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ID0120401600

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    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 204. Sitzung. Bonn, den 3. und 4. April 1952 8743 204. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. April, und Freitag, den 4. April 1952. Erster Tag: 3. April 1952 Geschäftliche Mitteilungen 8744D, 8799D, 8800A Zur Tagesordnung 8745A, 15 Erweiterung des Punktes 2 durch die Anträge Nrn. 3268 und 3276 der Drucksachen betr. Truppenübungsplatz Bergen-Belsen 8745A Antrag auf Erweiterung des Punktes 1 durch den Antrag der Fraktion der SPD betr. Verhandlungen über das Saargebiet (Nr. 3236 der Drucksachen): Mellies (SPD) 8745A Dr. von Brentano (CDU) 8745C Widerspruch gegen Aufsetzung 8745D, 8799D Absetzung der Punkte 3 a bis f betr. Zollfragen: Dr. Horlacher (CSU) 8745D Mellies (SPD) 8746A Sperrfrist für Fragen zur nächsten Frage- stunde 8745A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU, betr. Deutschen Verteidigungsbeitrag (Nrn. 3163, 3084 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Erklärungen des Staatssekretärs Prof. Dr. Hallstein (Nrn. 3203, 3279 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einheit Deutschlands (Nrn. 3210, 3277, 3288 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Auswärtiges Amt (Nr. 3211 der Drucksachen) 8746B Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8746C als Abgeordneter 8798A Eichler (SPD), Anfragender 8748C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 8751C, 8758A, 8767C Wehner (SPD), Antragsteller . . . . 8753B Dr. Reismann (FU), Antragsteller . 8762A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 8763C 011enhauer (SPD) 8763D, 8790A Euler (FDP) 8768D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 8771B Dr. von Merkatz (DP) 8776B Dr. von Brentano (CDU) 8779B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (FU) 8782D Reimann (KPD) 8784A Dr. Tillmanns (CDU) 8787A Kiesinger (CDU) 8791D Hedler (Fraktionslos) 8795B Loritz (Fraktionslos): zur Sache 8796A persönliche Bemerkung 8800B Dr. Reif (FDP) 8797C Abstimmungen 8798B Zur Geschäftsordnung, betr. Weiterberatung: Dr. von Brentano (CDU) 8800A Unterbrechung der Sitzung 8800B Zweiter Tag: 4. April 1952 Geschäftliche Mitteilungen . 8800C, 8801A, 8816C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU betr. Beschlagnahmen durch die Besatzungsmächte für militärische Zwecke (Nrn. 3246, 3006 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU betr. Beschlagnahmung von Geländeteilen für militärische Zwecke (Nrn. 3247, 3145 der Drucksachen), mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Flugplatzbau in Söllingen-Stollhofen und den Antrag der Fraktion der KPD betr. Freigabe des Städtischen Schwimmbades in Frankfurt/Main- Fechenheim durch die Besatzungsmacht (Nrn. 3248, 2961, 2968 der Drucksachen), mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Verhinderung von Landbeschlagnahmung für militärische Zwecke und den Antrag der Fraktion der FU betr. Militärflugplatz in Münster-Handorf (Nrn. 3249, 2922, 3007 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Truppenübungsplatz Bergen-BelsenMunster-Fallingbostel (Nr. 3268 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Erweiterung des Truppenübungsplatzes Bergen-Belsen (Nr. 3276 der Drucksachen) 8745A, 8800C Dr. Hasemann (FDP): als Berichterstatter 8801A als Abgeordneter 8807D Matthes (DP), Antragsteller 8802C Frau Korspeter (SPD), Antrag- stellerin 8803D Majonica (CDU) 8804B Niebergall (KPD) 8804C Morgenthaler (CDU) 8805A Müller (Frankfurt) (KPD) 8805D Dr. Bertram (FU) 8806B, 8807B Jaffé (DP) 8806D • Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 8807A Dr. Arndt (SPD) (zur Abstimmung) . 8808A Abstimmungen 8808A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz) (Nr. 3217 der Drucksachen) . . . 8808B Arndgen (CDU), Antragsteller 8808B, 8810C Freidhof (SPD) 8808D Renner (KPD) 8810A Ausschußüberweisung 8810D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Gastarbeitnehmer vom 23. November 1951 (Nr. 3208 der Drucksachen) 8810D Ausschußüberweisung 8810D Erste Beratung des von der Fraktion der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Abschnitts I des Grundgesetzes (Nr. 3206 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. steuerliche Erleichterungen für Handwerks- und Kleingewerbebetriebe (Nr. 3212 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Altersversorgung für das deutsche Handwerk (Nr. 3213 der Drucksachen) 8810D Dr. Etzel (Bamberg) (FU), Antragsteller 8811A Dr. Preusker (FDP), Antragsteller 8811D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 8812A Loritz (Fraktionslos) 8812B Renner (KPD) 8812D Ausschußüberweisungen 8813A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zúm Strafverfahren gegen den Abg. Hilbert gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 14. Februar 1952 (Nr. 3222 der Drucksachen) 8813B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8813B Beschlußfassung 8813D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und ,Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 7. März 1952 (Nr. 3235 der Drucksachen) 8813D Löbe (SPD), Berichterstatter . . . 8814A Renner (KPD) 8814B Dr. Mende (FDP) 8814C Ritzel (SPD) 8814D Beschlußfassung 8815A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik (37. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Devisen für den deutschen Kunst- handel (Nrn. 3231, 3099 der Drucksachen) 8815A Dr.-Ing. Decker (FU), Berichterstatter 8815B Hennig (SPD) 8815D Beschlußfassung 8816C Nächste Sitzung 8816C Erster Tag: Donnerstag, den 3. April 1952. Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Bundestag sich bisher damit zu beschäftigen hatte, seine Stellung zur Wiedervereinigung Deutschlands zu bestimmen, so waren die Anlässe dazu meist Erklärungen oder sogenannte Angebote der sowjetzonalen Regierungsstellen. Diesmal ist der Anlaß von der Sowjetregierung selbst gegeben worden. Die Sowjetregierung, die sich jahrelang in Schweigen gehüllt hat, als es sich um Vorschläge der Bundesregierung und des Bundestags zur Schaffung der Voraussetzungen für freie Wahlen in den vier Zonen und in Berlin handelte, hat sich durch die Note vom 10. März direkt an die Regierungen der drei anderen Besatzungsmächte gewandt, um Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Deutschland in Gang zu bringen. Die sowjetzonale Volkskammer und die Blockparteien der sowjetischen Besatzungszone haben diesmal nur die Begleitmusik zu der von der Sowjetregierung angegebenen Melodie zu spielen.
    Es erhebt sich die Frage: Bieten die Vorschläge der Sowjetregierung Möglichkeiten zu Verhandlungen der Regierungen der vier Besatzungsmächte, die zu einer Übereinkunft führen können, durch die uns Deutschen endlich die Voraussetzungen gewährleistet werden, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit zu vollziehen? Und es ist daran die Frage zu knüpfen: Werden die Regierungen der drei anderen Besatzungsmächte diese Note der Sowjetregierung zum Anlaß nehmen, festzustellen, ob sich positive Möglichkeiten zur Wiedervereinigung Deutschlands zeigen?
    Das deutsche Volk, meine Damen und Herren, hat ein brennendes Interesse, zu erfahren, ob es endlich an der Schwelle des achten Jahres nach
    Kriegsschluß aus dem Zustand der Spaltung seines Vaterlandes erlöst werden kann, und die Bundesrepublik darf nichts versäumen, was geeignet sein könnte, Deutschland aus der Zerreißung heraus und zur Einheit in Freiheit zu führen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Tatsache, daß die Bundesregierung nicht Adressat der sowjetischen Note ist, sondern daß die Erörterung über die Voraussetzungen eines Friedensvertrags sich zunächst zwischen den Besatzungsmächten vollzieht, entbindet uns nicht von der Pflicht, uns mit ungeteilter Aufmerksamkeit dieser Erörterung zuzuwenden.
    Der sozialdemokratische Antrag Drucksache Nr. 3210 will erreichen, daß die Bundesrepublik eine vom Vertrauen aller Deutschen getragene Anstrengung macht, um die deutschen Forderungen und Anliegen bei den Regierungen der vier Mächte gleichmäßig zur Geltung zu bringen. Der Antrag ist so zu verstehen, daß jede der in ihm enthaltenen Forderungen auf jetzt neu zu unternehmende Schritte abzielt. Wir meinen, daß der zwischen den Regierungen der vier Mächte begonnene Notenwechsel — ein Ausdruck für eine gewisse Änderung der Lage und selbst möglicherweise wieder Anlaß zu weiteren Veränderungen — wichtig genug ist, den Regierungen der vier Mächte aufs neue die deutschen Anliegen zu unterbreiten. Diesem im Antrag enthaltenen Verlangen wäre — um das deutlicher zu machen, sei das noch gesagt — nicht Genüge getan, wenn wir uns lediglich auf schon früher unternommene Schritte beschränken oder auf sie verweisen wollten.
    Ich möchte Ihnen nun zu den einzelnen Punkten unseres Antrags einiges sagen. In Ziffer 1 unseres Antrags ersuchen wir den Bundestag, zu beschließen:
    Die Bundesregierung wird ersucht, den Regierungen der vier Besatzungsmächte in aller Form zu erklären, daß es die vordringlichste politische Forderung des ganzen deutschen Volkes ist, die Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen.
    Meine Damen und Herren, die vordringlichste deutsche Forderung, nicht, wie man es in der letzten Zeit mitunter hat hören können, das „letzte Ziel", dem irgendwelche anderen vorauszugehen hätten! Die deutsche Wiedervereinigung ist für alle Deutschen das wichtigste Problem in der Politik überhaupt, und es gehört auch zeitlich an die erste Stelle.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die vordringlichste politische Forderung kann und soll nicht mit einer, wie es hier schon einmal erwähnt worden ist, „Neuordnung Osteuropas" in Verbindung gebracht oder ihr untergeordnet werden, und die vordringlichste politische Forderung des .ganzen deutschen Volkes ist nicht mit einer sogenannten „Integration bis zum Ural" oder sonstwohin zu verkoppeln.

