Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen der beiden Herren Minister kann ich mich ziemlich kurz fassen, da sie das Wesentliche, was ich selbst hätte vorbringen können, schon gesagt haben.
Der Herr Abgeordnete Jacobi hat soeben von den sogenannten Nacht-und-Nebel-Erlassen gesprochen. Ich bedaure so, ihm in dieser Hinsicht nicht folgen zu können; denn mir ist nicht bekannt, und ich kann es aus der Verordnung nicht ersehen, was auf Nacht- und Nebelerlasse schließen ließe. Wer sich etwas mit der Materie vertraut gemacht hat, wird die Verordnungen schon ganz klar erkennen.
Interessant ist, daß im Bundesrat z. B. die Fachausschüsse sich f ü r die Verordnungen ausgesprochen haben, während sich die Politiker dagegen ausgesprochen haben.
— Ich nehme an, der Ausschuß für Wiederaufbau
und Wohnungswesen des Bundesrats, Herr Kollege!
Wenn ich ganz kurz zu den Verordnungen Stellung nehme, dann, glaube ich, ist der tiefste Anlaß darin zu suchen, daß der Haus- und Grundbesitz bekanntlich einen Tiefstand erreicht hat. Wenn es uns nicht so gehen soll, wie es zur Zeit in Frankreich der Fall ist, daß im Jahr mehr Altbauwohnungen verfallen? als Neubauwohnungen erstellt werden, dann ist es dringend erforderlich, daß wir in dieser Beziehung zu einer Lockerung des Gefüges kommen.
Man sagt immer, der Hausbesitz setze sich nur aus Kapitalisten zusammen, und die hätten das nicht nötig.
Ich glaube, daß diese These längst überholt ist,. Ich will im Augenblick auch auf diese Dinge nicht näher eingehen, weil sich bei den kommenden Debatten Gelegenheit dazu gibt.
— Die Zahlen kann ich Ihnen bekanntgeben, die im Augenblick festgestellt sind. Von 3,1 Millionen befragten Hausbesitzern haben 2,95 Millionen ihre Berufszugehörigkeit angegeben. Es verteilen sich hiernach bei Mehr-Familienhäusern von 100 Hausbesitzern auf selbständige Erwerbstätige 35,2 %, auf Beamte und Angestellte 10 %, auf Arbeiter 13,3 %, auf Pensionäre und Rentner 25,8 %, auf sonstige Berufslose 15,7 %.
Etwas anders ist die Schichtung bei Einfamilienhäusern. Hier entfallen auf selbständige Erwerbstätige 33,7 %, auf Beamte und Angestellte 10,1 %, auf Arbeiter 24,3 %, auf Pensionäre und Rentner 23,2 % und auf sonstige Berufslose 8,7 %.
Diese Wohnraumversorgung dient also durchweg den mittelständischen Schichten, die im Hausbesitz Ersparnisse zur Sicherung der eigenen Wohnung und Betriebsstätte angelegt haben und sich mit dieser Kapitalanlage in weitem Umfange eine Altersrente für den Lebensabend bzw. eine zusätzliche Versorgung zur Sozialversicherung sichern wollten.
Wenn derartige Verordnungen herauskommen — ich brauche auf die Dinge nicht näher einzugehen —, dann ist es nichts Neues, daß sich immer Stimmen dagegen erheben. Ich habe mich derselben Mühe unterzogen wie der Herr Präsident, der vor wenigen Tagen hier erklärte, es lohne sich, in alten Protokollen zu forschen. Ich habe das also auch getan. Am kommenden Samstag haben wir einen denkwürdigen Tag; denn am 16. Februar des Jahres 1927 wurde die gleiche Verordnung, die von der Bundesregierung im November vorigen Jahres erlassen worden ist, durch die damalige Regierung erlassen. Der damalige preußische Wohlfahrtsminister Hirtsiefer war es, der in einer Rundfunkrede erklärte, eine solche Regelung sei dringend notwendig; ein Dutzend Jahre hätten es verhindert, daß eine den tatsächlichen Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechende Bewegung, ein natürlicher Ausgleich auf dem Markt der Geschäftsräume, stattfinden konnte.
Interessant ist der Erlaß der thüringischen Regierung vom 5. April 1927. Man hat dort wörtlich gesagt:
Daß ein Abbau der öffentlichen Bewirtschaftung des Wohn- und Gewerberaumes kommen muß, darüber bestehen irgendwelche Zweifel nicht mehr. Die Mietervereine werden allerdings von vornherein jeden Zeitpunkt als zu früh erklären, an dem nicht mindestens das Vorkriegsüberangebot an Wohn- und Geschäftsräumen normale und gesunde Verhältnisse auf dem Bau- ,und Wohnungsmarkt dauernd verhindern.
Wie sich die Verordnungen ausgewirkt haben, hat die mittelthüringische Industrie- und Handelskammer in Weimar am 7. Oktober 1927 bekanntgegeben. Es heißt dort:
Die Herausnahme der gewerblichen Räume aus der Wohnungszwangswirtschaft hat in Thüringen — abgesehen von einigen Ausnahmefällen — im allgemeinen segensreich gewirkt.
Man ist jetzt auch in der Bundesrepublik nicht untätig gewesen. Die Haus- und Grundbesitzervereine haben in Verbindung mit den Industrie- und Handelskammern sogenannte Gütestellen geschaffen, um die Schwierigkeiten, die an irgendeiner Stelle auftauchen werden, von vornherein zu beheben. Wenn es schon eine altbekannte Tatsache ist, daß man, wenn sich in einer Familie ein räudiges Schaf befindet, die ganze Familie damit belastet, dann dürfen wir nicht in denselben Fehler verfallen und, falls sich hie und da irgendwelche Auswüchse abzeichnen, das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.
— Ja, das räudige 'Schaf muß entlastet werden. Das wird durch die neue Verordnung bzw. durch das Gesetz geschehen, das die Regierung herausbringt und dem wir demnächst unsere Zustimmung geben sollen.
Ich habe mit den Herren von der Industrie- und Handelskammer, von den Einzelhandelsverbänden, von der Handwerkerschaft gesprochen, und alle haben mir einstimmig erklärt, daß sie höchstens mit Schwierigkeiten bei etwa 5 bis 8 % der anstehenden Fälle rechneten; in allen anderen Fällen, soweit es sich um die Freigabe der Gewerberaummieten handelt, werde es glatt gehen.
Im übrigen möchte ich eins klar herausstellen: Es werden sehr viele Fälle auftauchen, in denen nicht der Vermieter der Schuldige ist, sondern irgendwelche Mietsinteressenten sich unkollegial verhalten und ihre Kollegen durch Überangebote auszumieten versuchen. Wir müssen diesen Dingen entgegentreten. Aber ich glaube, wenn wir das mit Ruhe tun und wenn wir die Verordnungen, die demnächst kommen werden, abwarten, dann werden wir der Dinge Herr werden.
Namens meiner Fraktion darf ich Sie bitten, den Antrag der SPD zu Punkt 1 abzulehnen und Punkt 2 als erledigt zu betrachten, da die Regierung eine diesbezügliche Verordnung zur Behebung der Schwierigkeiten herausbringen wird.
— Natürlich, ein Gesetz!