Rede von
Irma
Keilhack
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Einen kleinen Moment bitte; ich bin gleich fertig.
Ich betone also noch einmal: im kleinsten Lebensbezirk wächst schließlich der Staatsbürger heran, der die Erfahrungen, die er dort sammelt, im Verhältnis zu seinem Staat, zu seinem Land dann später auch wirksam macht. Die Stärkung der kommunalen Einrichtungen für die Jugend ist eine absolute Notwendigkeit, der wir uns auch hier im Bund nicht verschließen können.
Die von dort herangetragenen Wünsche, meine Herren und Damen, sind nur allzu bekannt. Ich will sie nur ganz kurz nennen: Heime der offenen
Tür, die auch die jungen Menschen erfassen sollen, die noch nicht den Weg in eine Jugendgemeinschaft gefunden haben, die dadurch in der dörflichen, in der gemeindlichen oder auch in ihrer städtischen Heimat den ersten Kontakt bekommen sollen. Ich denke an Jugendbibliotheken und andere Dinge, die noch viel wichtiger sind als ein Gesetz zur Bekämpfung jugendgefährdender Schriften.
Wir wollen dabei nicht die Möglichkeiten von Wohlfahrtsorganisationen einengen. Wir stellen in diesem Zusammenhang aber die Frage — und sie ist mir wichtig genug — ob die Mittel des Steuerzahlers, die doch. öffentliche Mittel sind, nur unter der Voraussetzung, unter der sie bisher gegeben worden sind: der „Verwendung für Jugendzwecke für bestimmte Jahre" — 10 Jahre, ist gesagt —, als verlorene Zuschüsse gegeben werden sollen oder ob man sie nicht durch eine entsprechende dingliche Sicherung der öffentlichen Hand erhalten sollte. Ich glaube, auch dadurch würde vielleicht eine Steuerung der Anforderung von Baukostenzuschüssen für Jugendwohnheime und ähnliche Dinge auf die wirklich notwendigen Objekte bewirkt werden, weil dann durch Bundes-und Länderzuschüsse kein zusätzliches Organisationseigentum mehr entstehen würde. Aus verschiedenen Ländern liegen Erfahrungen über Fehlleitung von Mitteln und nicht immer voll besetzte Jugendwohnheime vor.
In diesem Zusammenhang - und damit komme ich zum Schluß —
möchte ich noch einen Artikel scharf beanstanden, den ein hoher Ministerialbeamter im Bundesinnenministerium als Privatperson verfaßte und auf Kosten der Mittel des Bundesjugendplans in Broschürenform herausgeben konnte, einen Artikel, der unter anderem gegen die Gemeinden und Länder scharfe Angriffe richtete, aber auch Werturteile über die weltanschauliche Arbeit gewisser Jugendverbände ausspricht, die es verbieten, allgemeine Steuergelder für die Verbreitung dieses Artikels in Anspruch zu nehmen.
Wir hätten vom Herrn Innenminister ferner sehr gern gewußt, von welchen Gesichtspunkten aus, mit wie hohen Mitteln und mit welchem Effekt der vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Werbefilm vom Europäischen Jugendlager auf der Lorelei hergestellt worden ist. Ein ähnlicher Fall liegt bei einem Film vor, der für die Jugendorganisationen werben soll, was wir an sich natürlich sehr begrüßen.
Wir begrüßen die Ansätze einer umfassenden staatspolitischen Arbeit für unsere Jugend. Wir begrüßen auch, daß durch die Richtlinien des Bundesinnenministeriums in der Auslegung der Leistungen der Kriegsfolgehilfe eine bessere Sicht hinsichtlich der Notwendigkeit der Hilfsbedürftigkeit in der öffentlichen Fürsorge im Entstehen ist. Nur sind, wie gesagt, die Ansätze viel zu gering; sie sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir werden im Ausschuß für den nächsten Bundesjugendplan mit konkreten Vorschlägen kommen, die selbstverständlich nicht mit 171/2 Millionen DM zu realisieren sind.
Gestatten Sie mir noch einige Minuten!
Aber selbst ein höherer finanzieller Aufwand ist ohne den erstrebten Effekt, wenn nicht eine planvolle, über mehrere Jahre angesetzte und vor allem eine koordinierte Arbeit aller Stellen erfolgt, die zu einer solchen staatspolitischen Leistung für die Jugend beitragen sollen. Ich denke nur an die Arbeit des Flüchtlingsministeriums, des Soforthilfeamts, des gesamtdeutschen Ministeriums, des Arbeitsministeriums, des Innenministeriums, des Ernährungsministeriums. Die Länder, karitative Organisationen, Hilfsfonds, McCloy-Stiftung und ähnliche Organisationen und Institutionen tragen Gelder zusammen, die in irgendwelche Kanäle fließen, so daß letzten Endes nicht der auch von uns gewünschte Effekt erreicht wird. Ich glaube, selbst der unverbesserlichste Föderalist muß einsehen, daß ein Koordinierungsinstrument vorhanden sein muß. Wir haben Vorbilder z. B. auf dem Gebiete des Gesundheitswesens, wo wir gerade in der letzten Woche einen Beschluß gefaßt haben.
— Ich glaube, Herr Strauß, wir verstoßen auch nicht gegen Ihre bayerischen Interessen, wenn wir diesen Standpunkt, der durchaus vernünftig ist, hier einmal in die Debatte zu werfen versuchen.
Wir haben ein weiteres Anliegen, das ich Ihnen noch einmal kurz nennen darf — ich höre dann auf —: das ist die Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, von der wir hoffen, daß sie jetzt endlich kommt — sie ist uns seit einem Jahr versprochen —, es ist das Jugendarbeitsschutzgesetz, das sehr dringend ist, es ist das Berufsausbildungsgesetz, und es ist vor allen Dingen, Herr Arbeitsminister, das Gesetz, das für die Lehrlinge, die nach Ablauf ihrer Lehrzeit entlassen werden, sicherstellt, daß sie Arbeitslosenunterstützung erhalten. Personalmangel ist bisher als Grund angegeben worden. Ich glaube, die politische Notwendigkeit dieser Dinge gestattet diese Entschuldigung nicht.
Wir werden wie bisher intensiv an der Aufgabe mitarbeiten. Ich glaube, niemand, auch keiner der Herren und Damen der Koalition, kann sich in dieser Hinsicht über uns beschweren. Wir sind uns aber darüber klar, daß eine durchgreifende Lösung nur möglich ist, wenn eine durchdachte wirtschaftliche und wirklich soziale Grundhaltung eingenommen wird, bei der man nicht mit Pflästerchen zu heilen versucht, sondern durch eine Beseitigung der Krankheitsursachen, der Ursachen der Not, die Gesundung betreibt. Diese Regierung vertritt die Parole: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!" Hiernach handelt sie. Danach beurteilen wir ihre Leistungen.
Wir werden konkrete Vorschläge bringen,
und wir hoffen, daß sich auch in diesem Bundestag eine Mehrheit dafür findet, die es möglich
macht, daß wir dem Arbeits- und Leistungswillen
unserer Jugend in Deutschland alle Türen öffnen.