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    Deutscher Bundestag — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1951 7469 180. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1951. Geschäftliche Mitteilungen 7471A, 7530A Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über das Paßwesen 7471B Vierten Gesetz zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes . 7471B Gesetz über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei 7471C Gesetz über die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft 7471C Gesetz über die Erhebung von Gebühren durch die Außenhandelsstelle des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 7471C Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll und drei Zusatzvereinbarungen . . 7471C Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll . . . . 7471C Gesetz über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande . . . . 7471C Gesetz über die Feststellung von Mindestarbeitsbedingungen 7471C Gesetz zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes 7471C Gesetz zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis 7471C Anfrage Nr. 234 der Abg. Strauß, Dr. Jaeger u. Gen. betr. Einstellungsbedingungen für den öffentlichen Dienst (Nrn. 2855, 2930 der Drucksachen) 7471C Anfrage Nr. 232 der Abg. Hoffmann (Lindlar), Frau Wessel und Fraktion betr. Auszahlung für Wildschäden in den von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Jagdrevieren (Nrn. 2827, 2931 der Drucksachen) 7471D Bericht des Bundesministers des Innern über die Regelung der Winterbeihilfe (Nr. 2929 der Drucksachen) 7471D Bericht des Bundesministers für Arbeit über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (Nr. 2928 der Drucksachen) 7471D Teilnahme von Mitgliedern der Türkischen Großen Nationalversammlung als Gäste an der Sitzung 7471D Präsident Dr. Ehlers . . . . 7471D, 7473B Muhlis Tumay, Erster Vizepräsident der Türkischen Großen Nationalversammlung 7472D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bericht über Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Nr. 2831 der Drucksachen) 7473B Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 7473C Müller (Frankfurt) (KPD) 7473D Wehner (SPD) 7474C Beschlußfassung 7474D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums betr. Bekanntgabe des Bundesjugendplans 1951/52 (Nr 2840 der Drucksachen) 7475A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 7475A, 7487C Frau Keilhack (SPD) 7478C Frau Rösch (CDU) 7482A Ribbeheger (Z) 7483B Frau Thiele (KPD) 7483C Dr. Mende (FDP) 7485B Ausschußüberweisung 7488B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Haltung des Bundesminister der Justiz Dr. Dehler (Nr. 2714 [neu] der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Mißbilligung der Haltung des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler (Nr. 2897 der Drucksachen) 7488B zur Sache: Paul (Düsseldorf) (KPD), Antragsteller 7488B, 7502B Bazille (SPD), Antragsteller 7490C, 7497D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 7492A, 7499D Wönner (SPD) 7493C Renner (KPD) 7495B Euler (FDP) 7496D Willenberg (Z) 7498D Dr. Hammer (FDP) 7499A Dr. Krone (CDU) 7503B zur Geschäftsordnung: Ewers (DP) 7501B Ritzel (SPD) 7501C Beschlußfassung 7503B Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Nachweisungen der Ausführung von Beschlüssen des Bundestages (Nr. 2833 der Drucksachen) 7503C, 7505B Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller 7505C Müller (Hessen) (SPD) 7505D Ewers (DP) 7506C Ausschußüberweisung 7506D Beratung des Antrags der Abg. Jacobi, Dr. Dresbach, Dr. Becker (Hersfeld), Dr. Reismann u. Gen. betr. Ausschuß für Kommunalpolitik (Nr. 2834 der Drucksachen) 7503C zur Sache: Dr. Dresbach (CDU), Antragsteller . . 