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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 177. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. November 1951 7277 177. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. November 1951. Geschäftliche Mitteilungen . 7279A, 7293D, 7314A Eintritt der Abg. Frau Ansorge in den Bundestag 7279A Übertritt des Abg. Dr. Glasmeyer von der Zentrumsfraktion zur Fraktion der CDU/ CSU 7279A Änderung der Tagesordnung 7279B Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Umsiedlung von Heimatvertriebenen (Nr. 2746 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. bundeseigene Mittel- und Unterbehörden für die Umsiedlung von Heimatvertriebenen (Nr. 2853 der Drucksachen) . 7279B zur Sache: Dr. Edert (Gast-CDU), Interpellant . 7279B Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 7280D Tichi (BHE/DG) 7283B Morgenthaler (CDU) 7285A Stech (SPD) 7286B Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 7287D Dr. Besold (BP) 7288D Dr. Spiecker, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 7290B Schellhaus, Minister für Vertriebene des Landes Niedersachsen . . . . 7291A Dr. Zawadil (FDP) . . . . . 7291C, 7297D Goetzendorff (Fraktionslos) 7294A Müller (Frankfurt) (KPD) 7294C Kuntscher (CDU) 7295D Ewers (DP) 7297B zur Geschäftsordnung: Dr. Kopf (CDU) 7298C Dr. Kather (CDU) 7298D Ausschußüberweisung 7298D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Ott u. Gen. betr. Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien (Nrn. 2837, 2645 der Drucksachen 7298D Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP), Berichterstatter 7299A Dr. -Mende (FDP) (zur Geschäftsordnung) 7299B Beschlußfassung 7299C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik isterreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll (Nr. 2575 der Drucksachen), Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 2803 der Drucksachen) . . . . 7299C Dr. Preller (SPD), Berichterstatter 7299D Beschlußfassung 7300A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll und drei Zusatzvereinbarungen (Nr. 2683 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Aus- schuß) (Nr. 2804 der Drucksachen) . . . 7300A Dr. Preller (SPD), Berichterstatter 7300B Beschlußfassung 7300D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den vorläufigen Handelsvertrag vom 12. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs Griechenland (Nr. 2792 der Drucksachen) 7300D Ausschußüberweisung 7301A Erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft (Nr. 2793 der Drucksachen) 7301A Ausschußüberweisung 7301A Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) vom 20. Juni 1948 (Nr 2776 der Drucksachen) 7301A Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 7301A Seuffert (SPD) 7302A Dr. Bucerius (CDU) 7302B Ausschußüberweisung 7302B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Nr. 2830 der Drucksachen) 7302B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 7302C Seuffert (SPD) 7302D Ausschußüberweisung 7302D Erste und zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1951 (Nr. 2691 der Drucksachen) 7303A Dr. Krone (CDU) 7303B Abstimmung 7303B Dritte Beratung vertagt 7303B Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Nr. 525 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2697 [neu] der Drucksachen; Umdruck Nr. 351 [neu], 374, 375) 7303B Degener (CDU), Berichterstatter . 7303C Dr. Kneipp (FDP) 7305D, 7310A Struve (CDU) 7306C Dr. Besold (BP) . . . . 7307A, 7309A, B, C Ludwig (SPD) 7307C Sabel (CDU) 7307D Abstimmungen . . 7308A, 7309A, B, C, 7310A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 (Nr. 2278 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2690 der Drucksachen; Umdruck Nr. 349) 7303A, 7310B Dr. Gülich (SPD), Berichterstatter . 7310B Abstimmung 7313D Dritte Beratung vertagt 7303B, 7313D Dritte Beratung des Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes (Nr. 2396 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2779 der Drucksachen; Umdruck Nr. 372) 7314A Sabel (CDU): als Berichterstatter 7314B als Abgeordneter 7315B Richter (Frankfurt) (SPD) . 7314D, 7315C, D Abstimmungen 7315D, 7316A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande (Nr. 2489 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) (Nr. 2782 der Drucksachen) . . 