    (Unruhe in der Mitte.)

    Vorstellungen, wie sie Plänen zur „Neuordnung
    Osteuropas" und zu dieser Art von „Integration
    bis zum Ural" zugrunde liegen mögen, können
    nicht die Richtung der deutschen Politik bestimen. Es handelt sich dabei um vage Träumereien
    oder um abenteuerliche Irrwege. Deutschland will
    nichts anderes — und das sei in diesem Zusammenhang betont — als sein Selbstbestimmungsrecht, das ihm den Weg zu echter Partnerschaft


    (Wehner)

    mit allen Völkern öffnet, die seine Rechte respektieren. Es handelt sich bei dieser Forderung um die Einheit Deutschlands, des konkreten Staates Deutschland, nicht um ein Ersatzgebilde oder um Ersatzgebilde, die in ihren Bestandteilen wie in ih ren Gesamttendenzen gleich undefinierbar wären.
    V enn wir betonen: wir wünschen, daß es „in aller Form" geschehe, so tun wir das insbesondere auf Grund der Erfahrungen, die wir mit dem Notenwechsel vom Oktober 1951 haben machen müssen. Damals wurden die Forderungen, die Beschlüsse, die der Bundestag zusammen mit einer Regierungserklärung am 27. September angenommen hatte, in der Note der Bundesregierung vom 4. Oktober den Alliierten Hohen Kommissaren übermittelt. Aber in der Antwortnote der Alliierten Hohen Kommissare vom 15. des gleichen Monats ist man auf den eigentlichen Inhalt der deutschen Note nicht eingegangen, sondern man hat eine untergeordnete Frage, eine Nebenfrage zur eigentlichen Angelegenheit des Notenwechsels gemacht. Es handelte sich damals um den Vorschlag, eine Kommission der Vereinten Nationen zu veranlassen, sich in Deutschland ein Bild darüber zu machen und ein Urteil darüber abzugeben, ob hier die Voraussetzungen für freie Wahlen bestehen. Das war ein gewiß nicht unwichtiger Vorschlag; aber es war einer von mehreren möglichen Vorschlägen, und es war schade — das möge bei dieser Gelegenheit gesagt werden —, daß man bei der Bildung dieser Kommission — das ist nicht durch die Deutschen geschehen - in Paris sozusagen unter dem Gesichtspunkt gehandelt hat: Friß, Vogel, oder stirb; entweder dieser Vorschlag wird geschluckt, oder es gibt keinen andern.
    Aber das Problem der deutschen Einheit ist doch wichtig genug, daß man nach Alternativmöglichkeiten — ich meine: nach echten Alternativmöglichkeiten — sucht. Es ist auch schade, daß es in der ersten Antwortnote der Westmächte auch jetzt noch so aussieht, als ob die Kommission sozusagen als unabdingbar für jeden weiteren Schritt für die deutsche Einheit gelte. Es wäre klüger gewesen — und das sollte auch von deutscher Seite bei der Gelegenheit einmal mit allem Respekt gesagt werden —, wenn man sich bereit erklärt hätte, Vorschläge entgegenzunehmen, wenn es andere gibt, um die Voraussetzungen zu prüfen oder um unmittelbar ans Werk zu gehen; denn es gibt ja nur eines, das wirklich unabdingbar ist: das sind freie Wahlen unter gleichen Bedingungen in allen vier Zonen und in Berlin, und zwar unter internationaler Kontrolle.
    Ich will in dem Zusammenhang gleich einiges zu Ziffer 3 unseres Antrages sagen, denn sie gehört hierher und kann in Verbindung mit der Ziffer 1 behandelt werden. Ziffer 3 fordert, die Bundesregierung zu ersuchen,
    den Regierungen der vier Besatzungsmächte unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Bundestages vom 9. März 1951 und vom 27. September 1951 und der entsprechenden Noten der Bundesregierung die Forderung zu unterbreiten, durch eine Viermächteübereinkunft die Voraussetzungen für die Durchführung freier Wahlen unter internationaler Kontrolle zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung in den vier Zonen und Berlin zu schaffen; die am 6. Februar 1952 vom Bundestag gebilligte Wahlordnung sollte als ein deutscher Beitrag zur Verwirklichung dieses Schritts von
    den vier Mächten geprüft und verwendet werden.
    Wir verweisen auf die Beschlüsse vom 9. März 1951 deswegen, weil sie im Hinblick auf die damalige Vorkonferenz der stellvertretenden Außenminister der vier Mächte gefaßt worden und zustande gekommen sind. Wir verweisen auf die Beschlüsse vom 27. September, weil sie die Grundlage für den Vorschlag einer Wahlordnung, der am 6. Februar dieses Jahres verabschiedet worden ist, gebildet haben. Der Herr Bundeskanzler hat damals in seiner Regierungserklärung bei der Darlegung der Grundzüge dieser Wahlordnung gesagt: „um nichts unversucht zu lassen", werde die Bundesregierung eine Wahlordnung für freie gesamtdeutsche Wahlen vorlegen. Auch jetzt sollte gelten: um nichts unversucht zu lassen, sollte man diesen Schritt, den wir in diesen zwei Punkten unseres Antrags fordern, beschließen.
    Wir möchten an dieser Stelle betonen, daß es notwendig ist, die Dringlichkeit dieses deutschen Anliegens hervorzuheben. Wir glauben, dies ist um so notwendiger, als es mancherseits Neigungen gibt, die deutsche Frage so an andere Fragen zu koppeln, daß andere Fragen förmlich zur Voraussetzung für die Lösung der deutschen Frage gemacht werden. Ich denke dabei z. B. an Äußerungen des Staatssekretärs für das Äußere der Vereinigten Staaten von Nordamerika, der in diesem Sinn etwa die Österreich-Frage zu einer Art Voraussetzung für das Herangehen an die deutsche Frage gemacht hat. Wir unterschätzen nicht die Österreich-Frage, und wir unterschätzen nicht die vielen weiteren Gesichtspunkte. die eine Regierung wie die der Vereinigten Staaten anzulegen hat. Aber hier geht es um das deutsche Anliegen, und wir haben dieses deutsche Anliegen in der Weise, die ihm gemäß ist und die ihm gebührt, anzubringen.
    Wir wenden uns auch dagegen, daß der Eintritt in Verhandlungen über die Bildung einer gesamtdeutschen Regierung etwa an Bedingungen geknüpft wird, die eigentlich den Verhandlungen vorgreifen. Ich denke da an solche Bedingungen wie die, daß man die UN-Kommission hereinlassen müsse, sonst habe man bewiesen, daß man keine freie Wahl wolle. Warum versucht man nicht, zunächst einmal zu erfahren, ob es andere brauchbare Vorschläge gibt?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das gleiche gilt, wenn man über die Freiheiten spricht, die einer deutschen Regierung zu gewähren wären, wobei es heute schon so aussieht, als ob die höchsten Freiheiten, die eine Regierung erlangen kann, die im Generalvertrag konzipierten Freiheiten wären.
    Lassen Sie mich nun zu Punkt 2 unseres Antrages zurückkehren. Dort fordern wir, die Bundesregierung zu ersuchen,
    den Regierungen der drei westlichen Be-
    satzungsmächte durch die Alliierte Hohe Kom-
    mission als dringendes Anliegen des Deutschen
    Bundestages den Wunsch nach ernster Prüfung
    der Note der Sowjetregierung vom 10. März
    1952 und nach der Ausnutzung jeder Verhandlungsmöglichkeit zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte betonen: Diese Forderung gilt auch nach der ersten Antwortnote der Westmächte, denn diese Antwortnote läßt ja erkennen, welche Schwierigkeiten es offenbar gemacht hat, eine gemeinsame Stellung der drei Regierungen zur Sowjetnote zu erarbeiten, — worüber kein Wort zu verlieren ist;


