Rede von
Dr.
Kurt Georg
Kiesinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich Sie, Herr Rische, recht verstanden habe,
haben Sie vom Philosophen gesprochen.
Sie sollen ihn bekommen, Herr Rische. Vielleicht lassen sich die Dinge, über die wir heute zu sprechen haben, in der Tat am besten aus philosophischer Schau betrachten. Sie gehören doch einer politischen Richtung an, die stolz darauf ist, die Weltgeschichte philosophisch zu betrachten, sofern man den dialektischen Materialismus überhaupt eine Philosophie nennen kann.
Der Herr Kollege Ollenhauer hat heute früh gesagt, man solle voraussetzen, daß die Abgeordneten dieses Hauses die e Zeitung gelesen hätten, wenn sie hier hereinkämen. Gewiß, — ich fürchte nur, daß wir manchmal allzusehr vollgepackt mit Zeitungslektüre an die Lösung Probleme unserer Zeit gehen.
Erlauben Sie mir daher, von dem, was die Tagesjournalistik bringt, ein wenig Distanz zu nehmen.
— Vielleicht profitieren sogar die Herren von der äußersten Linken davon.
— Sehr erfreulich, Herr Renner. Es ist ein Kompliment für mich, wenn Sie mich am Rundfunk anhören.
— Nett von Ihnen!
Meine Damen und Herren, ich habe auch einige
erfreuliche Dinge in der Rede des Herrn Reimann
festgestellt. Es hat mich, muß ich sagen, mit einem
gewissen Vergnügen erfüllt, daß er einer bestimmten bürgerlichen Schicht, repräsentiert durch die
Herren Niemöller und Heinemann und durch Frau
Wessel wachsende politische Reife zugestanden hat.
Wenn man allerdings das politische Wörterbuch,
die Fachsprache des Bolschewismus kennt, dann ist
man solchen Zensuren gegenüber etwas vorsichtig.
In diesem Fachwörterbuch, das noch nicht erschienen ist, würde Aggressor etwa so definiert sein: Aggressor gleich
jedermann, der mit der politischen Auffassung der Sowjetunion nicht einverstanden ist.
Ich will aber einmal trotz meines Mißtrauens gegen die bolschewistische Fachsprache ein Wort in der Rede von Herrn Reimann ernst nehmen; das
ist das Wort von dem Friedenspakt, den die Sowjetunion anstrebe.
Herr Reimann, auch Sie haben heute in der Rede des Herrn Bundeskanzlers gewiß mit Aufmerksamkeit einen Satz vernommen: als er darauf hinwies, daß auch die Macht, die Sie den großen Freund des deutschen Volkes zu nennen belieben, vielleicht etwas gewinnen könnte aus dem, was er sagt.
Er hat sehr ernste Worte gesagt, die von dem „großen Freund" Deutschlands durchaus erwogen werden sollten.
Bezüglich des Friedenspakts, den die Sowjetunion erstrebe, kann ,ich Ihnen nur sagen: wenn die Sowjetunion wirklich einen Friedenspakt erstrebt, dann hat sie dazu unsere ganze, aus vollem Herzen kommende Unterstützung.
(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Renner. — Abg.
Rische: Sie sollten ein Theologe werden,
Herr Philosoph!)
— Nicht schlecht! Der theologische Beruf ist nicht der schlechteste in dieser Welt; ich bin nur zu unwürdig dazu, ihn zu bekleiden.
Aber nun einmal ein ernstes Wort zu der Frage der Legitimation, die von Herrn Ollenhauer heute früh angesprochen worden ist, zu der Frage unserer Legitimation, an dieses todernste Problem heranzugehen. Ich habe das Gefühl, daß bei der Diskussion um diese Frage der Legitimation vielfach so getan wird, als wäre die Lage, in der wir uns jetzt befinden, erst hier und heute entstanden, als wäre es nicht eine Situation, die genau so vorgelegen hat, als die Wahlen zu diesem Bundestag stattfanden.
