Rede:
ID0119001600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 38
    1. das: 3
    2. der: 3
    3. Zwischenrufe: 2
    4. zu: 2
    5. Meine: 1
    6. Damen: 1
    7. und: 1
    8. Herren,: 1
    9. ich: 1
    10. habe: 1
    11. keine: 1
    12. geschäftsordnungsmäßige: 1
    13. Möglichkeit,: 1
    14. Recht: 1
    15. Abgeordneten,: 1
    16. machen,: 1
    17. beschränken.: 1
    18. Ich: 1
    19. darf: 1
    20. nur: 1
    21. vermuten,: 1
    22. daß: 1
    23. Haus: 1
    24. ebenso: 1
    25. wie: 1
    26. am: 1
    27. Rundfunk: 1
    28. zuhörende: 1
    29. Volk: 1
    30. aus: 1
    31. Qualität: 1
    32. sich: 1
    33. sein: 1
    34. eigenes: 1
    35. Bild: 1
    36. darüber: 1
    37. machen: 1
    38. wird.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 190. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1952 8095 190. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1952. Geschäftliche Mitteilungen 8095B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Frage eines deutschen Verteidigungsbeitrages und der Errichtung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft; Saarfrage; Atlantikpaktfrage) . . 8095B Dr. Adenauer, Bundeskanzler 8095C, 8141B Unterbrechung der Sitzung 8108C Besprechung der Erklärung der Bundesregierung 8108D Ollenhauer (SPD) 8108D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 8117A Strauß (CSU) 8118A Euler (FDP) 8128D Dr. Wahl '(CDU) 8134B Reimann (KPD) 8135D Majonica (CDU) 8141C Kiesinger (CDU) 8142C Dr. Tillmanns (CDU) 8145D Nächste Sitzung 8148D Die Sitzung wird um 9 Uhr 36 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Der Schumanplan hat eine sehr große politische Bedeutung. Es ist hier darüber mehr als genug gesprochen worden; ich muß ihn aber in diesem Zusammenhang noch einmal kurz erwähnen. Er hat seine besondere politische Bedeutung darin, daß er — und das war auch von Herrn Schuman, als er seinerzeit den Plan der Diskussion übergab, ausdrücklich erklärt worden — dazu dienen soll, ein für allemal zukünftige kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich zu verhindern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Unter diesen Gesichtspunkten sind wir deutscherseits an die Verhandlungen über den Schumanplan
    herangetreten. Diese Verhandlungen, die sich ja
    über viele Monate erstreckt haben und bei denen
    es sich auch um Gesichtspunkte gehandelt hat, die
    im allgemeinen die Menschen besonders zu interessieren pflegen, nämlich um materielle Vorteile
    oder Nachteile, sind insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland ohne jede Spannung — man
    kann darüber hinausgehend sagen, beiderseits ge-
    tragen von der großen politischen Bedeutung des Schumanplans —, fast in Harmonie vor sich gegangen.
    Die Verhandlungen über die Schaffung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft, ein Vorschlag, der von dem damaligen Ministerpräsidenten Pleven, wie Sie wissen, ausgegangen ist, sind in Paris, wo es sich vor allem um technisch-militärische Fragen gehandelt hat — ich darf Sie erinnern, daß zunächst von den Combat-Teams die Rede war und die anderen Divisionen haben sollten, wir nicht, daß die anderen schwere Waffen haben sollten, wir nicht —,

    (Zurufe bei der KPD: Aha!)

    alle diese Verhandlungen unter den Sachverständigen dort sind schließlich in einer überraschenden Einmütigkeit und mit einer überraschenden Schnelligkeit weitergegangen.

    (Abg. Rische: Ober deutsche Divisionen und schwere Waffen — das kann man verstehen!)

    Erst in den letzten Tagen wird, anscheinend im Zusammenhang mit den politischen Fragen, die jetzt plötzlich nach vorn geschoben werden, auch hier der Versuch gemacht, wieder zurückzukommen von Vereinbarungen — natürlich unter den Delegationen, nicht unter den Regierungen —, die schon lange vorher getroffen worden sind.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Bei der Verhandlung über die finanziellen Fragen — Fragen, die doch von außerordentlich großer Bedeutung sind und die in den letzten Tagen vor dem Komitee des Atlantikpaktes, vor den sogenannten drei Weisen stattgefunden haben — hat eine absolut verständnisvolle Atmosphäre geherrscht.

