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ID0119302700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, cien 14. Februar 1952 8285 193. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. Februar 1952. Geschäftliche Mitteilungen 8286A Änderungen der Tagesordnung 8286B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8286B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Novelle zur Krankenversicherung der Rentner (Nr. 3039 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8286B Erste Beratung des von den Abg. Bausch, Dr. Wuermeling u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot der Spielbanken (Nr. 2996 der Drucksachen) 8286B Frau Dr. Weber (Essen) (CDU), Antragstellerin 8286D Bausch (CDU), Antragsteller . . . 8288A, 8295C, 8296A Bleek, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern 8291A Graf von Spreti (CSU) 8291B Ewers (DP) 8292C Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 8293C Seuffert (SPD) 8293D, 8296A Frau Dr. Mulert (FDP) 8295C Ausschußüberweisung 8296B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Aufhebung_ der Verordnung über Ausnahmen vom Mieterschutz und Vorlage eines Gesetzes zur Regelung von Miet- und Pachtverhältnissen für Geschäftsräume und gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke (Nr. 3044 [neu] der Drucksachen) 8296B Jacobi (SPD), Antragsteller . . . . 8296C, 8302B, 8307D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 8298A, 8305D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8299B Huth (CDU) 8301B Ewers (DP) 8304D Paul (Düsseldorf) (KPD) '8306B Loritz (Fraktionslos) 8307B Lücke (CDU) 8308B Ausschußüberweisung 8308B Zweite und dritte 'Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (Nr. 2573 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (32. Ausschuß) (Nr. 3043 der Drucksachen) 8308C Dr. Hammer (FDP), Berichterstatter 8308C Abstimmungen . . 8310B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung (Nr. 2526 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 3040 der Drucksachen) 8286B, 8310C Schill (CDU), Berichterstatter . . . 8310D Abstimmungen 8311B Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) (Nr. 3072 der Drucksachen) 8311D Dr. Reif (FDP), Antragsteller . . . 8311D Beschlußfassung 8312A Beratung des 'Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abg. Freiherrn von Aretin gemäß Schreiben der Rechtsanwälte Maiborg und von Puttkamer, Bad Münder (Deister), vom 31. Dezember 1951 (Nr. 3092 der Drucksachen) . . . . 8312B Kahn (CSU), Berichterstatter . . . 8312B Beschlußfassung 8312C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 7. Januar 1952 (Nr. 3093 der Drucksachen) 8312C Ewers (DP), Berichterstatter . . . 8312D Beschlußfassung 8313B Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Einrichtung eines Bundesbeirats für das Erziehungs- und Bildungswesen beim Bundesinnenministerium (Nr 3038 der Drucksachen) 8313B Dr. Luchtenberg (FDP), Antragsteller 8313B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 8315D Dr. Kleindinst (CSU) 8316B Dr. Edert (CDU-Gast) 8317B Dr.-Ing. Decker (FU) 8318D Farke (DP) 8319B Hennig (SPD) 8319D Gaul (FDP) 8320D Ausschußüberweisung 8322A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 436) 8322C Beschlußfassung 8322C Beratung der Übersicht Nr. 49 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 439) 8322C Beschlußfassung 8322C Nächste Sitzung 8322C Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Ehlers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
    Dr. Dehler: Bundesminister der Justiz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Verordnung über Ausnahmen vom Mieterschutz vom 27. November 1951, die von mir und dem Herrn Wohnungsbauminister gezeichnet ist, und der Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts vom 29. November vorigen Jahres, gezeichnet vom Herrn Wirtschaftminister und vom Herrn Wohnungsbauminister, handelt es sich wirklich nicht um „Nacht-und-Nebel-Erlasse". Es ist auch unrichtig, wenn der Herr Abgeordnete Jacobi glaubt, die Bundesregierung habe diese beiden Verordnungen nicht sehr reiflich sowohl nach der wirtschaftlichen wie nach der rechtlichen Seite erwogen und auch die Rechtsfragen, die bei der früheren Diskussion in diesem Hohen Hause aufgetaucht sind, nicht ganz genau bedacht.
    Herr Kollege Jacobi hat angenommen, die Ermächtigungen, von denen die Bundesregierung bei diesen beiden Verordnungen Gebrauch gemacht hat, bestünden nicht mehr. Die Bundesregierung ist anderer Ansicht. Es ist schwer möglich, die Fülle von Rechtsproblemen aufzuzeigen, die hier aufgeworfen worden sind. All das, was jetzt in der Diskussion an Gegenargumenten vorgebracht worden ist, ist selbstverständlich von uns geprüft worden. Es ist als nicht stichhaltig befunden worden.
