Rede von
Dr.
Konrad
Adenauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich werde versuchen, meine Antwort ruhig und sehr nüchtern zu halten, und werde in den Mittelpunkt meiner Ausführungen die beiden Noten, einmal die Note Sowjetrußlands und zum andern die Antwortnote der drei Westalliierten stellen. Ich werde nicht der Versuchung unterliegen, Abschweifungen zu machen, sondern ich glaube, das deutsche Volk und auch andere Völker haben ein Recht darauf, den Standpunkt der Bundesregierung zur gegenwärtigen Situation möglichst von allem Beiwerk losgelöst zu erfahren.
Herr Abgeordneter Wehner hat mehrfach mit sehr starker Unterstreichung erklärt, daß das erste, vornehmste und vordringlichste deutsche Ziel die Wiedervereinigung Deutschlands sei. Ich darf daran erinnern, daß ich namens der Bundesregierung am 27. September 1951 in diesem Hause erklärt habe: Das oberste Ziel der Politik der Bundesregierung ist und bleibt die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa. Diese Einheit muß aus der freien Entscheidung des gesamten deutschen Volkes kommen. Meine Damen und Herren! Ich stelle ausdrücklich fest, daß dieser Erklärung mit sämtlichen Stimmen des Bundestags ohne Enthaltungen gegen die Stimmen der Kommunisten zugestimmt worden ist.
Nun möchte ich zunächst zu einer Analyse der beiden Noten übergehen. Darin hat Herr Wehner unstreitig recht: die Tatsache, daß Sowjetrußland im Gegensatz zu der Haltung, die es noch vor einem Jahr bei den Verhandlungen im Palais Rose in Paris eingenommen hat,eine Note an die drei Westalliierten wegen der Wiedervereinigung Deutschlands und wegen des Abschlusses eines Friedensvertrages über Deutschland gerichtet hat, ist sehr bemerkenswert. Ich werde zum Schluß meiner Ausführungen, wenn ich darauf eingehe, daß Herr Wehner eine Übersicht verlangt hat, auf diesen Punkt zurückkommen. Aber, meine Damen und Herren, wenn die westalliierten drei Mächte auf Grund dieser Note der Sowjetunion sich mit der Sowjetunion an den Verhandlungstisch gesetzt hätten, wären die berechtigten Ansprüche, die unveräußerlichen Rechte Deutschlands in der gröbsten Weise gefährdet gewesen.
— Ich hoffe doch, daß Sie, meine Herren von der Kommunistischen Partei, mir nachher noch die Notwendigkeit einer nationalen Armee für Deutschland beweisen werden; eine schwere Aufgabe!
Ich hebe aus der Note der Sowjetunion folgende Punkte hervor: an erster Stelle Ziffer 7. Ziffer 7 ist der wichtigste Punkt der ganzen Note, und aus ihr ist zu erkennen, was die Sowjetunion dazu veranlaßt hat, diesen Schritt gegenüber den Westalliierten zu tun. In Ziffer 7 soll Deutschland verpflichtet werden, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgend-
einen Staat richten, der mit seinen Streitkräften
am Kriege gegen Deutschland teilgenommen hat.
— Das würde bedeuten, daß Deutschland neutralisiert würde.
Ich brauche gar nichts weiter darüber zu sagen als das, was der Herr Kollege 011enhauer von diesem Pult aus seinerzeit gesagt hat, als über den Verteidigungsbeitrag gesprochen worden ist:
Eine Neutralisierung Deutschlands ist für Deutschland unter keinen Umständen annehmbar.
Nun versucht die Note Sowjetrußlands einmal, gewisse nationalistische Instinkte in Deutschland wachzuruf en,
indem es sich vor frühere Nationalsozialisten stellt,
indem es sich vor frühere deutsche Soldaten stellt.
Ich wünschte, Sowjetrußland würde den deutschen Soldaten, die es noch zurückhält, die Freiheit wiedergeben.
Wenn in dieser Note Sowjetrußlands von nationalen Streitkräften die Rede ist, so möchte ich ausdrücklich betonen, daß ja nach dieser Note Deutschland nicht etwa die Möglichkeit gegeben werden soll, diese Streitkräfte so stark zu machen und so auszurüsten, wie Deutschland das zum Schutze der Neutralität für nötig hält, sondern daß in dem Friedensvertrag sowohl die Zahl der Streitkräfte als auch die Waffen und die Typen von Waffen, die diese Streitkräfte bekommen, ausdrücklich festgesetzt werden sollen. Das würde also bedeuten, daß nach diesen Vorschlägen dieses neutralisierte Deutschland ein Staat minderen Rechts zwischen den beiden großen Spannungsfaktoren werden würde, die nun einmal in der Welt bestehen.
Ich möchte weiter betonen, daß Sowjetrußland in dieser Note unter völliger Verfälschung des Potsdamer Abkommens behauptet, daß die Grenzen des Territoriums Deutschlands im Potsdamer Abkommen festgelegt worden seien. Das ist nicht wahr.