    (Abg. Rische: Wo es um Menschen, Munition und Geld geht, natürlich!)

    Ich darf noch ein Weiteres sagen: Ich habe, wie Sie wissen, an mehreren Konferenzen der sechs Außenminister, deren Länder an der europäischen Verteidigungsgemeinschaft teilnehmen sollen, in Paris sowohl wie in Straßburg teilgenommen. Auch bei diesen Verhandlungen herrschte — das lassen Sie mich nachdrücklichst hier erklären — zwischen dem französischen Außenminister, dem italienischen Außenminister und dem deutschen Außenminister im wesentlichen volle Übereinstimmung über das Ziel und über die einzuschlagenden Wege.

    (Abg. Rische: Achse Bonn-Rom-Paris!)

    Die Schwierigkeiten, die vor einiger Zeit dort bei den Verhandlungen aufgetreten sind, haben sich nicht durch Bedenken der drei Länder, die ich eben genannt habe, ergeben, sondern die ergaben sich aus Bedenken, die von den Beneluxstaaten erhoben wurden.
    Ganz plötzlich — und das ist das Auffallende an der ganzen Situation —, hat sich das geändert. Ganz plötzlich sind Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland aufgetaucht. Diese Spannungen werden — ich muß das zu meinem Bedauern sagen — von der Auslandspresse in einer Weise dargestellt und kommentiert, daß man, wenn man die Auslandspresse übersieht, den Gedanken einer einheitlichen Beeinflussung nicht ablehnen kann.
    Diese Spannungen betreffen die Saarfrage und die Frage des Atlantikpaktes. Die Saarfrage hat uns in Deutschland und insbesondere in diesem Hause, wie Sie alle wissen, immer und immer wieder beschäftigt. Ich habe von diesem Platze aus wiederholt ausgesprochen, nach meiner Überzeu-


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    gung werde sich die Saarfrage im Laufe der Zeit in einer Weise lösen lassen, die allen beteiligten Interessen, den deutschen, den französischen und insbesondere auch den Interessen der Saarbevölkerung, gerecht werde. Ich habe diese Erklärung — glauben Sie mir das — nicht etwa leichtfertig abgegeben, sondern ich hatte gute Gründe dafür, anzunehmen, daß eine solche Entwicklung kommen werde. Sie müssen bitte Verständnis dafür haben,

    (Zuruf von der KPD: Warum so geheimnisvoll?)

    daß ich in diesem Augenblick nicht in der Lage bin, diese meine Gründe hier vor der Öffentlichkeit mitzuteilen.

    (Abg. Rische: Das hängt mit dem Schumanplan zusammen!)

    Aber ich bin durchaus bereit, sie einem möglichst kleinen Kreise von Mitgliedern dieses Hauses,

    (Rufe: Aha! von der KPD — Abg. Renner: Ja, ja, da kommt es wieder!)

    und zwar von den verschiedenen Fraktionen, auch der Opposition, mitzuteilen.
    Plötzlich wird nun die Saarfrage akut, und in das Feuer, das angezündet worden ist, ist noch Brennstoff hineingegeben worden — lassen Sie mich das hier, und das geht namentlich an die Adresse des Auslandes, mit aller Entschiedenheit und mit aller Klarheit sagen — durch eine falsche Meldung der dpa über das, was ich in meiner Fraktion erklärt haben soll.

    (Zuruf von der KPD: Da gibt es aber Zeugen von Ihren eigenen Parteifreunden gegen Sie!)

    Diese Erklärung der dpa — ich habe jede Erklärung über das, was ich gesagt habe, abgelehnt — beruht, das möchte ich hier ausdrücklich feststellen, nicht etwa auf einer Angabe des Vorsitzenden oder des' Vorstandes der CDU/CSU-Fraktion, sondern auf irgendwelchen, leider bisher von mir noch nicht festgestellten Flüstergesprächen zwischen Vertretern der dpa und, wie die dpa behauptet, einem Mitgliede dieser Fraktion.