7316A Schulze-Pellengahr (CDU), Berichterstatter 7316B Beschlußfassung 7316D Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr, von Brentano und Gen. betr. Bau einer Autobahnauffahrt bei Viernheim (Hessen) (Nrn. 2765, 2528 der Drucksachen) 7316D Knothe (SPD) 7317A Beschlußfassung 7317C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Erweiterung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung (Nrn. 2802, 1711 der Drucksachen; Umdruck Nr. 373) 7317D Euler (FDP) (zur Geschäftsordnung) . 7317D Beratung vertagt 7317D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Anpassung der Bezüge öffentlich Bediensteter an das Preisgefüge, über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Ausgabe von Verbilligungsscheinen, über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Hilfeleistung für die Unwettergeschädigten in Franken, über den Antrag der Abg. Ohlig u. Gen. betr. Ausbesserungsarbeiten an den Deichen der unteren Hunte und über den Antrag der Abg. Striebeck u. Gen. betr. Ausbau und Verlegung der Bundesstraße 1 in Mülheim (Ruhr) (Nrn. 2820, 1794, 2151, 2491, 2357, 2378 der Drucksachen) . . . 7318A Frau Rösch (CDU), Berichterstatterin 7318A Beschlußfassung 7318D Nächste Sitzung 7318D Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Hans Tichi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Bundesminister für Vertriebene der Meinung ist, daß mit seinen Darlegungen die Situation gerettet und seine und der Bundesregierung Schuld an dem Zusammenbruch der Umsiedlungsaktion aus der Welt geschafft sei, dann hat er sich schwer getäuscht. Herr Minister, die Wurzeln des Übels liegen viel tiefer, und wir haben alle Ursache, diese Eiterbeule aufzustechen. Der Herr Bundeskanzler hat am Sonnabend in einer großen Kundgebung des Bundes vertriebener
    Deutscher in Hannover zu uns gesprochen. Ich hätte gewünscht, daß er bei der Arbeitstagung, die am nächsten Tage stattfand, die schwere Anklage meines Parteifreundes, des Abgeordneten Dr. Gille aus Schleswig-Holstein, gegen die Bundesregierung wegen ihrer Umsiedlungspolitik gehört hätte. Herr Minister Lukaschek hat sie gehört, wahrscheinlich auch gut verstanden, und hat die Stimmung der Delegierten vernommen, die aus ganz Westdeutschland zusammengekommen sind.
    •Eines muß mit aller Klarheit gesagt werden. Man ist in Regierungskreisen ernstlich besorgt wegen des wachsenden Radikalismus, aber man bemuht sich keineswegs ebenso ernstlich um die Beseitigung einer sozialen Kluft, die in ihren Ursachen die Quelle des Radikalismus ist. Wenn die durch Jahre hindurch vertrösteten und hingehaltenen Heimatvertriebenenmassen nun zur Selbsthilfe greifen und, wie wir hören, vorläufig in SchleswigHolstein Trecks organisieren, um in die Aufnahmeländer zu ziehen, dann muß man verstehen, daß es um eine begreifliche Notwehr der Enterbten und um eine sehr ernste Sache geht. Wir haben keinen Grund, diese begreifliche Notwehraktion zu unterbinden oder aufzuhalten. In Schleswig-Holstein gehen Listen von Haus zu Haus. Von der dänischen Grenze bis nach Niedersachsen hinunter tragen sich die Flüchtlinge und Vertriebenen darin ein. Sie setzen ihre Unterschrift unter folgenden Text:
    Das Scheitern der offiziellen Umsiedlungsaktion infolge des restlosen Versagens der Regierungen und Parteien hat bei den unterzeichneten Heimatvertriebenen den Wunsch hervorgerufen, zur Selbsthilfe überzugehen und im Frühjahr 1952 zusammen mit anderen Schicksalsgenossen in einem geschlossenen Treck nach Süddeutschland zu ziehen, um aus der jetzigen trostlosen Lage herauszukommen. Zu diesem Entschluß sind wir vor allem durch die Erkenntnis gekommen, daß wir hier zur Dauerarbeitslosigkeit verurteilt sind und eine menschenwürdige Unterbringung auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird. Vor allem aber wollen wir unsere Kinder nicht weiterhin im Elend aufwachsen und unter den jetzigen Verhältnissen seelisch und körperlich verkommen lassen.
    Diese Aktion hat bereits nach Niedersachsen herübergegriffen und wird wahrscheinlich auch in Bayern nicht ausbleiben.
    Wenn es zu dieser revolutionären Tat kommen sollte, dann gebe ich den Herren Landbürgermeistern und Landräten, vor allem aber der einheimischen Bevölkerung der Aufnahmeländer den gutgemeinten Rat, diesen armen, von der Not gepeitschten Menschen und ihren Familien Tür und Tor zu öffnen und sie nicht vor ihnen zuzuschlagen.