    (Wehner)

    das ist eben keine einfache Angelegenheit. Der Bundeskanzler, so meinen wir, dürfte es begrüßen, wenn der Bundestag gerade angesichts dieser Sachlage einmütig bekundet, daß es sein dringendes Anliegen ist, jede Verhandlungsmöglichkeit möge ausgenutzt werden.
    Die Gefahr, daß die Westmächte angesichts ihrer mannigfachen Sorgen anderen Problemen den Vorzug geben, ist nicht von der Hand zu weisen. Deshalb möchten wir der Bundesregierung durch ein klares Votum des Bundestags in dieser Weise die Arbeit erleichtern. Auch bei uns in Deutschland hat es ja anfangs manche falschen Vorstellungen gegeben. Da kam das hier schon einmal erwähnte Wort, die Note und das, was damit angerührt werde, seien „undiskutabel". Es wurde schon am ersten Tag kategorisch gesagt, sie „bedeute nichts", oder auch: sie bedeute nichts Neues. Man hörte das beinahe schon zur Regel gewordene „ja, dies ist ja nur zur Verwirrung in die Welt gesetzt", man solle sich nicht irremachen lassen. Es ist so, als ob man einen Weg, den man ursprünglich beging, weil es auf Grund der sowjetischen Weigerung unmöglich war, die Einheit zu schaffen, jetzt sozusagen auch zum Trotz gehen müßte, auch wenn die Sowjetregierung jetzt vielleicht einlenken würde.
    — Das wäre eine Art, der sich eigentlich niemand mit Vernunft anschließen könnte. — Schließlich ist sogar gesagt worden, diese Note sei nichts anderes als ein „Angebot an die deutschen Nationalisten".
    Nun, was dort im einzelnen drinsteht, mag gemeint sein, wie es will. Hier kommt es doch in jeder Beziehung darauf an, daß wir uns gegen eine Ablehnung der Prüfung dieser Note und dessen, was in ihr und hinter ihr steckt, unter Berufung auf diese oder jene Einzelpunkte der Note wenden müssen. Man kann doch nicht — das ist aber leider so geschehen! —, weil z. B. bei den Westmächten keine Neigung besteht, den Deutschen eine nationale Armee zu konzedieren, erklären: „Das kommt nicht in Frage, das gehört der Vergangenheit an; wir wollen nur eine Europaarmee!" Das gilt dann immer nur für die Deutschen; die anderen würden sich so etwas nicht sagen lassen. Aber ich will damit sagen: es sollte doch nicht dem vorgegriffen werden, was bei einer sachlichen Prüfung — die man ja nicht im Studierzimmer allein, sondern am Verhandlungstisch vornehmen kann — herauskommen kann.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von der CDU: Njet!)

    — Sie wissen das ja schon sehr gut. Sie sagen: „Njet". Aber lassen Sie es doch einmal darauf ankommen! Das wird ja auch zur Klärung der politischen Verhältnisse gut sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Vielleicht wollen manche nur ein „Njet". Es kommt aber darauf an, zu sehen, was in einer gegebenen Situation möglich ist.