Erlauben Sie mir einmal, nicht nur die Zeitungen zu lesen, sondern die Stimme eines Mannes zu zitieren, der schon im Jahre 1835
den Zeitungslesern von damals ein warnendes Wort zugerufen hat; es war der geniale junge Franzose Alexis de Tocqueville, der folgendes gesagt hat:
Zwei Völker gibt es heute auf der Welt, die, von verschiedenen Ursprüngen her, sich demselben Ziel zu nähern scheinen:
Es sind die Russen und die Amerikaner. Beide haben sich sozusagen im Verborgenen entwickelt, und während die Aufmerksamkeit der Völker auf andere Gegenstände gerichtet war, haben sie sich plötzlich auf die ersten Ränge unter den Völkern gesetzt. . . .
Alle anderen Völker scheinen ungefähr die
ihnen von der Natur vorgezeichneten Grenzen
erreicht zu haben, ... sie aber stehen noch im
Wachstum, . . . gehen leichten und raschen Schrittes einen Weg, dessen Ende das Auge noch nicht zu erkennen vermag.
Um sein Ziel zu erreichen, stützt sich der eine auf das persönliche Interesse, läßt Kraft und Verstand schalten, ohne ihnen Vorschriften zu machen. Der zweite konzentriert in einem einzigen Menschen die gesamte Macht des Staates. Der eine hat als Mittel des Handelns die Freiheit, der andere die Knechtschaft.
Ihr Ursprung ist verschieden wie ihre Wege, und doch scheint jeder von ihnen nach einem geheimen Plan der Vorsehung berufen, eines Tages in seinen Händen die Geschicke der halben Welt zu halten.
Das ist im Jahre 1835 gesprochen worden. Ich mache darauf aufmerksam: es ist nicht nur vorausgesagt worden, daß diese beiden großen Mächte einmal für das Schicksal der Menschheit dieser Erde bestimmend sen werden, sondern es ist gleichzeitig auch vorausgesagt worden, mit welchen Methoden diese beiden Mächte das Geschick der Menschheit bestimmen würden, die einen mit dem Mittel der Freiheit, die unzulänglich, mangelhaft, problematisch wie immer sein wird, die anderen aber mit dem eindeutigen Mittel der Sklaverei. Diese Situation bestand also schon lange. Wenn die deutsche Außenpolitik in den Jahren nach 1900 und vor 1914 begriffen hätte, welchen Gang die Weltgeschichte nimmt, dann wäre es nicht zum ersten Weltkrieg gekommen, und wenn sie dasselbe nach 1933 begriffen hätte, verdeutlicht durch die Erfahrung der Katastrophe des ersten Weltkrieges, dann wäre es nicht zur Katastrophe von 1945 gekommen. Sorgen wir dafür, daß wir es jetzt endlich voll begreifen!
Ich rede hiermit nicht einem geschichtsphilosophischen Fatalismus das Wort. Ich bin durchaus der Meinung - es ist in den Worten meines Freundes Strauß angeklungen —, daß Europa noch eine Aufgabe hat und daß Europa in dieser Welt zwischen den großen Mächten eine bedeutende, vielleicht sogar eines Tages eine rettende Rolle spielen kann. Das besagt aber nicht, daß wir uns einbilden dürften, wir hätten jene Zeit, die schon einmal die deutsche Politik zu haben geglaubt hat. Die Kenner der Geschichte unter Ihnen darf ich daran erinnern, daß es die These der „Grauen Eminenz", die damals vor 1914 bestimmend für die deutsche Außenpolitik war, gewesen ist, man habe Zeit und dürfe in dem großen Weltringen zwischen Rußland und dem großbritannischen Weltreich leichtsinnig hin und her lavieren. Dieses leichtsinnige Hin- und Herlavieren hat uns die Tripelallianz eingebracht, und im Jahre 1907, nicht im Jahre 1918, hat Deutschland den ersten Weltkrieg verloren.
Wenn also heute früh von Herrn Ollenhauer gesagt worden ist, man solle nicht immer das Zeitelement in die Debatte werfen, so muß ich dem widersprechen. Wir müssen das Zeitelement in die Debatte werfen. Man darf mit der Zeit nicht leichtsinnig spielen, weil man sie sonst leichtsinnig verspielt.
