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ID0119303300

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    Deutscher Bundestag — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, cien 14. Februar 1952 8285 193. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. Februar 1952. Geschäftliche Mitteilungen 8286A Änderungen der Tagesordnung 8286B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8286B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Novelle zur Krankenversicherung der Rentner (Nr. 3039 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8286B Erste Beratung des von den Abg. Bausch, Dr. Wuermeling u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot der Spielbanken (Nr. 2996 der Drucksachen) 8286B Frau Dr. Weber (Essen) (CDU), Antragstellerin 8286D Bausch (CDU), Antragsteller . . . 8288A, 8295C, 8296A Bleek, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern 8291A Graf von Spreti (CSU) 8291B Ewers (DP) 8292C Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 8293C Seuffert (SPD) 8293D, 8296A Frau Dr. Mulert (FDP) 8295C Ausschußüberweisung 8296B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Aufhebung_ der Verordnung über Ausnahmen vom Mieterschutz und Vorlage eines Gesetzes zur Regelung von Miet- und Pachtverhältnissen für Geschäftsräume und gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke (Nr. 3044 [neu] der Drucksachen) 8296B Jacobi (SPD), Antragsteller . . . . 8296C, 8302B, 8307D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 8298A, 8305D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8299B Huth (CDU) 8301B Ewers (DP) 8304D Paul (Düsseldorf) (KPD) '8306B Loritz (Fraktionslos) 8307B Lücke (CDU) 8308B Ausschußüberweisung 8308B Zweite und dritte 'Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (Nr. 2573 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (32. Ausschuß) (Nr. 3043 der Drucksachen) 8308C Dr. Hammer (FDP), Berichterstatter 8308C Abstimmungen . . 8310B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung (Nr. 2526 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 3040 der Drucksachen) 8286B, 8310C Schill (CDU), Berichterstatter . . . 8310D Abstimmungen 8311B Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) (Nr. 3072 der Drucksachen) 8311D Dr. Reif (FDP), Antragsteller . . . 8311D Beschlußfassung 8312A Beratung des 'Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abg. Freiherrn von Aretin gemäß Schreiben der Rechtsanwälte Maiborg und von Puttkamer, Bad Münder (Deister), vom 31. Dezember 1951 (Nr. 3092 der Drucksachen) . . . . 8312B Kahn (CSU), Berichterstatter . . . 8312B Beschlußfassung 8312C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 7. Januar 1952 (Nr. 3093 der Drucksachen) 8312C Ewers (DP), Berichterstatter . . . 8312D Beschlußfassung 8313B Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Einrichtung eines Bundesbeirats für das Erziehungs- und Bildungswesen beim Bundesinnenministerium (Nr 3038 der Drucksachen) 8313B Dr. Luchtenberg (FDP), Antragsteller 8313B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 8315D Dr. Kleindinst (CSU) 8316B Dr. Edert (CDU-Gast) 8317B Dr.-Ing. Decker (FU) 8318D Farke (DP) 8319B Hennig (SPD) 8319D Gaul (FDP) 8320D Ausschußüberweisung 8322A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 436) 8322C Beschlußfassung 8322C Beratung der Übersicht Nr. 49 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 439) 8322C Beschlußfassung 8322C Nächste Sitzung 8322C Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Werner Jacobi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Huth hat soeben davon gesprochen, es lohne sich, in alten Blättern oder Verordnungen nachzusehen, alte Protokolle nachzulesen.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Sehr richtig!)

    — Verehrte Kollegin Weber, manchmal lohnt es sich sogar, in neuen Protokollen nachzulesen, und gelegentlich ist es sehr lohnend, einmal ins Volk hineinzuhorchen und aus dem Alltag her abzuspüren, was richtig ist und wie die Dinge aussehen.
    Ich habe mir während der Ausführungen des Herrn Ministers Professor Erhard Gedanken darüber gemacht, ob er denn nun seine Aufgabe nur darin sieht, Dinge zu lesen, die ihm im Ministerium vorgelegt werden, und ob er denn keine Zeit findet, gelegentlich auch einmal in eine Tageszeitung zu schauen. Solche Tageszeitungen sind für den Politiker vielleicht manchmal unangenehme Begleiterscheinungen; er findet darin 'Kritik. Aber ich will Ihnen — ich meine jetzt Herrn Professor Erhard — —

    (Zuruf des Abg. Dr. Dresbach)

    — nein, ich weiß, Herr Kollege Dresbach, Sie lesen nicht nur Zeitungen, sondern Sie schreiben auch für sie, und Sie schreiben sogar recht gut.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Dresbach.)

