Meine Damen und Herren! Manchmal hatte ich heute während der Debatte den Eindruck, als sei die Frage, die wir heute diskutieren, eine Frage, die hier von uns in diesem Hohen Hause gelöst werden könne. Leider ist es nicht so. Leider ist es nicht in unsere Zuständigkeit gegeben, die deutsche Einheit herbeizuführen. Leider sind wir — und das ist ja auch angeklungen — darauf angewiesen, immer wieder diese Forderung zu erheben, immer wieder das Interesse der Weltöffentlichkeit auf diese Frage zu lenken, immer wieder von neuem nach Ost und West zu sagen, daß die Beschlüsse von Jalta, von Teheran und von Potsdam, die zu dieser unseligen Zerreißung unseres Vaterlands geführt haben, noch den Geist des Krieges, aber nicht den neuen Geist des Friedens geatmet haben,
daß die Entscheidungen, die in Potsdam gefallen sind, nicht der Beginn einer neuen Friedensepoche sein konnten, sondern daß sie, wenn sie nicht einer Revision unterzogen werden, in sich bereits den Keim für neue Auseinandersetzungen in der Zukunft tragen.
Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, es ist — ich wiederhole es — leider nicht uns allein gegeben, diese Fragen zu entscheiden. Mein Kollege Euler hat schon in seiner Rede gesagt: wenn es in der deutschen Zuständigkeit läge, wenn es nur an uns läge, die Wahlen in Gesamtdeutschland auszuschreiben, - ja, wie das Ergebnis einer solchen Wahl wäre, daran zweifelt niemand in diesem Hause. Aber wir sind nun einmal darauf angewiesen, hier ein Einverständnis der vier Mächte herbeizuführen, die Deutschland seit dem Jahre 1945 besetzt halten.
Wir diskutieren hier über die Note der Sowjetunion vom 10. März, und wir diskutieren über ihre Beantwortung am 25. März. Ich meine, es ist doch notwendig, sich einmal die Frage zu stellen, wie es eigentlich dahin gekommen ist, daß wir eine solche Note vom 10. März diskutieren können, von der wir doch alle den Eindruck haben, daß sie wirklich eine neue Epoche eingeleitet haben kann, daß auf jeden Fall das erste Mal seit dem Jahre 1945 wenigstens dem geschriebenen Wort nach ein Kurswechsel in der Politik der Sowjetunion zu sehen ist.
Das zwingt doch, einen Blick auf die deutsche Außenpolitik schlechthin zu werfen, wie sie in den letzten Jahren geführt worden ist, und ich möchte vorwegnehmen, was ich dazu sagen mochte. Ich glaube, wir haben Anlaß, hier zu unterstreichen, daß diese Note vom 10. März niemals geschrieben und niemals angekommen wäre, wenn nicht die deutsche Politik in den letzten Jahren unbeirrbar und zah einen sehr konsequenten Weg gegangen ware.
Ich möchte auf die einzelnen Etappen dieser Politik nicht eingehen, ich möchte ment im einzelnen an diesen Weg erinnern, der von der Münchener Ministerpräsidentenkonferenz über die zahlreichen Außenministerkonferenzen in London, in Moskau und in Paris gefuhrt hat, über alle diese Konferenzen, auf denen wir von der sowjetrussischen Regierung zu den deutschen Problemen und zu den deutschen Fragen immer nur das Wort „nein" hören konnten.
Eines aber, glaube ich, dürfte unbestreitbar sein: wenn wir in den letzten Jahren die Politik verfolgt hätten, die uns eben in seiner letzten Rede Herr Kollege Schmid empfohlen hat dann wäre die sowjetrussische Note nicht geschrieben worden,
und dann wäre auch die Antwort der westlichen Alliierten anders ausgefallen.
Ich habe das, was Herr Kollege Ollenhauer über die gleiche Wertung dieser vier Mächte sagte, durchaus verstanden. Auch ich hatte niemals den Eindruck, daß Herr Kollege Ollenhauer etwa in der moralischen Wertung dieser vier Mächte auch nur einen Vergleich ziehen wollte.