    (Abg. Fisch: Sitzen denn die Kommunisten schon in Ihrer eigenen Fraktion?)

    Ich muß aber, weil mir im deutschen Interesse daran liegt, daß die Behandlung dieser ganzen Fragen, welche Bedeutung für Deutschland und für Europa haben, in einer möglichst ruhigen Atmosphäre erfolgt,

    (Abg. Rische: Nur nicht die Wahrheit sagen!) nochmals erklären, daß die Angaben der dpa über das, was ich in meiner Fraktion erklärt haben soll, unwahr, unzutreffend sind.


    (Abg. Rische: Nun muß der arme Redakteur dafür leiden!)

    Nun ist die Saarfrage plötzlich akut geworden, einmal durch die Ernennung des Herrn Grandval zum Botschafter. Aber gleichzeitig hat der Stellvertreter des französischen Hohen Kommissars, Herr Bérard, auf einer Konferenz der ausländischen Presse, die er zusammengerufen hat, vertraulich mitgeteilt, daß die französische Regierung verschiedenen ihrer diplomatischen Missionen saarländische Vertreter beigeben werde.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Endlich hat diejenige Zeitung an der Saar, die in toto von der französischen Regierung abhängig ist, erklärt, daß diese Maßnahmen der Beginn eines neuen Staates seien, eines Staates an der Saar.

    (Hört! Hört! in der Mitte. — Abg. Niebergall: Das steht doch alles in den Saarkonventionen! — Abg. Rische: Das sind doch Marshallplangelder!)

    Man muß diese Dinge im Zusammenhang sehen und dabei gleichzeitig berücksichtigen, daß sie sich nach Genehmigung des Schumanplans und vor der Debatte im Bundestag wegen der Schaffung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft ereignet haben.

    (Abg. Rische: Das war so mit Herrn McCloy ausgeknobelt! — Weitere Zurufe von der KPD. — Zurufe rechts: Unverschämtheit!)

    — Herr Präsident, ich weiß nicht, ob ich als Bundeskanzler gezwungen bin, mir in einer so wichtigen Debatte fortwährend derartige Zwischenrufe gefallen zu lassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Unruhe links. — Abg. Mellies: Das ist eine Anmaßung von Ihnen heute morgen!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich habe keine geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit, das Recht der Abgeordneten, Zwischenrufe zu machen, zu beschränken. Ich darf nur vermuten, daß das Haus ebenso wie das am Rundfunk zuhörende Volk aus der Qualität der Zwischenrufe sich sein eigenes Bild darüber machen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der DP: Das sind Störungen, Herr Präsident!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und .Herren, lassen Sie mich in meinen Ausführungen zur Saarfrage fortfahren. Der Zusammenhang zwischen den Ereignissen, die ich soeben gekennzeichnet habe, und dem Vertrag über die Errichtung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft, ein Zusammenhang, der von einem Teil der ausländischen Presse geleugnet wird, liegt in folgendem. Herr Minister Schuman hat mit mir am 18. April des Jahres 1951 Briefe gewechselt, in denen ausdrücklich ausgeführt ist, daß dem endgültigen Status an der Saar von keiner Seite präjudiziert werden sollte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Lassen Sie mich mit allem Freimut sagen: nicht nur die deutsche Öffentlichkeit, auch ich erblicke in diesen Vorgängen eine solche Präjudizierung.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Und das Verbot der DPS war keine?)

    Ich finde es höchst gefahrvoll, wenn in einem Augenblick, in dem durch Verhandlungen über die europäische Verteidigungsgemeinschaft eine dauernde Partnerschaft in Europa und zwischen Frankreich und Deutschland herbeigeführt werden soll, durch irgendeine Handlung das Vertrauen darin, daß der andere es wirklich genau so meint wie wir, gestört wird.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das ist der Grund dafür, warum wir Deutsche uns in den Verhandlungen über die europäische Verteidigungsgemeinschaft durch dieses Verhalten der französischen Regierung an der Saar — ich will mich jetzt sehr diplomatisch ausdrücken, Sie werden das verstehen —

    (Lachen links)

    sehr gestört fühlen. Wir Deutsche müssen verlangen, daß an der Saar endlich einmal wirkliche demokratische Freiheiten' gewährt werden.


