Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das deutsche Handwerk freut sich darüber, daß am heutigen Tage elf Anträge hier zur Debatte gestellt werden, die sich mit den Problemen des Handwerks beschäftigen. Seien Sie davon überzeugt, Millionen deutscher Menschen werden heute ihre Blicke nach Bonn richten und mit Spannung darauf warten, zu erfahren, wie die heutige Debatte ausgefallen ist.
Machen wir uns gegenseitig nichts weis: das Handwerk ist in den letzten Jahren in der Gesetzgebung stiefmütterlich behandelt worden. Denken Sie an die Zeiten nach dem Zusammenbruch zurück. Ich denke an das erste Zentralamt für Wirtschaft in Minden, wo eine große Apparatur aufgezogen wurde, wo über 1000 Menschen beschäftigt wurden, die in zehn Hauptabteilungen aufgegliedert waren. Darunter befand sich keine Hauptabteilung Handwerk, sondern lediglich eine kleine Abteilung Handwerk, bestehend aus ganzen dreizehn Köpfen! — Ich erinnere mich noch, daß damals bei einer Verwaltungsreform der Antrag gestellt wurde, selbst von dieser kleinen Abteilung von dreizehn Mann noch einige zu streichen.
Wir erleben auch heute wieder, daß z. B. im Bundesrat versucht wird, die uns in Aussicht gestellte Abteilung Handwerk zu torpedieren. Würde so etwas geschehen, dann würde dies das deutsche Handwerk und bestimmt der gesamte deutsche Mittelstand als einen unfreundlichen Akt ansehen.
Es ist bedauerlich und betrübend, immer wieder feststellen zu müssen, daß die große Masse der in der Politik tätigen Menschen die zahlenmäßige und wirtschaftliche Bedeutung des deutschen Handwerks immer noch nicht erkannt hat. Ich mache daraus noch nicht einmal den politischen Kräften der letzten Jahre einen Vorwurf. Ich bin davon überzeugt, daß dies kein böser Wille, sondern darauf zurückzuführen ist, daß im politischen Leben unseres Volkes das deutsche Handwerk in den Parlamenten nicht entsprechend stark vertreten war. Im Wirtschaftsrat waren drei Mitglieder des deutschen Handwerks, im Deutschen Bundestag sind es zwölf Mitglieder. Ich möchte hier keinen Graben aufreißen, und ich will nicht darauf hinweisen, wie stark andere Wirtschaftsgruppen, die nicht die Bedeutung des deutschen Handwerks haben, hier vertreten sind. Aber ich möchte doch mit aller Entschiedenheit zum Ausdruck bringen, daß wir Handwerker, die wir hier als Abgeordnete tätig sind, es für ungerechtfertigt halten, wenn wir unsere Belange wahrnehmen — wahrnehmen müssen, weil es unsere Pflicht ist, denn wir kennen diese Belange —, dann als Interessentenvertreter abgestempelt zu werden. Ich hoffe, daß dieser Hinweis ein für allemal genügen möge, damit ein derartiger Vorwurf für immer der Vergangenheit angehört.
Die Bedeutung des Handwerks will ich Ihnen einmal zahlenmäßig vor Augen führen. Es zählt 900 000 selbständige Handwerksbetriebe mit weit über drei Millionen Beschäftigten. Das Handwerk hat heute schon wieder einen Jahresumsatz erzielt, der weit über 20 Milliarden Mark liegt. Dies beweist, daß das Handwerk förderungswürdig ist. Es ist für uns klar, worauf die Lethargie unserer Kreise und die Notwendigkeit der Gründung des
Mittelstandsblocks zurückzuführen ist: weil diese Menschen feststellten, daß sie in den Parlamenten nur wenig Befürworter ihrer Belange haben.
Ich stand mit meinen Freunden bis jetzt so ziemlich allein auf weiter Flur.
Um so mehr freue ich mich, feststellen zu können, daß die größte Fraktion dieses Hauses, die CDU/CSU-Fraktion, nach langen Auseinandersetzungen — ich mache kein Hehl daraus --- heute erkannt hat, wie staatspolitisch wertvoll das deutsche Handwerk und der deutsche Mittelstand sind. Aus diesen Verhandlungen haben sich die vorliegenden Anträge ergeben. Diese Anträge sind nicht von irgendwelcher Parteitaktik diktiert — das möchte ich meinem Freund Eickhoff sagen —, sondern sie dienen einzig und allein dem Wohle des deutschen Handwerks.
— Das war eine faule Bemerkung, Kollege Greve!
Das holzverarbeitende Handwerk verarbeitet mehr Holz als die gesamte holzverarbeitende deutsche Industrie. Wir haben im deutschen Handwerk 130 Vollhandwerke, 230 Spezialhandwerke und fast 100 Teilhandwerke. Wenn Sie sich weiter vor Augen führen, daß dieses Handwerk jährlich für über 10 Milliarden Mark Rohstoffe und Waren kauft und verarbeitet, dann ist jeder Kommentar über die Bedeutung des Handwerks überflüssig. Das Kraftfahrzeughandwerk beschäftigt mehr Menschen als die gesamte Kraftfahrzeugindustrie. Das Uhrmacherhandwerk beschäftigt mehr als die gesamte Uhrenindustrie.
Ich glaube, daß diese Aufzählung genügt. Interessant ist weiter noch eine Zahl, die allerdings aus dem vorigen Jahr stammt, aus der hervorgeht, daß von je 100 Beschäftigten in der Industrie und im Handwerk 43 % auf das Handwerk entfallen. Ich erwähne auch dieses nur, damit Sie auch daraus die Bedeutung des Handwerks erkennen.
