Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Frage der Herabsetzung der Tabaksteuer besteht in der Fraktion der CDU/CSU keineswegs eine einheitliche Auffassung. Eine große Anzahl von Abgeordneten meiner Fraktion ist nicht der Meinung, daß die Tabaksteuer gesenkt werden soll. Gestatten Sie mir, die Gründe für meine Stellungnahme und die meiner Freunde kurz vorzutragen.
Wir teilen nicht die Auffassung, daß durch die Herabsetzung der Tabaksteuer der Zigarettenschmuggel wirksam bekämpft werden kann. Eine wirksame Bekämpfung wäre nur möglich, wenn versteuerte Zigaretten im Preise niedriger oder wenigstens nicht höher lägen als geschmuggelte Zigaretten. Das können wir jedoch auf keinen Fall erreichen; denn wir müßten dann die Tabaksteuer so weit senken, daß mit einem großen Steuerausfall zu rechnen wäre. Auch nach einer Senkung der Tabaksteuer wäre der Anreiz zum Schmuggel noch so groß, daß der Schmuggel nach wie vor blühte.
Der Herr Finanzminister rechnet nun damit, durch eine Senkung der Tabaksteuer werde der Umsatz in Tabakwaren, besonders in Zigaretten, derart steigen, daß die eingeräumte Steuerermäßigung im vollen Umfang wieder ausgeglichen wird. Dafür müßte aber zunächst einmal der Beweis erbracht werden. Der Herr Finanzminister hat ja selber sehr starke Zweifel zum Ausdruck gebracht. Aber selbst dann, wenn wir unterstellen, daß es so kommt, müssen wir doch einen andern Gesichtspunkt betonen, nämlich daß für die Frage sowohl der Steuerermäßigungen wie auch der Steuererhöhungen nicht nur rein materielle und finanzielle Gründe entscheidend sein dürfen.
Es waren führende Herren der Zigarettenindustrie, die vor kurzem erklärten, daß der Zigarettenkonsum in der Bundesrepublik Deutschland von 22 auf 40 Milliarden Stück zu steigern sei.
Mit dieser propagierten Konsumsteigerung um immerhin 18 Milliarden Zigaretten wäre trotz der Steuerermäßigung für den Verbraucher vor allem oder überhaupt nur der Zigarettenindustrie gedient, die infolge des erhöhten Umsatzes ihre Einnahmen wesentlich steigern würde.
Der Hinweis darauf, daß bei einer Erhöhung der Produktion in der Zigarettenindustrie mehr Arbeitskräfte beschäftigt werden könnten, dürfte nicht zutreffen. Gerade die Zigarettenindustrie ist der typische Fall einer sogenannten kapitalintensiven Industrie. Zur Errichtung einer Zigarettenfabrik gehören Millionen, da die kolossalen Spezialmaschinen sehr teuer sind. Sind diese Spezialmaschinen aber erst einmal .angeschafft, dann leisten sie Unvorstellbares. Eine moderne
Zigarettenhöchstleistungsmaschine erzeugt täglich 600 000 Zigaretten. Diese Maschinen lassen sich mit Spezialmaschinen verbinden, welche die weiteren Arbeitsgänge der Verpackung, der Banderolierung und der Verpackung der Zigarettenschachteln in Standardpakete automatisch vornehmen. Bei einer großen Steigerung der Produktion in der Zigarettenindustrie und einer solchen des Konsums ist damit zu rechnen, daß gerade in dieser Industrie moderne Maschinen in verstärktem Maße eingesetzt werden und ein Teil der heute beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeiter überflüssig und arbeitslos wird.
Auch den Tabakanbauern in der Bundesrepublik Deutschland wäre mit einer solchen Herabsetzung der Tabaksteuer kaum gedient. Die Tabaksorten der Pfalz und Hessens und auch anderer Gebiete Deutschlands dürften sich kaum zur Herstellung von Zigaretten eignen. Hierzu werden fast ausschließlich Tabake aus dem Ausland eingeführt. Ich bezweifle auch, daß den Tabakgeschäften ein Nutzen entstehen würde, da durch eine Herabsetzung der Tabaksteuer wahrscheinlich auch die Gewinnspanne vermindert würde und diese Geschäfte den Ausfall erst durch erhöhten Umsatz wieder hereinholen müßten.
Wem ist also mit einer Herabsetzung der Tabaksteuer gedient? Auch dem Fiskus kaum, der ja nur durch eine nennenswerte Umsatzsteigerung die Tabaksteuer in der bisherigen Höhe von 2,3 Milliarden DM erhalten würde. Und etwa dem Verbraucher, vielleicht dem Arbeiter, dem Rentenempfänger, dem kleinen Mann, der seine Tabakwaren etwas billiger erhalten würde? Da gäbe es wohl andere Wege, diesen Schichten finanzielle Erleichterung zu schaffen! Wenn man schon eine Steuer senken kann, warum senkt man nicht die Umsatzsteuer,
die heute auf 7287 Millionen DM beziffert wird und die wir erst vor wenigen Monaten erhöhen mußten? Durch die Senkung der Umsatzsteuer werden alle Verbraucher erfaßt; denn durch die Umsatzsteuer werden ohne Unterschied für den Armen und für den Reichen die Güter des täglichen Verbrauchs belastet, besonders aber belastet auch die kinderreichen Familien, die ja ein erhebliches Maß mehr an Gütern des täglichen Verbrauchs benötigen.
