Rede von
Margot
Kalinke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag der Sozialdemokratischen Partei auf Aufhebung jeder Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung' und in der Knappschaft wird von meiner Partei abgelehnt.
Wir sind der Auffassung, daß über die Frage der Versicherungspflichtgrenze — über die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung ist kürzlich hier diskutiert worden — auch in der Angestelltenversicherung und Knappschaft gesprochen werden soll. Wir sind aber nicht der Meinung — und wir verwahren uns dagegen —, daß über diese so wichtige Frage in einem Augenblick diskutiert wird, in dem die wesentlichsten Grundlagen für die Reform der Angestelltenversicherung, von der hier gesprochen wird - gemeint ist allerdings von den Antragstellern die einheitliche Rentenversicherung —, wie für die notwendigerweise zu lösenden übrigen Probleme nicht gegeben sind.
Von diesem Platz aus haben wir bereits im November 1949 die Anträge zur Errichtung, der Angestelltenversicherung und zur Wiederherstellung der Geschäftsfähigkeit der Angestelltenversicherung auch im Bundesgebiet gestellt. Im Jahre 1950 haben wir erneut diese Anträge gestellt. Mit der Mehrheit dieses Hauses ist beschlossen worden, so zu verfahren. Trotzdem hat die Bundesregierung bis zur Stunde kein Errichtungsgesetz vorgelegt und auch nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen. Wir bedauern das um so mehr, als darüber hinaus der Termin für die Anpassung Berlins und für die endliche Einbeziehung aller Berliner in das Recht der deutschen Sozialgesetzgebung nun naherückt. Wir können es nicht mehr ertragen, daß entgegen deutschem Recht noch bis zum März dieses Jahres die Staatsbürger Berlins
nach anderem Recht behandelt werden als nach dem, was für jeden deutschen Bürger im Bundesgebiet gilt.
Darum wünschen wir, daß erstens die Angestelltenversicherung wieder geschäftsfähig gemacht und von der treuhänderischen Verwaltung der Landesversicherungsanstalten befreit wird. Wir wünschen weiter, -daß endlich Aufschluß gegeben wird über die getrennte Rechnungsführung zwischen Angestellten- und Invalidenversicherung. Wir wünschen, daß unser Antrag auf Überprüfung des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes, der, in Abwesenheit unserer Fraktion im Ausschuß, der Bundesregierung überwiesen wurde und der bis zu dieser Reform zurückgestellt werden sollte, nun geprüft wird. Das heißt, wir werden nicht zustimmen, weitere Kreise der deutschen Angestellten in die Pflichtversicherung einbeziehen zu lassen, solange nicht geklärt ist, daß die Fehler des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes und dieses Lohnabzugsverfahrens beseitigt sind.
Ich verweise auf eine Eingabe, die die Deutsche Angestelltengewerkschaft in diesen Tagen an die Fraktionen gemacht hat — ohne mich etwa mit der Forderung auf Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze zu identifizieren, wie sie die DAG erhoben hat —, verweise mit Genehmigung des Herrn Präsidenten auf die Feststellung, die die deutsche Angestelltengewerkschaft getroffen hat, daß nämlich den hohen Beiträgen der Angestellten in gehobener Stellung ein dem Wert ihrer Beiträge überhaupt nicht entsprechender Steigerungsbetrag gegenübersteht. Würde, so schreibt die DAG, die seit der Einführung des Lohnabzugsverfahrens geltende Regelung schematisch auf Angestellte mit mehr als 7200 DM Jahresarbeitsverdienst übertragen werden, dann ergäbe sich beispielsweise für einen Angestellten mit 700 DM Monatsgehalt ein Beitrag von 70 DM und ein Steigerungsbetrag von 4,90 DM. Für den ebenfalls 70 DM Bezahlenden der Klasse XI — für die freiwillige Versicherung — wird nach § 9 der Verordnung zur Durchführung des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes ein Steigerungsbetrag von 6 DM gewährt.
Sie sehen schon daran, daß dieses Verhältnis den versicherungstechnischen und -mathematischen Grundsätzen in keiner Weise gerecht wird und daß es auch untragbar ist, wenn man etwa daran denkt, zwangsweise weitere Kreise in die Versicherungspflicht einzubeziehen, ohne in der Lage zu sein, ihnen einen echten und dem Beitrag gemäßen gerechten Steigerungsbetrag zu gewähren.
Wir erwarten weiter, daß die längst überfällige Altersversorgung des deutschen Handwerks nun endlich geordnet wird. Erst wenn wir wissen, wie diese Altersversorgung aussehen und wie weit sie die Angestelltenversicherung betreffen wird, sind wir bereit, die Erhöhung der Angestelltenversicherungspflichtgrenze im Ausschuß zu diskutieren.