    Ich habe in meiner Heimat etwas Ähnliches erlebt, als unmittelbar nach dem ersten Weltkriege die ersten Trecks aus Siebenbürgen über Österreich zu uns kamen. Da habe ich gesehen, daß viele begüterte Bauern die Türen zuschlugen und daß diese armen Teufel damals im Freien kampieren mußten. Die Menschen, die heute als Heimatlose hier in Westdeutschland Zuflucht suchen müssen, sind dieselben Bauern, die damals herzlos waren. Das sollte zur Warnung dienen. Denn wir wissen nicht, was noch über die deutschen Lande kommen wird. Was nützen uns die Kundgebungen der Kirchen, was nützen uns die Bischofskonferenzen

    (Sehr gut! links)



    (Tichi)

    über das Flüchtlingsproblem, wenn nicht wahre Nächstenliebe und Christentum in die breiten Massen jener christlichen Bevölkerung eindringen, die alles behalten und nichts verloren hat und nun der Schicksalsgemeinschaft eines gemeinsam verlorenen Krieges aus dem Wege geht?
    Es ist für jeden Bewohner der Bundesrepublik, dessen Herz nicht zu Stein geworden ist, untragbar, und er kann es nicht verstehen, daß heute, sieben Jahre nach dem Kriege, bei dem wirtschaflichen Aufschwung Deutschlands seit 1948 wieder Züge des Elends und der Verzweiflung durch die deutschen Lande ziehen müssen. Ein Volk, das sich Luxusautomobile, Luxuslokale und Luxusgeschäfte in solcher Zahl leistet, Paläste, Kinos und Residenztheater baut, kann sich nicht Millionen Unzufriedene leisten, die einen Staat ablehnen, von dem sie ungerecht behandelt werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der Zusammenbruch der Umsiedlung ist vom staatspolitischen Standpunkt betrachtet mehr, als die verantwortlichen Stellen zugeben wollen. Dieses Fiasko ist nicht nur ein schwerer Schlag gegen unsere Flüchtlingspolitik, sondern ein Bankrott unserer föderalistischen Staatspolitik als solcher.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn der Staat von seinen Bürgern verlangt, daß sie seine Gesetze befolgen, dann muß er auch so viel Autorität haben, daß die Minister, die Staatssekretäre und die Bürokraten in den Aufnahmeländern ein Gesetz respektieren, das der Bundestag einmütig beschlossen hat und das vom Bundespräsidenten sanktioniert worden ist.
    Eines ist schon grotesk: die Interpellation, über die wir heute verhandeln, wurde von der Fraktion der CDU/CSU eingebracht, somit von einer Partei, die die Regierung in den Aufnahmeländern beherrscht,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    die heute hier unter Anklage stehen, einer Partei, der auch der Bundesvertriebenenminister Dr. Lukaschek angehört. Daher haben wir den Eindruck, daß es sich hier um eine Flucht vor der Verantwortung handelt und um nicht mehr. Es muß doch allen Verantwortlichen klar sein, um was es geht. Heute leben 300 000 Heimatvertriebene in Lagern und in Massenquartieren, oft 20 bis 40 Personen in einem Raum. Was das für die Moral der Familie und der Kinder bedeutet, kann nur der verstehen, der diese Lager besucht hat. Von 7 600 000 Heimatvertriebenen leben allein 60 %, das sind 4 700 000, in den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Von 450 000 arbeitslosen Vertriebenen befinden sich vier Fünftel, das sind 360 000, in diesen Ländern. Die Situation wird noch dadurch erschwert, daß jährlich 200 000 Flüchtlinge aus der Ostzone hereinströmen, die man, auch wenn sie illegal kommen, nicht mehr herausbringen kann und vielleicht auch nicht soll.
    Die Aufnahmeländer machen die Aufnahme weiterer Vertriebener davon abhängig, daß ihnen der Staat die notwendigen Wohnungsbaumittel zur Verfügung stellt. Wir haben wohl eine andere Auffassung. Von den Mitteln für den allgemeinen Sozialen Wohnungsbau wurden in den drei Abgabeländern 80 bis 90 % für Wohnungen für Vertriebene verwendet, während der Bundesdurchschnitt 37,5 % für Vertriebenenwohnungen beträgt. Daher kann man annehmen, daß in den Aufnahmeländern höchstens 20 bis 30% von den ihnen zugeteilten Mitteln des allgemeinen Sozialen Wohnungsbaues für Vertriebene verwendet wurden.
    Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat den Ländern verschiedene Mittel gesperrt, weil sie nach seiner Meinung ihre Pflicht nicht erfüllen. Die Bundesregierung hätte es demnach in der Hand, den Aufnahmeländern die Mittel für den allgemeinen Sozialen Wohnungsbau zu sperren, solange sie nicht das ihnen auferlegte Soll von Heimatvertriebenen übernehmen.
    Die Aufnahmeländer bestreiten auch, daß bei ihnen Wohnraum vorhanden sei. Auch das ist nicht richtig. Auch die einheimische Bevölkerung in Bayern, in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein mußte sich in ihrem Wohnraum einschränken, als die großen Massen der Vertriebenen aus den anderen Ländern hereinfluteten,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    während es bekannt ist, daß in den Aufnahmeländern noch Tausende von Wohnungen vorhanden sind, die man aber nicht erfassen will.
    Wir wollen auch nicht — und das sei deutlich gesagt —, daß Mittel der Soforthilfe — und es geht um Hunderte von Millionen — für andere Zwecke als für Wohnungen für Vertriebene verwendet werden, wie es geschehen ist.
    Und noch eines. Der Herr Bundesminister für Vertriebene hat heute und vor einigen Tagen im Rundfunk über das Problem der Umsiedlung gesprochen. Sein Appell an die Aufnahmeländer, ihre Pflicht zu erfüllen, war so schwach, daß er kaum eine Wirkung haben wird. Das wissen wir. Es fällt schwer, anzunehmen, daß auch nur einer der Betroffenen die Mahnung des Herrn Ministers ernst nehmen wird. Das einzige, was wir bewundern, ist das Vertrauen, das Herr Bundesminister Dr. Lukaschek in die Geduld der Heimatvertriebenen setzt. Diese Geduld, Herr Minister, ist vorbei! Erst gestern hat mir ein Minister erzählt, daß der Bundesminister Lukaschek im Vermittlungsausschuß geschwiegen hat, als das Gesetz über die Teuerungszulagen der Unterhaltsempfänger verschlechtert wurde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Unser Problem, meine Damen und Herren, ist viel zu ernst, die Verantwortung der Regierung und ihres Ressortministers viel zu groß. Wenn sich der Minister für Vertriebene zu schwach fühlt, dann möge er einer starken Persönlichkeit Platz machen, die sich durchsetzt und in der Regierung durchgreift.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Tichi an die Front! — Abg. Dr. Mende: Doch nicht etwa dem BHE?)

    — Suchen Sie sich jemanden! — Wir haben nichts davon, wenn der Minister für Vertriebene lediglich die Rolle eines Bettelmannes spielt. Das erkläre ich mit aller Deutlichkeit, Herr Kollege Mende, nicht nur im Namen meiner Gruppe, sondern ich erkläre das im Namen meiner Partei, des BHE, dessen zweiter Vorsitzender ich bin.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Die Erklärung des Herrn Ministers hat uns nicht befriedigt.

    (Beifall beim BHE-DG. — Zuruf von der Mitte: Ihre Rede auch nicht!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Morgenthaler.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wendelin Morgenthaler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im März dieses Jahres im Bundestag das Gesetz über die Umsiedlung für das Jahr 1951 besprochen wurde, da haben nur Abgeordnete aus den Abgabeländern gesprochen, Abgeordnete aus den Übernahmeländern haben sich still verhalten, — ein Zeugnis dafür, daß sie bereit waren und bereit sind, sich an der Durchführung der Umsiedlung zu beteiligen. Sie haben damit den guten Willen bekundet, das Menschenmögliche zu tun. Wenn wir nun, wie das jetzt eben der Fall war, Rückschau halten auf das, was inzwischen geschehen ist, so sehen wir allerdings ein betrübliches Ergebnis. Wir müssen aber ehrlich genug sein, auch die Gründe anzuerkennen, die für das Versagen all derjenigen Länder, die in diesem Jahr die 300 000 Flüchtlinge hätten aufnehmen sollen, vorliegen.