    Aber ich wollte feststellen, es stände dem Herrn
    Minister gut an, öfter in die Zeitungen zu schauen.
    Es brauchen nicht gerade der SPD nahestehende
    Zeitungen zu sein; so viel verlange ich von den
    Ministern dieser Bundesregierung nicht. Aber ich
    möchte meinen, es wäre ganz gut, wenn sie wenigstens Zeitungen lesen würden, die der CDU nahestehen, darunter z. B. das Organ, das doch nicht
    zuletzt mit einer Unterstützung des Herrn Bundeskanzlers zu rechnen hat und das dessen Politik
    unterstützt. Ich meine die „Kölnische Rundschau",
    und zwar die Ausgabe vom Montag, dem 28. Januar. Herr Kollege Albers; 'Sie sind aus Köln und
    gaben dem Herrn 'Kollegen Huth einen Rat, den
    Sie ihm nicht gegeben hätten, wenn Sie als Kölner
    die „Kölnische Rundschau" gelesen hätten. Der
    Leitartikel, den ich mite Genehmigung des Herrn
    Präsidenten zum Teil verlesen werde, kann besser
    darlegen als Ausführungen von mir, was denn nun
    eigentlich Wirklichkeit im Alltag ist und in welcher
    Weise sich die beiden von mir angegriffenen Verordnungen ausgewirkt haben und auswirken.

    (Abg. Lücke: Darum machen wir das neue Gesetz, Herr Jacobi!)

    — Schauen Sie, Herr Kollege Lücke, da werden Dinge erwähnt, die mit dem neuen Gesetz deshalb nichts zu tun haben können, weil es dieses noch nicht gibt und weil es doch unmöglich ist, sich in der Weise über die Wirkung einer Verordnung ein Bild zu verschaffen und zu ihr Stellung zu nehmen, daß man auf ein neues Gesetz hinweist, das in der Tat nichts anderes ist als eine Korrektur der beiden Verordnungen und das seine Entstehung ja nur der. Tatsache verdankt, daß die Bundesregierung offenbar gemerkt hat, daß sie ein wenig forsch vorgegangen ist.
    Und bitte, um noch einmal auf die Zeitungen zurückzukommen in Verbindung mit den Zitaten, die ich 'Ihnen jetzt bringen werde: I c h habe, verehrter Herr Bundesjustizminister, den Terminus „Nacht- und Nebel-Erlaß" nicht erfunden und von mir aus angewandt, sondern ich habe die „Kölnische Rundschau" zitiert, die in bezug auf diese beiden Verordnungen den Terminus „Nacht- und Nebel-Erlaß" gebraucht.
    Die „Kölnische Rundschau", eine Zeitung, die ich gelegentlich lese und an der ich sehr viel Freude habe

    (Heiterkeit)

    — ja, meine sehr verehrten Damen und Herren,
    das gebe ich ehrlich zu —, hat zu diesen Verordnungen Stellung genommen und eine ganze Reihe
    von Beispielen angeführt, die recht interessant sind
    und die zeigen, von welch katastrophaler Bedeutung die von uns angegriffenen Verordnungen der


    (Jacobi)

    Bundesregierung sind, so daß man nur sagen kann: Es ist merkwürdig, daß sich sogar Kollegen finden, die stolz auf diese Verordnungen zu sein scheinen. Da wird ein Brief vom 13. Dezember, an die Mieterin eines Geschäftsraums gerichtet, zitiert, in dem es heißt:
    Hiermit kündigen wir den Mietvertrag des Ihnen überlassenen Geschäftsraumes zum 1. April 1952. Zugleich teilen wir Ihnen mit, daß der zu bezahlende Mietzins ab 1. Januar 1952 monatlich 450 DM beträgt.
    Nun müssen Sie die Relation kennen. Bis dahin wurden nämlich 48 DM gezahlt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Und es gibt einen Brief, in dem eine vorher noch durch Landgerichtsurteil ab 1. Januar 1952 auf 36,95 DM festgesetzte Miete nunmehr auf 150 DM festgesetzt wird. Wo bleiben da Ihre 5 bis 8 % Differenz, Herr Kollege Huth?

