Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mir wenige kurze Bemerkungen zu den Punkten 6, 9 und 10 der Tagesordnung zu machen erlaube, bitte ich, mir zu gestatten, daß ich im Hinblick auf den bisherigen Verlauf der Debatte einige grundsätzliche Bemerkungen vorausschicke. In der Erklärung der Bundesregierung, welche der Bundeskanzler in der 5. Sitzung des Bundestages am 20. September 1949 abgegeben hat, ist versichert worden:
Die Bundesregierung wird es sich besonders am Herzen liegen lassen, den Mittelstand in allen seinen Erscheinungsformen zu festigen und ihm zu helfen. Wir sind durchdrungen von der Überzeugung, daß dasjenige Volk das sicherste, ruhigste und beste Leben führen wird, das möglichst viele mittlere und kleinere unabhängige Existenzen in sich birgt.
Das hat die Bundesregierung beteuert. Die mittelständischen Kreise im herkömmlichen — wenn auch nicht immer im ganz klaren — Sinne des Wortes „Mittelstand" haben aber offenbar nicht den Eindruck gewonnen, daß ihnen in der Arena zwischen den großen Flügelgruppen der Platz eingeräumt und die Beachtung zuteil geworden ist, die sie nach ihrem großen Anteil an der Bevölkerung und Wirtschaft und nach den Verheißungen der Bundesregierung glaubten erwarten zu dürfen. Andernfalls hätten sich nicht die Organisationen wesentlicher Teile des Mittelstands zu einer Kampfgemeinschaft, dem Mittelstandsblock, zusammengeschlossen. Meine politischen Freunde möchten diesen Zusammenschluß nicht als Rückfall in eine einseitige Interessenpolitik mißverstehen, die ihre Erfüllung ohne Rücksicht auf das Gesamtwohl und auf Kosten der Gesamtheit, also klassenkämpferisch, sucht, oder als Beginn der Restauration einer Wirtschaftspartei, sondern als Ausdruck eines verständlichen und berechtigten Selbstbehauptungswillens inmitten einer reichlich turbulenten Gesellschafts- und Wirtschaftslage betrachten. Die in der Föderalistischen Union vereinigten Parteien, Bayernpartei und Zentrum, haben durch die Gründung des Blocks, weil sie ein gutes mittelständisches Gewissen besitzen und die mit der Gründung verbundenen Absichten nicht falsch zu verstehen glauben, keinen Nervenschock erlitten.
Ich will keine großen Worte gebrauchen, darf aber doch zum Ausdruck bringen, daß die Erhaltung, Festigung und Entfaltung großer Mittelschichten nicht nur eine wirtschafts-, sozial- und kulturpolitische, sondern eine eminent staatspolitische Notwendigkeit und Aufgabe ist, weil die erfolgreiche Lösung dieses Problems der Verwirklichung des Persönlichkeitsgedankens dienen und der alles und alle bedrohenden und überflutenden Vermassung entgegenwirken würde. Meine politischen Freunde halten diese Frage für so wichtig, daß wir uns entschlossen haben, einen Gesetzentwurf zur Einfügung eines Art. 19 a in das Grundgesetz einzubringen, der die Einhaltung einer solchen Grundsatzpolitik gewährleisten soll. Um aber
die heutige Debatte nicht mit dem Gewicht dieser Grundsatzfrage zu belasten, haben wir uns damit einverstanden erklärt, daß die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs nicht in die Tagesordnung einbezogen wird.
Nun hat das Handwerk im Zuge der Aktion des Mittelstandsblocks eine Sonderinitiative bei den Fraktionen des Bundestags ergriffen. Bei den Besprechungen zwischen seinen Vertretern und den Fraktionen dürften weitgehende Übereinstimmungen erzielt worden sein. Jedenfalls war dies auch in der Aussprache zwischen meiner Fraktion und dem Zentralverband des deutschen Handwerks der Fall. Von unserer positiven Grundhaltung zu den Lebensfragen des Handwerks aus begrüßen wir eifersuchtslos jede Initiative, die Anliegen dieses Berufsstands zum Gegenstand oder Ziel hat. Wir sind ohne Vorbehalt bereit, nachhaltig an derartigen Vorlagen mitzuarbeiten. Das gilt auch für die Anträge, die die ganze heutige Tagesordnung füllen. Wir lassen uns darin auch nicht durch den Umstand beirren, daß die vorliegenden Anträge leider — ich darf das aussprechen, ohne damit einen Vorhalt gegen die Initiatoren machen zu wollen — nicht den Anspruch erheben können, mit größter Sorgfalt formuliert zu sein und überall die verfassungsrechtliche Seite zu berücksichtigen. Sachlich sind es alte Bekannte, meist jahrzehntealte Bekannte; sie gehören sozusagen zum Handwerksbrevier. Es kann wohl nicht Sinn und Zweck der heutigen Debatte sein, zum weitgeöffneten Fenster hinaus zu reden und bekannte und unbestrittene Einzelheiten wie die Suren des Korans herunterzusprechen. Der Bundestag ist kein Muezzin. Es gilt vielmehr, aus den Anträgen in den Ausschüssen rasch das Beste zu machen. Dann dürfte auch die Debatte wesentlich abgekürzt werden können.
