Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schäffer bedauert es ganz besonders, infolge der sich in diesen Tagen drängenden Verhandlungen über den Generalvertrag und die Annexverträge zu dieser Großen Anfrage nicht persönlich Stellung nehmen zu können. Sie wissen, wie sehr ihm gerade die Fragen des Mittelstands ans Herz gewachsen sind.
— Meine Damen und Herren, das werde ich Ihnen nicht zu widerlegen brauchen.
Herrn Minister Schäffer sind die Fragen des Mittelstands ans Herz gewachsen; das ist noch niemals ernsthaft und mit tatsächlichen Argumenten bestritten worden.
Ich komme zur Beantwortung von Punkt 1 der Großen Anfrage, Steuervereinfachung. Die Bundesregierung erstrebt schon seit längerer Zeit eine gründliche Vereinfachung des Steuerwesens, insbesondere auf dem Gebiet der Einkommensteuer. In wichtigen Punkten ist eine Vereinfachung schon durch das Einkommen- und Körperschaftsteuer-
änderungsgesetz vom Juni 1951 herbeigeführt worden. Aber ich darf hier gleich auf einen Punkt hinweisen, der bei den Wünschen auf Vereinfachung sehr wohl im Auge behalten werden muß. In diesem Gesetz vom Juni 1951 sind bei Ermittlung des gewerblichen Gewinns die §§ 7 a, 7 e und 10 a in Fortfall gekommen. Ich bitte daraus zu entnehmen: wenn die Steuergesetze so kompliziert sind, wie sie leider geworden sind, dann ist das nicht im Interesse der Finanzverwaltung geschehen, sondern diese komplizierten Vorschriften — die zum Teil eingeschaltet worden sind, wie sich schon aus der Paragraphenbezeichnung mit den kleinen Buchstaben ergibt — sind gerade im Interesse der Wirtschaft erlassen worden. Sie sind zu einer Zeit geschaffen worden, als uns durch die Militärregierungen die notwendigen Tarifsenkungen nicht ermöglicht wurden, und sie sind neben der großen Tarifsenkung vom April 1950 bestehen geblieben auf Wunsch und im Interesse der Wirtschaft, nämlich zum Wiederaufbau und zum Ausbau der Betriebe.
Der Wegfall der eben von mir genannten Paragraphen hat natürlich auch eine Einschränkung dieser wirtschaftlichen Erleichterungen zur Folge gehabt. Die Frage ist also etwas zweischneidig. Ist es wirklich richtig, immer nur im Interesse der Vereinfachung Erleichterungen in Wegfall kommen zu lassen? Ich will nicht bestreiten, daß es auch Vereinfachungen gibt, die nicht mit dem Wegfall von Erleichterungen verbunden sind; über diese Erleichterungen werden Sie und wir uns sehr leicht verständigen können. Ich möchte aber doch ein wenig davor warnen, den Ruf nach der Vereinfachung so stark in den Vordergrund zu stellen, wenn mit der Vereinfachung unmittelbar ein Wegfall von wirtschaftlich wichtigen, man kann in vielen Fällen vielleicht sogar sagen, von wirtschaftlich, für den Wiederaufbau und für den Ausbau notwendigen Erleichterungsvorschriften verbunden wäre. Das würde z. B. auch für gewisse Maßnahmen zur Förderung des Kapitalmarktes gelten, die bekanntlich zur Zeit erwogen werden und sich noch in einem Vorbereitungsstadium befinden. Wenn daher die Förderung und Belebung des Kapitalmarkts durch Gesetzgebung auf dem Gebiete des Steuerrechts notwendig wird, wenn steuerliche Vorschriften für dieses wirtschaftliche Problem erforderlich werden, dann wird das bestimmt keine Vereinfachung des Steuerrechts sein, sondern es werden neue und wahrscheinlich ziemlich komplizierte Vorschriften auf dem Gebiet des Steuerrechts nötig werden. Ich glaube aber, man wird das in Kauf nehmen müssen. wenn man im Interesse des Wohnungsbaues und im Interesse der Förderung und des Wiederaufbaus der Wirtschaft solche Maßnahmen auf dem Kapitalmarkt für notwendig hält. Ich wollte das doch nebenbei bemerken.