    Man hat geglaubt — der Herr Kollege Jacobi hat das erwähnt —, das Bundesjustizministerium habe den Versuch gemacht, diese Rechtsdiskussion zu beschränken. Es wird — die Dinge sind ja Gegenstand einer Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei — vorgeworfen, mein Ministerium habe Einfluß auf einen Artikel genommen und dahin gewirkt, daß bestimmte wichtige Sätze dieses Artikels nicht gebracht würden. Ich habe die Vorwürfe geprüft. Sie sind nicht gerechtfertigt. Diese Sätze sind von der Redaktion dieser Zeitschrift — es ist die „Monatsschrift für Deutsches Recht" — aus eigenem Entschluß gestrichen worden. Es ist lediglich von Herren meines Ministeriums die Frage erwogen worden, ob nicht gleichzeitig ein kritischer Artikel gebracht werden solle, der den Standpunkt der Regierung darlegt; sonst gar- nichts. Von einer Beeinflussung kann also keine Rede sein.
    Die rechtlichen Bedenken: Herr Abgeordneter Jacobi meint, die Ermächtigung des Preisgesetzes, auf die sich die Preisverordnung stützt, sei erloschen. Wir sind anderer Meinung. Wäre der Standpunkt des Herrn Kollegen Jacobi richtig, dann wären die gesamten Preisverordnungen, die wir in den letzten zwei Jahren fast Tag für Tag erlassen haben, rechtsunwirksam. Die Meinung des Herrn Kollegen Jacobi steht in Widerspruch mit der Meinung dieses Hauses, wie sie durch die Verlängerungen des Preisgesetzes am 21. Januar 1950 und am 29. März 1951 klar zum Ausdruck gekommen ist.
    Ein anderes Bedenken geht darin, daß die Ermächtigungen des Mieterschutzgesetzes, bestimmte Arten von Räumen aus dem Mieterschutz herauszunehmen — wir haben das bei den Geschäftsräumen getan —, nach Art. 129 Abs. 3 unseres Grundgesetzes erloschen seien, weil es sich insoweit um eine Ermächtigung zur Änderung des Mieterschutzgesetzes handele. Unser Standpunkt ist ein anderer. Es handelt sich nicht um eine Änderung des Gesetzes, sondern die auf die Ermächtigung gestützten Verordnungen ergehen gemäß dem Mieterschutzgesetz und im Rahmen des Mieterschutzgesetzes.
    Auch die Meinung, die Zustimmung des Bundesrats sei erforderlich gewesen, weil der Mieterschutz ein Gesetz sei, das von den Ländern ausgeführt werde — das ist die Bestimmung des Art. 80 Abs. 2 des Grundgesetzes —, ist irrig. Der Art. 80 Abs. 2 hat ebenso wie Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes lediglich die Verwaltung im Auge: Verwaltungsmaßnahmen der Länder, soweit solche durch ein Bundesgesetz bestimmt oder beeinflußt werden, erfordern die Zustimmung des Bundesrats. Die Rechtsprechung, also die Anwendung der Bestimmungen des Mieterschutzgesetzes durch die Gerichte, stellt keine Verwaltungsmaßnahme dar und bedingt daher nicht die Zustimmung des Bundesrats. Ich bin also der Meinung, daß diese rechtlichen Bedenken nicht durchdringen.
    Zu der Meinung des Herrn Kollegen Jacobi, die Preisverordnungen seien von grundlegender Bedeutung für den gesamten Preisstand und erforderten deswegen die Zustimmung des Bundesrats und Bundestags, wird sich Herr Erhard äußern.