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)


    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Mommer: Das sagen Sie jetzt, nachdem Sie ratifiziert und die Waffe aus der Hand gegeben haben! Abg. Dr. Richter [Niedersachsen] : Aber auch hier! — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Eine weitere große Aufregung ist in Frankreich durch die Ausführungen entstanden, die der Herr Staatssekretär Dr. Halsstein bei der letzten Außenministerkonferenz in Paris zur Atlantikpaktfrage gemacht hat. Man hat es so dargestellt, als wenn diese Frage von Deutschland ganz plötzlich aufgeworfen worden wäre und als ob man — die Ausdrücke sind gefallen — Erpressungen gegenüber Frankreich ausüben wolle. Es ist auch in der nichtfranzösischen Auslandspresse allerhand Kritik daran geübt worden, daß Deutschland, wie man meint, plötzlich diese Frage herausgezogen habe und damit -- ich wiederhole den Ausdruck — Erpressungen ausübe. Ich möchte darauf zweierlei sagen: Zunächst, daß die Frage der Verbindung der europäischen Verteidigungsgemeinschaft mit dem Atlantikpakt ja in der Präambel zum Entwurf des Generalvertrags mit Zustimmung der Vereinigten Staaten,

    (Hört! Hört! bei der KPD) Großbritanniens und, meine Damen und Herren, Frankreichs hergestellt worden ist.


    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es heißt in dieser Präambel ausdrücklich, daß es das gemeinsame Ziel der Signatarstaaten sei, die Bundesrepublik auf der Grundlage der Gleichberechtigung in die europäische Gemeinschaft einzugliedern — und jetzt kommt der Satz —, „die sich ihrerseits in die sich entwickelnde atlantische Gemeinschaft einfügen wird."

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Sehen Sie, meine Damen und Herren, schon bei diesen Beratungen ist die Verbindung, die notwendige und natürliche Verbindung zwischen der europäischen Gemeinschaft und dem Atlantikpakt von allen bejaht worden.
    Nun möchte ich doch mit wenigen Sätzen — und diese Sätze sind auch an die ausländische Öffentlichkeit gerichtet — die natürlichen und selbstverständlichen Gründe klarlegen, warum eine solche Verbindung in der Natur der Sache selbst begründet liegt. Wenn wir in die europäische Verteidigungsgemeinschaft eintreten, wird doch die Folge davon sein, daß eine gewisse Zahl Deutscher in die europäische Armee kommt. Diese europäische Armee — darüber sind sich alle einig —

    (Zuruf von der KPD: So weit sind wir noch nicht!)

    wird, solange die gegenwärtigen Spannungen in der Welt dauern, der Organisation des Atlantikpakts unterstellt werden, die unter Eisenhower steht.

    (Abg. Rische: Deutsche Söldner wollen Sie! — Weiterer Zuruf von der KPD: Sie werden sich noch täuschen!)

    Dieses Organ des Atlantikpakts unter Eisenhower untersteht wieder anderen Organen des Atlantikpakts.

    (Abg. Rische: Schließlich Washington!)

    Nun ist doch bei Gott für jeden verständlich,

    (Abg. Rische: Den lassen Sie lieber da heraus!)

    daß wir unter keinen Umständen junge Deutsche einfach einem Organ unterstellen, auf dessen Funktionieren und Arbeit wir keinen Einfluß haben.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)

    Weil das in der Natur der Sache liegt, ist auch schon in der Präambel des Generalvertragsentwurfs und auch bei den Beratungen darüber davon die Rede gewesen, daß eine solche Verbindung hergestellt werden müsse. Es ist für mich gar kein Zweifel daran möglich, daß wir, wenn wir in die europäische Verteidigungsgemeinschaft eintreten, eines Tages auch Mitglied des Atlantikpakts werden, ganz von selbst, meine Damen und Herren!

    (Lachen links.)

    - Das kann sich nicht von heute auf morgen vollziehen.

