetregierung ein gangbarer Weg für die Erhaltung des Friedens und für die Errichtung eines einheitlichen, unabhängigen, friedlichen und demokratischen Deutschlands gewiesen wird.

    (Zuruf von der Mitte.)

    Das Interview des Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, Generalissimus Stalin, beseitigt alle Einwendungen und Zweifel an dem aufrichtigen Willen der Sowjetunion, einen Friedensvertrag auf der Basis der Wiederherstellung der nationalen Souveränität, der Unabhängigkeit und Gleichberechtigung mit Deutschland abzuschließen. Meine Damen und Herren, ich appelliere daher an Sie: Nutzen Sie diese Chance im Interesse unserer Nation; denn jedes Wort im Interview ist auch die wahre Absicht der Sowjetunion.
    Die Feinde der Einheit Deutschlands, die den Abschluß eines Friedensvertrags nicht wollen, versuchen durch die Weckung chauvinistischer Ge-


    (Reimann)

    fühle die Bestrebungen zum Abschluß des Friedensvertrags im deutschen Volk zu torpedieren. Dazu benutzen sie den Vorschlag der Sowjetregierung, die Grenzen Deutschlands auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens festzulegen. Dr. Adenauer, der bereitwillig zugunsten seiner Europa-Idee auf das Saargebiet verzichtet, erhebt ein großes Geschrei wegen der Oder-Neiße-Grenze. Indem die vier Großmächte die Oder-Neiße-Linie und die Aussiedlung der Deutschen aus den Gebieten östlich der Oder—Neiße festlegten, legten sie damit die östlichen deutschen Grenzen fest.

    (Zurufe von der Mitte: Nein! — Lüge! — Unerhört!)

    Seitdem ist das Gebiet östlich der Oder—Neiße von Millionen polnischer Arbeiter und Bauern besiedelt. Die Hetze gegen die Oder-Neiße-Grenze kann somit nur den Zweck verfolgen, neuen Zündstoff zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarvölkern zu schaffen, und liegt nur im Interesse derjenigen, die eine Freundschaft zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk nicht wollen.

    (Abg. Dr. Reiff: Es ist schwer, Freundschaft mit einem Räuber zu schließen!)

    Die Zukunft des deutschen Volkes selbst erfordert jedoch freundschaftliche Beziehungen zum polnischen Volk wie zu allen andern Völkern. Der Versuch, mit den Mitteln des Kriegs die Grenze an Oder und Neiße zu korrigieren, würde dem deutschen Volk nur neues Unglück bringen. Ich erkläre hier noch einmal, was ich bereits voriges Jahr zu dieser Frage schon sagte: Wenn in Polen Mikolaiczyk der Regierungschef wäre, so würden die amerikanische, die britische und die französische Regierung Ihnen verbieten, solche Reden hier zu halten!

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Der Abschluß eines Friedensvertrags und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands liegen in erster Linie in deutschem Interesse. Das deutsche Volk kann sich darum in diesen Fragen nicht passiv verhalten, sondern muß selbst zu Handlungen übergehen. Auf die deutsche Initiative kommt es hierbei an. Das deutsche Volk und die Abgeordneten als die von der westdeutschen Bevölkerung gewählten Vertreter müssen eindeutig ihren Willen bekunden und den Abschluß des Friedensvertrags fordern. Darüber hinaus kann nur durch die deutsche Initiative der deutsche Verhandlungspartner geschaffen werden, der berechtigt ist, bei den Verhandlungen das deutsche Volk gegenüber den Großmächten zu vertreten. Dieser Verhandlungspartner kann nur eine gesamtdeutsche Regierung sein. Darum ist das Zustandekommen gesamtdeutscher demokratischer Wahlen zur Nationalversammlung

    (Zuruf von der SPD: „Freie Wahlen" müssen Sie sagen!)

