Meine Damen und Herren, wir nähern uns dem Schluß der Debatte mit den restlichen Redezeiten. Der Abgeordnete Dr. von Brentano hat das Wort.
Dr. von Brentano ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Bemerkungen. Vielleicht darf ich zunächst dem Kollegen Ollenhauer eines antworten. Es ist sicherlich nicht unsere Aufgabe und unser Wunsch, eine Angstpsychose zu erzeugen. Aber Sie werden sich vielleicht daran erinnern, daß durch Ihre Fraktion und Partei der Herr Bundeskanzler gezwungen wurde, das Memorandum vorzulesen, das er sonst nicht vorgelesen hätte.
Ein zweites Wort. Ich glaube, es ist nicht gut, daß ausgerechnet Sie dem Herrn Bundeskanzler vorwerfen, er habe einen Hohen Kommissar zitiert. Waren Sie es nicht, Herr Kollege Schmid, der hier Kirkpatrick zitierte?
— Ich finde, der Unterschied ist nicht vorhanden.
Ein Drittes. Meine Damen und Herren, ich hatte erwartet, — —
— Ich habe Ihren Wortlaut nicht verfolgt.
Aber ich möchte folgendes sagen. Herr Außenminister Schuman hat nach der Meldung erklärt, die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO sei unmöglich, sagen wir es kurz: weil eine Gefahr der Aggression bestehe, weil ein Land wie Deutschland ja Ansprüche auf territoriale Änderungen anzumelden habe. Ich glaube, eines hat diese Diskussion hier im Bundestag klar ergeben: Wir haben Ansprüche anzumelden. Aber niemand — ich glaube, Herrn Richter ausgenommen, vielleicht noch Herrn Rische; sie haben ja denselben Anfangsbuchstaben —,
niemand hat erklärt, daß Deutschland territoriale Ansprüche jemals im Wege der Aggression verfolgen will.
Das hat niemand aus der Koalition und niemand aus der Opposition erklärt, und ich stelle nochmals eindeutig und unmißverständlich fest: Was wir hier wollen, was wir wünschen, ist nicht mehr und nicht weniger als die Erhaltung des Friedens,
und ich lehne es ab, über das Wort Krieg zureden.
Herr Außenminister Schuman hat ein Zweites gesagt. Er hat das Junktim zwischen beiden Verträgen betont; aber er hat nicht gesagt, Herr Kollege Ollenhauer, daß das Abkommen über einen deutschen Verteidigungsbeitrag der Vereinbarung über die Ablösung des Besatzungsstatuts vorangehen müsse.
— Verzeihen Sie! Es heißt: „ehe das Problem der Europa-Armee gelöst sei".
Das bedeutet, glaube ich, für jeden normalen Menschen das, was ich ja sagte, ein echtes Junktim, für das ich Verständnis habe und das ich persönlich mir sogar wünsche.
Und noch ein Drittes. Er hat nach der Meldung davon gesprochen, daß die Intervention der Europagemeinschaft nach dem Vertrag, den wir heute diskutiert haben, keine Intervention, keine Hilfeleistung ohne einstimmigen Beschluß des Ministerrats auslöse. Aber ich glaube, Sie haben vergessen zu zitieren, Herr Kollege, daß Herr Schuman sagte — ich glaube, Sie haben es sogar gesagt —: In einem Grenzzwischenfall.
Im übrigen steht fest — und das darf ich Ihnen jetzt sagen —, daß nach dem Entwurf des Vertrags zur europäischen Verteidigungsgemeinschaft jeder Angriff auf deutsches Bundesgebiet die automatische Beistandspflicht der fünf anderen Staaten und die automatische Beistandspflicht der NATO nach sich zieht. Ich glaube, daß diese vertragliche Festlegung wichtiger und bedeutungsvoller ist als das, was angeblich Herr Schuman gesagt haben soll, um so mehr, als der Vertrag, wie Sie wissen, ja noch nicht einmal paraphiert ist.
— Ich sagte ja: im Fall eines Angriffs die automatische Intervention der fünf Länder, die sich an diesen Vertragsverhandlungen beteiligen, und der gesamten Streitkräfte der NATO.
Aber, meine Damen und Herren — lassen Sie mich damit zum Schluß kommen —, ich möchte Ihnen noch die Entschließung vortragen, die ich im Auftrage und im Namen der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP dem Bundestag vorgelegt habe. Die Entschließung lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag hat am 26. Juli 1950 mit überwältigender Mehrheit seine Bereitschaft zum Abschluß eines europäischen Bundespaktes und zur Schaffung einer übernationalen Bundesgewalt bekundet. Wir bekennen uns erneut zur Vereinigung Europas in einem Bund, der alle freien europäischen Völker mit gleichen Rechten und Pflichten zusammenschließt.
Angesichts der Weltlage kann sich die werdende europäische Gemeinschaft der Pflicht nicht entziehen, in Zusammenarbeit mit den anderen Völkern der freien Welt die Grundrechte der Freiheit und der Demokratie zu verteidigen.
Ausschließliches Ziel der gemeinsamen Anstrengungen muß es sein, den Frieden zu sichern und jede Bedrohung dieses Friedens abzuwehren.
An dieser Aufgabe wird Deutschland als gleichberechtigter Partner mitwirken in der Erkenntnis, daß es gegenüber den Feinden der Freiheit keine Neutralität gibt. In Frieden und in Freiheit wollen wir das ganze Deutschland wieder vereinigen.
Meine Damen und Herren, damit wir uns über den Inhalt dieser Entschließung restlos klar werden, beantrage ich namens meiner Freunde namentliche Abstimmung.