Eine Herabsetzung dieser Verbrauchsteuer würde, vorausgesetzt, daß diese Vergünstigungen nicht vom Handel in Anspruch genommen würden, zu einer Preissenkung vieler Güter des täglichen Verbrauchs führen, und die dadurch möglichen Einsparungen könnten von dem einzelnen dann nach Gutdünken verwandt werden, auch — wenn er das glaubt tun zu sollen — zur Erhöhung seines Tabakkonsums. Es bliebe in diesem Falle also dem einzelnen überlassen. Mit der gleichen Begründung, mit der man bei der Senkung der Tabaksteuer mit einem höheren Umsatz und damit einem höheren Steueraufkommen rechnet, kann man dies auch bei einer Senkung der Umsatzsteuer und einer damit verbundenen Senkung der Preise tun. Während der Tabakverbrauch den Vorkriegsstand fast wieder erreicht hat und gegenüber 38 DM im Jahre 1938 heute 80 DM auf den Kopf der Bevölkerung ausmacht, liegt z. B. der Milchverbrauch noch 30 % unter dem Vorkriegsverbrauch. Warum überlegt man nicht, durch Subventionen den Preis für Milch,
eines der lebenswichtigsten Verbrauchsgüter, zu senken?
Die hierfür aufgewandten Mittel würden durch eine Erhöhung des Konsums und die damit verbundene Steigerung anderer Steuern wieder hereinkommen.
Will man den Schmuggel bekämpfen, meine sehr Verehrten, warum fängt man nicht beim Kaffee an? Der Preis für Kaffee ist heute gegenüber der Vorkriegszeit um das Vierfache gestiegen, wobei diese Steigerung sich in D-Mark auswirkt, während der Preisaufschlag für Tabakwaren nur in Pfennigen merkbar wird. Kaffee kann heute wohl kaum rein als Genußmittel betrachtet werden, sondern die Wissenschaft hat wohl festgestellt, daß Kaffee darüber hinaus ein medizinisches Mittel ist. Von den Zigaretten, vom Tabak kann man das nicht sagen. Die medizinische Wissenschaft ist sich längst darüber einig, daß übermäßiger Tabakgenuß zu schweren gesundheitlichen Störungen führt. Magenerkrankungen, Krebserkrankungen, Kreislaufstörungen sind in vielen Fällen auf übermäßigen Tabakgenuß zurückzuführen, und von dieser Gefahr wird besonders unsere Jugend bedroht.
Und dieser Genuß soll nun durch erhöhten Konsum infolge der Steuervergünstigung noch gesteigert werden. Es sollen also an Stelle von 22 Milliarden Zigaretten 40 Milliarden verkonsumiert werden, weil die Zigarettenindustrie diesen Wunsch hat. Meine sehr Verehrten, vor wenigen Monaten beschlossen wir das Gesetz zum Schutz der Jugend. In diesem Gesetz ist auch der Schutz vor Nikotinmißbrauch enthalten. Alle Bestimmungen dieses Jugendschutzgesetzes können eher eingehalten werden als die gegen den Nikotingenuß. Es ist für jeden jungen Menschen relativ leicht, sich Zigarettenmengen, die er glaubt zu seinem Wohlergehen zu benötigen, in jeder Menge zu beschaffen; und je niedriger der Preis ist, desto eher kann er das. Die Folgen dieses Nikotinmißbrauchs für die Jugend brauche ich Ihnen wohl nicht zu schildern. Dieser Sucht folgen andere Süchte, es folgen Krankheiten, für die wir alle mit öffentlichen Mitteln aufzukommen haben.
Ich bin weiter der Meinung, daß wir in einem Augenblick, in dem nicht die notwendigen, relativ geringen Mittel zur Verfügung stehen, um einem Teil unserer Rentenempfänger, deren Renten zu Unrecht ruhen, diese ruhenden Anteile auszuzahlen, nicht die Tabaksteuer senken können.
Zusammenfassend darf ich sagen, daß gar kein Bedürfnis besteht, unseren Tabakkonsum zu erhöhen.
Höchstens für die Zigarettenindustrie besteht ein
solches Bedürfnis; sonst brauchte sie nicht eine
solche Reklame zu machen, wie wir sie in unseren
Städten sehen, eine Reklame, deren Kosten nach
meiner Schätzung in die Hunderttausende gehen.
Es wäre vielleicht zu überlegen, eine Reklamesteuer einzuführen, die dem Staat einige Millionen bringen würde.
Der Herr Finanzminister sprach auch von den zahlreichen Eingaben konfessioneller und auch interkonfessioneller Verbände, die vor einer Steigerung des Tabakkonsums unseres Volkes durch eine Senkung der Tabaksteuer warnen. Das sind ernstzunehmende Warnungen, die besonders auf die Gefahren für die Jugend hinweisen. Auch dem Staat kann es nicht erlaubt sein, zugunsten eines Industriezweiges eine Steuerpolitik zu treiben, die dem Gesamtwohl nicht zum Nutzen, eher zum Schaden gereicht.
Unter Berücksichtigung der von mir vorgetragenen Gründe stelle ich, auch namens meiner Freunde, den Antrag, den vorliegenden Antrag auf Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Senkung der Tabaksteuer abzulehnen.