    (Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Das kann sich schon deswegen nicht von heute auf morgen vollziehen, weil ein sehr kompliziertes Verfahren nötig ist, um ein neues Mitglied in den Atlantikpakt aufzunehmen.

    (Abg. Rische: Es gibt das Gewissen der Völker!)

    Aber schon bevor wir in die europäische Verteidigungsgemeischaft eintreten und dann solche Verpflichtungen eingehen, muß auf irgendeine Weise eine Verbindung hergestellt werden, die es uns ermöglicht, auf diese Organe genau wie die anderen irgendwie Einfluß zu nehmen.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der KPD: Ihr seid doch nur Befehlsempfänger!)

    Das ist in meinen Augen eine so absolute Selbstverständlichkeit,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    ein Gebot der inneren Gerechtigkeit, ein Gebot der Verantwortung, die wir Deutsche auch gegenüber unseren Leuten haben,

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    daß ich gar nicht verstehe, wie man sich in einer solchen Weise darüber aufregen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich begrüße es — und ich bin dankbar dafür —, daß man, wie ich glaube, in Washington und in London über diese Dinge sehr viel ruhiger und sehr viel konsequenter denkt

    (Abg. Renner: Richtig!)

    als in anderen Hauptstädten.

    (Abg. Renner: Richtig! Die lösen ja auch die Kriegsmaschine aus, die Herren in London und Washington!)

    Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß es gelingen möge, die Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland möglichst bald aus der Welt zu schaffen. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Wir wollen nicht nur für jetzt den Frieden für uns und für Europa retten, sondern wir wollen dafür sorgen, daß auch nach \\ 10 und 20 Jahren, wenn die Welt vielleicht wieder anders aussieht und wenn auch die europäischen Staaten wieder zu stärkeren Staaten geworden sind, ein Krieg in Europa, ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ein für allemal unmöglich gemacht wird.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Haben Sie den neuen Abetz schon ernannt?)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Das ist — lassen Sie mich das hier einflechten — eines der Hauptziele, die wir bei unserer Politik verfolgen müssen, ein Ziel, das wir über die augenblickliche Spannung hinaus nicht aus den Augen verlieren dürfen. In einem Zeitpunkt, den keiner von uns jetzt schätzen oder bestimmen kann, sagen wir einmal, in 20 Jahren, könnte es, wenn wir bis dahin nicht ein vereinigtes Europa geschaffen haben, sein, daß in Europa selbst wieder Spannungen entstehen, die jedem Europäer nur Unglück. bringen können.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Rische: Da müssen Sie mal Frankreich hören!)


    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    Ich bitte Sie nochmals auf das allerdringlichste, dieses große Fernziel, d. h. die Verhütung europäischer Kriege, über den gegenwärtigen Spannungen und Schwierigkeiten und all dem, was damit zusammenhängt, nicht außer acht zu lassen. Jede Geburt vollzieht sich unter Wehen,

    (Lachen links)

    und auch die Geburt des neuen Europas wird Wehen und krisenhafte Entscheidungen mit sich bringen. Aber wenn etwas nötig ist und wenn wir eine Lehre ziehen sollen aus all dem, was sich seit 1914 ereignet hat,

    (Abg. Rische: Abtreten!)

    dann ist es das, daß jeder, der guten Willens ist,
    alles, was in seiner Kraft steht, einsetzen muß,
    damit wir zu einer Vereinigung Europas kommen.

    (Lebhafter Beifall bei den .Regierungsparteien.)

    Über Einzelheiten des in Paris Verhandelten jetzt zu sprechen

    (Lachen und Zurufe von der KPD: Aha!) ist nicht die Zeit.


    (Abg. Renner: Ja, ja! — Weiterer Zuruf von der KPD: Wir haben Zeit, Herr Bundeskanzler!)

    Aber ich möchte Ihnen doch folgendes sagen, was ich eben schon angedeutet hatte:

    (Abg. Rische: Geheimdiplomatie!)

    In dem Entwurf des Vertrags über die europäische Verteidigungsgemeinschaft sagt Art. III in lapidarer Kürze, daß jede Diskriminierung eines der Teilnehmer ausgeschlossen sein muß.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Wenn es zu dem Vertrag über die europäische Verteidigungsgemeinschaft kommt, —

    (Abg. Rische: Sagen Sie doch „zur deutschen Armee! ")

    — Ach, ich will doch nicht auf Ihre Zwischenrufe eingehen. Ich hatte eine sehr gute Antwort, aber ich will sie nicht geben.