    (Zurufe von der Mitte.)

    Die „Kölnische Rundschau" zitiert noch eine ganze Reihe anderer Beispiele. Ich habe eingehendes Material, eine ganze Mappe, Hunderte von Briefen und Eingaben nicht nur von Mietervereinen; aber ich möchte die Berufung darauf nicht dadurch diskreditieren lassen, daß Sie mir vielleicht unterstellen, das hätte sich ein SPD-Abgeordneter besorgt. Ich berufe mich auf die „Kölnische Rundschau", das reicht mir durchaus aus. Dem Inhaber eines kleinen Einzelhandelsgeschäfts in Rendsburg, der 'seinen Mietvertrag auf zehn Jahre fest abgeschlossen hatte, wurde die Miete für 67 qm Laden und 60 qm Wohnung brieflich von 180 auf 350 DM erhöht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Miete eines 37 qm großen Zigarrengeschäftchens in Wiesbaden stieg von 150 auf 300 DM.

    (Erneute Zurufe links: Hört! Hört!)

    Einem praktischen Arzt in Köln, der durch das Wohnungsamt in seine Räume eingewiesen worden ist, wurde schlicht und formlos zum 1. April 1952 gekündigt. Ein Landwirt in Nordrhein-Westfalen hat einer seit langem dort ansässigen holländischen Blumenfirma das von ihm verpachtete Gelände aufgesagt, obgleich die Holländer erhebliche Investitionen vorgenommen haben, und die neue Pachtsumme statt in deutschem Geld in 100 Doppelzentnern erstklassigem Weizen festgesetzt und darüber hinaus noch die Abwälzung von Soforthilfe und Lastenausgleich verlangt.

    (Lebhafte Zurufe links.)

    Ein deutscher Landwirt! Man kann stolz auf ihn sein, und der Herr Finanzminister wird sich besonders über diesen Herrn und sein Vertrauen in die Beständigkeit der Währung freuen.
    In Düsseldorf hat ein einziger Hausbesitzer in seinen zwei Häusern sieben Ladeninhabern und fünfzehn Mietern gewerblicher Räume gekündigt. In derselben Stadt ist ein einziger Rechtsanwalt mit 75 Fällen untragbarer Mieterhöhungen befaßt, und im Raum Köln sind bis jetzt über 600 Fälle bekannt, wo der Blitz der kleinen Mietreform zerstörend eingegeschlagen hat.
    So die „Kölnische Rundschau". Und da spricht der Herr Wirtschaftsminister davon, von einer grundlegenden Bedeutung auf den Preisstand könne man nicht reden! Da versucht man, diese ganzen Verordnungen zu bagatellisieren! Meine sehr verehr-. ten Damen lind Herren, machen Sie es sich nicht zu
    leicht! 'Glauben 'Sie doch nicht, daß hier nur Mieterschutzvereine und Mietervereine berührt seien. Ich stelle Ihnen aus meinem Material Briefe von Innungen, von Handwerksmeistern, von kleinen Geschäftsinhabern zur Verfügung, obwohl das vermutlich nicht notwendig sein wird; denn Sie haben ja doch alle Kontakt zu Ihrem Wahlkreis, und dort wird es sicher viele, viele Leute geben, die Ihnen in den letzten Wochen vorgetragen haben, was vorgeht und in welchem Umfang sie in Anspruch genommen werden.
    Schauen Sie — entschuldigen Sie, die „Kölnische
    Rundschau" braucht nichts dafür zu zahlen, daß sie
    noch einmal zitiert wird —, hier heißt es weiter: Um dem Verdacht zu entgehen, mit einer Handvoll 300- bis 400prozentiger Fälle propagandistische Paradepferde vorgeritten zu ' haben, bleibt nachzutragen, daß die Mietpreiserhöhung im Mittel aller bekanntgewordenen Fälle rund 100 vom Hundert beträgt.
    Und dann wird darauf hingewiesen, daß alle besonderen Aufrufe der Haus- und Grundbesitzervereine an ihre Mitglieder, bei der Erhöhung von Mieten Maß zu halten, ganz offensichtlich — ich zitiere wörtlich —
    auf unfruchtbaren Boden gefallen sind und daß ein großer Teil der Haus- und Grundbesitzer sich nicht von wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen leiten läßt, sondern die vorgesehenen Lockerungen der Mietpreisbildung in krassester Form für sich auszunutzen gedenkt.
    In dieser Zeitung steht dann ein Satz, der ebenfalls recht bedeutungsvoll ist, den ich voll unterstreiche und der erkennen läßt, daß man sich mindestens außerhalb der Bundesregierung Gedanken gemacht hat, dort nämlich, wo die Praxis auf den Nägeln brennt, wo die Leute gelaufen kommen und ihre Sorgen vortragen. Da heißt es, daß, „die Grenzen der Raumwirtschaft weit überstrahlend", hier Maßnahmen vollzogen seien, die „geeignet sind, das ganze Lohn- und Preisgefüge zu erschüttern".