7503D zur Geschäftsordnung: Dr. Mende (FDP) 7505A Mellies (SPD) 7505B Beschlußfassung 7505B Beratung der Übersicht Nr. 43 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestags über Petitionen (Umdruck Nr. 378) 7506D Beschlußfassung 7506D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über die Haushaltsrechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und für das Rechnungsjahr 1949 (1. April bis 20. September 1949) (Nr. 2907 der Drucksachen) 7506D Dr. Blank (Oberhausen) (FDP), Berichterstatter 7507A Schoettle (SPD) 7509C Bausch (CDU) 7510C Beschlußfassung 7511C Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Außerkraftsetzung der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und des Bundesministers für Wohnungsbau vom 29. November 1951 PR Nr. 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiet des Mietpreisrechts (Nr. 2887 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Altbaumieten (Nr. 2913 der Drucksachen) 7511C Paul (Düsseldorf) (KPD), Antragsteller 7511D, 7517D Jacobi (SPD), Antragsteller 7513A, 7517B Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 7515B, 7517A Froehlich (BHE-DG) 7516B Wirths (FDP) 7517B Beschlußfassung - 7518B Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz) (Nr. 1182 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 2876 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 394, 395) 7518B Frau Dr. Rehling (CDU), als Berichterstatterin 7526C als Berichterstatterin 7518C Frau Thiele (KPD) 7523B 7527A, C, 7528 A, D Frau Albrecht (SPD) 7523C Frau Arnold (Z) 7523D Frau Dr. Ilk (FDP) . . 7524C, 7526B, 7528A Frau Heiler (CDU) 7525A Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . 7525D Frau Kipp-Kaule (SPD) 7529B Frau Kalinke (DP) 7529C Abstimmungen 7526D, 7527B, D, 7528B, 7529A, D Beratung des Antrags der DP betr. Ergänzung zur Zwölften Aufbau-Verordnung der Sozialversicherung (Nr. 2862 der Drucksachen) 7530A Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 7530A Ausschußüberweisung 7530C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) über die vor dem Bundesverfassungsgericht erhobene Klage der sozialdemokratischen Fraktion des Bundestages gegen die Bundesregierung betr. Petersberger Abkommen (Nr. 2877 der Drucksachen) 7530C Dr. Kopf (CDU), Berichterstatter 7530C, 7533C Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter . . 7531C Beschlußfassung 7533C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes (Nr. 2873 der Drucksachen) 7533C Ausschußüberweisung 7533C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten (Nr. 2908 der Drucksachen) 7533D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 7533D Seuffert (SPD) 7534C, 7535C Dr. Preusker (FDP) 7535A, D Scharnberg (CDU) 7535B Ausschußüberweisung . . . . . . . . 7535D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (Nr. 2849 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2909 der Drucksachen zu Nr. 2909) . 7536A Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 7536A Beschlußfassung 7536B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Nr. 2872 der Drucksachen) 7536C Reitzner (SPD) 7536D Ausschußüberweisung 7537A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen (Nr. 2866 der Drucksachen) 7537A Ausschußüberweisung 7537A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Sortenschutz und Saatgut von Kulturpflanzen (Saatgutgesetz) (Nr. 2870 der Drucksachen) 7537A Ausschußüberweisung 7537B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 7 Abs. 2 des Güterfernverkehrsänderungsgesetzes (Nr. 2847 der Drucksachen) 7537B Ausschußüberweisung 7537B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Börsenzulassung umgestellter Wertpapiere (Nr. 2715 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 2910 der Drucksachen) . . . . 7537B Ruhnke (SPD), Berichterstatter . . 7537B Beschlußfassung 7537C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldeverkehr Atlantik City 1947 (Nr. 2595 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen (28. Ausschuß) (Nr. 2911 der Drucksachen) . . . 7537C Beschlußfassung 7537D Nächste Sitzung 7537D Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Irma Keilhack