    unumgänglich.
    Wir haben es begrüßt, daß sich der Parteivorstand der SPD für die Aufnahme der Verhandlungen zwischen den Großmächten zum Abschluß eines Friedensvertrags erklärte. Ebenso begrüßen wir die Erklärung, daß die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands als vorrangige Aufgabe zu betrachten sei und daß unter keinen Umständen die Einheit Deutschlands dem Abschluß des Generalvertrags geopfert werden dürfe. Darum stimmen wir dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu.
    Jedoch erfordern diese Erklärungen des Parteivorstands und der Bundestagsfraktion der SPD, daß daraus zugleich die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Wer gesamtdeutsche Wahlen will, muß dafür sein, daß sich die Deutschen in Ost und West über ein gesamtdeutsches Wahlgesetz verständigen, daß also Beratungen zwischen den Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik und der Deutschen Bundesrepublik aufgenommen werden.
    Die Sicherung des demokratischen Charakters der Wahlen ist eine Angelegenheit des deutschen Volkes selbst, wobei durchaus die Möglichkeit besteht, daß eine Kommission der vier Besatzungsmächte die Kontrolle ausübt.
    Wer der Überzeugung ist, daß die AdenauerRegierung eine verhängnisvolle Politik betreibt, wer der Herstellung der Einheit Deutschlands den Vorrang gibt und wer den Abschluß eines Friedensvertrags will, der muß auch für den Zusammenschluß aller demokratischen Kräfte im Volke, insbesondere für den Zusammenschluß der Arbeiterklasse sein mit dem Ziel, der verhängnisvollen Poiitik der Adenauer-Regierung Einhalt zu gebieten und eine Politik, die im nationalen Interesse unseres Volkes steht, zu erzwingen. Es ist allgemein bekannt, daß die Unruhe und Unzufriedenheit über die Politik der Regierung Adenauer nicht nur in den Massen unseres Volkes, sondern auch unter den Abgeordneten dieses Hauses, ja selbst unter den Abgeordneten der Regierungsparteien wächst.

    (Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Der immer deutlicher auf den Krieg zusteuernde Kurs der Bundesregierung macht es aber erforderlich, daß die Abgeordneten nicht nur ihre Unruhe und Unzufriedenheit über die Politik der Bundesregierung draußen beim Volk zu erkennen geben, sondern auch den Mut aufbringen; dieser Politik ihre Zustimmung zu verweigern.

    (Sehr richtig! bei der KPD. — Abg. Strauß: Zum Schluß kommen!)

    Dr. Adenauer erklärte heute: Die Sowjetunion will keinen Krieg. Er sagte ganz richtig,

    (Zuruf rechts: Aufhören!)

    daß die Sowjetunion einen großen inneren, friedlichen Aufbau des Landes vollzieht.

    (Zuruf rechts: Zum Schluß kommen!)

    Mit dieser Erklärung, Herr Dr. Adenauer, die der
    Wahrheit entspricht, entziehen Sie sich selbst die
    Grundlage Ihrer ganzen Remilitarisierungspolitik.

    (Wiederholte Schlußrufe von der Mitte und rechts.)

    Ich erinnere Sie an die Debatte über den Wehrbeitrag.

    (Anhaltende Schlußrufe. — Glocke des Präsidenten.)

    Das wollen Sie nicht hören! Ich erinnere Sie an die Debatte über den Wehrbeitrag. Damals hat Dr. Adenauer ein Memorandum vorgelesen und dem Hause einen Katalog vorgelegt, wieviel Divisionen und was weiß ich alles die Sowjetunion in Deutschland hat;

    (Zuruf in der Mitte: Hat sie auch!)

    und heute erklärt er, daß die Sowjetregierung den Frieden will. Damit entzieht er seiner ganzen Politik; dem Aufbau seiner Divisionen in Deutschland, selbst die Grundlage.


    (Reimann)

    Die kommunistische Fraktion erachtet es für notwendig, daß der Bundestag beschließt:
    Erstens. Die Regierung Adenauer wird verpflichtet, sofort ihre Verhandlungen über den Abschluß des Generalvertrags einzustellen.

    (Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Zweitens: Die Regierung und der Bundestag wenden sich an die vier Großmächte mit der Aufforderung, möglichst bald mit den Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrags zu beginnen.

    (Erneute Zurufe.)