Eine so starke Gruppe der deutschen Wirtschaft ist förderungswürdig. Wir wollen durch unsern Antrag erreichen, daß der Bundestag dem Handwerk 5 Mil-
lionen DM zur Förderung des Handwerks zur Verfügung stellt. Durch den Ausbau der Aus- und Fortbildung und der Gewerbeförderung läßt sich die Leistungs- und Lebensfähigkeit des deutschen Handwerks noch wesentlich steigern, so daß eine derartige öffentliche Aufwendung in besonderem Maße staatspolitisch gerechtfertigt ist. Im Memorandum des Handwerks werden staatliche Mittel gefordert für a) den Ausbau der wissenschaftlichen Pflege des Handwerks an den Universitäten, Technischen Hochschulen und Forschungsinstituten, b) die Bereitstellung ausreichender öffentlicher Mittel für die technische und betriebswirtschaftliche Förderung des Handwerks, c) die Förderung der handwerklichen Berufsausbildung und d) die Förderung der Handwerksausfuhr.
Eine aufschlußreiche Übersicht über die Bedeutung der handwerklichen Lehrlingsausbildung gibt eine amtliche Statistik über .das gewerbliche Berufsschulwesen in Württemberg. Danach befinden sich zur Zeit im Landesbezirk Württemberg folgende Lehrlinge in der Ausbildung: Handwerkslehrlinge 36 172 = 68 %, Industrielehrlinge 16 831 = 32 %. Im Landesbezirk Baden ist das Verhältnis zugunsten des Handwerks 63 zu 37 % Hieraus erkennen Sie auch, welche erheblichen Gelder das deutsche Handwerk für die Lehrlingserziehung aufbringt. Es ist interessant, festzustellen, daß vom württembergisch-badischen Handwerk allein jährlich rund 24 Millionen DM an Lehrlingsbeihilfen aufgebracht werden.
Neben den finanziellen Hilfsmaßnahmen, die die Länder des Bundesgebiets zu treffen haben, um das Handwerk ihres Gebietes zu fördern, gibt es Fragen betriebstechnischer und betriebswirtschaftlicher Art, deren Lösung für das gesamtdeutsche Handwerk von entscheidender Bedeutung ist. Ich denke da an die Gewerbeförderungsstellen der Handwerkskammern, die Gewerbeförderungsanstalten und Fachschulen auf Länderebene. Weiter gilt es, die Handwerksausstellungen und andere repräsentative Veranstaltungen zur Förderung des Handwerks zu unterstützen. Auf der Ebene des Bundesgebiets denke ich an die Institute der Hochschulen, Meisterschulen, Ausstellungen und Leistungswettbewerbe der Handwerksjugend, Begabtenförderung im Rahmen des Fachschulbesuchs, gewerbefördernde Maßnahmen der Fachverbände, Handwerksexport, den ich schon erwähnt habe, und die besondere Unterstützung des Handwerks im Grenzland sowie in Notstandsgebieten. Ich darf darauf hinweisen, daß einzelne Bundesfachverbände unter größten finanziellen Opfern ausgezeichnete Fachschulen unterhalten, wie die Zentralverbände der Bäcker, der Müller, der Schlosser, der Tischler, der Schmiede, der Kraftfahrzeughandwerker, um nur einige zu nennen. Alle diese Schulen sind förderungswürdig.
Das Handwerk ist die Grundlage, die den sozialen Aufstieg ermöglicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang, die Zusammensetzung des Handwerks nach gesellschaftlichen Schichten kennenzulernen. In Niedersachsen ist im letzten Jahr festgestellt worden, daß 37,4 % Söhne von Handwerksmeistern, 12,7 % Söhne von Landwirten, 5,5 % Söhne von Fabrikanten, Kaufleuten und sonstigen Selbständigen, 22 % Söhne von Handwerksgesellen und Industriefacharbeitern, 8,8 % Söhne ungelernter Arbeiter und 13,6 % Söhne von Beamten und Angestellten sind.
— Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden.
- Ach, wenn Sie weiter keinen Neid verspüren als den,
daß ich hier die Redezeit überschreite, dann dürfen Sie beruhigt sein. Gönnen Sie mir und meinen Freunden schon diese Zeit, zumal im Bundestag sonst für Handwerksfragen herzlich wenig Zeit zur Verfügung steht!
Das Handwerk könnte wesentlich gefördert werden, wenn verhindert werden könnte, daß Geld, Arbeitskraft und Material fehlgeleitet werden. Es ist daher notwendig, die Betriebsvorgänge einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen und die Ergebnisse in der Praxis zu verwirklichen. Auch das Handwerk hat diesen Umständen Rechnung zu tragen versucht, um beispielsweise durch die Errichtung des Deutschen Handwerksinstituts in München mit sechs Forschungsstellen, und zwar dem Seminar für Handwerkswirtschaft an der Universität München, dem Institut für Handwerkswirtschaft an der Universität Frankfurt, dem Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, dem Institut für Handwerkswirtschaft an der Universität Berlin, dem Handwerkstechnischen Institut an der Technischen Hochschule Hannover und dem Institut für Berufserziehung im Handwerk an der Universität Köln, die Möglichkeit zu schaffen, daß seine speziellen handwerklichen Probleme wissenschaftlich durchleuchtet werden. Ein Netz von Gewerbeförderungsstellen ist aufgezogen, und darüber hinaus verfügen wir über eine stark ausgebaute Fachpresse, die unser Gedankengut verbreiten soll.