Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich, daß durch die Große Anfrage, die heute zur Debatte steht, einmal Gelegenheit gegeben ist, zu einer Angelegenheit Stellung zu nehmen, die sowohl das Handwerk als auch die Regierung in den zwei letzten Jahren sehr stark beschäftigt hat. Wir haben es hier mit Anträgen zu einem Gesetz zu tun, das im Jahre 1938 von den Nationalsozialisten sehr überstürzt über die Bühne gebracht worden ist. Man hat dieses Gesetz ein „Gesetz zur Altersversorgung des deutschen Handwerks" genannt. Es war meines Erachtens zum großen Teil — soweit die Privatversicherungsabschlüsse in Frage kamen — ein Gesetz, welches mehr oder weniger, ebenso wie bei den Volkswagensparern, sogenannte überschüssige Kaufkraft absorbieren sollte. Das muß man klar sehen. Damals hat man gesagt: Der Handwerker kann seinen Schutz für das Alter einmal durch den Beitritt zur Angestelltenversicherung sicherstellen, oder er kann eine Lebensversicherung abschließen. Innerlich haben diese beiden Dinge beinahe gar nichts miteinander zu tun. Derjenige Handwerksmeister, der damals zur Angestelltenversicherung gegangen ist, wußte ganz genau, daß er, wenn er eine Anwartschaft von fünf Jahren erfüllt hat, nicht nur Rechtsansprüche auf eine laufende Rente nach der Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern auch dann hat, wenn er vor der Vollendung des
65. Lebensjahres — wie es in der Angestelltenversicherung heißt — „berufsunfähig" wird. Darüber hinaus hatte dieser Handwerksmeister noch den Vorteil, daß er, wenn er von einer langwierigen Krankheit befallen wurde, die Heilverfahren der Angestelltenversicherung in Anspruch nehmen konnte.
Ganz anders war es bei dem Mann, der zu der privaten Versicherungsgesellschaft, d. h. zu der Lebensversicherung ging. Er hatte einen Anspruch auf einen Geldbetrag, wenn er das 65. Lebensjahr erreichte. Seine Angehörigen hatten einen Rechtsanspruch auf denselben Geldbetrag, wenn der Mann vorzeitig verstarb. Aber für beide war nur eine ganz kleine Deckungssumme vorhanden, wenn der Mann vorzeitig arbeitsunfähig wurde. Er hatte dann nur in einer sogenannten stillgelegten Versicherung das sogenannte Deckungskapital, das. in dem Moment vorhanden war, in dem er auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit ,die Beitragszahlung einstellen mußte.
Nun haben die Handwerker aus sich selbst heraus bis heute noch keine einheitliche Stellungnahme über die Versorgung des Handwerks zuwege gebracht. Das ist auch gar kein Wunder; sie könnten auf Grund ihrer Tätigkeit in ihrem eigenen Betrieb die volle Verantwortung für ihre Zukunft übernehmen. Diese Stellungnahme wurde in der Zeit, als hier die Bundesregierung gebildet wurde, sehr stark in den Vordergrund gerückt. In der Zwischenzeit haben sich aber in den handwerklichen Organisationen und vor allen Dingen in den Kreisen der Handwerker selbst sehr starke geistige Wandlungen vollzogen. Es gibt heute einen sehr großen Prozentsatz von Handwerkern, die sagen: „Eine Lebensversicherung, Hausbesitz oder ein größeres Geschäft ist sehr nett und schön und könnte mir eine Sicherung geben; was geschieht aber in dem Moment, in dem ich durch die wirtschaftlichen Verhältnisse einmal zahlungsunfähig werde? Dann stehe ich vor einem restlosen Nichts, und meine Familie auch." Genau so steht es, wenn man den Handwerkern die Fragen vorlegt: „Was geschieht mit dir, wenn du dich jetzt auf Grund der Ausweitung deines Geschäfts sehr stark finanziell engagiert hast und du krank und auf Grund deiner Krankheit nachher invalide oder, wie es in der Angestelltenversicherung heißt, berufsunfähig wirst? Dann stehst du doch auch vor dem Nichts!" Daher kommt es, daß sich heute in den Gesprächen mit den Handwerkern die Wandlungen klar zeigen.
Alle diese Probleme müssen selbstverständlich erörtert werden, wenn man ein Gesetz zur Sicherstellung der Handwerker für das Alter behandelt. Wir haben in meinem Ministerium diese Erörterungen mit den Organisationen der Handwerker, mit den zuständigen Ressorts der anderen Ministerien und mit allen, die es gut mit dem Handwerk meinen, auch mit politischen Persönlichkeiten geführt und sind auf Grund dieser Besprechungen zu dem Abschluß einer Gesetzesvorlage gekommen. Dieses Gesetz ist in der vergangenen Woche mit meiner Unterschrift ans Kabinett gegangen. Ich nehme an, daß es innerhalb der nächsten 14 Tage im Kabinett verabschiedet und dann den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet wird. Seien wir uns aber völlig klar darüber, daß die Behandlung dieses Gesetzes hier in diesem Hohen Hause noch einige Kopfschmerzen machen wird. Die Damen und Herren, die sich in den zuständigen Ausschüssen mit den Dingen beschäftigen müssen,
werden noch sehr schwierige Probleme zu behandeln haben, ehe das Gesetz endgültig verabschiedet werden kann. Ich glaube, es wäre unzweckmäßig, wenn ich jetzt in eine besondere Aussprache über den Inhalt des Gesetzes einträte, weil dieses Gesetz nach seiner Einbringung, spätestens in vier oder fünf Wochen, hier in seinem gesamten Umfange sowieso behandelt werden muß.