    Drittens: Ich fordere den Bundestag auf, Vertreter für gesamtdeutsche Beratungen

    (Lachen rechts)

    über die Herbeiführung freier, demokratischer Wahlen zur Nationalversammlung in ganz Deutschland zu bestimmen.

    (Abg. Kemmer: Unter Führung von Reimann!) Das ist der Weg, den das deutsche Volk in seiner Mehrheit verlangt. Dieser Weg allein liegt im nationalen Interesse unseres Volkes. Das ist der Wille unseres Volkes zu und Völkerverständigung.


    (Beifall bei der KPD. — Zurufe von der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Robert Tillmanns


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns nach diesem ferngeschriebenen und vorgelesenen Monolog die Diskussion fortsetzen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)

    Zu diesem Monolog selber habe ich nichts zu sagen,

    (Erneute Zurufe von der .KPD)

    am allerwenigsten zu dem Appell an die Sozialdemokratie, mit dem er geschlossen hat. Aber zu einem habe ich etwas zu sagen, nämlich dazu, daß unser gemeinsames Einstehen für das deutsche Land im Osten hier als Hetze gegen die OderNeiße-Grenze bezeichnet worden ist. Das verbitten wir uns schlechthin.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Also zur Weiterführung der Diskussion. Ich stimme Herrn Kollegen Wehner zu, daß in dem Viermächtegespräch nichts getan werden solle, was die Türen zuschlage. Ich stelle nur die Frage: wo ist das geschehen? Auf keinen Fall in der Note der Westalliierten vom 25. März. Das behauptet nicht einmal die Sowjetregierung, ja nicht einmal Herr Reimann. Von dort ist lediglich gesagt worden, man erschwere die Dinge oder man gehe ihnen aus dem Wege. Die Note der Westmächte bedeutet doch nichts anderes, als daß, nachdem die Sowjetunion in ihrer Note vom 10. März ihre Position bezogen hat, nun die Gegenposition klargestellt worden ist, und zwar in einer Art und Weise, die die Weiterführung der Diskussion in keiner Weise abschneidet, sondern geradezu die Voraussetzung dafür schafft. Herr Kollege Wehner, es ist in der Note der drei Westalliierten weder von der Funktion der UN-Kommission als einer Voraussetzung gesprochen, noch ist irgendein anderes Verlangen als schlechthin unabdingbar hingestellt worden. Wir können nur dankbar dafür sein, daß die Position in der Frage gesamtdeutscher freier Wahlen
    und der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung und ihrer innen- und außenpolitischen Selbständigkeit so klargestellt worden ist. Daß bezüglich der Ostgrenze in der Antwortnote daran erinnert ist, daß diese im Potsdamer Abkommen nicht festgelegt sei, ist nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit.
    Es erscheint mir wenig sinnvoll, jetzt auf Grund dieses Notenwechsels eine Diskussion über die Frage zu führen, was nun eigentlich das Primäre ist: die Wiedervereinigung Deutschlands oder der Zusammenschluß Europas. Das ist ja doch eigentlich zum Hauptthema der heutigen Diskussion gemacht worden, und es ist dabei so hingestellt worden, als sei die Europapolitik, die wir bisher geführt haben, ein Hindernis für die Wiedervereinigung Deutschlands. Der Beweis dafür, daß in dieser Politik ein Hindernis liege, ist in keiner Weise erbracht worden.

    (Abg. Rische: Dann wählen Sie doch!)