    (Abg. Renner: Das sollte mich wirklich wundern, wenn Sie eine gute Antwort hätten! — Abg. Fisch: Wir sind großzügiger als Sie, wir horen uns alles an! — Heiterkeit. — Glocke des Präsidenten.)

    Wenn es zur Leistung eines deutschen Beitrags zu
    einer europäischen Armee kommt — das ist ja die
    Frage, die zur Zeit viele Kreise beschäftigt —,
    dann wird das wohl in folgender Weise vor sich gehen. Wir werden sicher zunächst mit Freiwilligen anfangen; aber es wird der Zeitpunkt kommen, wo der Schaffung eines deutschen Wehrgesetzes nähergetreten werden muß.
    Nun hat die sozialdemokratische Fraktion, wie Sie wissen, eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, indem sie die Feststellung verlangt, daß ein solches Gesetz eine Zweidrittelmehrheit erfordere.

    (Abg. Rische: Wir wollen kein solches Gesetz, mit keiner Mehrheit! — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Ich will mich hier nicht in lange juristische Auseinandersetzungen verlieren; das wird in Karlsruhe geschehen. Aber ich möchte doch einiges in die Erinnerung aller derer, die Mitglieder des Parlamentarischen Rates waren,

    (Abg. Renner: Jetzt kommen die alten Sünden heraus, Herr Carlo Schmid!)

    und damit in die Erinnerung der deutschen Öffentlichkeit zurückrufen.

    (Abg Renner: Jetzt packt er aus aus dem Stenogramm!)

    Soviel ich weiß, haben die Kläger beim Bundesverfassungsgericht den Herrn Bundespräsidenten als Kronzeugen angeführt. Die Bundesregierung wird, wenn es nach mir geht, den Bundespräsidenten nicht als Kronzeugen anführen, weil wir glauben, daß man seine Person in eine solche Auseinandersetzung nicht einbeziehen sollte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber, meine Damen und Herren, der Herr Bundespräsident Heuss war ja auch einmal Mitglied des Parlamentarischen Rates, und aus dem, was er dort gesagt hat, was er dort unserem geschätzten Kollegen Schmid geantwortet hat, und was Herr Kollege Schmid ihm dann erwidert hat, lohnt es sich doch, einiges mitzuteilen.
    Es wird Ihnen vielleicht in der Erinnerung sein, daß der Beratung des Parlamentarischen Rates ein Entwurf vorangegangen war, der von Vertretern der Länder in Herrenchiemsee ausgearbeitet worden ist. In einem Artikel dieses Entwurfs hieß es allerdings, daß es verboten sein sollte, die Führung eines Krieges vorzubereiten. Dann hat aber der Redaktionsausschuß unseres Parlamentarischen Rates beschlossen, daß an die Stelle des Wortes „Krieges" das Wort „Angriffskrieges" gesetzt werden solle. Diese Frage ist in einer Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates vom 19. November 1948 eingehend erörtert worden. Herr von Brentano hat damals ausgeführt:
    Der Redaktionsausschuß war der Auffassung,
    daß man das Wort „Krieg" durch das Wort
    „Angriffskrieg" ersetzen sollte. Denn verboten
    ist der Angriffskrieg ...

    (Zurufe von der KPD.)

    Der Abgeordnete Dr. Schmid, unser heutiger Bundestagskollege, der an den Beratungen im Parlamentarischen Rat einen sehr großen Anteil gehabt hat — einen Anteil, für den wir alle ihm nur dankbar sein können — —

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Hört! Hört!)

    — Ja, meine Damen und Herren, das waren damals noch goldene Zeiten!

    (Stürmische Heiterkeit. — Zurufe von der KPD.)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Der Herr Abgeordnete Schmid hat sich gegen diese Änderung gewendet und hat damals Gewaltanwendung — Sie hören, wie prophetisch er in die Zukunft gesehen hat — nur im Rahmen eines kollektiven Selbstschutzes zulassen wollen.