    Von meinem Vorredner ist vorhin von „selbstsüchtigen Ländern" gesprochen worden. Ich glaube, wer die Verhältnisse kennt, kann diesen Ausdruck nicht gutheißen. Wir dürfen nicht nur berücksichtigen, wie es in den Ländern, die mit Flüchtlingen allzusehr belastet sind, aussieht; wir müssen auch die Verhältnisse in den Ländern sehen, die die Flüchtlinge übernehmen wollen und auch übernehmen, sobald die Möglichkeit besteht. Und da ist es notwendig, einmal einen Blick in die einzelnen Länder zu tun. Die Verhältnisse sind bei fast allen Übernahmeländern die gleichen. Es sind reiche und reichste Länder dabei, es sind große und kleine Länder dabei, und die Verhältnisse, die dort vorliegen, lassen sich zum Teil auf einen Nenner bringen.
    Wenn ich jetzt, nachdem mein Fraktionskollege Herr Edert bereits vom Musterländle Baden gesprochen hat, auf dieses Land besonders eingehe, dann darf ich auch auf etwas hinweisen, was in Baden eben anders ist als in anderen Ländern und was immer zu wenig berücksichtigt wird. Wir haben in Baden Besatzungslasten — über die ich von dieser Stelle aus schon mehrfach zu sprechen hatte —, die über das Maß dessen hinausgehen, was im Bundesdurchschnitt festzustellen ist. Im ganzen Bundesgebiet sind laut Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 75 000 Wohnungen beschlagnahmt, davon allein in Baden über 8000, das sind also 11 % der im ganzen Bundesgebiet beschlagnahmten Wohnungen. Wenn ich das umrechne und sage: auf tausend Wohnungen kommen im Bundesgebiet acht beschlagnahmte Wohnungen, so sehe ich, daß beispielsweise in Schleswig-Holstein auf tausend Wohnungen drei beschlagnahmte Wohnungen, in Niedersachsen fünf beschlagnahmte Wohnungen und in Bayern acht beschlagnahmte Wohnungen kommen, d. h. also, daß diese Zahlen der des Bundesdurchschnitts entsprechen bzw. wesentlich unter ihr liegen. Bei uns in Baden kommen aber auf tausend Wohnungen siebenundzwanzig beschlagnahmte Wohnungen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich bitte, auch das einmal beachten zu wollen; dann wird Ihr Urteil über das Musterländle vielleicht etwas milder werden.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Hinsichtlich der Länder, die die Leute übernehmen sollen, ist auch noch etwas anderes zu berücksichtigen. Ich betone nochmals: sie haben den Willen bekundet, die Menschen, die ein so schweres Schicksal zu tragen haben, unter allen Umständen aufzunehmen. Aber es ist nicht zu verkennen, daß in diese Länder von überall her schon weit über
    die Zahl der zugewiesenen Flüchtlinge hinaus. Zugewanderte gekommen sind. Einmal sind das z. B. bei uns die zurückgebliebenen Kriegsgefangenen, die nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt sind, zum andern sind es Leute, die aus der Ostzone flüchten oder die aus der Tschechoslowakei oder sonstwoher ausgesiedelt worden sind. Es sind Leute, die, der Freizügigkeit, dem Niederlassungsrecht folgend, aus diesen Ländern zu uns herunterkommen. Es sind bei uns auch noch soundso viele Evakuierte, die gern heimkehren würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Das sind lauter Momente, die man berücksichtigen muß, wenn man ein Urteil über den guten oder den schlechten Willen, den diese Länder bekunden oder nicht bekunden, fällen will.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Lassen Sie mich noch etwas anderes erwähnen. Im allgemeinen Wohnungsbauprogramm sind 35 Millionen DM ausgeworfen worden, um Wohnungen für Besatzungsverdrängte zu schaffen. Von diesen 35 Millionen DM hat Baden, obwohl wir 11 % der gesamten Besatzungsverdrängten in unserem Lande haben, nur 2,7% der Gesamtsumme, nämlich 950 000 DM bekommen, während beispielsweise Niedersachsen und Hamburg zusammen 6 Millionen DM und Nordrhein-Westfalen 9 Millionen DM bekommen haben. Ich möchte bitten, auch diese Dinge einmal zu berücksichtigen.