Die Frage der Vereinfachung des Steuerwesens für den Steuerpflichtigen wie für die Verwaltung spielt auch bei den Vorbereitungsarbeiten für eine grundlegende Reform des Steuerrechts eine große Rolle, mit denen wir ja nun schon seit längerer Zeit befaßt sind. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums wird voraussichtlich Ende April sein Gutachten zur Steuerreform fertigstellen. Der Herr Antragsteller hat eben erklärt, es sei erwünscht, daß auch Sachverständige aus den Kreisen des Mittelstandes daran mitarbeiteten. Dieser Wissenschaftliche Beirat ist, wie sein Name sagt, in erster Linie ein Beirat von Wissenschaft-
lern. Aber es ist selbstverständlich, daß das Bundesfinanzministerium für seine Entwürfe nicht nui die Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats zugrunde legen wird. Daneben werden Verhandlungen 'des Bundesfinanzministeriums mit den Finanzministern der Länder und den Vertretern der Wirtschaft, sowohl den Spitzenverbänden der Wirtschaft wie mit den Gewerkschaften, eingeleitet werden. Hierbei wird selbstverständlich auch der Mittelstand gebührend zu Worte kommen.
Ich muß betonen: ob es möglich sein wird, eine grundlegende und das Steuersystem ändernde Reform schon in diesem Jahre, also mit Wirkung ab 1. Januar 1953, vorzunehmen, ist allerdings sehr zweifelhaft. Zunächst muß einmal das Lastenausgleichsgesetz verabschiedet und in Kraft gesetzt sein. Dann ist entweder das Gesetz nach Art. 107 des Grundgesetzes zu verabschieden, oder man hat sich darüber zu verständigen, daß der im Grundgesetz festgesetzte Termin vom 31. Dezember 1952 verlängert wird. Zunächst muß also Klarheit darüber bestehen, in welchem Sinne die Verteilung der Steuerquellen zwischen den Ländern und dem Bunde vor sich gehen wird. Die Verteilung der Steuerquellen setzt eine Verteilung der Aufgaben zwischen Ländern und Bund voraus. Erst wenn man sich über die Aufgabenverteilung klar ist, kann man sich über die Ausgabenverteilung und dann über die steuerlichen Einnahmen klar werden. Also auch über diese Aufgabenverteilung zwischen den Ländern und dem Bund muß Klarheit geschaffen werden, ehe man an eine Steuerreform herangeht, die, wie man im Jahre 1925 gesagt hat, wenigstens einen Anspruch auf relativen Ewigkeitswert erheben könnte.
Zu einer Steuerreform gehört ferner auch ein gewisser Manövrierfonds. Man muß einige hundert Millionen D-Mark haben, die man riskieren kann. Denn bei einer umfangreichen neuen Steuergesetzgebung kann niemand sagen, ob sich nachher nicht ein Minus von einigen hundert Millionen D-Mark ergeben wird. Die Steuerreform hat ja nicht den Sinn, ein höheres Steueraufkommen zu schaffen, sondern man wird draußen wohl hoffen und mit dem Begriff der Steuerreform die Idee verbinden, daß steuerliche Erleichterungen, daß Herabsetzungen der Steuerlast möglich sein werden. Aber selbst wenn das nicht das unmittelbare Ziel ist, sondern man in erster Linie eine Vereinfachung und Klärung der Steuergesetze erreichen will, muß man einen gewissen Spielraum haben, innerhalb dessen man arbeiten kann; sonst sind die Risiken zu groß. Ich habe nicht den Eindruck. daß der Bundeshaushalt im Jahre 1952 den Spielraum für eine solche Reformgesetzgebung enthält.
Das bedeutet nun nicht, daß nicht im Jahre 1952 schon eine Reihe von Maßnahmen in Angriff genommen werden sollten. Es liegt Ihnen ein Gesetzentwurf vor, nach dem für Kapitalansammlungsverträge die Weitergeltung auf 3 Jahre beabsichtigt ist. Außerdem arbeiten wir - ich habe das eben schon angedeutet — zur Zeit an einem Gesetzentwurf — und ich hoffe, daß er bald fertiggestellt werden kann —, der endlich die Grundlage für einen funktionierenden Kapitalmarkt schaffen soll. Allerdings werden wir dabei ohne gewisse neue Vorschriften auch auf dem Gebiete des Steuerrechts nicht auskommen können.
Der Herr Antragsteller hat soeben eine Beschleunigung der Veranlagung gewünscht. Dabei komme ich auf einen weiteren wichtigen Punkt, der in der Öffentlichkeit manchmal übersehen wird.
Wir haben nicht eine Steuerverwaltung, sondern wir haben zwölf Steuerverwaltungen.