    (Hört! Hört! rechts. — Abg. Rische: Er war gut beraten!)

    Er hat damals gesagt:
    Wir sollten auch hier ein Stück weitergehen, als man bisher üblicherweise gegangen ist, und sollten in unserem Lande schlechthin untersagen, die Führung von Kriegen vorzubereiten. Wir sollten damit unsere Meinung zum Ausdruck bringen, daß in einem geordneten Zusammenleben der Völker das, was man früher als die ultima ratio regum, als das Souveränitätsrecht der Souveränitätsrechte ansah, schlechthin keine Stätte mehr haben soll, daß, wenn schon Gewalt ausgeübt werden muß, diese Gewalt nicht als nationaler Souveränitätsakt ausgeübt werden soll, sondern als Akt des kollektiven Selbstschutzes aller Nationen, die dafür sorgen, daß auf der ganzen Welt der Friede erhalten bleibt und es Angreifern unmöglich gemacht wird, den Frieden zu stören.

    (Laute Zustimmung bei den Regierungsparteien und bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Heute noch nicht!)

    Meine Damen und Herren! Ich muß Herrn Kollegen Schmid neidlos zugestehen, daß er einen weiten Blick in die Zukunft gehabt hat

    (Abg. Schoettle: Sogar über Ihre Verteidigungsgemeinschaft hinaus, Herr Bundeskanzler! — Abg. Renner: Das war der McCloy-Blick!)

    und daß er 'das Wesen der Verteidigungsgemeinschaft, verehrter Herr Schoettle, und das Wesen des Atlantikpaktes gar nicht treffender hätte kennzeichnen können, als er es damals getan hat.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es kommt aber noch besser.

    (Heiterkeit.)

    Auch der Herr Abgeordnete Renner ist damals auf den Plan getreten,

    (Heiterkeit. — Abg. Strauß: War das auch ein Prophet?)

    Der Herr Abgeordnete Renner hatte in dem Hauptausschuß einen Antrag gestellt, der von dem damaligen Vorsitzenden, dem Herrn Abgeordneten Schmid, kritisiert worden ist.

    (Abg. Renner: Sagen Sie mal den Antrag!)

    Der Herr Abgeordnete Renner hat darauf folgenden denkwürdigen Ausspruch getan -- ich hoffe, daß er ihm nicht zum Schaden gereicht —:

    (Heiterkeit)

    Er hat nämlich gegenüber dem Vorsitzenden Schmid gesagt:
    Sie wollen doch nicht behaupten, daß mit dieser Fassung die Bildung eines Heeres für Westdeutschland abgelehnt ist?

    (Große Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, das waren die Ausführungen des Herrn Renner!

    (Unruhe. — Abg. Renner: Jetzt machen Sie einen Dreh, der Ihrer wirklich unwürdig ist! Ich lese Ihnen morgen das Aktenmaterial vor! — Abg. Strauß: Keine Angst vor Pankow! — Anhaltende Unruhe.)

    Ich überlasse es jedem, die notwendigen juristischen Folgerungen aus der Diskussion im Parlamentarischen Rat über das zu ziehen, was das Grundgesetz gewollt hat und was es nicht gewollt hat.
    Bei den Verhandlungen im Parlamentarischen Rat ist dann auch die Frage zur Sprache gekommen, ob man jemandem das Recht geben sollte, aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe — bitte, meine Damen und Herren, jedes Wort ist hier wichtig —, den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern. Nun ist es interessant, daß keiner der Herren - auch nicht von der damaligen sozialdemokratischen Fraktion — im Parlamentarischen Rat etwa erklärt hat: Wir wollen doch überhaupt keinen Kriegsdienst mehr,

    (Abg. Dr. Laforet: Sehr gut!)

    niemals mehr, sondern es hat sich damals folgendes abgespielt. Der damalige Abgeordnete Heuss hat ausgeführt:

    (Zuruf von der SPD: Den wollen wir doch nicht in die Debatte ziehen! — Gegenruf von der Mitte: Er spricht ja vom Abgeordneten! — Zuruf des Abg. Paul [Düsseldorf].)