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch wir freuen uns, daß durch die Initiative des Bundestages ein Anfang gemacht worden ist, ein Anfang mit dem Bundesjugendplan als — ich möchte einmal sagen — ein Dokument des guten Willens, unserer jungen Generation die Not unserer Zeit zu erleichtern und ihr zu helfen, den Weg zu finden, der ihr innerhalb eines demokratischen Staates die Mitarbeit am staatspolitischen Geschehen ermöglicht und die geistigen und seelischen Voraussetzungen dafür schafft.
    Der Anlaß für eine solche Aktion des Bundes sind die akuten Nachkriegsnotstände, die besonders hart die Jugend in unserem Lande getroffen haben. Es ist zuerst — ich betone ausdrücklich: zuerst — die Berufs-, Arbeits- und Heimatlosigkeit unserer Jugendlichen, die heute wie vor einem Jahr, als der Bundesjugendplan hier erörtert wurde, gleich schwerwiegend ist. Insbesondere die Berufsnot wird, bis 1954 ansteigend, immer drückender werden. Man rechnet, wenn nicht einschneidende wirtschaftliche Sondermaßnahmen ergriffen werden, 1954/55 mit einer Zahl von etwa 500 000 jugendlichen Berufs- und Arbeitsanwärtern. Dabei lasse ich die Sonderproblematik der Unterbringung der weiblichen Jugendlichen völlig unerwähnt, über die man sich ganz entschieden mehr den Kopf zerbrechen muß, als man es bisher getan hat.
    Neben diesem Kardinalproblem unserer jugendpolitischen Arbeit hier im Parlament steht das .zweite, nämlich die Notwendigkeit einer umfassenden Jugendförderung, die unseren Jungen und Mädchen im Bund ein jugendgemäßes Leben in einer Gemeinschaft sichert, vor allen Dingen ihre Berufsfortbildung fördert und in ihnen den Sinn und die Verantwortung weckt, die sie als Staatsbürger in einem Staat tragen müssen, in dem später ihr Leben und ihre Freiheit gesichert werden sollen.
    Unter diesem Gesichtspunkt, meine Damen und Herren, ist der Bundesjugendplan, wie er eben von Herrn Minister Lehr hier erklärt worden ist, wahr-