    (Abg. Dr. Arndt: Hört! Hört!)

    Das zu dem, was der Herr Bundeswirtschaftsminister in Anlehnung an die Ausführungen, die ihm seine Referenten zur Verfügung gestellt haben, in dieser Beziehung gesagt hat.
    Ich glaube, man soll die Dinge so ernst sehen, wie
    sie sind. Ich möchte noch ein Wort zitieren. Hier
    heißt es, es müsse gefragt werden, wogegen die
    Kritik zu richten sei, und die Antwort lautet: Nicht gegen die Haus- und Grundbesitzer schlechthin — wie sich vermuten ließe —, sondern gegen den Gesetzgeber. Die Haus- und Grundbesitzer (von einigen krassen Ausnahmen abgesehen) haben sich an den klar zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers gehalten, eine freie Mietpreisbildung durch die „kleine Mietreform" zu ermöglichen, mit anderen Worten, soviel zu nehmen, wie sie bekommen können. Das ist
    — so schreibt die „Kölnische Rundschau" — weder strafbar noch unmoralisch, weil es den natürlichen Gesetzen einer freien Marktwirtschaft entspricht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dann aber wird in Zweifel gezogen, daß auf dem Gebiet der Mietpreisbildung schon ein freier Markt bestehe, und es wird ausgeführt, hier gälten die Gesetze eben nicht und hier müsse eingeschrit-


    (Jacobi)

    ten werden; das sei Aufgabe des Gesetzgebers, eines Gesetzgebers allerdings, der sich darüber klar sein muß, daß man mindestens unterscheiden muß und daß es eine Voraussetzung ist, zwischen Verordnung und Gesetz unterscheiden zu können. Das, was die Bundesregierung in Auflockerung und Ergänzung dieser Verordnung heute vor diesem Hause als bevorstehende Maßnahme angekündigt hat, ist ein Gesetz. Es ist aber nicht damit getan, dieses Gesetz, dessen Inhalt wir noch nicht kennen, abzuwarten, sondern es muß, wie ich soeben schon sagte, die weitgehende Rechtsunsicherheit im Lande behoben werden. Es ist kein Trost, zu wissen, daß sich die Leute in den verschiedensten Kreisen zusammentun, daß Handwerkskammern und auch Industrie- und Handelskammern ihre Schiedsstellen einsetzen. Niemand draußen weiß mehr aus noch ein, und ich muß dem Herrn Bundesjustizminister sagen: Es ist sein gutes Recht, es ist auch nicht verwunderlich, daß er die Politik seines Ministeriums verteidigt, und er mag den Standpunkt einnehmen, daß alle Rechtsbedenken, die gegen die Verordnungen geltend gemacht worden sind, unbegründet seien. Aber man sollte in diesen Dingen doch sehr vorsichtig sein.