— Meine Damen und Herren, ich spreche nur für mich; das scheint bei Ihnen nicht bekannt zu sein. —
Ich möchte dem Herrn Kollegen Ollenhauer trotzdem sagen, daß ich auch in der Auffassung, die er
hier vertreten hat, wie er, ich möchte sagen, die politische Wertung, also die politische Kraft der Vier verglichen hat, in keiner Weise mit ihm übereinzustimmen vermag. Selbstverständlich ist es insofern richtig, als wir der Zustimmung der vier Mächte bedürfen; denn wir wissen alle — und dasist hier von allen Sprechern wohl gesagt worden —: der Weg zur deutschen Einheit führt notwendigerweise über eine Vereinbarung der Vier, die dazu nein oder ja sagen können. Aber wenn ich eine Entscheidung von vier Partnern erwarte, dann lege ich mehr Wert auf den Einfluß und auf die Wirkung von dreien, die es gut mit mir meinen, als auf denjenigen, der es schlecht mit mir meint. Insofern bin ich nicht der Meinung, daß wir von einer gleichen Wertung, auch nicht im politischen Gespräch, in der politischen Diskussion zwischen den Vieren, reden können.
Gewiß, der Herr Kollege Schmid mag recht haben, wenn er sagte: Die Entscheidungen, die etwa seit der Washingtoner Konferenz von den westlichen Alliierten über die deutsche Zukunft getroffen worden sind, sind nicht frei von Egoismus. Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß irgend jemand hier in diesem Saale so merkwürdige Vorstellungen von politischen Realitäten hat,
daß er etwa glaubt, auf irgendeiner Seite könnte man mit Geschenken aus Liebe rechnen.
— Nein, daß politische Entscheidungen letzten Endes entscheidend auch von Zweckmäßigkeitserwägungen der Beteiligten beeinflußt werden, ist mir klar; und daß es nicht nur eine Geste etwa der inneren Freundschaft ist, wenn wir heute in einem anderen Verhältnis zu den westlichen Alliierten stehen, das wissen wir alle. Aber ich glaube doch, auch wenn solche Gründe wie in allen Fällen entscheidend mitspielen, dann sollten wir uns doch freuen, daß es der deutschen Politik gelungen ist, aus drei Siegern des Jahres 1945 drei Partner von morgen zu machen. So hoffen wir wenigstens.
Ich weiß nicht, ob es auf dem Wege — ich wiederhole es —, den der Herr Kollege Schmid angezeigt hat, gelungen wäre.
Ich meine das um so weniger, als ich dem Herrn Kollegen Schmid — er ist leider nicht da — sagen muß: seine Vorstellungen auch über die Politik der deutschen Regierung in den nächsten Wochen und Monaten
halte ich für so verhängnisvoll,
daß ich jede Regierung, die eine solche Politik treiben würde, mit aller Leidenschaft bekämpfen müßte.
Herr Kollege Schmid sagte in diesem Zusammenhang sinngemäß: Wir dürfen nichts tun, was Sowjetrußland das Interesse an einer solchen Verständigung etwa nehmen könnte. Er sprach davon, es bedeute doch wohl eine Zumutung für die Russen, wenn man von ihnen verlange, zuzustimmen, daß sich Deutschland, daß sich vielleicht morgen das gesamte Deutschland in Europa integrieren
könne. Meine Damen und Herren, ich habe nicht soviel Verständnis für die russische Psychologie, und ich will es auch nicht haben; denn ich habe kein Verständnis dafür, daß man mit einem solchen Vorschlage dem deutschen Volke zumutet, nichts zu tun und sich nicht zu entscheiden.
Das ist ja dann sogar gesagt worden. Es ist ausgesprochen worden: es müsse nun Aufgabe der deutschen Politik sein, nichts mehr zu tun, keine Fakten zu schaffen, auch nicht durch den Abschluß von Verträgen, von denen nur der Böswillige sagen kann, daß sie irgendwelche aggressiven Tendenzen enthielten. Wenn wir diesen Weg gehen, dann werden wir, glaube ich, ohne viel Aufwand von Phantasie den Ablauf der Verhandlungen zwischen den vier Mächten voraussagen können.
Dann werden die Verhandlungen etwa denselben Lauf nehmen wie die Besprechungen im Palais Marbre Rose in Paris; dann werden noch in zwei Jahren die ersten Voraussetzungen dafür, über was man überhaupt sprechen will, in einem Kreise der stellvertretenden Außenminister diskutiert werden; und wir werden beiseite stehen und vielleicht das Interesse Rußlands allerdings durch unsere Passivität geweckt, aber das Interesse der westlichen Alliierten verloren haben.