    Der Herr Kollege Jacobi greift vollkommen fehl, wenn er meint, unser Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Vorschriften über die Aufhebung des Mieterschutzes bei Geschäftsräumen sei ein Verlegenheitsakt. Mit diesem Vorwurf werden die Dinge völlig falsch gesehen. Sie sind bereits in der Öffentlichkeit hinreichend dargestellt. Das Bundeskabinett hat die beiden Verordnungen am 7. November beschlossen, und in der gleichen Kabinettssitzung wurde beschlossen, daß umgehend ein Gesetz einzubringen sei — man hat damals an eine Art Vertragshilfe gedacht —, durch welches die Härten, die diese beiden Verordnungen möglicherweise bringen, gemildert werden. Es ist also nicht etwa eine Maßnahme, die die Bundesregierung nachträglich beschlossen hätte, sondern eine Maßnahme, die als im Zusammenhang mit diesen beiden Verordnungen notwendig sofort festgelegt wurde. Dieses Gesetz ist bereits im Entwurf vom Kabinett am 15. Januar verabschiedet worden, war inzwischen der Beschlußfassung des Bundesrats unterlegen, ist in der Beschlußfassung am letzten Dienstag mit Bezug auf die Anregungen des Bun-


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    desrats endgültig verabschiedet worden und geht Ihnen nun ohne weiteres zu. Der Sinn dieses Gesetzes ist es, für die Übergangszeit unter gewissen Voraussetzungen die Verlängerung der Mietverhältnisse auch gegen den Willen des Vermieters zu ermöglichen. Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen den ganzen Inhalt dieses Gesetzes jetzt vortragen würde. Aber das ist das Gesetz, das notwendig ist, gerade um die Schwierigkeiten zu beseitigen, von denen der Herr Abgeordnete Jacobi sprach.
    Im übrigen trifft seine Behauptung, die Verordnungen seien in der Praxis schon angelaufen, nicht zu. Denn die Kündigung der Mietverhältnisse, die am 1. Dezember vorigen Jahres bestanden haben, sind erstmals zum 1. April dieses Jahres möglich.

    (Zuruf des Abg. Jacobi.)

    — Daß natürlich schon vorher Kündigungen ausgesprochen worden sind, ist richtig, Herr Kollege Jacobi, aber diese Kündigungen können ja nicht effektuiert werden, weil vor dem 1. April eine Kündigung nicht wirksam werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen — das ist meine Hoffnung, und das ist auch zeitlich möglich — Bundestag und Bundesrat dieses Gesetz, das alle Schwierigkeiten ausschalten wird, beschlossen haben. Das Gesetz wird beonders die Möglichkeit geben, durch das Gericht die angemessenen Mieten festsetzen zu lassen. Eine Hausse für Geschäftsmieten wird also nicht eintreten können.
    Insgesamt gesehen ist somit die Erregung, die in die Öffentlichkeit getragen worden ist, nicht begründet. Die beiden Verordnungen sind Teilausschnitte einer Gesamtkonzeption der Bundesregierung. Ihr Ziel ist selbstverständlich die Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft. Aber was die Bundesregierung hier getan hat, geht ja weitgehend auf die Anregungen der Länderregierungen zurück. Eine Reihe von Ländern waren gewillt, entsprechende Maßnahmen von sich aus durchzuführen auf Grund der Ermächtigung, von der wir jetzt Gebrauch gemacht haben. Die Rechtsbedenken, die der Herr Abgeordnete Jacobi vorgetragen hat und mit denen ich mich zu befassen hatte, bestehen nicht. Vielmehr besteht Anlaß, von dieser Stelle aus mit Nachdruck zu sagen, daß die beiden Verordnungen durchaus im Rahmen der Ermächtigungen erlassen worden sind, die die Bundesregierung besitzt, und daß sie deswegen rechtsbeständig sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufgabe des Bundesministers für Wirtschaft beschränkt sich darauf, zu dem Teil des Antrags Stellung zu nehmen, der sich mit der Verordnung PR Nr. 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts vom 29. November 1951 befaßt. Der Antrag der Fraktion der SPD geht dahin, diese Verordnung außer Kraft zu setzen und für das Gebiet der Miete oder Pacht für Geschäftsraum und gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke eine Neuregelung im Gesetzeswege zu veranlassen. Demzufolge würde nach der Auffassung der Antragsteller auf alle anderen Maßnahmen der Verordnung PR Nr. 71/51 zu verzichten sein.
    Das Bundeskabinett hat sich nach langen eingehenden Beratungen bereits am 13. November 1951 zu den Preismaßnahmen der Verordnung PR
    Nr. 71/51 entschlossen, weil eine Verbesserung der Ertragslage des Hausbesitzes unbedingt erforderlich erschien. Aus dem gleichen Grunde ist zur selben Zeit eine allgemeine Mieterhöhung im Ausmaß von 10 % mit Wirkung vom 1. April 1952 beschlossen worden; diese Verordnung wird in den nächsten Tagen Bundesrat und Bundestag zur Zustimmung vorgelegt werden.