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Es sind Irrtümer möglich, auch bei einem Justizminister, auch bei einem Justizministerium, und es ist nicht so, wie der Herr Kollege Huth behauptet, daß diejenigen, die gegen die Rechtswirksamkeit der Verordnung im Bundesrat opponierten, nur die Politiker gewesen seien. Der Rechts- und Verfassungsausschuß des Bundesrats dürfte aus Juristen bestehen, und diese haben — ich stelle jedem die Protokolle darüber zur Verfügung — mit einer außerordentlichen Gründlichkeit die Fragen untersucht, zu denen Stellung zu nehmen war. Nachdem das Plenum des Bundesrats gegen die Stimmen lediglich der Länder Baden und Rheinland-Pfalz die Vorlage des Rechts- und Verfassungsausschusses angenommen hat, sich also auf den Standpunkt gestellt hat, daß die Verordnungen der Rechtswirksamkeit entbehren, glaube ich nicht, daß der Herr Bundesjustizminister erklären will, sämtliche Herren des Bundesrats und insbesondere seine Fachkollegen, die Mitglieder des Rechts- und Verfassungsausschusses, seien aus politischer Frivolität zu ihrer Auffassung gekommen. Hier stehen sich die Auffassungen gegenüber, und es ist die Aufgabe der Gerichte, Herr Justizminister, zu untersuchen, wer recht hat. Hier ist dem unabhängigen Richter, hier ist dem Amtsrichter an jedem Orte die Aufgabe zugewiesen, zu untersuchen, ob diese beiden Verordnungen Rechtens sind und ob sie angewandt werden können. Das geschieht nun heute im Lande. Aber damit ist die Rechtsunsicherheit nicht behoben, und um die allein geht es uns zunächst mit unserm Antrag.
    Herr Kollege Huth hat, ich weiß nicht, gegen wen, opponiert. Unsere Ausführungen hat er nicht berührt, indem er das Klagelied des Haus- und Grundbesitzes gesungen hat. Wir haben über den Haus- und Grundbesitz in diesem Zusammenhang kein Wort gesagt, weder am 12. Dezember noch heute. Wir haben schon am 12. Dezember dargetan, daß sämtliche Fragen der Mietanhebung, und was mit ihnen zusammenhängt, einer sehr ernsthaften Untersuchung bedürften, und wir haben uns angeboten, an dieser sachlichen Untersuchung teilzunehmen. Ganz bewußt haben wir zu den materiellen Fragen kein Wort gesagt; deshalb braucht man nach dieser Richtung hin gegen uns nicht zu opponieren. Was wir anstreben, ist ja gerade die sachliche Diskussion, ist die Untersuchung, was auf diesem umstrittenen Gebiet wirtschaftspolitisch und sozialpolitisch ausgeglichen werden kann. Da haben wir keine Haltung, die von vornherein j a oder nein zu diesem oder jenem sagt. Aber um das zu ermöglichen, muß man Gelegenheit zur Beratung haben. Diese wollen wir mit unserem Antrag eröffnen, und wir bitten Sie, Ihre Stellungnahme doch noch einmal zu überprüfen und es sich nicht so leicht zu machen. Dabei werden Sie doch nichts anderes tun, als mitzuwirken und dem Zustand der Unsicherheit, der Bedrängnis und der Not, die besteht, ein wenig abzuhelfen. Denn man vergesse eines nicht: Mietverhältnisse sind nicht nur Rechtsverhältnisse. Mancher Ostvertriebene, mancher Gewerbetreibende, der nunmehr in Not kommt, weil die Miete erhöht wird, kann nicht dadurch ausweichen, daß er sich eine andere Bleibe sucht. Er ist an das Stück Raum, das er jetzt hat, gefesselt und gekettet, und er kann sehr leicht in Schwierigkeiten geraten.
    Daß im übrigen Erhöhungen von Geschäftsraummieten alsbald auf den letzten Käufer abgewälzt werden würden, ist ebenfalls eine Binsenwahrheit. Wir sind bereit, über alle diese Dinge mit Ihnen sachlich zu diskutieren. Das kann aber nur im Ausschuß geschehen. Deshalb bitten wir Sie, unsere Anträge nicht abzulehnen, sondern ihnen zuzustimmen. Desto schneller kommen wir zu einer Lösung, desto rascher treten Sicherheit und Ruhe im Lande ein. Sonst wird das geschehen, was — um zum letztenmal die „Kölnische Rundschau" zu zitieren — in der Nummer vom 28. Januar zum Ausdruck gebracht wird: Moral und Recht werden in einen unlösbaren Konflikt gebracht. Helfen Sie mit, daß dies nicht geschieht!

