Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen, Drucksache Nr. 2917, hat der Bundestag in seiner 186. Sitzung behandelt und damals an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit — mitberatend — überwiesen.
Beide Ausschüsse haben das Gesetz beraten, und das Ergebnis ihrer Beratungen liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 3209 vor.
Aus der Begründung des Gesetzes ergibt sich bereits, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vorbereitet und daß mit diesem Gesetz auch wieder die Vorschriften, die über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen ergangen sind, in die Zivilprozeßordnung, wie das früher der Fall gewesen ist, eingebaut werden sollen. Das Zwangsvollstreckungsrecht ist unübersichtlich geworden und soll nunmehr wieder in der Zivilprozeßordnung, wohin es gehört, zusammengefaßt und übersichtlich gestaltet werden.
Man glaubte aber — mit Rücksicht darauf, daß in diesem Gesetz auch eine Reihe grundsätzlicher Fragen behandelt werden müssen —, nicht eine Maßnahme zurückstellen zu können, die als Sofortmaßnahme einen weiteren Aufschub nicht duldet. Das ist die Änderung der Pfändungsgrenze. Die wirtschaftlichen Verhältnisse — der Lebenshaltungsindex auf der einen Seite und das Lohnaufkommen und das Gehaltsaufkommen auf der andern Seite — haben sich in den letzten Jahren so geändert, daß die seit dem Jahre 1940 noch bestehenden Pfändungsgrenzen nicht mehr zeitgemäß, ja, man kann sagen, nicht mehr erträglich sind. Infolgedessen mehrten sich stets und ständig, wie uns der Ministerialvertreter im Ausschuß mitteilte, Eingaben aus interessierten Kreisen, die auf eine Änderung dieser Vorschriften hinzielten. Dementsprechend beschränkt sich der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf schlicht darauf, dieses Problem nun grundsätzlich zu behandeln. Andererseits hat man aber die Gelegenheit benutzt, gleichzeitig die sogenannte Lohnpfändungsverordnung von 1940 durchzusehen und zunächst eine Bereinigung und Anpassung an die derzeitigen Rechtsverhältnisse vorzunehmen. Es handelt sich ja meistens nur um Änderungen von Ausdrücken oder Ausmerzung von Vorschriften, die inzwischen aufgehoben worden sind, oder darum, daß in anderen Gesetzen entsprechende Vorschriften erlassen worden sind und infolgedessen Bestimmungen, die noch in der Lohnpfändungsverordnung standen, gegenstandslos geworden sind. In dieser Hinsicht darf ich Sie auf den § 1 Abs. 2 verweisen, wo lediglich die Worte „und Wehrmachtsangehörige" gestrichen worden sind, auf den § 2 Nr. 1, wo das Wort „Gefolgschaftsmitglied" durch den jetzt in der Gesetzestechnik gültigen Ausdruck „Arbeitnehmer" ersetzt worden ist, auf die Vorschrift der Nummern 6 und 7 des § 3, die aufgehoben werden, weil sie beide überflüssig geworden sind. Insbesondere ist die Nr. 7 überflüssig geworden, da in dem Bundesversorgungsgesetz in den §§ 67 bis 70 eingehende Vorschriften über den Pfändungsschutz enthalten sind. Dadurch können die Nummern 8 und 9 vorrücken und werden deswegen, wie aus Ziffer 4 des Gesetzentwurfs ersichtlich ist, zu Nummern 6 und 7.
Ähnlich ist es auch mit der Vorschrift dés § 7 Nr. 1. Hier ist grundsätzlich zu sagen, daß die Befugnis der Minister, selbst Verordnungen zu erlassen, durch Art. 129 des Grundgesetzes eingeschränkt worden ist und infolgedessen das in dieser Vorschrift bisher enthaltene Verordnungsrecht des Justizministers beseitigt und die entsprechende Bestimmung, die bisher galt, in das Gesetz eingearbeitet worden ist.
Ich darf bei dieser Gelegenheit gleich sagen, daß man auch den Umfang des Begriffes der pfändungsfreien Beträge in etwa erweitert hat, indem man in § 7, Nr. 1 Buchstabe a) auch die Beiträge, die für die freiwillige Weiterversicherung in der Sozialversicherung geleistet werden, nunmehr für abzugsfähig erklärt hat.
Weiter ist der § 10 zu erwähnen, wo der Ausdruck „mittelbares Arbeitseinkommen" durch die treffendere Formulierung „verschleiertes Arbeitseinkommen" ersetzt worden ist. .
§ 11 Abs. 3 ist deswegen erforderlich geworden, weil wir inzwischen im Bundestag ein Heimarbeitsgesetz verabschiedet und dort in § 27 auch Vorschriften über die Pfändungsgrenzen aufgenommen haben, die jetzt geltendes Recht sind.
Dann sollen nach Ziffer 10 des Mündlichen Berichts die §§ 12, 13, 14, 15 und 16 aufgehoben werden; sie sind entweder durch Spezialbestimmungen dieses Gesetzes oder durch die inzwischen fortgeschrittene Rechtsentwicklung überflüssig geworden.
