Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Plenum des Bundestages hat anläßlich der Beratung des Verteidigungsbeitrages beschlossen, den Antrag der Fraktion der Föderalistischen Union Drucksache Nr. 3084 dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. Der Ausschuß hat sich eingehend mit diesem Antrage beschäftigt und hat seinen Bericht in der Drucksache Nr. 3163 erstattet.
Der Antrag der Föderalistischen Union befaßt sich mit sechs Einzelpunkten. Es soll zunächst die Bundesregierung ersucht werden, zu erklären, daß sie sich jedem Versuch versagen werde, einen deutschen Verteidigungsbeitrag auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht zu erreichen. Diesen Punkt des Antrages hat der Herr Bundeskanzler in der 190. Sitzung des Bundestages am 7. 2. 1952 in hypothetischer Weise gestreift, in dem er damals erklärte:
Wenn es zur Leistung eines deutschen Beitrages zu einer europäischen Armee kommt, dann wird das wohl in folgender Weise vor sich gehen: wir werden sicher zunächst mit Freiwilligen anfangen; aber es wird der Zeitpunkt kommen, wo der Schaffung eines deutschen Wehrgesetzes nähergetreten werden muß.
Im Ausschuß für das Besatzungstatut und auswärtige Angelegenheiten sind gegen diesen ersten Punkt des Antrages sowohl von seiten der Opposition als auch von seiten der Koalition Bedenken erhoben worden, und zwar unter verschiedenen Gesichtspunkten. Es ist auf der einen Seite, und zwar von der Opposition, .darauf hingewiesen worden, daß ein Beschluß in der von der Föderalistischen Union vorgeschlagenen Weise einen Rückschluß aufkommen lassen dürfte; daß der Ausschuß hierdurch seine Zustimmung zu einem Verteidigungsbeitrag vorweggenommen habe. Auf der andern Seite ist aus der Mitte der Koalition zum Ausdruck gebracht worden, daß Erklärungen, die über die von mir zitierte Außerung des Herrn Bundeskanzlers hinausgehen, im augenblicklichen Zeitpunkt während des Schwebens internationaler Besprechungen von der Bundesregierung nicht erwartet werden können, Der Ausschuß war sich
daher in seiner Mehrheit darin einig, daß von einer sachlichen Stellungnahme zu diesem ersten Punkt des Antrages der Föderalistischen Union abgesehen werden soll. Er hat daher beschlossen, dem Hohen Hause vorzuschlagen, diesen ersten Punkt des Antrages als gegenstandslos zu erklären.
Die Föderalistische Union schlägt in ihrem Antrag weiterhin vor, daß ein aus 15 Mitgliedern dieses Hauses bestehender Ausschuß für Verteidigungsfragen gebildet werden soll. Die Bundesregierung soll nach dem Antrag beauftragt werden, diesem Ausschuß alle Informationen zur Verfügung zu stellen und alle Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind; die Verhandlungen dieses Ausschusses sollen vertraulich sein.
Der Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat gegen diesen Vorschlag lebhafte Bedenken geäußert. Die Frage der Wiedergewinnung der deutschen Souveränität, die Frage der Ablosung und der Aufhebung des Besatzungsstatuts, die Frage des Abschlusses eines Paktes über einen Beitritt zur europäischen Verteidigungsgemeinschaft sind Zentralprobleme des auswärtigen Ausschusses; sie bilden sozusagen den Kernbestand der Fragen, die ihm überhaupt zugewiesen sind.
Der auswärtige Ausschuß hat sich auch während der Dauer seines Bestehens immer und immer wieder gerade mit diesen Fragen befaßt, und er hat zur Entgegennahme von Informationen der Bundesregierung — gerade über die Frage der Ablosung des Besatzungsstatuts durch einen Generatvertrag und ides Beitritts zur europäischen Verteidigungsgemeinschaft — einen Unterausschuß „Besatzungsregime", bestehend aus 6 Mitgliedern, gebildet, dessen Vertraulichkeit sichergestellt worden ist.
Der Ausschuß befürchtet, daß eine Aushöhlung des eigentlichen Aufgabengebiets des Ausschusses fur das Besatzungsstatut erfolgen könnte, wenn man diesem Antrag der Föderalistischen Union zu diesem Zeitpunkte stattgeben würde, und daß die Hauptprobleme, ohne deren Kenntnis ja die Beurteilung der Nebenfragen gar nicht möglich ist, aus dem Zuständigkeitsbereich des auswärtigen Ausschusses herausgebrochen würden.