    Die Einigung Europas — darüber waren wir uns bisher einig — ist eine weitgehend eigenständige Entwicklung, die sich seit Jahrzehnten vorbereitet hat und sich nach diesem Kriege und seinem unseligen Ende sämtlichen europäischen Völkern geradezu aufdrängt. Sie wäre auf jeden Fall ge-. kommen, und diese Bewegung zur Vereinigung der europäischen Völker wird auf jeden Fall weitergehen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien weil das Schwergewicht der politischen Tatsachen dahin drängt. Und, Herr Kollege Schmid, trotz des provisorischen Charakters des Grundgesetzes, über den wir uns einig sind, steht in diesem Grundgesetz, daß es die Aufgabe der Bundesrepublik ist, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. In diesem Grundgesetz steht der Art. 24, in dessen Abs. 2 es heißt: „Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen." Das ist im Grundgesetz festgelegt, ohne daß in irgendeiner Weise gesagt ist, das dürfe nicht geschehen, solange Deutschland nicht vereinigt sei. Die Gesetzgeber des Grundgesetzes haben es als eine Wesensaufgabe auch dieses provisorischen Bundes festgelegt, daß er durch den Zusammenschluß mit den anderen europäischen Völkern dem Frieden der Welt dienen soll. Auf dem Hamburger Kongreß der Europäischen Bewegung, der im September 1951 getagt hat, ist in Übereinstimmung auch mit allen sozialistischen Teilnehmern dieses Kongresses festgelegt worden: „Um zu erhalten, was die westliche Gesinnung ausmacht, um Europa seinen Wohlstand zurückzugeben und die Lebenshaltung seiner Bevölkerung zu heben, um die Welt in Gleichgewicht und Frieden zu halten, müssen Deutschland und die anderen Länder 'unverzüglich zu einer europäischen Gemeinschaft zusammengebaut werden." Ich frage die hier anwesenden Mitglieder dieses Hauses, die der Entschließung zugestimmt haben, ob sie heute noch zu dieser Entschließung stehen oder ob sie das nicht mehr tun. Schließlich ist erst vor einigen Tagen in Frankfurt auf dem Kongreß der Sozialistischen Bewegung für die Vereinigten Staaten von Europa folgendes be schlossen worden — ich zitiere hier nach den „Stuttgarter Nachrichten" —: Zur gegenwärtigen Lage Deutschlands wurde festgestellt, daß nur eine einzige Hypothese annehmbar und dem Frieden dienlich, sei, nämlich die Eingliederung Deutschlands in die neue europäische Gemeinschaft. Ich frage diese Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion auch hier, ob sie zu diesen Beschlüssen des sozialistischen Europakongresses stehen oder nicht. (Abg. Dr. Wuermeling: Ausgezeichnet! — Abg. Schoettle: Hat mit uns doch überhaupt nichts zu tun!)


    (Sehr richtig! in der Mitte.)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Dr. Tillmanns)

    Ich stimme andererseits Herrn Kollegen 011enhauer durchaus zu, wenn er heute festgestellt hat, daß die Eingliederung Deutschlands in den Westen die Chance der Wiedervereinigung Deutschlands nicht vermindern dürfe. Nur, wenn Herr Ollenhauer weiter gesagt hat: Also dürfen keine weiteren Tatsachen geschaffen werden, so frage ich: glauben Sie denn, daß das Aufgeben unserer Europapolitik, d. h. ein Abweichen von dieser Politik des Zusammenschlusses der europäischen Völker die Chance der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit erhöhen würde?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ein solcher Weg würde doch die Abwendung Deutschlands von den westlichen Völkern mit sich bringen. Mir scheint, das ist genau das, was die Sowjetunion will.
    Wenn behauptet wird, die Sowjets seien wahrscheinlich bereit, die Sowjetzone Deutschlands als eine Art Preis dafür freizugeben, daß wir uns nicht an einer westlichen Integration bzw. an einer Verteidigungsgemeinschaft beteiligten, und wenn in diesem Zusammenhang Herr Kollege Schmid von Kompensationen gesprochen hat, so kann, ich nur eine Frage stellen: Für was sollen denn die Sowjets solche Kompensationen zahlen? Für die Preisgabe einer Verteidigungsgemeinschaft, die wir selber nicht wollen, die von deutschen Parteien selbst bekämpft wird? Für die Preisgabe einer Verteidigungsgemeinschaft, über die sich Franzosen und Deutsche nicht einig werden können, die nicht zustande kommt, weil noch Dinge wie die Saar zwischen uns stehen? Solange wir selber uns anstrengen, diese Verteidigungsgemeinschaft nicht zustande kommen zu lassen, wozu sollen denn die Sowjets einen Preis dafür zahlen?