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    — Ich sage nicht, daß S i e das wollen; ich sage „manche". — Oder: unter Berufung z. B. auf die verschiedene Auslegung der Abmachungen im Potsdamer Abkommen über die Gebiete jenseits der Oder und Neiße sagt man: „Da kann man sich überhaupt nicht an den Tisch setzen!". — Unser Standpunkt zu diesem Problem Oder-Neiße muß nicht noch einmal klargestellt werden. Aber es ist doch ein deutsches Interesse, daß eine gesamtdeutsche Regierung als echter Verhandlungspartner, als Partei bei Friedensverhandlungen dabei ist,
    und darauf sollten wir uns doch konzentrieren statt auf irgendwelche Teilfragen, die dann in der nächsten Phase von Bedeutung sein mögen, aber es jetzt nicht sein können.
    Deshalb, meine Damen und Herren, war es gut
    — und ich sage das in diesem Falle dankbar —, daß der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen inmitten solcher Verwirrungen und eigentümlichen Auslegungen das Wort gefunden hat, daß man prüfen und sorgsam prüfen muß, und daß er auch daran erinnert hat — hier stimmen wir überein —, daß es für die Deutschen eine Reihenfolge gibt, eine sozusagen unter allen Umständen einzuhaltende Reihenfolge: die freien Wahlen, die Bildung der Nationalversammlung und der gesamtdeutschen Regierung, und dann Friedensverhandlungen und schließlich Verhandlungsfriede. Es ist gut, in solchen Dingen — —

    (Abg. Euler: Erst die zureichenden Kompetenzen für die deutsche Regierung!)

    — Ja, ja, Sie werden diese Reihenfolge sicherlich noch ergänzen können, Herr Euler. Es kommt ja darauf an, womit man anfängt, und darauf, daß man sich nicht am falschen Ende irgendwie festlegen läßt.
    Und wohin, meine Damen und Herren, kämen wir, wenn man jetzt in Einzelerörterungen eintreten würde? Wir haben es ja auf verschiedenen Seiten, nicht nur auf der sowjetischen Seite, mit eigentümlichen Vorstellungen zu tun, denen gegenüber der deutsche Standpunkt jetzt und wenn es einmal zu Verhandlungen kommen sollte
    — und es wird ja einmal zu Verhandlungen kommen — zu wahren sein wird. Ich denke da zum Beispiel an solche Äußerungen, wie sie nicht von irgend jemandem, sondern von einem auf deutschem Boden betriebenen amerikanischen Sender „Freies Europa" in den Sprachen der Tschechen und Polen in die Welt gesetzt werden und wo fortgesetzt deutsche Fragen in einer Weise behandelt werden, daß man nur sagen kann: Ja, wer bestimmt denn eigentlich hier, was Politik ist und was der Standort der Deutschen ist? Da legen wir in einem — in Amerika geschriebenen — offiziösen Kommentar, bestimmt zur Propaganda für die Tschechen: „Solange die Deutschen ihre heutigen Grenzen nicht für definitiv halten werden, kann man sie nicht in eine Organisation aufnehmen, die die politische und strategische Situation an beiden Ufern des Atlantik beherrscht."

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, das ist eine eigentümliche Auslegung dessen, was wir sonst in anderer Form hier gesagt bekommen haben.
    Oder nehmen Sie etwas anderes, einen Kommentar vom 24. dieses Monats. Dort wird in bezug auf diesen Notenwechsel, wieder durch denselben auf deutschem Boden agierenden Sender, in tschechischer Sprache erklärt: „Die demokratische Welt will den westlichen Teil Deutschlands ein für allemal an ein föderatives westeuropäisches Gebiet anschließen, und die Sowjetunion will gemäß ihrer Erklärung vom 10. März den deutschen Imperialismus wiederauferstehen lassen". In dieser Weise geht es weiter. Es wird am Schluß dann noch breit darüber philosophiert, daß die Satellitenstaaten diejenigen sein würden, die den größten Schaden durch eine solche Moskauer Politik erleiden würden; „denn die Russen würden einem neutralen Deutschland eine gemeinsame Kolonialherrschaft über Mittel- und Südosteuropa anbieten, so daß hier zu dem


    (Wehner)

    Gespenst des sowjetischen Imperialismus noch das schrecklichere Gespenst des deutschen Imperialismus hinzutreten würde". — Da haben wir noch den Komparativ! In dieser Weise wird dann hier gesagt, im Westen seien „keine Zweifel darüber vorhanden, daß die neueste Moskauer Linie Deutschland gegenüber für die westlichen Demokratien eine Gefahr bedeute", und immer wieder wird gesagt, man hätte es dann eben nicht nur mit dem sowjetischen, sondern auch mit dem deutschen Imperialismus zu tun.
    Es ist wohl notwendig, einmal im Deutschen Bundestag zu dieser Art von Politik, die auf deutschem Boden gemacht und verbreitet wird, etwas zu sagen, gerade im Zusammenhang mit diesen Dingen und um so mehr, als wir ja — Sie haben das sicherlich auch alle gelesen, ich brauche es nur in Ihre Erinnerung zu rufen — kürzlich von einem der meistgelesenen amerikanischen Leitartikler die eigentümlichen Auslassungen über eine „gesamtdeutsche Gefahr", die bei einer gesamtdeutschen freien Wahl entstehen könnte, gelesen haben, von Walter Lippmann in seinen Artikeln, die ja sogar Zeitungen wie den „Industriekurier" und andere auf die Schanze gerufen haben, weil dort ganz klar und zum Teil in einer beinahe frivolen Weise erklärt wird, man müsse an der Spaltung Deutschlands festhalten, weil sonst „die Äpfelfuhre durcheinander komme", nämlich Schumanplan, deutsche Divisionen und Europaarmee. Nun, das können Sie j a alles einsehen. Vielleicht haben Sie es sowieso gelesen; aber in diesem Zusammenhang möchte ich Sie daran erinnert haben. Solchen Spekulationen, meine Damen und Herren, sollte durch alle Deutschen, und zwar vornehmlich durch die, die dazu berufen sind, entgegengetreten werden.
    Ich will in diesem Zusammenhang — meinetwegen mit Abstand, aber doch in dem Zusammenhang — eine Äußerung des französischen Außenministers Robert Schuman erwähnen, der zum Ausdruck brachte — und das ist in den Welthauptstädten sorgfältig notiert worden —, daß eine Lösung, die Deutschland diese Art von Selbständigkeit gäbe, unmöglich wäre, weil Deutschland dann zum „Schiedsrichter Europas" würde. Das sind ja eigentümliche Begründungen, oder sagen wir: es sind eigentümliche Hemmungen, mit denen an das Problem einer eventuell möglichen — durch Verhandlungen möglichen — Vereinigung Deutschlands in Freiheit herangetreten wird.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    In diesem Zusammenhang noch ein Wort über Vorstellungen und Bemühungen, nur dann weiterzusprechen, wenn die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands und der Abschluß eines Friedensvertrages durch die Einbeziehung in die eine oder in die andere zur Zeit bestehende Mächtegruppierung präjudiziert ist. Meine Damen und Herren, einer solchen Politik kann die Sozialdemokratische Partei nicht zustimmen, und wir erwarten, daß es nicht nur die Sozialdemokratische Partei sein wird, die einer solchen Politik nicht zustimmen kann. Wie sehr man sich aber bei dem irren kann, was man glaubt in der Tasche zu haben, das mögen Sie selbst — ich will es hier nicht zitieren — nachlesen in der heutigen Morgenausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit dem Bericht über die Erklärungen Robert Schumans über das Verhältnis der Schumanplan-Länder zu dem gespaltenen Deutschland und zu der Möglichkeit der Vereinigung Deutschlands. Die würde dann, heißt es, abhängig sein von der Zustimmung der fünf anderen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wir haben über diese Dinge einmal sehr ernst und leidenschaftlich diskutiert, als es um den Schumanplan ging. Die Bundesregierung meinte damals, sie habe Sicherungen dafür, daß es so nicht sein werde. Aber es scheint, wie so häufig in solchen Fällen, verschiedene Auffassungen unter den verschiedenen Verhandlungspartnern zu geben.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein Wort über das sagen, was in das Kapitel Erörterung von Einzelfragen, bevor es zu eigentlichen Verhandlungen kommt, gehört. Da hat das „Bulletin" des Presse- und Informationsamtes, das sich ja ein „Verdienst" in der Veröffentlichung von allerlei Studien erworben hat, am 22. März in einer größeren Arbeit „Und die Oder-Neiße-Linie?" eine Philosophie entwickelt, in der — um es kurz zu machen, sonst würde das Zitat zu viel Zeit nehmen — am Schluß gesagt wird, einmal sei der Anspruch Polens auf die Gebiete jenseits der Oder und Neiße legitim gewesen, weil man in Jalta ein solches Versprechen gegeben habe. Aber das habe damals, so wird hier behauptet, einem demokratischen Polen gegolten. Nachdem aber Polen nicht demokratisch, sondern totalitär und bolschewistisch geworden sei, habe es diesen Anspruch verwirkt. Wenn ein wieder demokratisches Polen zur Welt kommen sollte, also eine solche tiefgreifende Veränderung dort vor sich gehen sollte, müßte das demokratische Polen den Anspruch, den es einmal in Jalta legitim gehabt habe, sich erst wieder auf dem Verhandlungswege erwerben. Immerhin wird das der polnischen Emigration in Aussicht gestellt. Hier erhebt sich die Frage, ob damit die deutsche Politik oder die Deutschland-Politik nicht zu einer Art Funktion amerikanischer Rußland- und Osteuropa-Politik würde. Davor müssen wir warnen. .