— Sie sind nicht darin festgelegt.
— Meine Damen und Herren, nicht im Friedensvertrag, sondern es heißt ausdrücklich, Herr Kollege Mommer, unter dem Stichwort „Territorium", daß das Territorium Deutschlands durch das Potsdamer Abkommen festgelegt worden sei.
— Wenn Sie die Sowjetnote besser verstehen als ich, —
— Ich habe Sie falsch verstanden; bitte um Entschuldigung!
Meine Damen Und Herren, ich möchte nur die
wesentlichen Punkte hervorheben und möchte des
der Antwortnote der drei Westalliierten. Ich betone nochmals: Wenn die drei Westalliierten sich auf Grund dieser Note Sowjetrußlands mit Sowjetrußland an den Verhandlungstisch gesetzt hätten, dann würden sie damit in gewissem Umfange diese Thesen als Grundlage der Verhandlungen angenommen haben.
Das wäre — auch das möchte ich nochmals unterstreichen —
eine schwere Schädigung der gesamtdeutschen Interessen gewesen.
Aus der Note der Westalliierten darf ich Ihnen folgendes hervorheben. in Zitter i ist ausdrücklich gesagt, daß die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und der Vereinigten Staaten die Regierung der deutschen Bundesrepublik und die V ertreter von Berlin konsultiert haben. Meine Damen und Herren, nicht nur die Tatsache dieser Konsultierung, sondern auch die Hervorhebung der Tatsache in der Antwort auf die Sowjetnote ist für uns Deutsche außerordentlich bedeutungsvoll. Sie entspricht dem, was im Generalvertrag, der Ihnen demnachst vorgelegt werden wird, niedergelegt ist,
daß nämlich eine Konsultation stattfinden muß.
— Herr Reuter!
— Wenn ich Ihnen damit eine Freude mache, Herr Reimann!
Ich stelle weiter fest, daß in der Note der drei Westalliierten ausdrucklich erklärt wird, daß der Abschluß eines gerechten und dauerhaften Friedensvertrags, der die Teilung Deutschlands beenden würde, ein wesentliches Ziel der Politik der drei Regierungen gewesen ist und bleiben wird.
Die Sowjetnote spricht zwar von einer gesamtdeutschen Regierung; sie sagt jedoch nichts darüber — daruber schweigt sie —, auf welchem Wege man zu einer gesamtdeutschen Regierung kommt.
Demgegenüber hebt die Note der Westmächte hervor, daß freie Wahlen in Gesamtdeutschland die
notwendige Voraussetzung für eine Bildung einer gesamtdeutschen Regierung sind. Damit steht diese Note in vollem Einklang mit der Stellungnahme, die der Bundestag bisher immer mit überwiegendster Mehrheit eingenommen hat.
— Ich wäre außerordentlich dankbar, wenn ich — bei der Wichtigkeit der Angelegenheit für das gesamte deutsche Volk — möglichst wenig durch Zwischenrufe unterbrochen würde.
Wenn ich Herrn Kollegen Wehner richtig verstanden habe, ist von dem Sprecher der Sri) bemängelt worden, daß die Tätigkeit der UNO-Kommission in dieser Note als eine starre Voraussetzung von allem bezeichnet worden sei. Das ist nicht richtig, meine Damen und Herren; denn der Text besagt, daß die amerikanische, britische und französiche Regierung mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen würden, daß derartige Erleichterungen, wie sie der UNO-Kommission in der Bundesrepublik gewahrt worden sind, auch in der Sowjetzone und in Ost-Berlin gewährt werden, damit die Kommission ihre Aufgaben erfüllen kann. Diplomatischer und vorsichtiger
konnte von den Westalliierten auch auf die Tatsache der Schaffung einer solchen Kommission und darauf, daß dieser Kommission der Zutritt nach Ost-Berlin und nach der Sowjetzone verweigert worden ist, überhaupt nicht hingewiesen werden.
Lassen Sie mich ein Weiteres hinzufügen! Wir alle in diesem Hause — mit der verschwindenden Ausnahme, die wir kennen — haben noch vor kurzem die Tatsache, daß sich die UNO mit der Frage der Teilung Deutschlands. und mit den Zuständen, die in der Sowjetzone herrschen, beschäftigt hat, mit Dankbarkeit und Genugtuung begrüßt.
Wir alle hier im Hause — mit der kleinen Aus nahme, die Sie kennen —
haben den Zusammentritt der UNO-Kommission mit Freuden begrüßt,
und Vertreter aller Parteien dieses Hauses haben den Besuch der UNO-Kommission hier in Bonn begrüßt.
Wenn die Westalliierten in ihrer Antwort von der Existenz dieser UNO-Kommission gar nichts erwähnt hätten, dann wäre das eine Brüskierung derselben UNO gewesen, für deren Anteilnahme
an der Teilung Deutschlands wir uns unlängst noch so dankbar gezeigt haben.