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es kann doch nur eine logische Konsequenz aus dieser Situation geben, nämlich es durch die konsequente Fortführung der Europapolitik und einer Politik des Zusammenschlusses Europas es dahin zu bringen, daß eines Tages ein echtes Gespräch auf der Ebene der vier Mächte möglich wird. Noch ist die Situation nicht so weit. Ich glaube, das, was wir vorhin von Herrn Reimann gehört haben, hat das allen klargemacht.
    Noch gibt es keine Anzeichen dafür, daß man auf der östlichen Seite wirklich bereit ist, ein Gesamtdeutschland in wirklicher innen- und außenpolitischer Entscheidungsfreiheit als demokratischen Rechtsstaat zustande kommen zu lassen. Erst vor einigen Tagen hat auf einer Konferenz von SED-Journalisten, die in Berlin stattgefunden hat, Herr Rudolf Herrnstadt auf die Frage, was man denn tun müsse, wenn in einem wiedervereinigten Deutschland reaktionäre Kräfte die Oberhand gewönnen - wir sind alle, die wir in diesem Hause sitzen, mit Ausnahme der Kommunisten „reaktionäre Kräfte" —, geantwortet: „In diesem Fall wird die deutsche Arbeiterklasse genau so wie die Arbeiter in der Tschechoslowakai handeln!". Schließlich ist dort gesagt worden: „Im übrigen ist diese Fragestellung falsch, denn in einem einheitlichen Deutschland werden wir die reaktionären Kräfte gar nicht erst in die Verlegenheit kommen lassen, zum Zuge zu kommen." Meine Damen und Herren, das ist die Wirklichkeit, mit der wir es gégenwärtig zu tun haben,

    (Abg. Wehner: Das ist keine Wirklichkeit, das ist Haarspalterei!)

    und es kann sich doch nur darum handeln — und das ist der Sinn der Antwortnote der westlichen Alliierten —, klarzustellen, daß eine solche Lösung nicht in Frage kommt.
    Die erste Note der Sowjetunion - das wurde schon gesagt — ist wahrhaftig nicht das Gesamtausmaß von Zugeständnissen, die vielleicht eines Tages zu erreichen sind, sondern, wenn überhaupt, nur ein ganz kleiner Bruchteil. Und Neutralisierung — das wurde hier heute gesagt — wird auch von der Sozialdemokratischen Partei abgelehnt. Aber ich frage Sie: Wenn Sie das ablehnen, welche Möglichkeit gibt es dann überhaupt — da wir alle die bolschewistische Lösung ablehnen — zwischen einer Neutralisierung und einem Zusammengehen mit der westlichen Welt? Herr Professor Schmid hat heute gesagt: Ja, es gibt etwas dazwischen!, und er hat es formuliert, wenn ich ihn richtig verstanden habe, als den Mut, die Unbestimmtheit des Verhandlungsergebnisses in Kauf zu nehmen. Haben Sie den Eindruck, daß der Bolschewismus bereit ist, Unbestimmtheit irgendeines Verhandlungsergebnisses in Kauf zu nehmen? Mir scheint, das Gegenteil ist der Fall. Im übrigen können wir nur nach klaren Konzeptionen Politik machen.

    (Zuruf von der SPD: Auch an der Saar zum Beispiel!)

    Sie weisen darauf hin, daß auch bei den Westmächten hier und da Widerstände gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands vorhanden seien.

    (Zuruf von der SPD: Das soll sogar in Deutschland sein!)

    Herr Kollege Ollenhauer hat darauf hingewiesen, daß sogar vertragliche Bindungen beständen, die hier unter Umständen Schwierigkeiten bereiten könnten. Aber ich stelle die Frage: Glauben Sie denn, daß, wenn es zwischen der Deutschen Bundesrepublik und den westlichen Staaten zu einer Lockerung, zu einer Distanzierung, ja sogar zu einer Abänderung der politischen Situation käme, daß dann etwa diese Widerstände gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands beseitigt werden könnten? Mir scheint, dann werden sie erst recht stark werden. Und das haben wir doch hier alle gemeinsam festgestellt: Ohne daß es zu einer wirklichen Viermächtevereinbarung kommt, ist überhaupt eine Wiedervereinigung Deutschlands nicht möglich.
    Andererseits möchte ich mit aller Bestimmtheit sagen: Europa darf nicht etwa um den Preis eines Verzichts auf die deutsche Wiedervereinigung zusammengebracht werden. Aber das verlangt auch niemand. Das ist von niemanden in irgendeiner Weise erklärt worden. Es ist in der Antwortnote vom 25. März sogar ausdrücklich erklärt, daß diese Wiedervereinigung das gemeinsame Ziel ist. Dasselbe sagt der Generalvertrag.


