Die Anfrage ist damit beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine Besprechung der Interpellation gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Infolgedessen ist der Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen zur Beratung der Punkte 1, 3 und folgende. Nun war vorhin die Geschäftsordnungsdebatte. Inzwischen ist mir mitgeteilt worden, daß zwischen den großen Fraktionen eine Vereinbarung getroffen ist, die Debatte folgendermaßen aufzugliedern: zunächst die Punkte 1 und 3 zusammen zu besprechen, dann wieder zusammen die Punkte 6, 9 und 10, die Punkte 8 und 11 und 5 und 7 und zuletzt den Punkt 4, so daß wir also die Debatte in fünf Abschnitten führen könnten. Ich nehme an, daß, nachdem die entsprechenden Vereinbarungen getroffen sind, das Haus dieser Regelung zustimmt.
— Nein, es bleibt dann bei der festgesetzten Redezeit. Es ist Sache des Hauses und der Sprecher, sich bei der Beratung der einzelnen Punkte innerhalb der Redezeit entsprechend zu verhalten. Wir können das alles doch nicht bis ins Detail regeln. Ich glaube, wir können so verfahren.
Dann kann ich also zunächst den Punkt 1 der Tagesordnung aufrufen:
Beratung der großen Anfrage der Fraktion
der CDU/CSU betreffend Altersversorgung
des Handwerks .
Gleichzeitig rufe ich Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der Föderalistischen Union betreffend Vorlage eines Änderungsgesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk (Nr. 3106 der Drucksachen).
Wer begründet?
— Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat Herr Abgeordneter Becker.
Becker (CDU), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn heute in diesem Hohen Hause gewissermaßen der Tag des deutschen Handwerks stattfindet, dann ist es erklärlich, daß ein so wichtiger Punkt in der Handwerkspolitik wie die Altersversorgung hier mit behandelt werden muß. Durch die große Anfrage meiner Fraktion in Drucksache Nr. 3129 soll die als dringend erforderlich angesehene beschleunigte Reform des Gesetzes über die Altersversorgung des deutschen Handwerks vom 21. Dezember 1938 angestrebt werden.
Es vergeht kaum eine Zusammenkunft oder eine Versammlung der Handwerker, wo nicht das Kapitel Altersversorgung Gegenstand der Behandlung, aber auch Gegenstand der Kritik ist und Änderungen dieses Gesetzes immer wieder gefordert werden. Ich darf daran erinnern, daß schon am 20. Juli 1949 der bizonale Wirtschaftsrat die damalige Verwaltung für Arbeit durch einstimmigen Beschluß aufgefordert hat, ein Reformgesetz zur Altersversorgung vorzulegen. Ich darf Ihnen diesen einstimmigen Beschluß einmal bekanntgeben. Er lautet:
In Anpassung an die wirtschaftliche und soziale Lage des selbständigen Handwerks und im Hinblick auf eine freiheitliche Entwicklung in allen Lebensbereichen muß auch der Zwang bei der Altersversorgung des Handwerks wesentlich gelockert werden.
Ich möchte feststellen, daß diese damalige Begründung des bizonalen Wirtschaftsrats wirklich sehr gut war.
Auch der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 17. Januar 1951 folgenden einstimmigen Beschluß gefaßt:
Die Bundesregierung wird ersucht, spätestens bis zum 31. März 1951 im Sinne einer weitgehenden Auflockerung der Versicherungspflicht einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk vom 21. Dezember 1938 vorzulegen.
Meine Damen und Herren! Die Tendenz des Gesetzes vom 21. Dezember 1938, nämlich die Sicherung der Altersversorgung auch für die Angehörigen des Handwerks, wird von der übergroßen Mehrheit des Handwerks anerkannt, doch glauben wir sagen zu müssen, daß dieses Gesetz zu schematisch ist und auf die Verschiedenheiten innerhalb des Handwerks sowie auf die besondere Struktur des Handwerks nicht die genügende Rücksicht nimmt. Hunderttausende von Handwerkern haben es 1938 begrüßt, daß sie an die Sozialversicherung angeschlossen wurden und so wenigstens eine kleine Sicherung für ihre alten Tage haben. Viele hatten durch die Inflation ihr Vermögen verloren, das ihre Altersversorgung sicherstellen sollte. Ich möchte aber auch ausdrücklich betonen, daß ebenso viele Handwerksmeister — das liegt in der Struktur des Handwerks begründet — von jeher auf andere Art für ihr Alter vorgesorgt haben, und zwar durch Eigentumsbildung. Diese Möglich-
keit sollte man ihnen dadurch wiedergeben, daß man die Handwerker, die über Eigentum von einem gewissen Wert verfügen — über die Summe selbst kann man verschiedener Meinung sein; aber darüber kann man sich verständigen —, von der Versicherungspflicht freistellt. Ich darf beispielsweise darauf hinweisen, daß wir immerhin auf dem Lande etwa 120 000 selbständige Handwerksbetriebe haben, deren Inhaber neben ihrem Handwerk mehr oder weniger auch noch etwas Landwirtschaft betreiben, also Grundbesitz und außerdem noch Hausbesitz haben. Ich glaube, daß hier schon eine annehmbare Altersversorgung vorliegt. Genau so gibt es aber auch in den Städten manche Handwerksmeister, die altrenommierte Geschäfte und dazu entsprechenden Haus- und Grundbesitz haben, so daß hier ebenfalls eine entsprechende Altersversorgung gewährleistet sein dürfte.