Wie wenig überzeugend das, was Herr Kollege Schmid hier zu diesem Problem vortrug, war, scheint mir nicht nur sein Vortrag als solcher bewiesen zu haben, der sehr reich an Widersprüchen war.
Herr Kollege Schmid hat hier immer wieder in einer ganzen Reihe von Sätzen das gleiche gesagt: Was wir Deutschen brauchen, was wir Deutschen verlangen, was man uns Deutschen geben muß, ist eine Sonderregelung.
Aber die Frage, welche Sonderregelung er meint, hat er nicht beantwortet.
Ich finde, eine solche Diskussion sollte doch eigentlich überflüssig sein.
Es ist hier heute mittag auch schon von dem Herrn Bundeskanzler einmal gesagt worden, welche Möglichkeiten denn bestehen. Das führt mich zu der Diskussion über die beiden Noten zurück. Ich glaube, das, was zu diesen beiden Noten zunächst auch vom Herrn Kollegen Wehner gesagt worden ist, war nicht ganz überzeugend. Er hat schon beanstandet, daß die Alliierten in der Antwortnote vom 15. Oktober vorigen Jahres nicht hinreichend auf unser Petitum in der Beschlußfassung vom 27. September eingegangen seien. — Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Note vom 15. Oktober nachlesen, werden Sie feststellen, daß das falsch ist. Die Note vom 15. Oktober hat in einer erfreulichen Weise — ich möchte sagen: das erstemal — das echte und ursprünglichste deutsche Anliegen: wie können wir zu freien Wahlen kommen?, aufgenommen, und die Alliierten haben es dann auch versucht, dieses Anliegen bei der UNO durchzusetzen.
Genau so scheint es mir auch mit der zweiten Note zu sein, von der ich Ihnen sagen möchte, daß
diese Note nach meiner persönlichen Überzeugung in allen Punkten den echten und vitalen deutschen Interessen entspricht.
' Über die Frage, wieweit es Sowjetrußland mit seinen Vorschlägen ehrlich meint oder nicht, hier zu diskutieren, scheint mir müßig zu sein.
Ich glaube, wir haben alle gewisse Vorstellungen von der Verhandlungsfähigkeit der Sowjetregierung, und man soll es uns weiß Gott nicht übelnehmen, wenn wir nach den Erfahrungen der letzten Jahre mißtrauisch geworden sind. Aber selbst wenn ich unterstelle, daß die Note vom 10. März ausnahmsweise ehrlich gemeint gewesen sein sollte — ich hoffe es im Interesse Deutschlands, des gesamten deutschen Volkes und des Weltfriedens —, dann muß ich sagen: Diese Note hat eine Antwort verdient; denn wer auf Grund dieser Note — etwa ohne Richtigstellung und Vorbehalte — in Verhandlungen getreten wäre, hätte das deutsche Interesse verraten.
Wir haben von den Alliierten erwartet und verlangt, daß sie in diesem Gespräch das deutsche Interesse wahren; denn wir wollen, daß jetzt nicht mehr über Deutschland entschieden, sondern mit Deutschland beraten wird.
Diese Note Rußlands hat — um einiges in Erinnerung zu rufen — zur Bedingung gemacht, daß die Diskussion über den Friedensvertrag davon ausgehen müsse, daß im Potsdamer Vertrag die Grenzen Deutschlands festgelegt seien. Ich bin darüber überrascht, daß irgend jemand sagen kann, es sei doch nicht gut, daß die Alliierten auf diese Feststellung geantwortet hätten, denn man dürfe doch jetzt nicht die Frage der Oder-Neiße-Linie diskutieren, um nicht den Eindruck zu erwecken, als wolle man die Diskussion über diese Forderung führen, um die Diskussion über das eigentliche Anliegen der deutschen Wahlen etwa hinauszuschieben oder zu verzögern.
Meine Damen und Herren, wir sind uns alle darüber im klaren, daß es die oberste Aufgabe der deutschen Politik sein und bleiben wird — der Herr Bundeskanzler hat es uns bestätigt —, freie Wahlen in Deutschland herbeizuführen. Der Herr Bundeskanzler hat als Chef der Regierung in den Schlußworten seiner Erklärung vom 27. September vorigen Jahres gesagt, daß er dieses Ziel — und nicht mehr und nicht weniger — erreichen wolle, weil es den Anfang der Einheit Deutschlands bedeuten werde.