    (Or. Tillmanns)

    Solange die Situation so ist, ist die Politik des Zusammènschlusses Europas und die Politik der Wiedervereinigung Deutschlands überhaupt keine Alternative, überhaupt kein „Entweder-Oder", sondern nur ein „Sowohl als auch".

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Beide bedingen sich gegenseitig und beide fördern sich gegenseitig, und, Herr Kollege Wehner, kein Mensch weiß, was zeitlich an die erste Stelle kommt. Wir können heute nur eines tun, nämlich beides in dem Sinne, daß es sich gegenseitig bedingt, vorwärtszutreiben, wenn wir wirklich zu einer Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit kommen wollen. Wir haben nur eine Aussicht auf Einheit und Freiheit, nämlich wenn die Hoffnung der Sowjets auf das Auseinanderbrechen Europas und der westlichen Welt sich nicht erfüllt. Auf diese Entwicklung spekulieren sie doch dauernd. Und, Herr Kollege Schmid, es ist nicht der Sinn der Europapolitik, uns stark zu machen, sondern der Sinn dieser Europapolitik ist, daß dadurch daß die westlichen Völker, daß die europäischen Völker mit den Atlantikmächten sich politisch, wirtschaftlich und auch verteidigungsmäßig zu einer großen Gemeinschaft zusammenschließen, den Sowjets gezeigt wird, daß ihre Hoffnung, sie könnten Europa und Deutschland mit politischen Mitteln eines Tages doch noch in die Hand bekommen, irrig ist. Das ist der Sinn unserer Politik, und nur so kann die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit verwirklicht werden.

    (Abg. Rische: Ja, wollen Sie marschieren, oder was wollen Sie?)

    Andererseits ist es die Aufgabe der Bundesregierung — ich sage das noch einmal —, dafür zu sorgen, daß jede Chance eines echten Gesprächs genutzt wird. Wir wollen nichts Provokatives gegen die Sowjetunion.

    (Abg. Rische: Ja, wie wollen Sie denn zum Gespräch kommen?)

    Wir haben gegenüber der Sowjetunion nur ein einziges Anliegen: daß sie das deutsche Volk in Freiheit

    (Abg. Rische: Bitte, die haben Sie!) und in Selbständigkeit seine politische Ordnung bauen läßt.


    (Erneuter Zuruf von der KPD: Die haben Sie!) — Nein, die haben wir bis heute nicht!


    (Abg. Rische: Natürlich! Lesen Sie die . Note! — Zuruf von der CDU: Was verstehen Sie unter Freiheit?)

    Meine Damen und Herren, ich sage das gerade in Erwiderung auf die verschiedenen Behauptungen, die heute aufgestellt worden sind, wir oder die Bundesregierung dächten an irgendeine weitreichende Ostpolitik, die uns nicht zustehe. Der Herr Bundeskanzler hat dazu schon das Nötige gesagt.

    (Abg. Renner: In Gießen hat er einiges dazu gesagt!)

    Er hat gesagt, was er wirklich gemeint hat. (Abg. Rische: Und was schreibt die „Neue Zeitung"? — Abg. Renner: Neuordnung
    Osteuropa!)
    Im übrigen stelle ich hier die Frage: Ist es denn wirklich verboten, wenn wir in der politischen Diskussion von heute darauf hinweisen,

    (Abg. Renner: Aha!)

    daß das freie Europa von heute nur ein Teil Europas ist?

    (Abg. Renner: Na also!)

    Ist es verboten, darauf hinzuweisen?

    (Abg. Rische: Wo wollen Sie denn jetzt hin? — Abg. Renner: Zum Ural!)