    (Frau Keilhack)

    haftig nur ein Anfang, und zwar ein ganz kleiner Anfang,

    (Sehr wahr! links)

    und hier setzt auch unsere Kritik an, die Kritik der sozialdemokratischen Fraktion. Denn wir haben zu diesem Plan und zu dieser Auffassung eine völlig andere Grundhaltung, als sie bisher eingenommen worden ist. Unsere Auffassung weicht wesentlich von der Auffassung ab, die bisher in diesem Bundesjugendplan praktiziert wurde.

    (Sehr gut! links.)

    Der Mittelpunkt alter Überlegungen des Bundesparlaments und der Bundesregierung muß unserer Meinung nach sein, daß man als Kern alter Arbeit, die wir jetzt zu leisten haben, betrachtet — und wir befinden uns da in voller Übereinstimmung mit allen Persönlichkeiten aus der Jugendarbeit, mit allen Länderministern, die in dieser Sache tätig sind, mit allen Wohlfahrts- und Jugendorganisationen und allen Fachleuten dieses Gebiets — die Behebung der Berufsnot und die Behebung der Arbeitslosigkeit, und zwar so weit, wie es überhaupt nur in den Kräften des Bundes steht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Herren und Damen, Herr Minister Lehr hat eben verkündet, daß drei Millionen DM im letzten Bundesjugendplan, der bis zum Ablauf dieses Haushaltsjahres Gültigkeit hat, für Grundausbildung und Jugendgemeinschaftswerke zur Verfügung gestellt worden sind. Es ist sehr schön, daß wir dafür drei Millionen DM bekommen, und es ist auch eine notwendige sozialpädagogische Maßnahme, die zweifellos getroffen werden muß. Aber sie betrifft nur 20 000 Jugendliche, was bei dem Umfang der Berufsnot heute schon nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Jedoch ist es, was ich betonen möchte, nur eine sozialpädagogische Maßnahme, d. h. eine Überbrückungsmaßnahme, keine echte Berufsarbeit und keine echte Arbeitsbeschaffung.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist ein Hinausschieben eines Zustandes, der in ein, zwei Jahren in voller Schärfe wieder auf uns loskommt. Es ist also völlig falsch, wenn man glaubt, mit diesen drei Millionen DM, die lediglich Grundausbildung und Jugendgemeinschaftswerk umfassen, das Kardinalproblem, die Lösung der Arbeits- und Berufsnot, auch nur annähernd ausreichend angepackt zu haben.
    Im letzten Plan, meine Damen und Herren, haben wir, wenn auch unter heftigstem Drängen der Mitglieder des Jugendfürsorgeausschusses und anderer Parlamentsmitglieder, wenigstens noch 20 Millionen Kredit aus Steg-Mitteln zu vergeben gehabt, die das Wirtschaftsministerium leider erst vor einem Vierteljahr und nicht bereits vor einem Jahr freimachen konnte, die aber doch zur Folge gehabt haben, daß zirka 9000 echte zusätzliche Lehrstellen in der Wirtschaft beschafft werden konnten.
    Dieses Mal haben wir im Ausschuß nur sehr vage Wünsche der Vertreter des Wirtschaftsministeriums gehört, die auch wahrscheinlich, wie jede Nachtragsforderung, nicht zu realisieren sind, weil offenbar kein zweiter Nachtragshaushalt kommen wird. Der Bundestag hat im April letzten Jahres auf Grund eines Antrags unserer Fraktion unter intensiver Mitarbeit aller Mitglieder des Jugendfürsorgeausschusses sehr brauchbare und sehr durchgreifende Vorschläge für die Behebung der Jugendarbeits- und -berufsnot, d. h. also für die Lösung dieses Kardinalproblems, gemacht. In diesem Jahr hat das