    Wir sind jetzt dabei, ein Werk der Demokratie zu schaffen. Die allgemeine Wehrpflicht ist das legitime Kind der Demokratie. Seine Wiege stand in Frankreich. Mir scheint es unmöglich zu sein, daß wir in diesem Augenblick, in welchem wir eine neue Fundamentierung des Staates vornehmen wollen — auch wenn ich mir durchaus darüber klar bin, daß wir kein Militär mehr im alten Sinn bekommen werden, ich will das auch nicht —, daß wir in dieser Situation nur mit einer solchen Deklaration kommen.

    (Abg. Rische: Aha.)

    Und darauf hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmid folgendes ausgeführt:
    Es handelt sich vielmehr darum, daß jemand, der es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, auch im Falle eines Krieges einen andern zu töten — darum handelt es sich in erster Linie —, die Möglichkeit haben soll, zu sagen: Ich will in dieser Not meines Vaterlandes meinen Dienst auf andere Weise tun können als auf diese Weise. Dafür sollten wir die rechtliche Möglichkeit schaffen.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Nicht umsonst steht dieser Abs. 5 in einem Artikel, der sich mit der Freiheit des Glaubens und des Gewissens befaßt, und nicht etwa unter den Artikeln, in denen wir versucht haben, für die künftige Ordnung Europas deutscherseits einen friedlichen Beitrag zu liefern. Unter diesem Gesichtspunkt gesehen könnte dieser Artikel vielleicht auch akzeptiert werden, wenn man grundsätzlich zu der Frage der Demokratie und der Pflicht, sie zu verteidigen, steht wie Sie, Herr Kollege Dr. Heuss.
    Bemerkenswert ist, daß Herr Abgeordneter Dr. Schmid — und ich bitte Sie, was ich jetzt sage, in vollem Ernst zu nehmen —, der damals in den Beratungen des Grundgesetzes im Parlamentari-


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    schen Rat sich durch die Fülle der Gedanken und die Arbeit, die er geleistet hat, ausgezeichnet hat, nicht etwa gesagt hat: Der ganze Artikel ist doch überflüssig, weil das Grundgesetz ja überhaupt einen Kriegsdienst, eine Wehrmacht nicht will,

    (Zuruf von der SPD: Ist das ein Plädoyer?)

    sondern er hat nur darauf gedrungen, daß in Fällen von Gewissensnot die Möglichkeit gegeben werde, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Herr Dr. Eberhard, der damals Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion des Parlamentarischen Rats war, hat ausgeführt:
    Ich glaube durchaus, daß man weder die Demokratie noch den Frieden unter allen Umständen einfach durch ein Bekenntnis zum Frieden oder durch ein Bekenntnis zur Kriegsdienstverweigerung verteidigen kann.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Das war eine sehr klare Erklärung. Das Weitere wird das Bundesverfassungsgericht sagen.

    (Zuruf links: Sind Sie sich sicher?!)

    Daß ich mich doch für verpflichtet hielt, in meiner heutigen Rede darauf einzugehen, hat folgende Gründe.

    (Zuruf des Abgeordneten Renner. — Glocke des Präsidenten.)

    Die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei internationalen Verhandlungen erleiden naturgemäß eine Schwächung ihrer Stellung, wenn in diesem Augenblick von 144 Abgeordneten des Bundestags beim Bundesverfassungsgericht eine Klage eingereicht wird, in der ersucht wird festzustellen, daß ein etwaiges Wehrgesetz nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden könnte, und wenn man dann gleichzeitig erklärt, daß man dagegen sei. Dieser Schwächung der Position der deutschen Vertreter bei internationalen Verhandlungen muß ich durch die Erklärung entgegentreten, daß diese Klage nach dem Inhalte des Grundgesetzes, nach den vorangegangenen Verhandlungen völlig aussichtslos und überflüssig ist.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. von Merkatz: Und auch unzulässig! Lebhafte Gegenrufe von der KPD und der SPD. — Abg. Mellies: Das entscheidet das Bundesverfassungsgericht! — Abg. Dr. Greve: Herr Bundesjustizminister, was sagen Sie denn dazu? — Glocke des Präsidenten.)