Dem Handwerk und seinen Problemen wird am besten dadurch gedient, daß die Beratung der Vorlagen abseits der Parteipolitik und ohne Seitenblicke auf propagandistische Wirkung erfolgt. Dies fordert auch die Würde des Parlaments und der Parteien, aber auch die Würde des Handwerks selbst. Berechtigte und begründete Anliegen des Handwerks und des sonstigen Mittelstands sollen nicht weniger als die Probleme und Sorgen der anderen Bevölkerungskreise Sache des ganzen Bundestags sein.
Was nun die Frage der Vergebung von Aufträgen der öffentlichen Hand angeht, so entbehrt es nicht einer gewissen Pikanterie, daß meine Partei bereits im Jahre 1949 — es ist die Bundestags-Drucksache Nr. 22 — einen formulierten Antrag für die Regelung der Vergebung der Aufträge des Bundes eingebracht hat, daß aber dieser Antrag leider ein recht betrübliches Schicksal gehabt hat. Auf Grund eines Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses wurde beschlossen, den Antrag mit Rücksicht auf die von der Bundesregierung gegebenen Auskünfte über die jetzige Praxis bei der Vergebung der Aufträge des Bundes für erledigt zu erklären. Die heutige Debatte und die heutige Tagesordnung zeigen, daß der damalige Antrag sachlich in Wahrheit nicht erledigt war. Wir begrüßen es mit Genugtuung, daß die Angelegenheit jetzt einer wirklichen, befriedigenden Regelung zugeführt werden kann.
Was die Frage der gesetzlichen Verankerung der Verdingungsordnung für Bauleistungen angeht, so möchte ich hier nur die Bemerkung machen, daß in einem solchen Gesetz die grundgesetzliche Zu-
ständigkeit der Länder selbstverständlich respektiert werden muß.
Nun darf ich mir zum Schluß noch kurz einige Anregungen bezüglich der Schwarzarbeit erlauben. Es müßte möglich sein, daß die Bundesregierung unverzüglich im Einvernehmen mit den Landesregierungen eine Darstellung der wirtschaftlichen, sozialen und staatlichen Verderblichkeit der Schwarzarbeit und eine erschöpfende Zusammenfassung der durch die bestehenden Vorschriften des Gewerbe-, Handels-, Arbeits-, Sozialversicherungs-, Steuer- und Wirtschaftsstrafrechts gebotenen Möglichkeiten der Bekämpfung der Schwarzarbeit gibt, welche die bisher ergangenen Erlasse und Berichte der Bundesministerien koordiniert, der in den Westzonen noch bestehenden Unterschiedlichkeit in der Regelung des Zugangs zu einem Gewerbebetrieb Rechnung trägt und die Grenze zwischen Schwarzarbeit und Gemeinschaftshilfe oder Nachbarschaftshilfe zieht.
Es müßte zweitens möglich sein, alle in Betracht kommenden Bundesbehörden zur nachdrücklichen Ermittlung und strengen Verfolgung von Fällen der Schwarzarbeit anzuhalten und bei den Landesregierungen gleiche Maßnahmen, insbesondere auch die Untersagung der Einstellung eingeleiteter Verfahren wegen Geringfügigkeit zu erwirken.
Drittens möchte ich anregen, daß die Bundesregierung eine wirksame, planmäßige und nachhaltige Aufklärung der Öffentlichkeit durch Presse, Funk und Film durchführt, sie zur Mithilfe bei der Abwehr des Krebsschadens der Schwarzarbeit aufruft und zu diesem Zwecke möglichst noch in dem Nachtragsetat 1951, jedenfalls aber in dem Haushalt 1952 Mittel bereitstellt.
Viertens müßte es möglich sein, daß die Bundesregierung auf eine Ausdehnung des Ermittlungsdienstes hinarbeitet.
Fünftens sollte sie auf eine systematische Zusammenarbeit der an der Bekämpfung der Schwarzarbeit beteiligten Arbeits-, Finanz-, Justiz-, Polizei-, Fürsorge-, Gewerbeaufsichtsbehörden und Sozialversicherungsträger sowie auf die Mitarbeit der wirtschaftlichen Verbände und der Gewerkschaften hinwirken.
Sechstens sollte die Bundesregierung die, wie der Herr Bundesarbeitsminister erklärt hat, in der Errichtung begriffene Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in besonderer Weise mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit beauftragen.
Siebtens — das hat der Herr Bundesarbeitsminister ebenfalls schon angekündigt - sollte sie ein Ergänzungsgesetz zum AVAVG einbringen, durch welches eine erweiterte Pflicht zur Ausstellung der Arbeitsbescheinigungen bei der Beschäftigung arbeitsloser Unterstützungsempfänger eingeführt und ein Verstoß dagegen unter Strafe gestellt wird.
Achtens endlich sollte die Bundesregierung prüfen, welche weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen — auch Verschärfungen der bestehenden Strafvorschriften — möglich sind. Die Bundesregierung könnte dem Bundestag wohl bis zum 30. Juni dieses Jahres einen Bericht über die von ihr unternommenen Schritte und getroffenen sowie weiterhin beabsichtigten Maßnahmen vorlegen. Die Frage der Schwarzarbeit bewegt nicht nur das Handwerk und die Behörden, sie interessiert und bewegt auch weiteste Bevölkerungskreise, die durchaus nicht der Meinung sind, daß die Schwarzarbeit, abgesehen von ihrer aus gewissen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen heraus begründeten Existenz, eine unbedingte und nicht zu beseitigende wirtschaftliche und gesellschaftliche Unmoralität ist.