Bundesarbeitsministerium sehr gute und sehr eingehende Vorschläge gemacht, die durchaus realisierbar sind. Auch die Arbeitsgemeinschaft Jugendpflege und Jugendfürsorge hat ein Memorandum verfaßt, eine sehr gute Arbeit, die sich auch mit der Behebung der Berufsnot vor allem der 18- bis 25jährigen befaßt. Meine Herren und Damen, hierbei handelt es sich um eine Sonderfrage, an der wir auch nicht ohne weiteres vorübergehen können, die aber in diesem Bundesjugendplan überhaupt keine Berücksichtigung gefunden hat. Wenn die Bundesregierung vor der deutschen Jugend bestehen und dokumentieren will, daß sie es mit der Behebung dieses schwierigen und sehr wichtigen Problems der deutschen Jugend ernst meint, muß sie versuchen, die vorliegenden Vorschläge schnellstens und möglichst völlig zu realisieren. Ich betone noch einmal: es muß zuerst die echte Arbeitsbeschaffung kommen; erst dann können sozialpädagogische Maßnahmen einsetzen, die als Überbrückungsmaßnahmen zweifellos bis zum Jahre 1954, wenn die Zahl der Schulabgänger den Höchststand erreicht haben wird, noch zusätzlich erforderlich sind.
    Hinzukommen muß, was ich vorhin schon erwähnte, eine Ausweitung der Hilfsstellung für die Berufsförderung und die Berufsausbildung durch Übernahme der Kosten sowohl für die Unterbringung in einem Jugendwohnheim als auch für die Berufshilfe über den Kreis der bisherigen Empfänger hinaus, über den Kreis der Kriegsfolgenhilfeempfänger, für die zur Zeit nur der Bund zuständig ist. Die Berufsnot geht weit über den Kreis dieser Jugend hinaus. Die- Grundlage für jeden jungen Menschen, gleichgültig, ob er zu dem Kreis der Kriegsfolgenhilfeempfänger gehört oder nicht, ist immer noch die gute Berufsausbildung, die ihn für sein späteres Alter krisenfest macht und die ihm vor allen Dingen auch eine Familienbildung ermöglichen soll.
    Es ist sehr bequem, zu sagen: das ist nicht unsere Sache, das ist nicht Sache des Bundes, das ist Sache der Länder! Man kann schließlich von den Ländern nicht verlangen, daß sie angesichts des Ausmaßes der Berufsnot, die eine echte Kriegsfolgenerscheinung ist und die durch die Wirtschaftspolitik des Bundes in keiner Weise gemildert wird,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    in dieser Beziehung leistungsfähig sind, und man darf ihnen nicht aus formalen Gründen noch Lasten aufbürden, die zweifellos echte Lasten des Bundes sind und durch den Bund getragen werden müßten. Auch die Mittel der Arbeitsverwaltung, die man für den Zweck einsetzen will, für den ich eben zusätzliche Mittel forderte, reichen bei weitem nicht aus. Unsere Forderung muß also dahin gehen, die Beihilfen des Bundes auch auf Ländermaßnahmen auszudehnen, was eventuell auf dem Wege einer anderen Gestaltung des Finanzausgleiches ermöglicht werden muß; darüber läßt sich durchaus reden. Wird das nicht gemacht, meine Herren und Damen, bleibt der Bundesjugendplan, wenigstens in diesem Punkte, den wir alle als den Kern unserer Aufgabe ansehen müssen, nichts weiter als eine Proklamation.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch eine andere Sache in den Blickpunkt der Diskussion rücken. Es ist hoffentlich nicht ein zweckbedingtes Vortasten der Regierung über ein Mitglied der Koalitionsparteien, den Kollegen Mende, gewesen, wenn dieser — wie ich im „Heute" gelesen habe —