Der Ausschuß sieht daher die Notwendigkeit für die Bildung dieses anderen, neuen Ausschusses für Verteidigungsfragen — wenigstens zum gegenwärtigen Zeitpunkt — nicht ein. Er glaubt insbesondere, daß durch die Bildung des Unterausschusses des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten die Möglichkeiten einer hinreichenden Information gegeben sind und daß der vertrauliche Charakter dieses Unterausschusses das Vertrauen der Bundesregierung und die Gewährung von Informationen rechtfertigt. Aus diesem Grunde hat Ihnen der Ausschuß für Besatzungsstatut vorgeschlagen, Ziffer 2 des Antrags der Föderalistischen Union abzulehnen.
Nach dem dritten Punkte des Antrags soll die Bundesregierung ersucht werden, die Höhe des eventuellen Verteidigungsbeitrags in Verhandlunden mit den Westalliierten so zu vereinbaren, daß das im Verhältnis zu anderen Vertragsstaaten zu niedrige deutsche Existenzminimum bei der Berechnung des Verteidigungsbeitrags entsprechend berücksichtigt wird. Bei der letzten Verteidigungsbeitragsdebatte ist die Frage der Höhe eines etwaigen künftigen deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrags — wenn auch nur in hypothetischem Sinne - eingehend erörtert worden. Diese
Frage ist auch in zwei Beschlüssen des Bundestags — Drucksache Nr. 3077 und Drucksache Nr. 3079 — eingehend behandelt worden. In diesen Entschließungen ist, und zwar in Drucksache Nr. 3077, zum Ausdruck gekommen, daß gleiche Maßstäbe für alle Staaten der westlichen Verteidigungsgemeinschaft bei der Einschätzung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zur Anwendung kommen sollen und daß die deutschen Sonderbelastungen — insbesondere die gegenwärtige deutsche Steuerbelastung — berücksichtigt werden müssen. In Drucksache Nr. 3079 ist verlangt worden, daß ein etwaiger deutscher finanzieller Verteidigungsbeitrag nur nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands und nur unter angemessener Berücksichtigung der besonderen Lasten der Bundesrepublik festgesetzt werden dürfte.
Der Ausschuß glaubt, daß durch diese Resolution die im dritten Punkt des Antrags der Föderalistischen Union angeschnittene Frage der Höhe eines etwaigen deutschen Verteidigungsbeitrags bereits in ausreichender Weise behandelt worden ist, und schlägt daher dem Hohen Hause vor, Ziffer 3 des Antrags der Föderalistischen Union als durch die Beschlüsse des Deutschen Bundestags — Drucksachen Nrn. 3077 und 3079 — erledigt zu betrachten.
Viertens wird seitens der Föderalistischen Union vorgeschlagen, die Bundesregierung zu ersuchen, alsbald die Frage der Notwendigkeit der Zustimmung anderer staatsrechtlicher Organe als des Bundestags einer endgültigen Klärung zuzuführen. Es ist Ubung und es ist selbstverständlich, daß es Aufgabe der Bundesregierung ist, bei der Ausarbeitung jeder Gesetzesvorlage alle einschlägigen verfassungsrechtlichen Fragen einer Vorprüfung und Vorklärung zu unterziehen. Darüber hinaus ist aber zur Frage des Verteidigungsbeitrags bereits eine Klage beim Bundesverfassungsgericht anhängig, die von einer Reihe von Mitgliedern des Bundestags und von Ländern eingereicht worden ist und deren Ziel es ist, die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Einführung einer etwaigen Wehrpflicht zu klären. Aus diesen Gründen sieht der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten im Augenblick nicht die Notwendigkeit ein, dem Antrag der Föderalistischen Union Ziffer 4 stattzugeben, und empfiehlt dem Hohen Hause, auch diesen Punkt des Antrags abzulehnen.
Nach Punkt 5 des Antrags der Föderalistischen Union soll die Bundesregierung ersucht werden, durch Verhandlungen mit den in Betracht kommenden Stellen den Völkerrechtsstatus etwaiger deutscher Soldaten eindeutig zu klären. Insbesondere soll die Frage geklärt werden, ob deutsche Soldaten den völkerrechtlichen Schutz gegenüber allen Alliierten genießen und wem gegenüber ihnen eine Gehorsamspflicht obliegt. Schließlich soll nach diesem Antrag die Bundesregierung ersucht werden, Verhandlungen zu führen, damit frühere deutsche Soldaten, die wegen angeblicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden sind, zuvor aus den Gefängnissen entlassen werden.