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Oder-Neiße-Linie ist — wie alle Grenzfragen im Osten u n d Westen — eine Sache der Friedensverhandlungen. Es wird um so notwendiger sein, keine Zweifel an unserer Haltung gegenüber dem Osten und dem Westen aufkommen zu lassen, als wir ja Erfahrungen mit Friedensverträgen haben, an denen die Sowjetunion beteiligt ist. Wir dürfen diese Erfahrungen nicht mißachten. Ich erwähne z. B. die Friedensverträge mit Ungarn, mit Bulgarien, mit Rumänien. Aber man kann doch, weil man solche Erfahrungen hat, nicht auf einen Vorschlag, der von jener Seite kommt, zu jeder Zeit einfach mit der Erklärung antworten: Wir weisen ihn zurück, oder: Wir ignorieren ihn, eben weil er von der Sowjetunion kommt.

    (Zuruf von der CDU: Das ist doch nicht geschehen! — Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Sollen wir uns auch die Finger verbrennen?)

    — Herr Becker, es kommt nicht darauf an. daß Sie sich brennen. Es kommt darauf an, daß öffentlich zumindest klargestellt wird, ob irgendeine ernste Chance besteht. Das könnte nie geschehen, wenn man vorher sagt: Wir brauchen das gar nicht erst zu prüfen, weil wir wissen, daß von dieser Seite schon soundsoviel gesündigt worden ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben doch keine Illusionen und wollen auch
    Ihnen nicht Illusionen einreden. Aber wir wollen
    eine saubere, klare Stellung für alle haben, damit


    (Wehner)

    wir uns nicht schließlich vor der Öffentlichkeit damit auseinanderzusetzen haben: Habt ihr denn wirklich untersucht, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt? Wenn es eine Möglichkeit gibt, muß man einsteigen.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Sie haben das Grotewohl-Angebot abgelehnt!)

    -- Und Sie, Herr von Rechenberg, haben bis heute nicht verstanden, worin der Unterschied zwischen dem Versuch, eine sogenannte gesamtdeutsche konstituierende Behörde zu schaffen, die die Gewalt einer provisorischen Regierung hätte, und der Prüfung eines Friedensvertrages auf der Viermächteebene besteht.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Nur Prüfung!)

    Denn der Bundestag hat die ganze Zeit darum gekämpft, um aus diesem undefinierbaren Dunkel der sogenannten gesamtdeutschen Gespräche auf die Ebene der Viermächtebesprechung herauszukommen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir müssen doch auch Klarheit schaffen über die „volksdemokratische" Auslegung solcher Begriffe wie „unabhängig", „demokratisch", „friedliebend", wie wir sie in dieser Note finden.

    (Abg. Albers: Kennen Sie die noch nicht? Die kennen Sie doch!)

    — Ja, die kennen wir, und wir möchten ja wissen, ob die noch so gelten. Es kann doch sein, daß sich etwas geändert hat, was vor zwanzig Jahren und vor fünf Jahren anders war. Sie sind natürlich viel klüger als wir. Aber u n s kommt es auf die sowjetische Besatzungszone an und darauf, ob es ) eine Chance gibt, die Menschen dort zu retten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Da leben 19 Millionen von uns! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Wollen Sie uns in diese Situation bringen?)