    Bei der Verordnung PR Nr. 71/51 hat die Bundesregierung die Frage, ob diese Maßnahmen von grundlegender Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung, seien, vor Erlaß der Verordnung eingehend geprüft. Da sie diese Frage, wie ich noch näher darlegen werde, verneinen mußte, hat sie im Rahmen der ihr zustehenden rechtlichen Möglichkeiten von dem Verordnungsweg Gebrauch gemacht.
    Als Voraussetzung dafür, daß eine preisrechtliche Maßnahme nach § 1 des Preisgesetzes früher der Zustimmung des Länderrats bedurfte und jetzt auch der Zustimmung des Bundesrats bedarf, genügt nicht jede Einwirkung auf den Preisstand oder die Lebenshaltung; vielmehr kommen nur Maßnahmen von grundlegender Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung, in Betracht. Von einer grundlegenden Bedeutung der Verordnung Nr. 71/51 in diesem Sinne kann aber nach Ansicht der Bundesregierung keine Rede sein. Die Verordnung besteht zu einem wesentlichen Teil lediglich aus Maßnahmen zur Vereinfachung des Mietpreisrechts; insbesondere hat die Verordnung zu einem beträchtlichen Teil ohne wesentliche sachliche Änderung lediglich Verwaltungsvorschriften in die Form einer Rechtsverordnung überführt. Daß diese Teile der Verordnung in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts selbst dann nicht rechtsunwirksam sein würden, wenn im übrigen die Auffassung des Bundesrats zuträfe, ist in dem Beschluß des Bundesrats vom 18. Januar 1952 außer acht gelassen worden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1951 unter Nr. 17.
    Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Verordnung Nr. 71/51 stelle ich folgendes fest. Die Bundesregierung geht in Übereinstimmung mit der Auffassung des Rechtsausschusses des Bundestags zu § 1 des Preisgesetzes davon aus, daß nur die im Zeitpunkt des Erlasses einer Verordnung voraussehbaren Auswirkungen bei der Entscheidung über die Zustimmungsbedürftigkeit berücksichtigt werden können. Andererseits müssen aber nach Ansicht der Bundesregierung auch alle in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt werden. Soweit die Verordnung Nr. 71/51 die Freigabe der Geschäfträume betrifft, können ihre Auswirkungen nur unter Berücksichtigung des von der Bundesregierung dem Bundesrat inzwischen zugeleiteten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung der Vorschriften über die Aufhebung des Mieterschutzes bei Geschäftsräumen und gewerblich genutzten unbebauten Grundstücken beurteilt werden, weil der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Preisfreigabe mit der Freistellung vom Mieterschutz am 1. April 1952 und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zusammenfällt. Zweck dieses Gesetzentwurfs ist es zwar, durch eine Anhebung der vielfach unverhältnismäßig niedrigen Altbaumieten die Ertragslage des Althausbesitzes zu verbessern und gleichzeitig die durch die Unterschiede des Mietpreisniveaus entstandenen Ungleichheiten der Wettbewerbsbedingungen zu beseitigen. Der Gesetzentwurf hat aber auch — und zwar in erster


    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

    Linie — zum Ziel, die Mieter vor ungerechtfertigten Mieterhöhungen zu schützen und eine die Volkswirtschaft belastende Mietpreissteigerung zu verhindern. Deshalb läßt er Mietpreiserhöhungen lediglich bis zu einer ortsüblichen Höhe zu und sieht für die Übergangszeit eine Kostenmiete vor, die sich im Rahmen der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes hält. Ohne Berücksichtigung des Inhalts dieses Gesetzentwurfs können also die Auswirkungen der Verordnung Nr. 71/51 nicht zutreffend beurteilt, geschweige denn die Voraussetzungen einer Zustimmungsbedürftigkeit bejaht werden.