Herr Ollenhauer hat auch einen anderen Appell an uns gerichtet; er hat gesagt, wir dürften nicht an das Gefühl appellieren. Richtig, und gerade in
der Außenpolitik ist es eine alte Weisheit, daß man nicht an das Gefühl appellieren sollte. In Demokratien und gerade in Domokratien, die auf so wenig Tradition zurückzuschauen haben wie die unsere, ist es besonders gefährlich, an das Gefühl zu appellieren.
Wenn ich Sie erinnern darf, daß es einmal in der Geschichte der Vereinigten Staaten einen Augenblick gab, da der populärste Mann dieser Geschichte, Washington, seine ganze Autorität aufbieten mußte, um sich gegenüber einer aufgeregten Volksmeinung durchzusetzen — und er hat damals beinahe seine ganze Popularität verspielt —, als er sich entgegen der öffentlichen Meinung dagegen stellte, daß sich Amerika an der Seite Frankreichs in einen Krieg gegen England begibt, dann sehen Sie, wie schwer es mitunter ist, in der Außenpolitik gegenüber einer durch Gefühle aufgeregten Masse einen festen Kurs zu steuern.
Der Appell in das Gefühl in diesem Punkt ist besonders gefährlich; Sie haben recht. Meine Herren, wissen Sie denn, wen Sie durch Ihren Appell an das Gefühl hinter sich sammeln, heiße er Herr Heinemann, heiße er Herr Niemöller, heiße sie Frau Helene Wessel? Es sind nicht die Leute, die Sie anzusprechen glauben. Hinter ihnen steht wachsend mehr und mehr das radikale „Ohne mich".
Und — so paradox es klingen mag — in diesem Rahmen des radikalen „Ohne mich" befinden sich heute jene, die in den Jahren nach 1919 im völkisch-nationalistischen Lager standen.
Es war ein teuflischer Geist, der in diesem Lande
das Wort von der „Remilitarisierung" erfunden hat.
Wem geht es denn hier um „Remilitarisierung"? Höchstens ein paar Narren denken daran.
Was sich hier begibt, ist etwas ganz anderes als „Remilitarisierung".
— Die Logik war nie Ihre starke Seite! Um was geht es wirklich? Das deutsche Volk hat nach 1945 ganz gewiß seinen Willen bekundet: Nie wieder Militarismus alten Schlages! Wir können diesen Militarismus alten Schlages nicht getrennt von dem betrachten, was mit dem Jahre 1945 nach unserer festen Überzeugung auf Nimmerwiederkehr untergegangen ist. Was ist denn untergegangen? Untergegangen ist die Welt des alten nationalen Machtstaates; untergegangen ist die Welt der nationalen und machtpolitischen Anarchie und all das, was dazu gehörte. Dazu gehörte auch eine ganz bestimmte Art der Wehrverfassung, eine ganz bestimmte Art des Heeresgeistes, des Soldatengeistes und was damit zusammenhängt. Die nationalen Heere waren Instrumente der nationalstaatlichen Machtpolitik, jener Machtpolitik, die auf Expansion, Macht, Ehre, Ruhm aus war; sie hat Form, Gehalt und Geist jener Heere bestimmt. Es war Preußens Gloria, und Frankreichs Gloire, die im Jahre 1945 endgültig verschieden sind.
Wir sind in eine neue Epoche eingetreten. Daran glauben alle, denen es um die Zukunft der Menschheit heute ernst ist. Diese neue Epoche heißt nicht mehr nationalstaatliches Gegeneinander, heißt nicht mehr ewiger europäischer Bürger- und Bruderkrieg, sondern sie heißt: Gemeinschaft der freien Völker.
Solange wir nicht in einer Welt leben, in der das Lämmlein friedlich neben dem Wolf grasen kann, muß eine solche Gemeinschaft darauf bedacht sein, sich zu wehren, wenn es nottut, gegen diejenigen, die sie nicht dulden wollen. Wenn also heute daran gedacht ist, daß das deutsche Volk in dem Gesamtgefüge einer internationalen, einer übernationalen, einer europäischen und darüber hinausreichenden Verteidigungsgemeinschaft einen Wehrbeitrag leistet, so ist das etwas ganz und gar Neues und hat mit „Remilitarisierung" auch nicht das geringste zu tun.