Die letzte Forderung dieses Antrags hat auch bereits den Gegenstand der Beratungen des Deutschen Bundestags anläßlich der Verteidigungsdebatte gebildet. Damals ist ein Beschluß nach Drucksache Nr. 3078 angenommen worden, der die Forderung enthält, daß zunächst die sogenannten deutschen Kriegsverbrecher, d. h. Soldaten, die unter der Beschuldigung von Kriegsverbrechen
verurteilt worden sind oder der Verurteilung zugeführt werden sollen, aus der Haft entlassen werden sollen.
Der auswärtige Ausschuß hat Ihnen jedoch nicht aus diesem Grunde vorgeschlagen, diesen Antrag zu Ziffer 5 abzulehnen, wohl aber aus dem andern Grunde, daß sich der auswärtige Ausschuß zu einem früheren Zeitpunkt in seiner Sitzung vom 15. November 1951 bereits in eingehender und vielleicht erschöpfender Weise mit dem Problem der sogenannten deutschen Kriegsverbrecher befaßt und dem Hohen Hause eine Reihe von Vorschlägen gemacht hat, die dann auch Gegenstand der Beschlußfassung des Plenums geworden sind. Aus diesem Grunde erscheint eine nochmalige Behandlung dieser Frage im Augenblick nicht erforderlich.
Zu den anderen Punkten von Ziffer 5 des Antrags der Föderalistischen Union sei bemerkt, daß die Gedankengänge der Bundesregierung über die Leistung eines künftigen deutschen Verteidigungsbeitrags nicht etwa die Schaffung einer 'deutschen Armee vorsehen, sondern einer europäischen Armee. Die völkerrechtliche Stellung deutscher Kontingente im Rahmen einer europäischen Armee regelt sich nach der Haager Landkriegsordnung, zur Zeit allerdings zusätzlich nach den Bestimmungen des Kontrollrats. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Westalliierten, die zu einem etwaigen Abkommen über den Beitritt zur europäischen Verteidigungsgemeinschaft führen sollen oder können, auch die Klärung des völkerrechtlichen Status etwaiger deutscher Soldaten und deutscher Kontingente mindestens gegenüber den Westalliierten zum Gegenstand haben werden. Eine darüber hinausgehende Klärung dieses Status gegenüber allen Alliierten kann im Augenblick wohl nicht erwartet werden. Der auswärtige Ausschuß schlägt vor, Ziffer 5 des Antrags der Föderalistischen Union abzulehnen.
In der letzten Ziffer des Antrags der Föderalistischen Union soll die Bundesregierung ersucht werden, die den eventuellen Verteidigungsbeitrag betreffenden Abmachungen erst zu paraphieren, wenn der Generalvertrag auf der Basis deutscher Souveränität zuvor ratifiziert worden ist. Der Gedanke, der dem Beschluß der Mehrheit des auswärtigen Ausschusses zugrunde lag, war wohl der, daß nur ein souveränes Volk über seinen Beitrag zur Verteidigung beschließen kann, daß erst die Rückgabe der Freiheit erfolgen muß und nur ein freies Volk in der Lage ist, in freier Entscheidung eine Entschließung darüber zu treffen, ob es bereit ist, einen derartigen Beitrag zur Verteidigung zu leisten.
Wenn die Mehrheit aus diesen Erwägungen dem Antrag zustimmte, so waren für die Minderheit andere Gründe maßgebend, die sie zur Ablehnung der Ziffer 6 des Antrags der Föderalistischen Union veranlaßten. Nach der Auffassung der Minderheit soll die Exekutive bei der Führung der Verhandlungen mit anderen Mächten der Legislative voranschreiten — sie muß es sogar tun —, und es ist die Aufgabe der Exekutive, das Tempo, die Arbeitsweise, die Methode, die Verbindung und Trennung von Verhandlungsgegenständen, aber auch den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Beratungsgegenstände in freier Entscheidung nach Zweckmäßigkeitsgründen und nach den Forderungen der politischen Vernunft zu bestimmen. Es wäre unrichtig — nach der Auffassung der Minderheit —, wenn der Bundestag der Exekutive bei den ohnehin sehr schwierigen Verhandlungen Bindungen über die Art und Weise, in der sie diese Verhandlungen mit anderen Mächten zu führen hat, auferlegen würde. Der Bundestag wird zu gegebener Zeit 'zu den Ergebnissen der Verhandlungen der Exekutive in der Weise Stellung nehmen müssen, daß jede Abmachung, die mit auswärtigen Mächten getroffen werden könnte, der Ratifikation und jedes Wehrgesetz der Annahme durch die zur Bundesgesetzgebung bestimmten Organe in der verfassungsmäßigen Form bedarf. Im' Vollzug dieser Aufgabe sind nach Auffassung der Minderheit die Rechte der Volksvertretung zwar nicht erschöpft, aber gewahrt.