Aber wenn in einer Note, auf Grund deren eine Diskussion entstehen soll, die Feststellung enthalten ist, daß Deutschland an der Oder-NeißeLinie aufhört, dann erwarte und verlange ich von den Alliierten, die sich ja seit Washington zum Sprecher dieser deutschen Wünsche gemacht haben, daß sie widersprechen und eindeutig erklären: Deutschland hört nicht an der Oder—Neiße auf.
Wenn die Note der Sowjetregierung zu dem Kardinalproblem, das uns beschäftigt, schweigt — Sie finden darin kein Wort über freie Wahlen —, dann erwarte ich von der Antwort, daß man Sowjetrußland sagt: Voraussetzung für die Errichtung einer gesamtdeutschen Regierung müssen freie Wahlen sein.
Ich finde, die Note enthält auch keinerlei unzumutbare Forderung, wenn in einer — der Herr Bundeskanzler sagte es schon — ungewöhnlich diskreten und -zurückhaltenden Weise an den Beschluß der Vereinten Nationen erinnert und der Wunsch ausgedrückt wird, daß es doch gut wäre, wenn sich vielleicht Sowjetrußland entschließen könnte, der UN-Kommission den Zutritt zur sowjetisch-besetzten Zone zu geben. Wer das bereits als eine bösartige Hintanhaltung oder Erschwerung von Viermächtebesprechungen ansieht, scheint mir doch die Empfindlichkeit Rußlands etwas zu überschätzen und den anderen etwas starke Nerven zuzumuten.
Ein Weiteres. In der Note der Sowjetrussen steht eindeutig, daß die deutsche Regierung, die gebildet werden soll, auch nach Abschluß des Friedensvertrags in ihren außenpolitischen Entscheidungen nicht frei sein soll.
Ich glaube, daß niemand hier in diesem Hause eine solche Entscheidung akzeptieren würde. Ich habe es darum begrüßt, daß die Alliierten mit Nachdruck erklärt haben, eine aus freien Wahlen hervorgegangene deutsche Regierung müsse vor und nach dem Abschluß des Friedensvertrags ihre vollkommene politische Handlungsfreiheit besitzen.
Wenn die Allierten das nicht gesagt hätten, dann hätten wir es sagen müssen.
Wir sind uns, glaube ich, auch darüber einig — es ist ja auch hier gesagt worden —, daß es eine deutsche Neutralität nicht geben kann und nicht geben darf, wenn wir nicht unser Leben als deutsches Volk verlieren wollen.
Was bedeutet die sowjetrussische Note? Sie sagt: Deutschland soll sich keinerlei Koalitionen oder Vereinbarungen anschließen, die gegen einen am Krieg Beteiligten gerichtet sein können, und zwar auch nicht in Zukunft. Dafür soll es das immerhin recht dubiose Geschenk erhalten, wieder eine nationale Wehrmacht zu gründen, und zwar im Rahmen des Friedensvertrags und mit der Ausrüstung, die der Friedensvertrag vorsehen wird.
— Ja, Herr Kollege, wir wollen allerdings mehr!
Ich bin überrascht, daß ausgerechnet Herr Kollege Rische dafür eine Begründung braucht.
Aber wenn er sie haben will, er mag sie hören;
ich will sie ihm nicht vorenthalten. Das, was hier
vorgeschlagen wird — gleichzeitig mit dem
üblichen Abzug der Besatzungstruppen und was
alles dazu gehört —, ist die Forderung einer sogenannten bewaffneten Neutralität, wobei der Umfang der Bewaffnung dieser Neutralität in das
diskretionäre Ermessen des Kreml gestellt wird.
— Ja, ja, Sie wissen doch, was ein Viermächteabkommen ist.
Meine Damen und Herren, daß wir eine solche Lösung nicht akzeptieren, ja nicht einmal diskutieren, halte ich persönlich für meine Freunde und für mich für eine Selbstverständlichkeit.
Ich halte es für absolut notwendig, daß auch hierauf die Antwort der Alliierten klar und unmißverständlich ist.
