Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Dr. Dehler: Bundesminister der Justiz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Verordnung über Ausnahmen vom Mieterschutz vom 27. November 1951, die von mir und dem Herrn Wohnungsbauminister gezeichnet ist, und der Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts vom 29. November vorigen Jahres, gezeichnet vom Herrn Wirtschaftminister und vom Herrn Wohnungsbauminister, handelt es sich wirklich nicht um „Nacht-und-Nebel-Erlasse". Es ist auch unrichtig, wenn der Herr Abgeordnete Jacobi glaubt, die Bundesregierung habe diese beiden Verordnungen nicht sehr reiflich sowohl nach der wirtschaftlichen wie nach der rechtlichen Seite erwogen und auch die Rechtsfragen, die bei der früheren Diskussion in diesem Hohen Hause aufgetaucht sind, nicht ganz genau bedacht.
Herr Kollege Jacobi hat angenommen, die Ermächtigungen, von denen die Bundesregierung bei diesen beiden Verordnungen Gebrauch gemacht hat, bestünden nicht mehr. Die Bundesregierung ist anderer Ansicht. Es ist schwer möglich, die Fülle von Rechtsproblemen aufzuzeigen, die hier aufgeworfen worden sind. All das, was jetzt in der Diskussion an Gegenargumenten vorgebracht worden ist, ist selbstverständlich von uns geprüft worden. Es ist als nicht stichhaltig befunden worden.
Man hat geglaubt — der Herr Kollege Jacobi hat das erwähnt —, das Bundesjustizministerium habe den Versuch gemacht, diese Rechtsdiskussion zu beschränken. Es wird — die Dinge sind ja Gegenstand einer Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei — vorgeworfen, mein Ministerium habe Einfluß auf einen Artikel genommen und dahin gewirkt, daß bestimmte wichtige Sätze dieses Artikels nicht gebracht würden. Ich habe die Vorwürfe geprüft. Sie sind nicht gerechtfertigt. Diese Sätze sind von der Redaktion dieser Zeitschrift — es ist die „Monatsschrift für Deutsches Recht" — aus eigenem Entschluß gestrichen worden. Es ist lediglich von Herren meines Ministeriums die Frage erwogen worden, ob nicht gleichzeitig ein kritischer Artikel gebracht werden solle, der den Standpunkt der Regierung darlegt; sonst gar- nichts. Von einer Beeinflussung kann also keine Rede sein.
Die rechtlichen Bedenken: Herr Abgeordneter Jacobi meint, die Ermächtigung des Preisgesetzes, auf die sich die Preisverordnung stützt, sei erloschen. Wir sind anderer Meinung. Wäre der Standpunkt des Herrn Kollegen Jacobi richtig, dann wären die gesamten Preisverordnungen, die wir in den letzten zwei Jahren fast Tag für Tag erlassen haben, rechtsunwirksam. Die Meinung des Herrn Kollegen Jacobi steht in Widerspruch mit der Meinung dieses Hauses, wie sie durch die Verlängerungen des Preisgesetzes am 21. Januar 1950 und am 29. März 1951 klar zum Ausdruck gekommen ist.
Ein anderes Bedenken geht darin, daß die Ermächtigungen des Mieterschutzgesetzes, bestimmte Arten von Räumen aus dem Mieterschutz herauszunehmen — wir haben das bei den Geschäftsräumen getan —, nach Art. 129 Abs. 3 unseres Grundgesetzes erloschen seien, weil es sich insoweit um eine Ermächtigung zur Änderung des Mieterschutzgesetzes handele. Unser Standpunkt ist ein anderer. Es handelt sich nicht um eine Änderung des Gesetzes, sondern die auf die Ermächtigung gestützten Verordnungen ergehen gemäß dem Mieterschutzgesetz und im Rahmen des Mieterschutzgesetzes.
Auch die Meinung, die Zustimmung des Bundesrats sei erforderlich gewesen, weil der Mieterschutz ein Gesetz sei, das von den Ländern ausgeführt werde — das ist die Bestimmung des Art. 80 Abs. 2 des Grundgesetzes —, ist irrig. Der Art. 80 Abs. 2 hat ebenso wie Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes lediglich die Verwaltung im Auge: Verwaltungsmaßnahmen der Länder, soweit solche durch ein Bundesgesetz bestimmt oder beeinflußt werden, erfordern die Zustimmung des Bundesrats. Die Rechtsprechung, also die Anwendung der Bestimmungen des Mieterschutzgesetzes durch die Gerichte, stellt keine Verwaltungsmaßnahme dar und bedingt daher nicht die Zustimmung des Bundesrats. Ich bin also der Meinung, daß diese rechtlichen Bedenken nicht durchdringen.
