Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Auswärtige Amt ist das Instrument zur Beratung des Außenministers und die Visitenkarte unseres Landes. Seit man mit dem Aufbau des Auswärtigen Amtes befaßt war, habe ich es beobachtet, und ich habe schon vor zwei Jahren, namlich im Marz 1950, dem Herrn Bundeskanzler eine Warnung zukommen lassen über die Beobachtungen, die man damals schon machen konnte. Da ich damals von ihm keine Antwort erhielt, auch noch nicht, als ich ihn im September des Jahres erinnerte, habe ich die Flucht in die Öffentlichkeit ergritten. Ich habe am Ende des Jahres 19b0 Veroffentlichungen vorgenommen, die überall Resonanz hatten, aber nicht bei der Bundesregierung. Von da an ist sowohl in der Öffentlichkeit ais auch hier im Bundestag die Erörterung der Zustände in der Personalpolitik des Auswartigen Amtes nicht abgerissen. Man hat trotz alledem keine Wahrnehmungen von nennenswerten Anderungen in dieser Personalpolitik machen konnen. Der Vorwurf richtete sich von Anfang an dagegen, daß in hervorragendem und besonders auffahligem Maße — nicht also etwa in dem kleinen Rahmen, wie es in jeder Behörde mal vorkommen kann — Cliquenwirtschaft, Mißwirtschaft, persönlicher Beziehungs-Klüngel und gesellschaftliche und politische Beziehungen in rücksichtslosester und fast schamloser Art die Restauration alter Zustände betrieben.
— Damals habe ich die Unterstützung, Herr Kollege Horlacher, die Sie mir jetzt geben, in den Regierungsparteien bedauerlicherweise nicht bekommen. Damals haben sie, obwohl mir bekannt ist, daß einigen Kollegen aus den Koalitionskreisen dieselben Zustände auch bekannt waren, sie diese privat auch beanstandet haben, Vogel-Strauß- Politik betrieben, den Kopf in den Sand gesteckt und an den Dingen vorbeigeschwiegen. Letzten Endes ließ sich das aber nicht mehr totschweigen. Als dann der Oberlandesgerichtspräsident Schetter, ut aliquid fieri videatur, damit es den Anschein hätte, als ob etwas geschähe, den Auftrag bekam, eine Disziplinaruntersuchung zu veranstalten, ging das neben die Sache; denn disziplinär waren die Sachen zum geringsten Teil zu erfassen. Es handelte sich in Wirklichkeit um politische Vorwürfe, solche, die man entweder nicht wichtig nehmen wollte oder die man gar nicht einmal erfaßte. Dieser sehr angesehene Richter versuchte nun eine Mohrenwäsche, die zu nichts anderem führte, als daß er seinen eigenen Ruf auf die alten Tage noch begrub. Die Dinge ließen sich nicht länger verheimlichen. Sie sind ja durch Presseverlautbarungen in Zeitungen der verschiedensten Richtungen bekanntgeworden. Man kann also nicht sagen, es seien nur von einer Richtung, sei es nun von Ärger über
persönliche Benachteiligung oder von parteipolitischer Abneigung dirigiert, nur auf Befangenheit beruhende Vorwürfe aufgestellt worden. Also von der Publizistik der verschiedensten Richtungen sind V orwürfe gegen das Auswärtige Amt erhoben worden, die allesamt denselben Kern betrafen. Deswegen hat der Bundestag schon vor mehreren Monaten einen besonderen Ausschuß eingesetzt, der sich mit der Prüfung dieser Vorwurte zu befassen hat. Die Öffentlichkeit hat in weitgehendem Umfang von seinen Verhandlungen Kenntnis bekommen. Das beruht nun nicht etwa auf öffentlichen Verhandlungen, denn bedauerlicherweise hat der Ausschuß im großen und ganzen geheim, unter dem Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt. Es steht zwar jedem Abgeordneten frei, an den Sitzungen des Ausschusses teilzunehmen. Aber, Gott, wer kann das denn, wer hat denn die Zeit dazu, da die Abgeordneten durch andere Sitzungen gebührend in Anspruch genommen sind? Ich selber habe einige Male zugehort. Das Haus hat aber ein Recht darauf, über den Ablauf der Verhandlungen mindestens ebensoviel zu erfahren, wie die Öffentlichkeit durch kurze Zwischenberichte in der Presse erfahren hat. Der Zustand ist nicht schön, daß von einigen Mitgliedern des Ausschusses in einer Konferenz Mitteilungen an Presseorgane gemacht werden, über die die Abgeordneten des Hauses selber noch nicht unterrichtet sind. In erster Linie müßten wir darüber unterrichtet werden.
Wenn man nun in der Presse lesen kann, daß schon nach der Vernehmung von 19 oder 20 Betroffenen oder Beteiligten oder Zeugen 5 Persönlichkeiten des erst jungen Auswärtigen Amts nicht nicht mehr als tragbar angesehen wurden, so muß das zu denken geben. Es muß uns veranlassen, den Dingen auf den Grund zu gehen und einen Zwischenbericht zu verlangen. Denn inzwischen gibt der Herr Staatssekretär Hallstein — meistens auf Reisen —, obwohl im übrigen mit der Politik und am wenigsten mit dem befaßt, was er eigentlich tun und sein sollte, nämlich der Behördenchef, der auch die Personalien zu überwachen hat und für den stabilen und ruhigen Gang der laufenden Geschäfte Sorge tragen muß, Verlautbarungen an die Presse, daß das alles gar nicht so schlimm sei, daß man sich noch zurückhalten müsse, daß man nicht vorschnell urteilen dürfe — ich bitte Sie: vorschnell nach so viel Zeitablauf, nachdem schon so viel daruber gesprochen worden ist! —, also, daß das alles gar nicht so schlimm sei.