Man sollte auch überlegen, ob man Handwerkern, die zur Erlangung von Eigentum gewisse Verpflichtungen eingehen, z. B. bei einer Bausparkasse mit Versicherungsablösung die dort gezahlten Beiträge anrechnen könnte. Eine doppelte Bezahlung von Beiträgen zur Bausparkasse und zur Angestelltenversicherung ist den jungen selbständigen Handwerkern meistens nur sehr schwer möglich. Wir sind der Meinung, daß der Erwerb von Eigentum in Verbindung mit einem Beruf immer noch die beste Sicherung für das Alter ist, und wir sollten froh sein, daß es noch viele Menschen gibt, die in eigener Verantwortung für ihre alten Tage vorsorgen und nicht auf die Hilfe und Fürsorge des Staates und seiner Einrichtungen angewiesen sein wollen.
Diese Menschen aus der gesetzlichen Haftung zu entlassen, sollte auch unser Anliegen sein; denn dadurch erziehen wir freie, verantwortungsvolle Bürger, was wiederum nur zum Vorteil des Staates sein kann.
Eine gewisse Ungerechtigkeit sehen wir für diejenigen Handwerker, die etwa ein größeres Geschäft haben und dementsprechend auch höher dotiertes leitendes Personal beschäftigen. Diese Angestellten sind versicherungsfrei, wenn sie ein Einkommen haben, das über die Freigrenze hinausgeht, während der Handwerksmeister unbeschadet seines persönlichen Einkommens versicherungspflichtig ist. Dadurch werden Handwerker mit einem großen Geschäft allzuleicht verleitet, der handwerklichen Organisation mit ihrem Versicherungszwang den Rücken zu kehren und sich der Organisation der Industrie anzuschließen, bei der dieser Zwang zur Versicherung nicht besteht. Wir legen nun einmal Wert darauf, daß alle Handwerksbetriebe auch organisatorisch bei uns sind.
In dem erwarteten Gesetz müßten unseres Erachtens auch zugunsten derjenigen Handwerker, die in den letzten Jahren aus den verschiedensten Gründen mit ihrer Versicherung in Schwierigkeiten geraten sind, großzügige Übergangsbestimmungen eingebaut werden. Wir sind ferner der Meinung, daß in diesem Gesetz die Invalidenversicherung ruhig mit eingeschaltet werden könnte und daß man dem Handwerker die Wahlfreiheit läßt, insbesondere dann, wenn er schon vorher als Lehrling oder Geselle jahrelang invalidenversicherungspflichtig gewesen ist und hier vielleicht schon die Anwartschaft erworben hat. Die Auflockerungsbestimmungen halten wir auch deshalb für notwendig, um die Strömungen im Handwerk, welche die völlige Abschaffung des Altersversorgungsgesetzes verlangen, nicht noch stärker werden zu lassen. Ein spezielles Handwerkergesetz aber, das von der Mehrheit des Handwerks abgelehnt werden würde, wäre nach unserer Ansicht psychologisch ein Fehlschlag.
In diesem Zusammenhang darf ich noch auf einen Übelstand hinweisen, der in weiten Kreisen des Handwerks viel Unwillen erregt. Ich spreche von denjenigen, die seinerzeit auf Grund des Gesetzes über die Altersversorgung des Handwerks vom Jahre 1938 eine Lebensversicherung von wenigstens 5000 RM abgeschlossen haben. Die Auswertung der Handwerkszählung 1949 hat ergeben, daß etwa 350 000 Handwerker auf Grund des genannten Gesetzes damals eine Lebensversicherung abgeschlossen haben und nun, durch die Maßnahmen der Währungsreform geschädigt, mit Sorge an ihr Alter denken müssen. Viele von ihnen werden der Fürsorge anheimfallen, obwohl sie seinerzeit dem Gesetz Genüge getan haben. Wir hoffen aber, daß — wenn auch nicht im Rahmen dieses Gesetzes — doch baldigst auch in dieser Hinsicht von seiten der Regierung Maßnahmen erwogen und in die Tat umgesetzt werden, damit diesem Geschädigtenkreis, der unverdient in Not gerät, geholfen werden kann.
Weitere Einzelheiten zu dem Gesetz können noch behandelt werden, wenn das Gesetz erst einmal vorliegt. Uns geht es heute in erster Linie darum, wann das Gesetz hier vorgelegt wird. Wir hörten, es sei nächstens fertig und könne dann dem Hause vorgelegt werden. Wir haben deshalb die Hoffnung, daß uns die Regierung heute eine befriedigende Antwort geben kann, und zwar sowohl in bezug auf die zeitliche Vorlage des Gesetzes als auch auf eine weitgehende Auflockerung der Versicherungspflicht in der Handwerker-Altersversorgung.