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Welcher Ausschuß?)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Ewers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der beiden Verordnungen, die durch den Antrag der SPD angeschnitten ist, hat unsere Fraktion vor eine sehr ernste Entscheidung gestellt. Ich möchte vorausschicken, es unterliegt keinem Zweifel, daß das Mietrecht bisher von dem angestrebten Fernziel einer freien Marktwirtschaft weit entfernt ist, daß die Preisbindung der Miete an alte Gesetze dazu geführt hat, daß der Grundeigentümer mehr und mehr zum Steuereinnehmer wurde und daß die Mieter zum Teil von dem Kapital ihres Vermieters zehrten. Daher ist von vielen Seiten, auch hier im Hause, eine Auflockerung der Zwangswirtschaft seit Jahr und Tag gewünscht oder gar gefordert worden. Das alles ist durchaus unstreitig.
    Daß man aber dann das Entsprechende durch eine Verordnung durchgeführt hat, zu der man sich ermächtigt geglaubt hat — ich weiß es nicht, vielleicht auch ermächtigt war —, ich sage es offen, hat auch meine Fraktion überrascht. Denn immerhin handelt es sich bei der Aufhebung des Mieterschutzgesetzes für die Raumbewirtschaftung doch um einen sehr tiefen Eingriff in unser gesamtes Rechtssystem. Schließlich sind es nicht nur einige Ladenbesitzer, es ist der gesamte Stand der freien Berufe, der auf solche Raumbewirtschaftung angewiesen ist. Daß es den Ärzten und den Anwälten in verschiedenen Bezirken sehr schlecht geht und


    (Ewers)