    — Ich will Sie, Herr von Rechenberg, in keine Situation bringen; Sie sind genau wie wir Herr für Ihren eigenen Hut. Hier geht es um die Möglichkeit der Prüfung von politischen Voraussetzungen, um nichts anderes.
    Im übrigen hat „Das neue Deutschland" — und da kommen wir schon an die politischen Probleme heran — kürzlich in einem Artikel über die erste Antwort der Westmächte an die Sowjetunion geschrieben, man solle doch sozusagen zweigleisige Verhandlungen machen. Die vier Mächte könnten immerhin mit Friedensverhandlungen anfangen, inzwischen könnten gesamtdeutsche Gespräche über, wie es heißt, die schnellste Möglichkeit stattfinden, zu einer gesamtdeutschen Regierung zu kommen. Nun, es gibt solche Doppelgleisigkeit nicht, es kann sie nicht geben. Aber gerade damit man einmal entscheidet, ob das nur die Vorstellung bestimmter SED-Leute oder dieser Partei ist, die sich natürlich an ihre Privilegien klammern möchte, oder ob es andere Möglichkeiten gibt, muß man das, was mit dem Wort Prüfung doch eigentlich genügend gesagt sein sollte, auch zu Ende führen.
    Die Sowjetnote gibt die Möglichkeit zu Viermächteerörterungen über Bedingungen zur Bildung einer gesamtdeutschen Regierung. Denn es steht ausdrücklich drin, daß man zu solchen Erörterungen — und die Westmächte hätten es in der Hand zu sagen, das sei die erste Phase jeder Erörterung überhaupt — bereitet sein würde.
    Damit komme ich zu dem letzten Punkt, zu
    Ziffer 4 unseres Antrags. Darin beantragen wir, der Bundestag möge beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, unverzüglich eine sachgemäße Prüfung und Zusammenstellung aller Unterlagen in Angriff zu nehmen, die an Hand der aus der Note der Sowjetregierung erkennbaren Forderungen und Vorschläge und der von den Regierungen der drei westlichen Besatzungsmächte dargelegten Gesichtspunkte zur Vorbereitung und Unterstützung der deutschen Forderungen bei Viermächtegesprächen dienen sollen.
    Wir beantragen weiter:
    Dem Bundestag ist über den Fortgang dieser Arbeiten, die in diesem Stadium naturgemäß keine breite Publizität haben können, laufend Bericht zu erstatten.
    Wir denken uns, daß das vor allen Dingen den zuständigen Ausschüssen gegenüber geschehen soll. Uns scheint, hier müßte eine sehr sorgfältige Arbeit gemacht werden, zu der alle geeigneten Kräfte herangezogen werden sollten. Man sollte vor allem exakte Vergleiche mit früheren Forderungen der Sowjetregierung auf früheren Viermächtekonferenzen, aber auch auf den Außenministerkonferenzen von Warschau, von Prag usw. anstellen. Man sollte auch die Entwicklung der Stellung der anderen Besatzungsmächte mit der gleichen Sorgfalt verfolgen, und zwar nicht sozusagen global, sondern jede einzeln, damit man sich auch ein ganz klares Bild über diese Entwicklungen und zum Teil vielleicht Schwankungen in den Auffassungen machen kann. Uns wäre nicht damit geholfen, wenn man mit Formeln wie „Neutralisierung" oder „Potsdam", „Zurück zu Potsdam" arbeiten und argumentieren wollte. Potsdam ist ja heute schon ein Begriff, ich möchte sagen: ein sehr vieldeutiger Begriff auch bei jeder einzelnen der vier Besatzungsmächte. Aufpassen müssen wir vor allem, daß dieser Begriff jetzt nicht als Druckmittel angewandt wird, um uns die sogenannte Souveränität des Generalvertrags als die einzige Alternative schmackhaft zu machen oder aufzunötigen. Für die Demokratie in der Welt kann die durch die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit erreichbare Entspannung nur von Vorteil sein, meinen wir. Es müßte doch der Mühe wert sein, Konzeptionen für die Sicherung der Freiheit umzudenken, wenn ein vereinigtes Deutschland Tatsache werden könnte. Und der Westen könnte das j a auch, er könnte es leisten, auch kräftemäßig. Da ist man doch nicht an Konzeptionen gebunden, die unter anderen Umständen entworfen wurden und vielleicht entworfen werden mußten.
    Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hat kürzlich darauf hingewiesen, daß bei der Ordnung der europäischen Zusammenarbeit naturgemäß Rücksicht auf die nationalen Interessen und die Tradition der einzelnen Staaten genommen werde. Er hat eine Reihe von Beispielen angeführt. Es muß doch auch möglich sein, daß dies für Deutschland erreicht wird.
    In einer Stunde, meine Damen und Herren, in der Gefahr ist, daß eine Tür zugeschlagen wird, möchten wir eine gemeinsame neue Anstrengung. Niemand von uns kann mit Sicherheit sagen, was eintreten würde, wenn wir durch Versäumnisse eine vielleicht unwiderrufliche Entscheidung über unser Land heraufbeschwören würden. In diesem Sinne bitten wir um die Annahme dieses Antrags.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)




Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich werde versuchen, meine Antwort ruhig und sehr nüchtern zu halten, und werde in den Mittelpunkt meiner Ausführungen die beiden Noten, einmal die Note Sowjetrußlands und zum andern die Antwortnote der drei Westalliierten stellen. Ich werde nicht der Versuchung unterliegen, Abschweifungen zu machen, sondern ich glaube, das deutsche Volk und auch andere Völker haben ein Recht darauf, den Standpunkt der Bundesregierung zur gegenwärtigen Situation möglichst von allem Beiwerk losgelöst zu erfahren.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Herr Abgeordneter Wehner hat mehrfach mit sehr starker Unterstreichung erklärt, daß das erste, vornehmste und vordringlichste deutsche Ziel die Wiedervereinigung Deutschlands sei. Ich darf daran erinnern, daß ich namens der Bundesregierung am 27. September 1951 in diesem Hause erklärt habe: Das oberste Ziel der Politik der Bundesregierung ist und bleibt die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa. Diese Einheit muß aus der freien Entscheidung des gesamten deutschen Volkes kommen. Meine Damen und Herren! Ich stelle ausdrücklich fest, daß dieser Erklärung mit sämtlichen Stimmen des Bundestags ohne Enthaltungen gegen die Stimmen der Kommunisten zugestimmt worden ist.
    Nun möchte ich zunächst zu einer Analyse der beiden Noten übergehen. Darin hat Herr Wehner unstreitig recht: die Tatsache, daß Sowjetrußland im Gegensatz zu der Haltung, die es noch vor einem Jahr bei den Verhandlungen im Palais Rose in Paris eingenommen hat,eine Note an die drei Westalliierten wegen der Wiedervereinigung Deutschlands und wegen des Abschlusses eines Friedensvertrages über Deutschland gerichtet hat, ist sehr bemerkenswert. Ich werde zum Schluß meiner Ausführungen, wenn ich darauf eingehe, daß Herr Wehner eine Übersicht verlangt hat, auf diesen Punkt zurückkommen. Aber, meine Damen und Herren, wenn die westalliierten drei Mächte auf Grund dieser Note der Sowjetunion sich mit der Sowjetunion an den Verhandlungstisch gesetzt hätten, wären die berechtigten Ansprüche, die unveräußerlichen Rechte Deutschlands in der gröbsten Weise gefährdet gewesen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Das ist eine Behauptung! — Beweisen!)

    — Ich hoffe doch, daß Sie, meine Herren von der Kommunistischen Partei, mir nachher noch die Notwendigkeit einer nationalen Armee für Deutschland beweisen werden; eine schwere Aufgabe!

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Wann werden Sie von Deklamationen zu Taten kommen? — Weiterer Zuruf von der KPD: Note ungenügend! — Zuruf rechts: Generalissimus Renner!)

    Ich hebe aus der Note der Sowjetunion folgende Punkte hervor: an erster Stelle Ziffer 7. Ziffer 7 ist der wichtigste Punkt der ganzen Note, und aus ihr ist zu erkennen, was die Sowjetunion dazu veranlaßt hat, diesen Schritt gegenüber den Westalliierten zu tun. In Ziffer 7 soll Deutschland verpflichtet werden, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgend-
    einen Staat richten, der mit seinen Streitkräften
    am Kriege gegen Deutschland teilgenommen hat.

    (Zuruf von der KPD: Jawohl, was ist dagegen einzuwenden?)

    — Das würde bedeuten, daß Deutschland neutralisiert würde.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Ich brauche gar nichts weiter darüber zu sagen als das, was der Herr Kollege 011enhauer von diesem Pult aus seinerzeit gesagt hat, als über den Verteidigungsbeitrag gesprochen worden ist:

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Eine Neutralisierung Deutschlands ist für Deutschland unter keinen Umständen annehmbar.

    (Sehr wahr! bei der CDU. — Abg. Rische: Steht nicht drin; aber Neutralität ist besser als Krieg! — Weitere Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)

    Nun versucht die Note Sowjetrußlands einmal, gewisse nationalistische Instinkte in Deutschland wachzuruf en,

    (Abg. Reimann: Auch bei Ihnen?)

    indem es sich vor frühere Nationalsozialisten stellt,
    indem es sich vor frühere deutsche Soldaten stellt.

    (Abg. Renner: Davon ist Ihr Außenamt doch voll! — Weitere Zurufe von der KPD und Gegenrufe rechts. — Glocke des Präsidenten.)