Zu der Meinung des Herrn Kollegen Jacobi, die Preisverordnungen seien von grundlegender Bedeutung für den gesamten Preisstand und erforderten deswegen die Zustimmung des Bundesrats und Bundestags, wird sich Herr Erhard äußern.
Der Herr Kollege Jacobi greift vollkommen fehl, wenn er meint, unser Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Vorschriften über die Aufhebung des Mieterschutzes bei Geschäftsräumen sei ein Verlegenheitsakt. Mit diesem Vorwurf werden die Dinge völlig falsch gesehen. Sie sind bereits in der Öffentlichkeit hinreichend dargestellt. Das Bundeskabinett hat die beiden Verordnungen am 7. November beschlossen, und in der gleichen Kabinettssitzung wurde beschlossen, daß umgehend ein Gesetz einzubringen sei — man hat damals an eine Art Vertragshilfe gedacht —, durch welches die Härten, die diese beiden Verordnungen möglicherweise bringen, gemildert werden. Es ist also nicht etwa eine Maßnahme, die die Bundesregierung nachträglich beschlossen hätte, sondern eine Maßnahme, die als im Zusammenhang mit diesen beiden Verordnungen notwendig sofort festgelegt wurde. Dieses Gesetz ist bereits im Entwurf vom Kabinett am 15. Januar verabschiedet worden, war inzwischen der Beschlußfassung des Bundesrats unterlegen, ist in der Beschlußfassung am letzten Dienstag mit Bezug auf die Anregungen des Bun-
desrats endgültig verabschiedet worden und geht Ihnen nun ohne weiteres zu. Der Sinn dieses Gesetzes ist es, für die Übergangszeit unter gewissen Voraussetzungen die Verlängerung der Mietverhältnisse auch gegen den Willen des Vermieters zu ermöglichen. Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen den ganzen Inhalt dieses Gesetzes jetzt vortragen würde. Aber das ist das Gesetz, das notwendig ist, gerade um die Schwierigkeiten zu beseitigen, von denen der Herr Abgeordnete Jacobi sprach.
Im übrigen trifft seine Behauptung, die Verordnungen seien in der Praxis schon angelaufen, nicht zu. Denn die Kündigung der Mietverhältnisse, die am 1. Dezember vorigen Jahres bestanden haben, sind erstmals zum 1. April dieses Jahres möglich.
— Daß natürlich schon vorher Kündigungen ausgesprochen worden sind, ist richtig, Herr Kollege Jacobi, aber diese Kündigungen können ja nicht effektuiert werden, weil vor dem 1. April eine Kündigung nicht wirksam werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen — das ist meine Hoffnung, und das ist auch zeitlich möglich — Bundestag und Bundesrat dieses Gesetz, das alle Schwierigkeiten ausschalten wird, beschlossen haben. Das Gesetz wird beonders die Möglichkeit geben, durch das Gericht die angemessenen Mieten festsetzen zu lassen. Eine Hausse für Geschäftsmieten wird also nicht eintreten können.
Insgesamt gesehen ist somit die Erregung, die in die Öffentlichkeit getragen worden ist, nicht begründet. Die beiden Verordnungen sind Teilausschnitte einer Gesamtkonzeption der Bundesregierung. Ihr Ziel ist selbstverständlich die Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft. Aber was die Bundesregierung hier getan hat, geht ja weitgehend auf die Anregungen der Länderregierungen zurück. Eine Reihe von Ländern waren gewillt, entsprechende Maßnahmen von sich aus durchzuführen auf Grund der Ermächtigung, von der wir jetzt Gebrauch gemacht haben. Die Rechtsbedenken, die der Herr Abgeordnete Jacobi vorgetragen hat und mit denen ich mich zu befassen hatte, bestehen nicht. Vielmehr besteht Anlaß, von dieser Stelle aus mit Nachdruck zu sagen, daß die beiden Verordnungen durchaus im Rahmen der Ermächtigungen erlassen worden sind, die die Bundesregierung besitzt, und daß sie deswegen rechtsbeständig sind.