    Auswirkungen der Freigabe der Mietpreise für Geschäftsräume auf den allgemeinen Preisstand können sich bei preisgebundenen Gütern überhaupt nicht ergeben. Ebensowenig werden die Preise der Grundstoffe, der Verkehrsleistungen und der Leistungen der freien Berufe betroffen. Sind bisher Umsatzmieten oder -pachten vereinbart gewesen, z. B. bei Gaststätten, Bahnhofsgeschäften oder Tankstellen, so treten kaum Auswirkungen ein. Überdies hatten die Preisbehörden das Schwergewicht ihrer Tätigkeit in der Vergangenheit bereits auf die Wohnungsmiete verlagert, so daß bei Geschäftsräumen aller Art häufig schon bisher unkontrollierte Mieterhöhungen vorlagen. Auch darf bei preisfreien Gütern der Anteil und damit das Gewicht der Mietausgaben an den gesamten Geschäftsunkosten nicht überschätzt werden. Daß einzelne überhöhte Forderungen von Vermietern nicht als symptomatisch für die Entwicklung angesehen werden können, zeigt die erste Übersicht über die beanspruchten Mieterhöhungen in Bayern mit durchschnittlich 25 %. Auswirkungen für den gesamten Preisstand können daher auch nicht vorliegen.
    Soweit es sich um die Mieten für Geschäftsräume handelt, die durch Neubau oder Wiederherstellung beschädigter Gebäude in der letzten Zeit neu gewonnen wurden, hat sich der Mieter auch regelmäßig durch langfristige Mietverträge gesichert, so daß Mieterhöhungen durch eine Kündigung des Mietverhältnisses nicht eintreten können. Liegen aber Mietverhältnisse über Geschäftsräume in Altbauten vor, die durch den Zeitablauf der früheren Mietverträge kurzfristig kündbar sind, so wird der Marktpreis bei preisfreien Waren schon deswegen durch eine Mieterhöhung nicht berührt, weil Geschäfte derselben Branche in Neubauten mit wesentlich höherem Mietniveau geführt werden, ohne daß dies in dem Preisstand der verkauften Waren seinen Ausdruck gefunden hätte. Ich glaube auch nicht, daß irgendein deutscher Staatsbürger bei der Deckung seines Bedarfs in ein Geschäft mit Altmiete geht, weil er glaubt, dort billiger kaufen zu können.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Auch mittelbar können daher breite Verbraucherkreise durch die Mietpreisfreigabe für Geschäftsräume nicht betroffen werden. Wo bisher schon, wie z. B. in Gebieten ohne Kriegsschäden oder in einzelnen Branchen, wie z. B. Filmtheater, eine ausgeglichene Marktlage für Geschäftsraum vorlag, werden sich mit Gewißheit stärkere Erhöhungen von Geschäftsraummieten nicht ergeben. Aber auch in den von Kriegsschäden betroffenen Gebieten hat die Errichtung behelfsmäßiger Ladenlokale teilweise zu einer völligen Befriedigung des Bedarfs geführt.
    Die Freigabe der Übernachtungspreise kann ebenfalls nur partielle Auswirkungen zur Folge haben, da die Preisüberwachung auf diesem Gebiet schon bisher nicht in demselben Umfang wie bei Wohnraummieten gehandhabt wurde und auch zahlreichen Erhöhungsanträgen von den Preisbehörden stattgegeben worden ist. Die Entwicklung der Neubautätigkeit hat auch dazu geführt, daß die Verluste an Übernachtungsraum durch Kriegsschäden in der Zwischenzeit nahezu ausgeglichen wurden. Eine echte, preiserhöhende Tendenzen auslösende Mangellage an Übernachtungsraum liegt daher nur noch in wenigen Städten vor. Auswirkungen auf den gesamten Preisstand und die Lebenshaltung der breiten Massen der Bevölkerung im Sinne des § 3 des Verlängerungsgesetzes zum Preisgesetz vom 21. Januar 1950 sind tatsächlich nicht gegeben. Überhöhten Forderungen könnte übrigens auf diesem Gebiet auch mit den Mitteln des Wirtschaftsstrafrechts begegnet werden.