    (Frau Keilhack)

    so ein kleines Interview gegeben hat, worin er wiederum versucht, dem Jugendhilfsdienst ein bißchen auf die Beine zu helfen.

    (Zurufe von der FDP.)

    — Ja, Sie müssen uns schon gestatten, ein wenig mißtrauisch zu sein! Wir haben immer noch einen schlechten Geschmack auf der Zunge von dem FDP-Antrag im Lande Niedersachsen, der dem sogenannten „freiwilligen Arbeitsdienst", der aber in Wirklichkeit doch den Stempel des Zwanges trägt, wieder zum Leben verhelfen wollte.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Abg. Dr. Mende: Kollege Albers aber auch, Frau Kollegin!)

    Ich betone an dieser Stelle ausdrücklich, daß für uns ein Arbeitsdienst in jeder Form völlig undiskutabel ist,

    (lebhafter Beifall bei der SPD — Zurufe von der FDP)

    und zwar nicht nur aus grundsätzlichen Erwägungen — die kennen Sie —, sondern weil der Arbeitsdienst für den Jugendlichen nicht die Möglichkeit schafft, sich später eine Existenz zu gründen, und weil praktisch ein Arbeitsdienstmann kostenmäßig viel teurer ist als einer, für den eine echte Arbeitsstelle geschaffen wird.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben auch die Befürchtung, meine Herren und Damen, daß die Bundesregierung mit Bezug auf die Lösung dieser Berufsnot ein bißchen auf der Stelle tritt, weil sie glaubt, einen Teil der Jugendlichen in den Grenzschutz und alle diese Dinge, die da vor uns liegen, hineinlancieren zu können, ohne daß sie sich dann großes Kopfzerbrechen zu machen braucht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich fasse also noch einmal zusammen, um unseren Standpunkt ganz klar zu präzisieren: die Voraussetzung aller Maßnahmen für die Jugendarbeit in Deutschland muß die Behebung der Arbeits- und Berufsnot der Jugend sein. Sonst sind alle anderen Dinge, die wir hier machen, kleine Trostpillen, aber keine Heilmethoden.
    Nun möchte ich zum anderen Teil des Jugendplans kommen, der zweifellos auch sehr wichtig ist. Das Bundesinnenministerium geht bei der Publizierung des Bundesjugendplans immer davon aus, daß alle Mittel jugendpflegerischer und jugendfördernder Art, die Bundesaufgabe sind, es sind im Sinne des positiven Verfassungsschutzes der Bundesrepublik. Ich denke, im Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes gibt es noch eine weitere Grundlage für diese Bundesaufgabe der Förderung der Jugend auf jugendpflegerischem und jugendpolitischem Gebiet. Wenn also die Leistungen für die deutsche Jugend auch auf diesem Gebiet absolut notwendig sind — und wir halten sie für notwendig, wir halten sie für lebensnotwendig für das Wachsen und für den Bestand dieser Jugend, für den Bestand des künftigen Staates und der Demokratie —, wenn es also von der Bundesregierung so empfunden wird, wie es von uns empfunden wird, so müßte ein Weg gefunden werden, die Leistungen des Bundes über die jetzige Beschränkung hinaus, wie sie uns von Herrn Minister Lehr hier präsentiert worden ist, auf weitere Aufgaben auszudehnen und sie nicht nur mit der Beschränkung auf die „zentralen Aufgaben" anzuerkennen. Die Ausdehnung dieser Bundesaufgabe auf die Länder und auf die Gemeinden ist außerordentlich notwendig, und die Anerkennung dieser Tatsache,
    die sich aus dem Problem selbst ergibt, könnte sich, wie ich bereits vorher beim Arbeitsproblem sagte, durchaus schon im Finanzausgleich auswirken, der so gestaltet werden kann, daß die Länder und Gemeinden zusätzliche Aufgaben für die Jugend übernehmen können.
    Meine Herren und Damen, Sie wissen alle genau so gut wie wir, daß in der gemeindlichen Selbstverwaltung die demokratische Lebensform wirklich verwurzelt werden kann, daß in den Leistungen des engsten Lebensbezirks des Staatsbürgers sich die Art des freiheitlichen, des sozialen und des demokratischen Staates am sichtbarsten offenbaren kann. Sie alle kennen aber viel zu gut und viel zu genau die Finanzlage unten in den Gemeinden, aber auch in den Ländern, um von der Erklärung des Herrn Ministers Lehr bezüglich der mangelnden Zuständigkeit des Bundes befriedigt zu sein. Von dieser Erklärung hat die Jugend gar nichts. Wenn wir also die Aufgabe der Behebung der Jugendnot auf beiden Gebieten für so ernst halten, wie sie es wirklich ist, dann muß der Bund hier mindestens auch in der Gemeindearbeit unterstützend und helfend eingreifen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich glaube, wenn der Wille da ist, wird sich eine gesetzliche Möglichkeit ganz zweifelsohne finden lassen. Schließlich liegt ja das Gesetzgebungsrecht beim Parlament, und es wird sich solchen Vorschlägen der Bundesregierung auf keinen Fall verschließen.
    Einen kleinen Hinweis auf die Jugendämter. Sie wissen, daß diese in der Nazidiktatur zu einem Torso gemacht worden sind und daß sie nach 1945 alle Mühe hatten, die ungeheure materielle Not recht und schlecht abzufangen. Sie standen außerdem — und stehen auch heute noch — nicht gerade im Mittelpunkt des Interesses der Finanzminister. Wenn wir heute verlangen — und das verlangt eigentlich jeder; der Städtetag hat im vorigen Jahr eine Sonderkonferenz mit diesem Thema abgehalten —, daß die Jugendämter lebendige Jugendämter werden, daß sie also weitestgehend erzieherische und staatsbürgerliche Arbeit an der Jugend zu leisten haben, daß sie mit ihren knapp besetzten Dienststellen neue Bundesaufgaben übernehmen, wie z. B. die Ausführung des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit und die kommende Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, dann müssen wir ihnen auch helfen, diese Dinge wirklich tun zu können; sonst bleibt alles leeres Gerede. Es ist ein Kopf-in-den-Sand-Stecken, wenn die Bundesregierung sich, wie die Schnecke in ihr Schneckenhaus, auf die Begründung „zentraler Aufgaben" zurückzieht.


Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Irma Keilhack


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Einen kleinen Moment bitte; ich bin gleich fertig.
    Ich betone also noch einmal: im kleinsten Lebensbezirk wächst schließlich der Staatsbürger heran, der die Erfahrungen, die er dort sammelt, im Verhältnis zu seinem Staat, zu seinem Land dann später auch wirksam macht. Die Stärkung der kommunalen Einrichtungen für die Jugend ist eine absolute Notwendigkeit, der wir uns auch hier im Bund nicht verschließen können.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die von dort herangetragenen Wünsche, meine Herren und Damen, sind nur allzu bekannt. Ich will sie nur ganz kurz nennen: Heime der offenen


    (Frau Keilhack)

    Tür, die auch die jungen Menschen erfassen sollen, die noch nicht den Weg in eine Jugendgemeinschaft gefunden haben, die dadurch in der dörflichen, in der gemeindlichen oder auch in ihrer städtischen Heimat den ersten Kontakt bekommen sollen. Ich denke an Jugendbibliotheken und andere Dinge, die noch viel wichtiger sind als ein Gesetz zur Bekämpfung jugendgefährdender Schriften.
    Wir wollen dabei nicht die Möglichkeiten von Wohlfahrtsorganisationen einengen. Wir stellen in diesem Zusammenhang aber die Frage — und sie ist mir wichtig genug — ob die Mittel des Steuerzahlers, die doch. öffentliche Mittel sind, nur unter der Voraussetzung, unter der sie bisher gegeben worden sind: der „Verwendung für Jugendzwecke für bestimmte Jahre" — 10 Jahre, ist gesagt —, als verlorene Zuschüsse gegeben werden sollen oder ob man sie nicht durch eine entsprechende dingliche Sicherung der öffentlichen Hand erhalten sollte. Ich glaube, auch dadurch würde vielleicht eine Steuerung der Anforderung von Baukostenzuschüssen für Jugendwohnheime und ähnliche Dinge auf die wirklich notwendigen Objekte bewirkt werden, weil dann durch Bundes-und Länderzuschüsse kein zusätzliches Organisationseigentum mehr entstehen würde. Aus verschiedenen Ländern liegen Erfahrungen über Fehlleitung von Mitteln und nicht immer voll besetzte Jugendwohnheime vor.
    In diesem Zusammenhang - und damit komme ich zum Schluß —

    (Sehr gut! in der Mitte)

    möchte ich noch einen Artikel scharf beanstanden, den ein hoher Ministerialbeamter im Bundesinnenministerium als Privatperson verfaßte und auf Kosten der Mittel des Bundesjugendplans in Broschürenform herausgeben konnte, einen Artikel, der unter anderem gegen die Gemeinden und Länder scharfe Angriffe richtete, aber auch Werturteile über die weltanschauliche Arbeit gewisser Jugendverbände ausspricht, die es verbieten, allgemeine Steuergelder für die Verbreitung dieses Artikels in Anspruch zu nehmen.

    (Abg. Mellies: Unerhört war das! — Unruhe in der Mitte und rechts.)

    Wir hätten vom Herrn Innenminister ferner sehr gern gewußt, von welchen Gesichtspunkten aus, mit wie hohen Mitteln und mit welchem Effekt der vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Werbefilm vom Europäischen Jugendlager auf der Lorelei hergestellt worden ist. Ein ähnlicher Fall liegt bei einem Film vor, der für die Jugendorganisationen werben soll, was wir an sich natürlich sehr begrüßen.
    Wir begrüßen die Ansätze einer umfassenden staatspolitischen Arbeit für unsere Jugend. Wir begrüßen auch, daß durch die Richtlinien des Bundesinnenministeriums in der Auslegung der Leistungen der Kriegsfolgehilfe eine bessere Sicht hinsichtlich der Notwendigkeit der Hilfsbedürftigkeit in der öffentlichen Fürsorge im Entstehen ist. Nur sind, wie gesagt, die Ansätze viel zu gering; sie sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir werden im Ausschuß für den nächsten Bundesjugendplan mit konkreten Vorschlägen kommen, die selbstverständlich nicht mit 171/2 Millionen DM zu realisieren sind.
    Gestatten Sie mir noch einige Minuten!

    (Zurufe von der Mitte und rechts: Nein! Schluß! — Abg. Schoettle: Wir werden es uns merken, wenn Sie so laut schreien, für das nächste Mal, wenn Sie dran sind!)

    Aber selbst ein höherer finanzieller Aufwand ist ohne den erstrebten Effekt, wenn nicht eine planvolle, über mehrere Jahre angesetzte und vor allem eine koordinierte Arbeit aller Stellen erfolgt, die zu einer solchen staatspolitischen Leistung für die Jugend beitragen sollen. Ich denke nur an die Arbeit des Flüchtlingsministeriums, des Soforthilfeamts, des gesamtdeutschen Ministeriums, des Arbeitsministeriums, des Innenministeriums, des Ernährungsministeriums. Die Länder, karitative Organisationen, Hilfsfonds, McCloy-Stiftung und ähnliche Organisationen und Institutionen tragen Gelder zusammen, die in irgendwelche Kanäle fließen, so daß letzten Endes nicht der auch von uns gewünschte Effekt erreicht wird. Ich glaube, selbst der unverbesserlichste Föderalist muß einsehen, daß ein Koordinierungsinstrument vorhanden sein muß. Wir haben Vorbilder z. B. auf dem Gebiete des Gesundheitswesens, wo wir gerade in der letzten Woche einen Beschluß gefaßt haben.

    (Zuruf.)

    — Ich glaube, Herr Strauß, wir verstoßen auch nicht gegen Ihre bayerischen Interessen, wenn wir diesen Standpunkt, der durchaus vernünftig ist, hier einmal in die Debatte zu werfen versuchen.
    Wir haben ein weiteres Anliegen, das ich Ihnen noch einmal kurz nennen darf — ich höre dann auf —: das ist die Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, von der wir hoffen, daß sie jetzt endlich kommt — sie ist uns seit einem Jahr versprochen —, es ist das Jugendarbeitsschutzgesetz, das sehr dringend ist, es ist das Berufsausbildungsgesetz, und es ist vor allen Dingen, Herr Arbeitsminister, das Gesetz, das für die Lehrlinge, die nach Ablauf ihrer Lehrzeit entlassen werden, sicherstellt, daß sie Arbeitslosenunterstützung erhalten. Personalmangel ist bisher als Grund angegeben worden. Ich glaube, die politische Notwendigkeit dieser Dinge gestattet diese Entschuldigung nicht.
    Wir werden wie bisher intensiv an der Aufgabe mitarbeiten. Ich glaube, niemand, auch keiner der Herren und Damen der Koalition, kann sich in dieser Hinsicht über uns beschweren. Wir sind uns aber darüber klar, daß eine durchgreifende Lösung nur möglich ist, wenn eine durchdachte wirtschaftliche und wirklich soziale Grundhaltung eingenommen wird, bei der man nicht mit Pflästerchen zu heilen versucht, sondern durch eine Beseitigung der Krankheitsursachen, der Ursachen der Not, die Gesundung betreibt. Diese Regierung vertritt die Parole: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!" Hiernach handelt sie. Danach beurteilen wir ihre Leistungen.

    (Lachen rechts.)

    Wir werden konkrete Vorschläge bringen,

    (Zuruf von der Mitte: Aber kein Geld!)

    und wir hoffen, daß sich auch in diesem Bundestag eine Mehrheit dafür findet, die es möglich
    macht, daß wir dem Arbeits- und Leistungswillen
    unserer Jugend in Deutschland alle Türen öffnen.

    (Beifall bei der SPD.)