Aus dieser Schau müssen wir und muß vor allen Dingen die Masse, die verstörte, aufgeregte, irregeführte Masse des deutschen Volkes das Problem sehen.
Niemand in diesem Volk, davon bin ich überzeugt, wird, wenn das Gespräch von Mann zu Mann und von Frau zu Frau in tiefstem Ernst geführt wird, sich dieser Einsicht verschließen.
Es hat in der Geschichte der Wehrverfassungen je und je solche Revolutionen gegeben. Als man am Beginn des letzten Jahrhunderts, welcher zugleich der Beginn der nationalstaatlichen Entwicklung war, von den Wehrverfassungen des fürstlich-absolutistischen Heeres zum modernen Volksheer überging, hatten wir eine solche Zäsur. Die Zeit dieses Nationalstaates ist zu Ende. Wir haben eine neue. Das neue Heer ist kein nationalstaatliches Heer mehr, meinetwegen, wenn Sie wollen, meine Herren von der äußersten Linken, kein imperialistisches Heer mehr, sondern ein Heer zur Verteidigung des Friedens.
- Ich habe von Ihrem Wörterbuch schon gesprochen und davon, wie man es auslegen soll.
Und insbesondere an die Adresse unserer sozialdemokratischen Kollegen, denen Herr Reimann so freundlich klargemacht hat, was sie „eigentlich" wollen — Ihnen soll besonders gesagt sein: in der Frage der Legitimation muß man die Dinge wirklich von weither sehen. Ist es denn im Jahre 1949 anders gewesen als heute? Was hat dieses deutsche Volk, als es gewählt hat, und was haben wir, als wir uns wählen ließen, gedacht? Es ist schade, daß der Herr Ollenhauer nicht da ist. Ich hätte ihm gern gesagt: es hat mich heute früh befremdet, daß er so wenig von dem Mandat hält, das man ihm im Jahre 1949 übertragen hat.
Ich bin in dieses Parlament nicht mit dem Gefühl
eines beschränkten Mandats eingezogen. Ich habe
damals den mir angebotenen sicheren Wahlkreis
zunächst abgelehnt, eben in dem Gefühl für die
ungeheuer verantwortungsvollen Entscheidungen,
die in den kommenden vier Jahren auf uns warten
würden. Sie mögen sagen, das war Ängstlichkeit. Ich habe mich dann anders besonnen und im Bewußtsein dessen, was auf uns zukommt, die Entscheidung für die Politik getroffen. Ich habe von Anfang an gesehen, daß die Entwicklung, die vor uns steht, doch nur der Vollzug eines seit langem begonnenen Prozesses ist. Ich habe nicht an eine weltgeschichtliche Pause zugunsten des Deutschen Bundestages geglaubt!
Wenn ein gelehrter Kritiker jüngst in einem Aufsatz gesagt hat, das Grundgesetz sei so durch und durch antimilitaristisch und pazifistisch, daß es einen Gestaltwandel dieses. Grundgesetzes bedeuten würde, wenn man nunmehr durch ein Gesetz das Wehrproblem behandelte, so kann ich diesem Gelehrten nur entgegenhalten: Wenn du damit — und er läßt es anklingen, denn ein leichter Stoßseufzer nach der Herrlichkeit des alten deutschen Heeres steht in dem Aufsatz auch drin — die alte Remilitarisierung meinst, dann ist das Grundgesetz pazifistisch, und wenn du den alten Militarismus meinst, dann ist das Grundgesetz antimilitaristisch, dann sind wir es alle aus ganzem Herzen; wenn du aber glaubst, daß man sich in diesem Grundgesetz der Illusion hingegeben habe, daß die Freiheit etwas sei, was uns geschenkt sei, dann brauchen wir nur noch die Sirenengesänge von der äußersten Linken zu hören, um zu wissen, daß sie täglich bedroht ist und daß sie daher auch täglich geschützt werden muß. Wir haben den Mut, sie zu schützen.