    sie, wenn sie vor solchen Mietforderungen stehen, die Herr Kollege Jacobi hier vorgelesen hat, ihre Bude dicht machen können, darüber sollte man sich in allen Ministerien klar sein. Es handelt sich also hier um den Mittelstand des Grundbesitzes, dem geholfen werden soll, und die weitesten Schichten des gesamten Mittelstandes, die auf der anderen Seite dem Grundbesitzer durch höhere Mieten helfen sollen. Daß das nun durch die Verordnung so geschehen ist, daß das heute schwarz, morgen weiß gemacht wird, indem man von einer völlig gebundenen — rechtlich und preiswirtschaftlich gebundenen — Wirtschaft plötzlich zur freiesten aller Manchesterwirtschaften übergeht, nämlich ohne jede Preisbindung und mit völliger Kündigungsfreiheit, wie seit 1918 nicht mehr, das hat uns überrascht.
    Aber ich muß ehrlich gestehen, die Überraschung geht weiter, wenn -wir erfahren, daß das der „Gesamtkonzeption" des Ministeriums gar nicht entspricht. Man wollte ja gar nicht so weit gehen; man meinte nur, man könnte nach der Auslegung des Grundgesetzes nur so weit gehen. Man wollte dagegen durch andere gesetzliche Methoden einen sanften Übergang herbeiführen, aber dazu brauchte man uns als Gesetzgeber. Da muß ich schon bitten, daß man uns über den „Gesamtkomplex" bemüht. Was jetzt — wir schreiben den 14. Februar 1952 — erreicht wird, ist, daß wir mit dem uns noch gar nicht vorliegenden neuen Gesetz — das den in der Tat höchst bemerkenswerten Titel führt „Gesetz zur Ergänzung der Vorschriften über die Aufhebung . . ."; „Gesetz zur Aufhebung" wäre es richtig zu betiteln — in einen ungeheuren Zeitdruck kommen, wenn wir es bis zum 1. April verabschieden sollen. Daß ein Gesetz, das dem Bundestag am 14. Februar noch nicht vorliegt, nicht bis zum 1. April verabschiedet werden kann, wenn schon zwischen Bundesrat und Bundesregierung in den wichtigsten Fragen verschiedene Meinungen obwalten und wenn dabei politische Grundsatzfragen erster Ordnung eine Rolle spielen, sollte meines Erachtens allen Ministerien klar sein.
    Wir haben uns deshalb darüber zu beschweren, daß man diese Rechtsänderung auf einem wesentlichen, für weiteste Volkskreise selbständiger Existenzen entscheidenden Rechtsgebiet durch eine Verordnung — nicht „bei Nacht und Nebel", aber, ich sage es offen — wie Ziethen aus dem Busch herbeiführt. Das ist zu beanstanden. Wie kommen wir heraus? Die Frage der Grundgesetzgemäßheit können wir hier nicht entscheiden. Wir sind hier kein Gericht. Wir können sie auch nicht prüfen; beide Seiten, der Herr Justizminister sowohl wie Herr Jacobi haben vorgetragen, sie könnten diese Frage nur anschneiden. Weil es eine Frage. ist, die uns immerhin interessieren sollte, beantrage ich namens meiner Fraktion, den Antrag dem Rechts- und Verfassungsausschuß zu überweisen, wobei ich zugebe, daß dieser Ausschuß überlastet ist. Aber ohne die Überweisung geht es gar nicht.
    Zum Schluß noch eines. Herr Justizminister, Sie haben ein Wort rein materiellen Rechts gesagt, das mich geradezu erschreckt hat. Nach Ihrer Meinung sind die heute ausgesprochenen Kündigungen bei den alten Raummietverhältnissen schon zum 1. April wirksam. Das halte ich für grundfalsch, und ich bitte, es doch zu prüfen, damit nicht etwa von hier aus für die gesamten Gerichte autoritär eine Meinung vertreten wird, die meines Erachtens bestimmt nicht zutrifft. Der § 2 Abs. 1 sagt, daß alle raumbewirtschafteten Grundstücke aus den Vorschriften des ersten Abschnitts des Mieterschutzgesetzes herausgenommen werden. In diesen Vorschriften steht, daß der Vermieter keinerlei Mietverträge kündigen kann. Man kann nur Mietaufhebungsklagen erheben, die nach dem Gesetz begründet sind. Man kann jedoch nicht kündigen. Wenn aber in Abs. 2 vom § 2 steht, daß Abs. 1 für die alten Mietverhältnisse erst mit Wirkung vom 1. April an gilt, dann folgt doch daraus zwangsläufig, daß man nicht schon vor dem 1. April kündigen kann; bis dahin kann man eben nur Mietaufhebungsklagen erheben. Ich bitte, das klarzustellen, daß in der Tat, wenn wirklich heute schon zum 1. April rechtswirksam gekündigt sein sollte, uns in unserer heutigen Not gar nichts anderes übrig bleibt, als die Verordnung aufzuheben. Das sage ich ganz offen. Bisher hat man angenommen, man könne das erstemal nach dem Zeitpunkt kündigen, wo das Mieterschutzgesetz für diese Räume nicht mehr gilt. Hat man heute schon rechtswirksam gekündigt, so prophezeie ich hiermit, daß wir unter der Herrschaft dieser Verordnung den Gekündigten mit dem neuen Gesetz nicht helfen werden; denn so schnell können wir auf keinen Fall hier im Bundestag arbeiten, wie uns hier — ich sage es ganz offen — ohne Not zugemutet wird. Für mich jedenfalls hängt die Frage, ob ich die Ausschußüberweisung beantragen soll oder ob ich meiner Fraktion dringend ans Herz legen muß, aus Rechtsgründen dem Antrag der SPD zuzustimmen, in erster Linie davon ab, wie diese Rechtsfrage hier autoritär geklärt wird.