    Auf dem eben von mir zitierten Kongreß der Sozialistischen Europa- Bewegung in Frankfurt hat der Regierende Bürgermeister Reuter gesagt, solange das sowjetische System der Unterdrückung lebendig sei, könne die Einigung der Völker Europas nicht endgültig sein; erst wenn es möglich sein werde, daß sich eines Tages freie Deutsche mit freien Polen und freien Tschechen an einen Tisch setzen, dann würden sich die Probleme der Völker Europas ohne weiteres lösen. Ich frage: Wenn das Herr Bürgermeister Reuter sagt, warum ist es dann anderen deutschen Politikern verboten?

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Das ist etwas anderes!)

    Warum wird denn hier plötzlich so getan, als bedeutete das ein neues politisches Programm? Daran denkt niemand.

    (Abg. Rische: Herr Tillmanns, präzisieren Sie doch!)

    — Es handelt sich doch nur darum, daß hier Selbstverständlichkeiten ausgesprochen werden.
    Ich zitiere noch einmal die Entschließung des Hamburger Europa-Kongresses. In dieser Entschließung heißt es: „Die europäische Gemeinschaft muß bestrebt sein, das ganze Europa zu umgreifen, einschließlich der Länder, die zur Zeit ihrer demokratischen Freiheiten beraubt sind."

    (Abg. Rische: Also! Jetzt haben Sie klar gesprochen!)

    Ich habe nicht gehört, daß irgend jemand gegen diese Entschließung der Europäischen Bewegung die Vorwürfe erhoben hat, die heute hier erhoben worden sind.

    (Abg. Rische: Sie gehen ja an den Realitäten der Politik vorbei!)

    Ich sage noch einmal: wir wollen nichts als die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und die Schaffung eines Zustandes, in dem Deutschland nach seinem Wesen, seiner Geschichte und seiner Kultur seine politische, wirtschaftliche und soziale Ordnung bestimmen kann.

    (Abg. Rische: Bitte sehr!)

    Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben auf die Ausführungen des Kanzlers, daß heute keine Kriegsgefahr bestehe, weder vom Westen noch vom Osten her, ungefähr so geantwortet: Warum denn dann überhaupt Verteidigung? Lassen Sie mich darauf kurz antworten. Der Grund ist allein der: Damit die heutige Situation, bei der der Schutz der gesamten westlichen Welt über Europa steht, auf eine Reihe von Jahren aufrechterhalten wird. Es geht darum, daß diese Situation, bei der die Sowjetunion weiß, daß jeder Schritt zur Gewalt unmöglich ist, weil er zum Krieg mit der gesamten übrigen Welt führen würde, daß diese Situation, die eine große Anstrengung der übrigen Mächte, vor allen Dingen Amerikas, bedeutet, auf eine Reihe von Jahren klar und eindeutig bestehen bleibt. Das geht eben auf die Dauer nur, wenn sich die europäischen Völker als Partner an dieser großen gemeinsamen Aufgabe beteiligen. Es geht also nur um den Frieden. Es ist einfach Lüge, wenn behauptet wird, irgend jemand denke an


    (Dr. Tillmanns)

    Eroberungspolitik. Wir wären dem Ziel der Sicherung des Friedens, der Einheit und der Freiheit unseres Volkes schon näher, wenn über diese Fragen unter uns selbst nicht soviel Uneinigkeit, soviel Zwietracht und soviel Unsicherheit vorhanden wäre. Was wir bisher erreicht haben .— und die Note der Sowjetregierung vom 10. März war, wie mein Freund von Brentano richtig gesagt hat, ein großer Erfolg —, haben wir durch die Einmütigkeit aller großen Parteien dieses Bundestages in der Politik der Wiedervereinigung Deutschlands ,erreicht. Mir scheint, es ist nahezu eine Schicksalsfrage der Nation, ob es uns gelingt, diese Gemeinsamkeit aufrechtzuerhalten.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Und heute wollen Sie unsern Antrag ablehnen! — Abg. Rische: Werfen Sie Ihr Feuerzeug weg, Herr Tillmanns; es ist am Brennen!)