    Ich wünschte, Sowjetrußland würde den deutschen Soldaten, die es noch zurückhält, die Freiheit wiedergeben.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)

    Wenn in dieser Note Sowjetrußlands von nationalen Streitkräften die Rede ist, so möchte ich ausdrücklich betonen, daß ja nach dieser Note Deutschland nicht etwa die Möglichkeit gegeben werden soll, diese Streitkräfte so stark zu machen und so auszurüsten, wie Deutschland das zum Schutze der Neutralität für nötig hält, sondern daß in dem Friedensvertrag sowohl die Zahl der Streitkräfte als auch die Waffen und die Typen von Waffen, die diese Streitkräfte bekommen, ausdrücklich festgesetzt werden sollen. Das würde also bedeuten, daß nach diesen Vorschlägen dieses neutralisierte Deutschland ein Staat minderen Rechts zwischen den beiden großen Spannungsfaktoren werden würde, die nun einmal in der Welt bestehen.
    Ich möchte weiter betonen, daß Sowjetrußland in dieser Note unter völliger Verfälschung des Potsdamer Abkommens behauptet, daß die Grenzen des Territoriums Deutschlands im Potsdamer Abkommen festgelegt worden seien. Das ist nicht wahr.

    (Sehr richtig! bei der CDU. — Zuruf von der KPD: Doch, sie sind festgelegt!)

    — Sie sind nicht darin festgelegt.

    (Abg. Dr. Mommer: Im Friedensvertrag! Und da muß man auch an die Saar denken!)

    — Meine Damen und Herren, nicht im Friedensvertrag, sondern es heißt ausdrücklich, Herr Kollege Mommer, unter dem Stichwort „Territorium", daß das Territorium Deutschlands durch das Potsdamer Abkommen festgelegt worden sei.

    (Abg. Dr. Mommer: Falsch verstanden! Mißverständnis!)

    — Wenn Sie die Sowjetnote besser verstehen als ich, —

    (Abg. Dr. Mommer: Nein, Sie haben mich, mißverstanden!)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    — Ich habe Sie falsch verstanden; bitte um Entschuldigung!

    (Zurufe von der KPD. — Glocke des Präsidenten. — Abg. Renner: Zwischenrufe sind doch wohl erlaubt!)

    Meine Damen Und Herren, ich möchte nur die
    wesentlichen Punkte hervorheben und möchte des

    (Abg. Rische: Das war aber mager, was Sie da gemacht haben! -Das war überhaupt keine Antwort! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Dem Gegenstand entsprechend! Heiterkeit)

    der Antwortnote der drei Westalliierten. Ich betone nochmals: Wenn die drei Westalliierten sich auf Grund dieser Note Sowjetrußlands mit Sowjetrußland an den Verhandlungstisch gesetzt hätten, dann würden sie damit in gewissem Umfange diese Thesen als Grundlage der Verhandlungen angenommen haben.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. Gegenruf der SPD: Nein, lesen Sie es doch einmal nach!)

    Das wäre — auch das möchte ich nochmals unterstreichen —

    (Abg. Fisch: Sie müssen das amerikanische Horrohr abnehmen!)

    eine schwere Schädigung der gesamtdeutschen Interessen gewesen.
    Aus der Note der Westalliierten darf ich Ihnen folgendes hervorheben. in Zitter i ist ausdrücklich gesagt, daß die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und der Vereinigten Staaten die Regierung der deutschen Bundesrepublik und die V ertreter von Berlin konsultiert haben. Meine Damen und Herren, nicht nur die Tatsache dieser Konsultierung, sondern auch die Hervorhebung der Tatsache in der Antwort auf die Sowjetnote ist für uns Deutsche außerordentlich bedeutungsvoll. Sie entspricht dem, was im Generalvertrag, der Ihnen demnachst vorgelegt werden wird, niedergelegt ist,

    (Abg. Renner: Vor oder nach der Ratifizierung? — Was tut man nicht alles für 12 deutsche Todes-Divisionen!)

    daß nämlich eine Konsultation stattfinden muß.

    (Abg. Reimann: Herr Dr. Adenauer, wer war denn aus Berlin dabei?)

    — Herr Reuter!

    (Zuruf von der KPD: Aha!)

    — Wenn ich Ihnen damit eine Freude mache, Herr Reimann!

    (Abg. Reimann: Es wird dankbar anerkannt!)

    Ich stelle weiter fest, daß in der Note der drei Westalliierten ausdrucklich erklärt wird, daß der Abschluß eines gerechten und dauerhaften Friedensvertrags, der die Teilung Deutschlands beenden würde, ein wesentliches Ziel der Politik der drei Regierungen gewesen ist und bleiben wird.

    (Zuruf von der KPD: Wer es glaubt, wird selig!)

    Die Sowjetnote spricht zwar von einer gesamtdeutschen Regierung; sie sagt jedoch nichts darüber — daruber schweigt sie —, auf welchem Wege man zu einer gesamtdeutschen Regierung kommt.

    (Zurufe von der KPD.)

    Demgegenüber hebt die Note der Westmächte hervor, daß freie Wahlen in Gesamtdeutschland die
    notwendige Voraussetzung für eine Bildung einer gesamtdeutschen Regierung sind. Damit steht diese Note in vollem Einklang mit der Stellungnahme, die der Bundestag bisher immer mit überwiegendster Mehrheit eingenommen hat.

    (Sehr richtig! rechts. — Abg. Fisch: Wann wollen Sie denn wählen lassen? — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Wenn ihr weg seid! — Heiterkeit. — Zuruf von der KPD: Richtig! — Abg. Renner: Das war ehrlich! — Glocke des Präsidenten. — Abg. Renner: Nach dem Generalvertrag und dem Verbot der KP! Das war eine schöne Antwort!)

    — Ich wäre außerordentlich dankbar, wenn ich — bei der Wichtigkeit der Angelegenheit für das gesamte deutsche Volk — möglichst wenig durch Zwischenrufe unterbrochen würde.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Wuermeling: Moskauer Sender abstellen! — Gegenrute von der KPD.)

    Wenn ich Herrn Kollegen Wehner richtig verstanden habe, ist von dem Sprecher der Sri) bemängelt worden, daß die Tätigkeit der UNO-Kommission in dieser Note als eine starre Voraussetzung von allem bezeichnet worden sei. Das ist nicht richtig, meine Damen und Herren; denn der Text besagt, daß die amerikanische, britische und französiche Regierung mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen würden, daß derartige Erleichterungen, wie sie der UNO-Kommission in der Bundesrepublik gewahrt worden sind, auch in der Sowjetzone und in Ost-Berlin gewährt werden, damit die Kommission ihre Aufgaben erfüllen kann. Diplomatischer und vorsichtiger

    (Zuruf von der KPD: Das kann man wohl sagen!)

    konnte von den Westalliierten auch auf die Tatsache der Schaffung einer solchen Kommission und darauf, daß dieser Kommission der Zutritt nach Ost-Berlin und nach der Sowjetzone verweigert worden ist, überhaupt nicht hingewiesen werden.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich ein Weiteres hinzufügen! Wir alle in diesem Hause — mit der verschwindenden Ausnahme, die wir kennen — haben noch vor kurzem die Tatsache, daß sich die UNO mit der Frage der Teilung Deutschlands. und mit den Zuständen, die in der Sowjetzone herrschen, beschäftigt hat, mit Dankbarkeit und Genugtuung begrüßt.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)

    Wir alle hier im Hause — mit der kleinen Aus nahme, die Sie kennen —

    (Lachen bei der KPD)

    haben den Zusammentritt der UNO-Kommission mit Freuden begrüßt,

    (Abg. Frau Thiele: Und das Volk?)

    und Vertreter aller Parteien dieses Hauses haben den Besuch der UNO-Kommission hier in Bonn begrüßt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn die Westalliierten in ihrer Antwort von der Existenz dieser UNO-Kommission gar nichts erwähnt hätten, dann wäre das eine Brüskierung derselben UNO gewesen, für deren Anteilnahme


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    an der Teilung Deutschlands wir uns unlängst noch so dankbar gezeigt haben.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien! — Abg. Rische: Was ist mit den Satzungen der UNO?)