Ich will mich hier nicht auf genauere juristische Auseinandersetzungen über den Inhalt des Grundgesetzes und über die einzelnen Bestimmungen einlassen, die herangezogen werden können, um unsere Legitimation darzutun, durch ein Bundesgesetz das Wehrproblem anzupacken. Der Herr Bundeskanzler hat mir heute früh in seinen Ausführungen einige sehr gute Argumente vorweggenommen. Es kann gar kein Zweifel sein, daß sich unsere Grundgesetzgeber bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat darüber einig waren, daß man diese Demokratie und diese Demokratie im Gesamtverband der demokratischen Welt verteidigen müsse. Nicht nur das, was der Herr Kollege Schmid ausgeführt hat, daß im Rahmen einer kollektiven Sicherheit an eine solche Verteidigung gedacht werden dürfe, ist da beschlossen worden, sondern auf ausdrücklichen Antrag des jetzigen Justizministers Dr. Dehler, der darauf hingewiesen hat, daß sich kein Volk der Pflicht der Selbstverteidigung entziehen dürfe, ist nicht der Krieg, sondern der Angriffskrieg allein im Grundgesetz verpönt worden. Ich gestehe gern, daß ich mit dem Kollegen Professor Schmid einig gehe: auch mein Wunsch ist es, daß es uns gelingen möge, die Frage der Sicherheit in Zukunft immer nur im Rahmen des Schutzverbandes der freien Welt zu lösen, und daß niemals wieder die Notwendigkeit an uns herantreten möge, das Wehrproblem aus eigenen Kräften und allein anzupacken. Solange das aber noch nicht der Fall ist, müssen wir alles tun, um diesen übernationalen Wehrverband, Verteidigungsverband und Kulturverband zu schaffen.
Was anders ist denn die Anstrengung des Regierungschefs in diesen ganzen zwei Jahren hier gewesen, als mit Geduld und Zähigkeit trotz Enttäuschungen von innen und außen diesen schweren Weg zu gehen und Schrittmacher der europäischen Einheit zu sein? Wer von Ihnen im Ausland gewesen ist und die Stimmen der Menschen draußen
gehört hat, den mußte die Freude packen, wenn er hörte, wie hier ein führender deutscher Staatsmann durch das Maß, durch die Klugheit, durch die Geduld und die Festigkeit in der deutschen Politik jenen Kredit zurückgewonnen hat, den das deutsche Volk als der Bankrotteur, der es 1945 war, gar nicht innerhalb weniger Jahre von der Welt zurückzuerlangen erwarten durfte.
Unsere Legitimation, das Problem anzupacken, kann nicht bestritten werden. Wir werden uns in den kommenden Monaten den Gesprächen, den Argumenten, die sich auf Einzelheiten beziehen, nicht entziehen. Wir sind überzeugt, daß wir diese Auseinandersetzungen nicht zu fürchten haben.
Wir bitten dabei aber auch die Welt jenseits unserer Grenzen zu verstehen, um was es uns geht. Ich möchte in dieser ernsten Stunde vor allen Dingen auch für meinen Teil einen Appell an das französische Volk und seine politische Führung richten. Ich weiß, daß es diesem Volk nicht leicht fällt, nach dem, was es erlebt hat, den Glauben und das Zutrauen an Deutschland zurückzugewinnen. Aber ich bitte es, sich durch nichts, zu allerletzt — genau so wenig wie wir — durch Politiker von vorgestern, die nichts gelernt haben,
in einen gegeneuropäischen Kurs hineinsteuern zu lassen.
Die Millionen von' Franzosen, von Frauen, Männern und Kindern drüben wollen den Frieden genau so wie wir, und sie wollen die Freiheit genau so wie wir.
Glauben wir, daß die große Mehrheit unserer Völker es gut mit dem anderen meint! Haben wir Zutrauen zueinander, lassen wir uns nicht durch zweit- und drittrangige Fragen voneinander trennen! Stellen wir die nationalen Egoismen zurück! An uns beiden, - an uns beiden vornehmlich liegt es, ob das große Werk, das unserer Generation aufgegeben ist, gelingt, das Werk: Freiheit und Frieden für Europa immerdar!