— Über deutsche Fragen und deutsche Probleme diskutiere ich nicht mit Ihnen; das habe ich Ihnen schon oft genug gesagt.
Und so glaube ich, daß diese Diskussion, die wir heute hatten, und auch der Antrag, den die sozialdemokratische Fraktion gestellt hat, doch eigentlich nicht sehr — erlauben Sie mir zu sagen: sinnvoll war; denn es ist die Politik der Bundesregierung, die ja von einer Mehrheit des Hauses getragen wird, zwar mehr oder minder maßvoll kritisiert worden. Aber es ist uns wieder mal nicht gesagt worden, was wir eigentlich sonst machen sollten.
Deswegen erinnert mich diese Diskussion verzweifelt an diejenige vom 7. und 8. Februar in diesem Hause.
Meine Bitte ist es an die nachfolgenden Redner der Opposition, vielleicht mal nicht nur in der Kritik hängen zu bleiben, für die ich volles Verständnis habe — dazu brauchen wir ja ein Parlament —,
sondern uns zu sagen, was wir an Stelle dessen machen sollten, was wir bisher getan haben.
Ich kann mich — Herr Kollege Schmid ist inzwischen wiedergekommen — auch nicht mit der Erklärung von ihm zufriedengeben, die mich ein wenig an das Delphische Orakel erinnert:
Was wir wollen, was wir brauchen und was wir haben müssen, ist eine besondere Regelung für Deutschland, und dafür müssen die im Osten und die im Westen Verständnis haben. Aber welche Regelung wir wollen und brauchen, haben Sie nicht einmal angedeutet.
— Herr Kollege, wenn Sie noch nicht einmal eine Vorstellung davon haben, wie diese Verhandlungen ausgehen sollen, wie soll sich dann eigentlich eine deutsche Regierung daran beteiligen?
Wir sind es — ich sage das auch in diesem Zusammenhang — uns, der gesamten deutschen Öffentlichkeit, aber auch der Weltöffentlichkeit schuldig, mit solchen Spiegelfechtereien einmal aufzuhören, und sehr nüchtern und ernst zu reden.
Niemand von uns kann behaupten, daß er etwa den Stein der Weisen besitze,
und niemand von uns muß davon überzeugt sein, daß dieser Weg in allen Punkten richtig sei. Sagen Sie uns doch den andern! Das ist weder von Ihnen noch von Herrn Kollegen Ollenhauer auch nur andeutungsweise gesagt worden.
Damit können wir allerdings eines mit ziemlicher Gewißheit erreichen: daß wir uns im wahrsten Sinne des Wortes zwischen zwei Stühle setzen.
Meine Bitte und mein Wunsch an die Regierung ist, daß sie nichts tun darf und tun soll, was einem ehrlichen Gespräch über die deutsche Einheit wirklich im Wege stehen kann, daß sie aber auch nichts unterlassen darf, was die deutsche Entwicklung gefährden und unsere Beziehung zum Osten und zum Westen verschlechtern könnte.
Und unsere Beziehung zum Osten wird nur dadurch verschlechtert,
daß wir inkonsequent werden. Das ist sehr konkret.
Zu den Anträgen kann ich nur folgendes sagen. Den Antrag, den wir gestellt haben, hat mein Kollege Euler begründet. Inzwischen ist ein weiterer Antrag der sozialdemokratischen Fraktion eingegangen. Ich finde, daß dieser Antrag, wenn er nicht weiter begründet wird, in allem auch den Vorstellungen entspricht, die wir von den weiteren Verhandlungen haben. Ich habe deswegen gegen die Annahme dieses Antrags gar nichts einzuwenden unter der Voraussetzung, daß die sozialdemokratische Fraktion auch unseren Antrag anzunehmen bereit ist. Den ursprünglichen Antrag in der Drucksache mit den vier Punkten halte ich durch diese Aussprache wirklich für überholt, und ich bin nicht der Meinung, daß Anlaß und Notwendigkeit bestehen, der Regierung irgendwelche Richtlinien auf den Weg zu geben. Uber diese Richtlinien sind wir hinreichend unterrichtet, und der auswärtige Ausschuß ist jederzeit in der Lage, sich über den Verlauf der weiteren Verhandlungen die nötigen Informationen zu verschaffen. Deswegen beantrage ich, diesen Antrag abzulehnen.