Wir haben uns bereits in einer früheren Sitzung mit den zwei Verordnungen beschäftigt. Bekanntlich hat die Mehrheit des Bundesrats diese Verordnungen für rechtsunwirksam erklärt. Die heutigen Ausführungen des Bundesjustizministers beweisen mir, daß die Bundesregierung nicht gut beraten war, als sie so vorging. Aus seinen letzten Worten sprach die ganze Schwäche und Unsicherheit ihrer Position.
Es ist sehr verwunderlich, von Herrn Ewers zu hören, seine Fraktion oder er hätte nicht gewußt, daß mit ,der Billigung der Verordnungen die Möglichkeit geschaffen worden sei, zum 1. April umfangreiche Kündigungen auszusprechen. Der Herr Abgeordnete Jacobi hat an einer Reihe von Tatsachen gezeigt, wie sich die Verordnungen auswirken. Ich will einige Fälle hinzufügen. Der Herr Abgeordnete Huth hat hier gesagt, er habe sich mit Industrie-und Handelskammern besprochen, und diese hätten ihm mitgeteilt, daß die Auswirkungen dieser Verordnungen sehr geringfügig seien. Aber hören Sie mal jetzt, Herr Abgeordneter Huth, was die Handelskammer von Gelsenkirchen sagt. Sie erklärt, daß im Mittel Mieterhöhungen von mindestens 50 v. H., in den gröbsten Fällen 100 bis 200 % herauskommen.
In dem Bezirk dieser Handelskammer sind Hunderte von Kündigungen ausgesprochen worden. Allein in Köln wurden bisher 600 Geschäftslokale oder gewerbliche Räume zum 31. März gekündigt.
Wie unsozial sich diese Verordnungen auswirken, kann sich nur der vorstellen, der die Lage der kleinen Geschäftsleute und Handwerker, wie etwa der Schuhmacher und Friseure, kennt. Nehmen wir folgendes Beispiel heraus: In Wiesbaden wurde einem 72jährigen Schuhmachermeister, der einen kleinen Laden mit Werkstätte innehat, die Miete von 42 DM auf 120 DM erhöht.
Es wurde ihm mitgeteilt: „Wenn Sie bis zum 31. Januar keine verbindliche Abmachung bestätigen, so ist am 31. März das Mietverhältnis erloschen. Wir werden mit Ihnen keine weiteren Verhandlungen im Hinblick auf den Mietpreis führen, zumal wir einen neuen Mietreflektanten haben."
Das sind nur Einzelfälle aus der großen Zahl von Kündigungen, die zum 31. März ausgesprochen sind.
Der Bundeswirtschaftsminister hat gesagt, daß sich diese Verordnungen in München, in Bayern, nicht so auswirken. Das steht im Widerspruch mit der Rundfrage, die die „Neue Zeitung" in München veranstaltet hat.
Da wurde festgestellt, daß in Bayern dieselben katastrophalen Fälle vorgekommen sind wie in allen anderen Gegenden Westdeutschlands. So hat z. B. die Fleischerinnung in Wiesbaden, deren Mitgliederzahl zweihundert beträgt, allein zwölf Kündigungen von Fleischerläden und Arbeitsräumen zu verzeichnen.
Weiterhin hat der Bundeswirtschaftsminister gesagt, es könne nicht davon gesprochen werden, daß durch diese Verordnungen und Mieterhöhungen wesentliche Preiserhöhungen eintreten. Er hat versucht, das zu beweisen, indem er sagte, kein Käufer frage danach, ob er im Laden eines Neubaus oder Altbaus kaufe. Mit solchen Redensarten kommt man nicht über die Tatsache hinweg, daß ungeheure Mietpreiserhöhungen eintreten und die kleinen Geschäftsleute unter dem Druck der wirtschaftlichen Konzeption des Herrn Dr. Erhard und der Adenauer-Regierung zwangsläufig versuchen, einen Teil dieser Lasten auf die Verbraucher abzuwälzen.
Man sagt, man müsse den Hausbesitzern helfen. Damit sind wir einverstanden; aber dann muß die ganze Wirtschafts- und sonstige Politik der Bundesregierung geändert werden, denn nur infolge der ungeheuren Steuern und Preiserhöhungen ist eine solche Lage dieser Kreise herbeigeführt worden.
Wir sind der Meinung, daß man diese Verordnungen aufheben muß. Herr Kollege Jacobi, wir haben bereits in einer früheren Sitzung — am 12. Dezember 1951 — den Antrag gestellt, der Bun-
destag solle beschließen, die Verordnungen außer Kraft zu setzen. Ich wundere mich, daß Sie heute den gleichen Antrag einbringen. Das soll aber keineswegs heißen, daß wir Kommunisten Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir werden ihm zustimmen; aber es ist eine Tatsache, daß sich Ihre Fraktion in der damaligen Sitzung bei der Abstimmung über unseren gleichartigen Antrag der Stimme enthalten,
die Mehrheit dieses Hauses ihn sogar abgelehnt hat.
Vor allem Sie, die Abgeordneten aus den bürgerlichen Parteien, die Sie für sich in Anspruch nehmen, daß sie sich für den Mittelstand so stark einsetzen, haben jetzt eine Gelegenheit dazu. Heben Sie diese rechtsunwirksamen und rechtswidrigen Verordnungen der Bundesregierung auf! Schützen Sie den kleinen Hausbesitzer und verhindern Sie, daß die Gesamtkonzeption des Herrn Erhard zum Tragen kommt, die darin besteht: Freie Bahn dem Mietwucher und damit dem rücksichtslosen Vorgehen gegen alle Mieter!