Das Gesetz enthält auch einige nicht sehr bedeutende Erweiterungen. So haben wir in § 3 Nr. 3 entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats eingefügt, daß neben den bisher vorgesehenen Gefahrenzulagen auch Schmutz- und Erschwerniszulagen pfändungsfrei bleiben sollen. Ich habe bereits erwähnt, daß der § 7 Nr. 1 erweitert worden ist, so daß auch die Beiträge für die freiwillige Weiterversicherung innerhalb der Sozialversicherung abzugsfähig sind. Schließlich darf ich noch darauf hinweisen, daß auf Vorschlag des Bundesrats in Art. 4 a die in den meisten Gesetzen jetzt übliche Berlin-Klausel eingefügt worden ist.
Das Kernstück des Gesetzes enthält der § 5 — Ziffer 6 der Gesetzesvorlage —; hier wird das brennende Problem der Erweiterung, der Erhöhung der Pfändungsfreigrenze behandelt. Zu dieser Frage waren in den Ausschüssen sehr verschiedene Auffassungen zutage getreten. Einig war man sich darüber, daß die Grenzen, die das Gesetz vom Jahre 1940 festgelegt hat, nicht mehr tragbar seien.
Es wird vielleicht Ihre Entschließung erleichtern, wenn ich Ihnen einen kurzen Überblick über die Entwicklung seit dem Jahre 1928 gebe. Im Jahre 1928 wurde die Pfändungsgrenze auf 195 RM brutto festgelegt. Es stellte sich aber alsbald heraus, daß diese Grenze zu hoch lag und dadurch die Kreditfähigkeit des Lohnempfängers und des kleinen Gehaltsempfängers empfindlich beeinträchtigt wurde. Infolgedessen sah man sich bereits im Jahre 1932 in der Notverordnung vom 14. Juni 1932 veranlaßt, die Pfändungsgrenze auf 165 RM brutto herabzusetzen. In dem Gesetz vom 24. Oktober 1934 hat man die Pfändungsgrenze noch weiter auf 150 RM brutto herabgesetzt. Entsprechend wurden dann jeweils die Beträge für den Monats-, Wochen- und Tagelohn festgelegt. Die Lohnpfändungsverordnung vom Jahre 1940 beschritt grundsätzlich einen anderen Weg. Sie stellte nicht mehr auf den Brutto-, sondern auf den Nettolohn ab, hielt sich aber im großen und ganzen an die damals geltende Regelung des Gesetzes vom Jahre 1934 und legte die Pfändungsgrenze auf einen Lohn von 130 RM netto fest. Ich habe bereits eingangs gesagt, daß diese Grenze nicht mehr zeitgemäß ist und den heutigen Verhältnissen nicht mehr Rechnung trägt.
Für die Erhöhung der Pfändungsgrenze hatte die Regierung einen Satz von 20 % vorgeschlagen. Angesichts der Tatsache, daß die Gehälter vor einigen Monaten vom Bundestag um 20 % erhöht worden sind, schien dieser Satz naheliegend; andererseits war inan sich aber darüber klar, daß man im Jahre 1940 bis an die unterste Grenze eines einigermaßen gesicherten Existenzminimums gegangen sei. Den Ausschüssen schien es auch nicht angebracht — beide Ausschüsse haben insofern übereinstimmende Beschlüsse gefaßt —, die Pfändungsgrenze etwa um 50 % zu erhöhen, wie von einer Seite beantragt worden war. Man glaubte,
daß man auch die Kreditfähigkeit des kleinen Mannes, des Arbeiters, des Angestellten und des kleinen Beamten erhalten müsse. Bekanntlich sind ja Lohn und Gehalt nur in der Höhe abtretbar, in der sie pfändbar sind. Deswegen einigte man sich auf einen Mittelweg und schlägt Ihnen vor, die bisherige Pfändungsgrenze um 30 % auf 169 DM monatlich zu erhöhen.
Der Ausschuß war sich darüber klar, daß er damit vielleicht noch nicht der Weisheit letzten Schluß gefunden hat, aber er ist der Meinung, daß man auf diesem Gebiet ja erst mal Erfahrungen sammeln kann. Für seine Stellungnahme war auch maßgebend, daß die Gewerkschaften seinerzeit gegenüber dem Justizministerium die Erhöhung um 20 % für ausreichend gehalten haben. Ich habe mich inzwischen dahin unterrichten lassen, daß man auch jetzt noch an diesem Standpunkt festhält. Wenn wir nun eine Erhöhung um 30 °/o vorschlagen, so glauben wir damit den derzeitigen Verhältnissen ausreichend Rechnung getragen zu haben. Wir werden ja in einigen Monaten Gelegenheit haben, uns anläßlich der Beratung des von mir eingangs behandelten Gesetzes über Anderungen auf dem Gebiete der Zwangsvollstrekkung nochmals eingehend mit dem Problem zu befassen. Wir können also bis dahin einige Erfahrungen sammeln.
Eine weitere wichtige Änderung des Gesetzes scheint mir noch erwähnenswert, nämlich daß für den kraft Gesetzes ersten Unterhaltsberechtigten die Pfändungsgrenze nicht um ein Zehntel, sondern um zwei Zehntel erhöht wird. Wir glauben damit einem sozialen Bedürfnis Rechnung getragen zu haben. Der Vorschlag war bereits in der Regierungsvorlage gemacht worden; er ist von den Ausschüssen gebilligt worden.
Dementsprechend habe ich namens des Rechtsausschusses — und er befindet sich insoweit, wie ich bereits betont habe, mit dem Ausschuß für Arbeit in Übereinstimmung — den Antrag vorzutragen:
Der Bundestag wolle beschließen, dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen in der aus der Drucksache Nr. 3209 ersichtlichen Fassung zuzustimmen.