Rede von
Dr.
Konrad
Adenauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Der Schumanplan hat eine sehr große politische Bedeutung. Es ist hier darüber mehr als genug gesprochen worden; ich muß ihn aber in diesem Zusammenhang noch einmal kurz erwähnen. Er hat seine besondere politische Bedeutung darin, daß er — und das war auch von Herrn Schuman, als er seinerzeit den Plan der Diskussion übergab, ausdrücklich erklärt worden — dazu dienen soll, ein für allemal zukünftige kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich zu verhindern.
Unter diesen Gesichtspunkten sind wir deutscherseits an die Verhandlungen über den Schumanplan
herangetreten. Diese Verhandlungen, die sich ja
über viele Monate erstreckt haben und bei denen
es sich auch um Gesichtspunkte gehandelt hat, die
im allgemeinen die Menschen besonders zu interessieren pflegen, nämlich um materielle Vorteile
oder Nachteile, sind insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland ohne jede Spannung — man
kann darüber hinausgehend sagen, beiderseits ge-
tragen von der großen politischen Bedeutung des Schumanplans —, fast in Harmonie vor sich gegangen.
Die Verhandlungen über die Schaffung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft, ein Vorschlag, der von dem damaligen Ministerpräsidenten Pleven, wie Sie wissen, ausgegangen ist, sind in Paris, wo es sich vor allem um technisch-militärische Fragen gehandelt hat — ich darf Sie erinnern, daß zunächst von den Combat-Teams die Rede war und die anderen Divisionen haben sollten, wir nicht, daß die anderen schwere Waffen haben sollten, wir nicht —,
alle diese Verhandlungen unter den Sachverständigen dort sind schließlich in einer überraschenden Einmütigkeit und mit einer überraschenden Schnelligkeit weitergegangen.
Erst in den letzten Tagen wird, anscheinend im Zusammenhang mit den politischen Fragen, die jetzt plötzlich nach vorn geschoben werden, auch hier der Versuch gemacht, wieder zurückzukommen von Vereinbarungen — natürlich unter den Delegationen, nicht unter den Regierungen —, die schon lange vorher getroffen worden sind.
Bei der Verhandlung über die finanziellen Fragen — Fragen, die doch von außerordentlich großer Bedeutung sind und die in den letzten Tagen vor dem Komitee des Atlantikpaktes, vor den sogenannten drei Weisen stattgefunden haben — hat eine absolut verständnisvolle Atmosphäre geherrscht.
Ich darf noch ein Weiteres sagen: Ich habe, wie Sie wissen, an mehreren Konferenzen der sechs Außenminister, deren Länder an der europäischen Verteidigungsgemeinschaft teilnehmen sollen, in Paris sowohl wie in Straßburg teilgenommen. Auch bei diesen Verhandlungen herrschte — das lassen Sie mich nachdrücklichst hier erklären — zwischen dem französischen Außenminister, dem italienischen Außenminister und dem deutschen Außenminister im wesentlichen volle Übereinstimmung über das Ziel und über die einzuschlagenden Wege.
Die Schwierigkeiten, die vor einiger Zeit dort bei den Verhandlungen aufgetreten sind, haben sich nicht durch Bedenken der drei Länder, die ich eben genannt habe, ergeben, sondern die ergaben sich aus Bedenken, die von den Beneluxstaaten erhoben wurden.
Ganz plötzlich — und das ist das Auffallende an der ganzen Situation —, hat sich das geändert. Ganz plötzlich sind Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland aufgetaucht. Diese Spannungen werden — ich muß das zu meinem Bedauern sagen — von der Auslandspresse in einer Weise dargestellt und kommentiert, daß man, wenn man die Auslandspresse übersieht, den Gedanken einer einheitlichen Beeinflussung nicht ablehnen kann.
Diese Spannungen betreffen die Saarfrage und die Frage des Atlantikpaktes. Die Saarfrage hat uns in Deutschland und insbesondere in diesem Hause, wie Sie alle wissen, immer und immer wieder beschäftigt. Ich habe von diesem Platze aus wiederholt ausgesprochen, nach meiner Überzeu-
gung werde sich die Saarfrage im Laufe der Zeit in einer Weise lösen lassen, die allen beteiligten Interessen, den deutschen, den französischen und insbesondere auch den Interessen der Saarbevölkerung, gerecht werde. Ich habe diese Erklärung — glauben Sie mir das — nicht etwa leichtfertig abgegeben, sondern ich hatte gute Gründe dafür, anzunehmen, daß eine solche Entwicklung kommen werde. Sie müssen bitte Verständnis dafür haben,
daß ich in diesem Augenblick nicht in der Lage bin, diese meine Gründe hier vor der Öffentlichkeit mitzuteilen.
Aber ich bin durchaus bereit, sie einem möglichst kleinen Kreise von Mitgliedern dieses Hauses,
und zwar von den verschiedenen Fraktionen, auch der Opposition, mitzuteilen.
Plötzlich wird nun die Saarfrage akut, und in das Feuer, das angezündet worden ist, ist noch Brennstoff hineingegeben worden — lassen Sie mich das hier, und das geht namentlich an die Adresse des Auslandes, mit aller Entschiedenheit und mit aller Klarheit sagen — durch eine falsche Meldung der dpa über das, was ich in meiner Fraktion erklärt haben soll.
Diese Erklärung der dpa — ich habe jede Erklärung über das, was ich gesagt habe, abgelehnt — beruht, das möchte ich hier ausdrücklich feststellen, nicht etwa auf einer Angabe des Vorsitzenden oder des' Vorstandes der CDU/CSU-Fraktion, sondern auf irgendwelchen, leider bisher von mir noch nicht festgestellten Flüstergesprächen zwischen Vertretern der dpa und, wie die dpa behauptet, einem Mitgliede dieser Fraktion.
Ich muß aber, weil mir im deutschen Interesse daran liegt, daß die Behandlung dieser ganzen Fragen, welche Bedeutung für Deutschland und für Europa haben, in einer möglichst ruhigen Atmosphäre erfolgt,
nochmals erklären, daß die Angaben der dpa über das, was ich in meiner Fraktion erklärt haben soll, unwahr, unzutreffend sind.
Nun ist die Saarfrage plötzlich akut geworden, einmal durch die Ernennung des Herrn Grandval zum Botschafter. Aber gleichzeitig hat der Stellvertreter des französischen Hohen Kommissars, Herr Bérard, auf einer Konferenz der ausländischen Presse, die er zusammengerufen hat, vertraulich mitgeteilt, daß die französische Regierung verschiedenen ihrer diplomatischen Missionen saarländische Vertreter beigeben werde.
Endlich hat diejenige Zeitung an der Saar, die in toto von der französischen Regierung abhängig ist, erklärt, daß diese Maßnahmen der Beginn eines neuen Staates seien, eines Staates an der Saar.
Man muß diese Dinge im Zusammenhang sehen und dabei gleichzeitig berücksichtigen, daß sie sich nach Genehmigung des Schumanplans und vor der Debatte im Bundestag wegen der Schaffung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft ereignet haben.
— Herr Präsident, ich weiß nicht, ob ich als Bundeskanzler gezwungen bin, mir in einer so wichtigen Debatte fortwährend derartige Zwischenrufe gefallen zu lassen.