    In Ziffer 3 der westalliierten Note ist eine sehr wichtige Frage berührt. Es heißt da:
    Die Vorschläge der Sowjetregierung enthalten keine Angaben darüber, welche internationale Stellung eine gesamtdeutsche Regierung bis zum Abschluß eines Friedensvertrags einnehmen würde.
    Das ist eine außerordentlich wichtige Feststellung; denn damit ist die Frage berührt, ob von irgend jemand der vier Besatzungsmächte behauptet werde, daß diese gesamtdeutsche Regierung bis zum Abschluß eines Friedensvertrags unter dem Viermächtekontrollrat stehen würde.
    Die drei westalliierten Regierungen nehmen in dem darauf folgenden Satz von Ziffer 3 dazu Stellung, in dem gesagt wird:
    Die Regierung ist der Auffassung, daß es der gesamtdeutschen Regierung sowohl vor wie nach dem Abschluß eines Friedensvertrags freistehen sollte, Vereinigungen, die mit den Grundsätzen und- Zielen der Vereinten Nationen vereinbar sind, beizutreten.

    (Zuruf von der KPD: Atlantikpakt!) Damit, meine Damen und Herren, ist die Auffassung der drei Westalliierten, daß eine gesamtdeutsche Regierung auch vor Abschluß des Friedensvertrags nicht dem Viermächtekontrollrat untersteht, eindeutig und klar festgelegt.


    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Sondern durch den Atlantikpakt den amerikanischen Imperialisten!)

    — Man soll nur von Dingen sprechen, die man versteht!

    (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Fisch: Sie sind ja Spezialist für amerikanische Politik! — Gegenruf rechts: Unerhört! — Weiterer Zuruf von der KPD: Ihr doch nur für den G eneralkriegsvertrag! — Abg. Reimann: Sie sprechen heute sehr in München-Gladbacher Sprache! — Glocke des Präsidenten.)

    vorlesen!
    Bei Unterbreitung ihres Vorschlages für einen deutschen Friedensvertrag erklärte sich die Sowjetregierung bereit, auch andere Vorschläge zu erörtern.
    Ich habe den amerikanischen Text hier.

    (Lachen und Zurufe von der KPD: Ja, ja! — Abg. Reimann: Den haben Sie leider immer vor sich liegen! — Weiterer Zuruf von der KPD: Den kennen Sie auswendig!)

    Die Regierung hat von dieser Erklärung gebührend Kenntnis genommen.

    (Abg. Renner: Der denkt nur noch amerikanisch!)

    Das heißt mit anderen Worten: Sie sieht als Rückantwort auf ihre Note solchen Erklärungen Sowj etrußlands entgegen.

    (Abg. Reimann: Ja, das ist der amerikanische Text, nach München-Gladbacher Art ausgelegt!)

    — Was nun München-Gladbach mit Amerika zu tun hat, das ist mir nicht klar.

    (Abg. Albers: Da kommt der Willi Elfes her!)

    Bezieht sich das auf Ihren Freund Elfes? (Große Heiterkeit. — Abg. Reimann: Nein, Herr Dr. Adenauer, Sie wissen genau, was ich mit München-Gladbach meine! — Abg. Renner: Von dem können Sie was lernen! Der hat Sie längst abgeschrieben, Ihr alter
    Freund Elfes!)
    Lassen Sie mich fortfahren:
    Nach ihrer Auffassung wird es nicht möglich sein, in die Erörterungen von Einzelheiten eines Friedensvertrages einzutreten, bevor die Voraussetzungen für freie Wahlen geschaffen sind und eine freie gesamtdeutsche Regierung errichtet ist, die an einer solchen Erörterung teilnehmen könnte.
    Das stimmt fast genau überein mit dem, was Herr Kollege Wehner eben gesagt hat, und es ist, glaube ich, der Standpunkt des ganzen Hauses, daß Deutschland bei Beginn der Erörterungen über einen Friedensvertrag mit Deutschland, vertreten durch eine gesamtdeutsche Regierung, von Anfang an beteiligt sein muß.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    In Ziffer 5 ist ausdrücklich festgestellt, daß durch die Potsdamer Beschlüsse keine endgültigen deutschen Grenzen festgelegt sind.
    In der Ziffer 6 ist zu der Frage der Schaffung nationaler Armeen in Europa Stellung genommen. Ich glaube, das ganze Haus war sich — bisher wenigstens — darin einig, daß die Neuerrichtung einer nationalen Armee in Deutschland und die Beibehaltung nationaler Armeen in den anderen europäischen Ländern nichts Gutes ist,

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien) sondern daß wir darauf hinaus müssen, die Grenzen zwischen den europäischen Ländern nicht wieder so aufzurichten, wie sie vor 1914 gewesen sind, und daß wir aus dem europäischen Nationalismus einmal herausmüssen.


    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube daher, daß wir Deutsche, und zwar alle, die sich nicht zur Kommunistischen Partei bekennen, mit einer ganzen Reihe von Feststellungen in der westalliierten Note durchaus zufrieden sein können; denn diese Feststellungen entsprechen durchaus den Auffassungen und den Forderungen, die Bundesregierung und Bundestag bisher bei den verschiedensten Gelegenheiten vertreten und gestellt haben.

    (Abg. Rische: Nun machen Sie schon die eigenen Parteigenossen zu Kommunisten! — Glocke des Präsidenten.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt zu einigen Ausführungen des Herrn Kollegen Wehner Stellung nehmen. Es ist ganz klar — und darin stimme ich vollständig mit Ihnen überein —, daß jede Gelegenheit ergriffen werden muß, um zu vernünftigen Verhandlungen zu kommen mit dem Ziele einer Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube aber sagen zu dürfen, daß die Note der
    drei Westalliierten in keiner Weise eine Tür zuschlägt, und soweit ich unterrichtet bin, ist sie von


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Sowjetrußland auch nicht in einer solchen Weise aufgefaßt worden.

    (Abg. Rische: Das beweist den Verständigungswillen! — Heiterkeit.)

    — Ja, ich will keine Zwischenbemerkung machen; ich habe selbst gesagt: keine Zwischenbemerkungen. Ich hätte Ihnen eine sehr gute machen können.

    (Abg. Rische: Ja, bitte!)

    — Sie haben nämlich gar keine gute Verbindung mehr mit Moskau.

    (Lachen bei der KPD.)

    Sie sind von dieser Note und der nationalen Armee völlig überrascht worden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rische: Sie sollten einmal auf die andere Frage antworten!)