    Der Gesichtspunkt, daß durch die Einführung eines Untermietzuschlags auch Kreise von sozial Schutzbedürftigen betroffen werden, könnte, selbst wenn er zuträfe, die Rechtmäßigkeit der Verordnung nicht berühren, weil feststeht, daß es sich dabei nur um partielle Auswirkungen handeln kann. Richtig ist zwar, daß der Untermietzuschlag von 5 °/o der anteiligen Leerraummiete bei gesetzlicher Untermiete eine Erhöhung der Untermiete zur Folge hat. Diese Erhöhung ist aber so geringfügig, daß sie die in § 3 des Gesetzes vom 21. Januar 1950 vorausgesetzte Bedeutung keinesfalls haben kann. Die durchschnittliche monatliche Leerraummiete in Mittelwohnungen des Althausbesitzes schwankt in Großstädten zwischen 6,60 DM und 13,20 DM pro Raum. Es handelt sich also auch nur um eine monatliche Mehrbelastung zwischen 33 und 66 D-Pf pro Raum. Bei Neubauwohnungen liegt zwar eine höhere monatliche Mehrbelastung, aber nicht über das Doppelte dieser Beträge vor.
    Im übrigen wird der Untermietzuschlag von 5 % bei der gesetzlichen Untermiete nur in den Ausnahmefällen zugelassen, in denen ein Untermieter mit seiner Familie in den untervermieteten Räumen einen selbständigen Haushalt führt. Da nach den Ermittlungen der Bundesregierung schon vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 71/51 die weitaus überwiegende Zahl aller Untermietverhältnisse als frei vereinbart gelten konnte, wird nur ein Bruchteil der Untermieter durch diesen Untermietzuschlag wirtschaftlich belastet. Der Aufwand für die Wohnungsmiete bleibt überdies bei Untervermietung, wie sich aus der Natur der Untermietverhältnisse ergibt, regelmäßig hinter dem gewöhnlichen Mietaufwand für eine selbständige Wohnung zurück. Eine irgendwie erhebliche Auswirkung auf das Preisgefüge oder die Lebenshaltungskosten kann sich um so weniger ergeben, als der gerade von Flüchtlingen in Anspruch genommene bäuerliche Wohnraum auf dem Lande nicht der Verordnung Nr. 71/51 unterliegt.
    In den Fällen, in denen bei frei vereinbarter Untermiete der Hauptmieter 20 % der anteiligen Leerraummiete an den Hausbesitzer abführen muß, ergibt sich eine Belastung für den Untermieter überhaupt nicht. Es handelt sich vielmehr lediglich darum, einen Teil des von dem Hauptmieter entgegen den bisher gültigen Preisvorschriften erzielten Übergewinns dem Hausbesitzer zugute kommen zu lassen. Dadurch, daß -eine gewisse Zahl von Hauptmietern durch einen verhältnismäßig geringfügigen Betrag belastet wird und den Hausbesitzern dieser Betrag zufließt, können unmöglich irgendwelche Auswirkungen auf den Preisstand und die Lebenshaltung eintreten; um, so weniger


    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

    kann davon die Rede, daß diese Maßnahme von grundlegender Bedeutung für den Preisstand sei. Abgesehen davon kann der Hauptmieter die Abführung des Untermietzuschlags jederzeit dadurch abwenden, daß er sich seinerseits auf die gesetzliche Untermiete beruft.
    Wenn nach den Ergebnissen der letzten Wohnraumzählung im Bundesgebiet 3 Millionen Haushalte ohne selbständige Wohnung sind, so kann hieraus nicht gefolgert werden, daß die Betreffenden sämtlich zur Untermiete wohnen, da bei der Erfassung der Haushaltungen auch alle diejenigen Haushaltungen mitgezählt worden sind, die in eine andere Wohnung, z. B. bei Aufnahme der verheirateten Tochter in die Wohnung der Eltern, mit aufgenommen wurden. Daraus ergeben sich tatsächlich noch geringere als die dargelegten Auswirkungen der Vorschriften über Untermietzuschläge.
    Wie meine Ausführungen ergeben, haben alle Maßnahmen, die durch die Verordnung Nr. 71/51 auf dem Gebiete der Raummiete getroffen worden sind, keine grundlegende Bedeutnug für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung. Diese Maßnahmen betreffen auch jeweils verschiedene Personengruppen. Sie sind also auch in ihrer Gesamtheit nicht von grundlegender Bedeutung für die Lebenshaltung.
    Ich beantrage daher namens der Bundesregierung, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Für das Gebiet der Geschäftsraummieten wird die durch den Antrag gewünschte Begrenzung von Erhöhungen im übrigen schon durch das jetzt dem Bundestag zugeleitete Gesetz zur Ergänzung der Vorschriften über die Aufhebung des Mieterschutzes bei Geschäftsräumen und gewerblich genutzten unbebauten Grundstücken erreicht.