Inzwischen wird aber durch dieses selbe Auswärtige Amt im Ausland wie im Inland der gute Name der jungen Bundesrepublik weiter verdorben. Was soll man dazu sagen, wenn z. B. die Deutschen in Griechenland nur ungern auf das deutsche Konsulat und die deutsche Gesandtschaft in Athen gehen, weil sie dort einige sehr unbeliebte Gesichter aus der Nazizeit wiederfinden! Was soll man dazu sagen, wenn über die Sender der Südoststaaten auf dem Balkan ein deutscher Gesandter als der SS-Henker bezeichnet wird, ohne daß man dagegen mit großem Recht etwas tun könnte!
Und was soll man dazu sagen, wenn jetzt aus den Dokumenten der Nürnberger Prozesse Vorwürfe auftauchen! Man hätte das seit zwei Jahren vermeiden können. Ich habe schon in dem Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses, der sich mit dem Aufbau — nicht so sehr mit den Personalien im einzelnen — befaßt hat, darauf hin-
hingewiesen, daß in den Akten über den Nürnberger Wilhelm-Straßen-Prozeß äußerst kompromittierende Dinge enthalten seien. Der damalige Personalchef, Herr Haas, hat sehr bestürzt erklärt, daß diese Materialien so umfangreich seien, daß man keine Zeit gehabt habe, sie zu prüfen. Ich habe Gelegenheit genommen, ihm zu sagen, daß es alphabetische Verzeichnisse über die Zeugen gebe und daß ich bereit und in der Lage sei, ihm durch die Verbindung mit den Verteidigern in jenen Prozessen, den Rechtsanwälten, diese Arbeit zu erleichtern. Man ist nicht darauf zurückgekommen. Inzwischen ist der Skandal so groß geworden, daß das Ansehen der Bundesrepublik großen Schaden genommen hat.
Ich kann verstehen, daß bei der Behörde, auch bei dem zuständigen Herrn Außenminister das Bestreben herrscht, von dieser schmutzigen Wäsche nicht mehr als unbedingt nötig in die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Ich teile diese Ansicht nicht. Ich bin im Gegenteil der Auffassung, daß es nichts Besseres geben kann, als nun vor aller Öffentlichkeit darzulegen, daß dieser „Sumpf mit Stumpf und Stil ausgerottet" wird, daß die Zustände definitiv bereinigt werden und daß das, was dann in der Behörde bleibt, nicht bloß das Vertrauen von uns, sondern auch das des Auslandes endgültig verdient. Das alles kann aber nicht erreicht werden, wenn wir weiter schweigen und die Zustände die alten bleiben, wie sie sich seit zwei Jahren entwickelt haben. Man kommt eben nicht daran vorbei, jetzt schon einen Zwischenbericht zu geben, zumal nach der ungeschickten Äußerung des Herrn Staatssekretärs Hallstein wiederum der Eindruck erweckt wird, daß es weitergehen soll wie bisher. Die Presse mag sich
aufregen, man mag im Bundestag darüber reden, die Dinge gehen ihren Lauf wie bisher. Nennen wir den letzten Verantwortlichen beim Namen: das ist nicht der Herr Bundeskanzler, der irregeführt wird, aber die Verantwortung hat, das ist auch nicht Herr Hallstein, der die Zustände schon vorfand, als er hinkam — aber beide — Kanzler und Staatssekretär — decken sie —, das ist Herr Blankenhorn, der die Zustände heraufbeschworen, der sie begründet hat und der als die „Graue Eminenz" der neuen Wilhelmstraße im Hintergrund sitzt.
Wir verlangen deshalb, daß diese Dinge bei erster Gelegenheit erörtert, daß sie jetzt schon vor dem endgültigen Abschluß erörtert werden. Ich bitte deshalb das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen, daß unverzüglich ein Zwischenbericht gegeben wird.
Gestatten Sie mir noch eins. Wir haben beabsichtigt, auch den Antrag einzubringen, daß der Ausschuß öffentlich verhandelt, weil wir der Ansicht sind, daß man nur in der Öffentlichkeit die Vorwürfe widerlegen und das Amt von dem Verdacht reinigen kann, daß es weiter so bleibt. Leider hat es der Ältestenrat nicht für richtig und nicht für mit der Geschäftsordnung vereinbar gehalten, daß das Plenum eine solche Anweisung an einen Ausschuß gibt. Wir vermögen diese Ansicht nicht zu teilen. Das Plenum kann nach unserem Dafürhalten Anweisungen erteilen. Wenn man das aber nicht will, so ist es mindestens notwendig, diesem zweiten Antrag stattzugeben, damit wir inzwischen schon einmal erfahren, was dort steigt, damit wir erfahren, in welcher Richtung die Verhandlungen laufen, inwieweit die Zeugenaussagen bisher schon
vorliegendes Material bestätigt haben, und damit wir für die Zukunft richtunggebend unsere Ansicht äußern können. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag.