Rede von
Carl
Wirths
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Ich hätte es lieber gesehen, wenn die Verordnungen im November vorigen Jahres den ungefähren Inhalt der jetzigen Gesetzesvorlage enthalten hätten, oder noch besser, wenn wir damals eine Gesetzesvorlage bekommen hätten.
Wir hätten dann sicher drei Monate Zeit gehabt, das Gesetz zu verabschieden. Jetzt stehen wir vor der Tatsache, daß die Vorlage bis Ende März verabschiedet werden soll. Bei der Überlastung sowohl des 36. Ausschusses wie des Rechtsausschusses wird schon eine ganz intensive Arbeit dazu gehören, bis dahin fertig zu werden. Ich glaube aber nicht, daß das Gesetz bis zum 1. April Gesetzeskraft erlangt haben wird, und die Bundesregierung wird sich überlegen müssen, ob nicht irgend etwas geschehen muß, um das Vakuum, das dann entsteht, zu überbrücken.
Von beiden Seiten sind nun soviele Beispiele genannt worden. Die eine stellten Sie, Herr Jacobi, dar, als Sie die „habgierigen Kapitalisten" auf der Seite der privaten Vermieter kennzeichneten. Ich kann es mir daher nicht verkneifen, gerade Ihnen als Beigeordnetem des Deutschen Städtetages auch einmal eine habgierige Stadtverwaltung vorzuführen, die sogar so weit geht, daß sie von den Mietern gewerblich genutzter städtischer Grundstücke bereits ab 1. Januar 1952 den neuen Mietzins verlangt. Ich habe hier einen Fall: da ist ein Trümmergrundstück; der Mieter hat sich ein kleines Haus hingesetzt, wo er ein kleines Geschäft betreibt und wo er auch wohnt. Bisherige Miete 222 Mark jährlich; . die Stadt verlangt jetzt 600 Mark, eine Steigerung von 240 %. Ich will Ihnen nur noch einen Fall aus derselben Stadt nennen. Ein kleines Grundstück, Größe 48 qm, ist an einen Geschäftsinhaber vermietet, der den Geschäftsbau — ich weiß nicht, ob es sich um ein Provisorium handelt; ich vermute es — selber errichtet hat; vermietet zum Mietpreis von 240 DM. Die wunderbare Begründung, die in allen diesen Kündigungsbriefen
den gleichen Wortlaut hat, heißt: „Der von Ihnen gezahlte Mietzins läßt sich volkswirtschaftlich nicht länger rechtfertigen. Ich bin daher genötigt, den Mietzins ab 1. Januar 1952 zu erhöhen". Und dann erhöht man ihn von 240 auf 1200 DM, das ist eine Steigerung von 400 %.
Ich glaube, Herr Jacobi, Sie hätten gut getan, einmal im Deutschen Städtetag Erhebungen anzustellen, ob nicht diese Auswüchse, die ganz zweifellos da sind, sogar bei den Städten zu verzeichnen sind. Ich will nicht darüber sprechen, ob die leitenden Herren dieser Liegenschaftsverwaltungen nun zu dieser oder jener Seite des Hauses gehören. Das gehört hier nicht her. Ich muß aber leider bekennen, daß es sich um meine eigene Stadt Wuppertal handelt.
— Ich habe das nur erwähnt, weil die Sünder in jedem Lager zu finden sind.
— Herr Renner, passen Sie ja auf; sonst nenne ich Ihnen den Namen des Dezernenten der Liegenschaftsverwaltung!, Das will ich aber jetzt nicht tun.
— Die ist leider nicht gefragt worden. Das ist eine reine Verwaltungsangelegenheit. Das Schlimme ist, daß dieser Dezernent und Leiter der Liegenschaftsverwaltung gar nicht in der Lage gewesen ist, die Verordnungen der Herren Bundesminister zu lesen, sonst wäre er doch sicher nicht auf den Gedanken gekommen, diese Erhöhung rückwirkend ab 1. Januar zu verlangen.
Das sind nun einzelne Fälle. Man hat sich in anderen geeinigt, ab 1. Januar eine um etwa 50 % erhöhte Miete zu zahlen. Das will ich aber nicht alles erwähnen. Ich habe es nur deshalb erwähnt, weil ich glaube: das sind Auswüchse, die bei den Tausenden von gewerblichen Mietverhältnissen wirklich nicht ins Gewicht fallen, die aber eine so schlechte Optik bei der gesamten Bevölkerung erzeugt haben, daß wir es jetzt' außerordentlich schwer haben — und das sage ich als Mann, der durchaus die möglichste Freiheit auch beim Grundeigentum vertritt —, nun eine gerechte Lösung für die Seite der Vermieter zu erreichen. Ich hoffe aber — und da schließe ich mich dem, was Kollege Huth und was Kollege Jacobi gesagt haben, an —, daß wir in den Ausschüssen aus dem Gesetz etwas machen, was möglichst das ganze Haus beschließen kann.