Wir haben eine des Bundes, die aber nur die Zölle, die Verbrauchsteuern und dann von den übrigen Steuern die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer erfaßt, wobei die Beamten der Finanzämter, die die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer bearbeiten, keine Bundesbeamten sind. Alle übrigen Steuern werden durch die Länder verwaltet, also durch elf Verwaltungen der Finanzminister der Länder. Es ist also Sache dieser elf Länderverwaltungen, daß sie in genügendem Maße die Beamten zur Verfügung stellen, die notwendigen Stellenpläne schaffen und die Ausbildung der Beamten vornehmen, damit entsprechend den Wünschen des Antragstellers, für die wir durchaus Verständnis haben, der Abgabe der Erklärungen sobald wie möglich die Veranlagung und, wenn nötig, auch eine Prüfung folgen kann.
Wenn vorhin etwas über Verwerfung der Buchführung und überhaupt über die Handhabung und Durchführung der Steuergesetze gesagt wurde, dann darf ich darauf hinweisen, daß die Durchführung der Einkommensteuer, der Vermögensteuer usw. allein Sache der Finanzminister der Länder 'ist und daß der Bundesfinanzminister in dieser Hinsicht keinerlei Anweisungs- oder Eingriffsrecht hat. Wir werden selbstverständlich auch diese Ihre Anregungen mit den Finanzministern der Länder in unseren laufenden Beratungen besprechen.
Ich komme zu Punkt 2 der Großen Anfrage. Wir haben bereits im April 1950 bei der großen Tarifsenkung — die nach unserer Ansicht nur ein erster Schritt zu einer Gesundung der Steuertarife sein sollte, dem dann leider bisher weitere derartige Schritte nicht folgen konnten — gerade auch für die kleineren und mittleren Einkommen erhebliche Steuersenkungen erzielt. Wir sind darüber hinaus der Ansicht, daß es in vielen Fällen wohl zweckmäßig sein kann, durch eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen eine zusätzliche Erleichterung in der praktischen Handhabung der Steuergesetze für Kleingewerbetreibende und Handwerker zu erreichen. Was die Buchführung betrifft, so ist es nicht nur vom Standpunkt der Steuerverwaltung erwünscht, daß auch kleinere Gewerbetreibende sich entschließen, ordnungsmäßig Buch zu führen; es ist auch für diese selbst im Grunde richtiger, durch ihre Buchführung eine Übersicht über ihren Betrieb und ihren Betriebserfolg zu haben. Sie sind dann auch gegenüber ihren Konkurrenten, die eine ordnungsmäßige Buchführung und damit einen guten Überblick über den Betrieb haben, in einer leichteren Lage und lassen sich nicht so leicht von vorübergehenden höheren Einnahmen täuschen, denen in Wirklichkeit vielleicht ein Substanzverlust gegenübersteht. Wir glauben also, daß es gerade das eigene Interesse dieser Wirtschaftskreise sein sollte, sich nicht so stark gegen eine Buchführung zu wenden; wir sind aber bereit, die Frage der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zu prüfen und darüber zu verhandeln.
Dann ist die Frage der sogenannten Haushaltsbesteuerung, also der Zusammenveranlagung von Ehemann und Ehefrau angeschnitten worden. Es liegt hier ein Beschluß des Vermittlungsausschusses vom 20. Juni 1951 vor. Wir bereiten gesetzliche Vorschriften dazu vor und werden sie in Kürze dem Bundestag vorlegen. Eng im Zusammenhang damit steht der Vorschlag, die mitarbeitende Ehefrau allgemein durch einen besonderen Freibetrag zu begünstigen. Wir glauben jedoch, daß diese Frage erst im Zusammenhang mit der großen Steuerreform behandelt werden kann.
Dann ist die Frage aufgeworfen worden, ob eine völlige Änderung des Umsatzsteuersystems am Platze ist. Zu der großen Frage eines Systemwechsels bei der Umsatzsteuer möchte ich in dem vorliegenden Zusammenhange nicht sprechen, weil der Mittelstand dadurch kaum berührt werden würde. Ich habe aber auch Bedenken, ob man nicht durch einen gestaffelten Steuersatz in die Umsatzsteuer, die schon lange nicht mehr die einfache Steuer von früher ist, eine noch größere Komplikation hineinbringen würde.