In Ziffer 3 der westalliierten Note ist eine sehr wichtige Frage berührt. Es heißt da:
Die Vorschläge der Sowjetregierung enthalten keine Angaben darüber, welche internationale Stellung eine gesamtdeutsche Regierung bis zum Abschluß eines Friedensvertrags einnehmen würde.
Das ist eine außerordentlich wichtige Feststellung; denn damit ist die Frage berührt, ob von irgend jemand der vier Besatzungsmächte behauptet werde, daß diese gesamtdeutsche Regierung bis zum Abschluß eines Friedensvertrags unter dem Viermächtekontrollrat stehen würde.
Die drei westalliierten Regierungen nehmen in dem darauf folgenden Satz von Ziffer 3 dazu Stellung, in dem gesagt wird:
Die Regierung ist der Auffassung, daß es der gesamtdeutschen Regierung sowohl vor wie nach dem Abschluß eines Friedensvertrags freistehen sollte, Vereinigungen, die mit den Grundsätzen und- Zielen der Vereinten Nationen vereinbar sind, beizutreten.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Auffassung der drei Westalliierten, daß eine gesamtdeutsche Regierung auch vor Abschluß des Friedensvertrags nicht dem Viermächtekontrollrat untersteht, eindeutig und klar festgelegt.
— Man soll nur von Dingen sprechen, die man versteht!
vorlesen!
Bei Unterbreitung ihres Vorschlages für einen deutschen Friedensvertrag erklärte sich die Sowjetregierung bereit, auch andere Vorschläge zu erörtern.
Ich habe den amerikanischen Text hier.
Die Regierung hat von dieser Erklärung gebührend Kenntnis genommen.
Das heißt mit anderen Worten: Sie sieht als Rückantwort auf ihre Note solchen Erklärungen Sowj etrußlands entgegen.
— Was nun München-Gladbach mit Amerika zu tun hat, das ist mir nicht klar.
Bezieht sich das auf Ihren Freund Elfes? (Große Heiterkeit. — Abg. Reimann: Nein, Herr Dr. Adenauer, Sie wissen genau, was ich mit München-Gladbach meine! — Abg. Renner: Von dem können Sie was lernen! Der hat Sie längst abgeschrieben, Ihr alter
Freund Elfes!)
Lassen Sie mich fortfahren:
Nach ihrer Auffassung wird es nicht möglich sein, in die Erörterungen von Einzelheiten eines Friedensvertrages einzutreten, bevor die Voraussetzungen für freie Wahlen geschaffen sind und eine freie gesamtdeutsche Regierung errichtet ist, die an einer solchen Erörterung teilnehmen könnte.
Das stimmt fast genau überein mit dem, was Herr Kollege Wehner eben gesagt hat, und es ist, glaube ich, der Standpunkt des ganzen Hauses, daß Deutschland bei Beginn der Erörterungen über einen Friedensvertrag mit Deutschland, vertreten durch eine gesamtdeutsche Regierung, von Anfang an beteiligt sein muß.
In Ziffer 5 ist ausdrücklich festgestellt, daß durch die Potsdamer Beschlüsse keine endgültigen deutschen Grenzen festgelegt sind.
In der Ziffer 6 ist zu der Frage der Schaffung nationaler Armeen in Europa Stellung genommen. Ich glaube, das ganze Haus war sich — bisher wenigstens — darin einig, daß die Neuerrichtung einer nationalen Armee in Deutschland und die Beibehaltung nationaler Armeen in den anderen europäischen Ländern nichts Gutes ist,
sondern daß wir darauf hinaus müssen, die Grenzen zwischen den europäischen Ländern nicht wieder so aufzurichten, wie sie vor 1914 gewesen sind, und daß wir aus dem europäischen Nationalismus einmal herausmüssen.
Ich glaube daher, daß wir Deutsche, und zwar alle, die sich nicht zur Kommunistischen Partei bekennen, mit einer ganzen Reihe von Feststellungen in der westalliierten Note durchaus zufrieden sein können; denn diese Feststellungen entsprechen durchaus den Auffassungen und den Forderungen, die Bundesregierung und Bundestag bisher bei den verschiedensten Gelegenheiten vertreten und gestellt haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt zu einigen Ausführungen des Herrn Kollegen Wehner Stellung nehmen. Es ist ganz klar — und darin stimme ich vollständig mit Ihnen überein —, daß jede Gelegenheit ergriffen werden muß, um zu vernünftigen Verhandlungen zu kommen mit dem Ziele einer Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit.
Ich glaube aber sagen zu dürfen, daß die Note der
drei Westalliierten in keiner Weise eine Tür zuschlägt, und soweit ich unterrichtet bin, ist sie von
Sowjetrußland auch nicht in einer solchen Weise aufgefaßt worden.
— Ja, ich will keine Zwischenbemerkung machen; ich habe selbst gesagt: keine Zwischenbemerkungen. Ich hätte Ihnen eine sehr gute machen können.
— Sie haben nämlich gar keine gute Verbindung mehr mit Moskau.
Sie sind von dieser Note und der nationalen Armee völlig überrascht worden.