Ein Vorwurf, der bei dem geltenden Umsatzsteuersatz von 4 % immer wieder gemacht wird, ist der, daß Unternehmen, die mehrere Betriebsstufen vertikal miteinander vereinigen, günstiger als die einstufigen Unternehmen gestellt sind, die in großer Zahl dem gewerblichen Mittelstand angehören. Um diesen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den einstufigen Unternehmen auszugleichen, hat die Bundesregierung auf Grund einer Initiative aus dem Finanz- und Steuerausschuß des Hohen Hauses und nach dessen Anhörung in den Durchführungsbestimmungen vom 29. Juni 1951 eine sogenannte Zusatzsteuer für diejenigen Unternehmer eingeführt, die die Erzeugungsstufe und die Einzelhandelsstufe in ihren Unternehmen vereinigen. Die Handwerker sollten dieser Zusatzsteuer nicht unterworfen werden. Es waren daher von ihr Unternehmer befreit, die nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen oder keinen höheren Gesamtumsatz als 240 000 DM gehabt haben. Es ist zuzugeben, daß die Durchführungsverordnung eine Reihe von Unebenheiten enthält, die bei ihrer Einführung nicht beabsichtigt waren und die sich gerade in den Kreisen des Mittelstandes in dieser nicht beabsichtigten Weise ausgewirkt haben. Das Bundesfinanzministerium hat daher der Bundesregierung den Entwurf einer dritten Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuerdurchführungsbestimmungen vorgelegt, der Vereinfachungen der Zusatzsteuer und weitere Befreiungen zugunsten der mittelständischen Unternehmer enthält. Die Zusatzsteuer soll nicht mehr angewendet werden bei Unternehmen, die nicht mehr als 20 Arbeitnehmer — statt bisher 10 — beschäftigen oder deren Gesamtumsatz 360 000 DM — statt bisher 240 000 DM — im Jahr nicht überschritten hat. Weiter wird eine Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen nicht mehr als Herstellung angesehen, wenn die Kosten dieser Be- oder Verarbeitung — ohne Berücksichtigung der anteiligen Gemeinkosten — nicht mehr als 15 Vo des Verkaufspreises betragen. Das wird zur Folge haben, daß das Handwerk von der Zusatzsteuer so gut wie gar nicht mehr betroffen werden wird, und auch im Einzelhandel werden die dort üblichen Be- und Verarbeitungen befreit sein. Entsprechend der damaligen Zusage der Bundesregierung wird der Verordnungsentwurf noch in dieser Woche im Finanzausschuß des Bundestags zur Erörterung stehen. Wir hoffen, daß nach dieser Beschränkung des Anwendungsgebiets auf die wesentlichen Fälle der fabrikatorischen Verbindung von Herstellung und Einzelhandel die Bundesregierung diese Verordnung zum Schutze der einstufigen mittelständischen Unternehmen zwecks Beseitigung der von mir erwähnten, seinerzeit nicht beabsichtigten Nebenwirkungen in Kraft setzen kann, und zwar mit
Wirkung ab 1. Juli 1951. Wir erwägen auch noch andere Vereinfachungsmaßnahmen zugunsten der mittelständischen Unternehmen, insbesondere für Arbeitsgemeinschaften des Handwerks.
Nun zu Punkt 3 der Drucksache Nr. 3130. Finanzielle Vergünstigungen für 'die Lehrlingsausbildung bestehen bereits. Im Rechnungsjahr 1951 sind zur Schaffung von zusätzlichen Lehr- und Ausbildungsplätzen und für Berglehrlingsheime 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Wir hoffen, daß uns die Haushaltslage erlauben wird, auch im Rechnungsjahr 1952 wieder denselben Betrag von 20 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Das Hohe Haus hat am 23. Januar 1952 mit Drucksache Nr. 2977 die Bundesregierung ersucht, zur Beschaffung von Lehrstellen für Jugendliche — und auch für einige andere Zwecke — zeitlich begrenzte finanzielle Vergünstigungen steuerlicher Art einzuführen. Ich nehme an, daß Punkt 3 der Großen Anfrage dasselbe betrifft, wohl etwas allgemeiner, nämlich nicht nur zusätzliche Stellen, sondern ganz allgemein die Förderung von Lehrstellen. Die Bundesregierung konnte zu dem Beschluß des Hohen Hauses von Ende Januar noch nicht Stellung nehmen und kann auch in diesem Augenblick zu dem genannten Punkt der Anfrage noch nicht endgültig Stellung nehmen. Ich darf wohl unterstellen, daß die Herren Antragsteller damit einverstanden sind, daß das Gesamtproblem dem zuständigen Ausschuß überwiesen wird. Dort wird sich ja stärker, als es hier in der Plenardebatte der Fall sein kann, für Sie und für die Bundesregierung die Möglichkeit ergeben, zu den vielfach angeschnittenen Einzelfragen Stellung zu nehmen. Sie dürfen unseres guten Willens zu einer positiven Mitarbeit gewiß sein.