    Der Herr Bundesminister hat vorhin in außerordentlich fürsorglicher und väterlicher Art das ganze Problem aufgeworfen. Er hat — und das hat mich gefreut — zugegeben, daß die Länder nicht schlechten Willens seien, daß aber Voraussetzungen zu erfüllen seien, um diese Flüchtlinge aufzunehmen. Und das einzige, was wir im allgemeinen dazu tun können, ist doch, Wohnungen zu bauen. Etwas anderes ist gar nicht zu machen. Kommen Sie doch einmal zu uns herunter und schauen Sie sich die Altwohnungen an! Die sind ebenfalls überbesetzt. Wenn ich an meine eigene Gemeinde denke: wir sind schwer fliegergeschädigt, wir haben eine sehr starke Besatzung, und wir haben Leute, die genau so unter den Hohlziegeln wohnen, wie es andernorts der Fall ist. Auch diese Dinge müssen unter allen Umständen berücksichtigt werden.
    Wir müssen also bauen, weil Altwohnraum nicht mehr zu haben ist, es sei denn in den entlegensten Gebieten des Schwarzwaldes, wo aber — und auch das muß gesagt sein — unsere Flüchtlinge gar nicht hinwollen. Sie wollen und ziehen doch dahin, wo Verkehr ist, wo etwas los ist, wo sie schließlich Arbeit und Brot finden können. Das ist durchaus begreiflich und verständlich. Aber hier muß der Bund mithelfen. Was wir bisher bekommen haben, reicht nicht aus. Es reicht deswegen nicht aus, weil erstens einmal die ersten Hypotheken gefehlt haben und weil letzten Endes die Restfinanzierung auf Grund der Teuerung nicht hat durchgeführt werden können. Man muß diese Dinge sehen, wie sie sind. Wir haben außerdem in Baden noch etwa 3000 Flüchtlinge, die in Lagern sind und untergebracht werden müssen und auch untergebracht werden, wenn der Bund die Möglichkeit dazu gibt.
    Ich möchte also hier zwei Bitten an die Bundesregierung richten, erstens einmal, daß wir bei einer Verteilung solcher Gelder nicht wieder zu kurz kommen und uns nachher mit dem schönen Wort „Musterländle" abspeisen lassen müssen, und zweitens, daß wir so viel Geld bekommen, daß wir auch wirklich bauen können. Wenn das der Fall ist, dann wird es unter allen Umständen geschehen.


    (Morgenthaler)

    Der Herr Minister hat erfreulicherweise darauf hingewiesen, daß es nicht damit getan ist, die Leute einfach aus den Lagern wegzunehmen und sie irgendwo anders unterzubringen. Wir haben diese Verhältnisse schon kennengelernt. Es sind z. B. Leute aus dem Norden, die dort in Arbeit standen, zu uns heruntergeholt worden, und bei uns haben sie keine Arbeit gefunden. So kann es unter keinen Umständen weitergehen. Es ist auch sinnlos, die Leute aus schlechten Verhältnissen herauszunehmen und sie in ebenso schlechte oder in noch schlechtere unterzubringen. Die notwendigen Vorbereitungen müssen geschaffen werden, damit die Leute auch gut untergebracht werden können.
    Es ist nun vorhin von Radikalismus gesprochen worden, was ich bedaure. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen es nicht dahin kommen lassen, daß der Radikalismus auf der einen Seite dem Radikalismus auf der anderen Seite begegnet. Es muß so sein, daß wir in gemeinsamer und vertrauensvoller Arbeit das leisten, was erforderlich ist, um den Flüchtlingen eine menschenwürdige Wohnung und auch eine Arbeitsmöglichkeit zu schaffen. Wenn das geschieht, dann werden sie auch zufrieden sein.
    Die Frage, ob wir das Problem im ganzen lösen können, ist an dieser Stelle schon mehrfach behandelt worden. Es ist gesagt worden, das sei nicht möglich. Aber das, was möglich ist, werden wir tun und auch tun müssen. Ich sehe auch nicht ein, daß wir besondere Organe in die einzelnen Länder hereinbekommen sollen; das können unsere Länderregierungen ganz allein tun, und sie werden es tun. Sie haben so viel sittliches Verantwortungsbewußtsein, daß sie sich nichts vorwerfen lassen. Nur im Geiste gegenseitiger Verständigung, im Geiste christlicher Auffassung, im Geiste brüderlicher Liebe wird es möglich sein, dieses Problem, soweit es an uns liegt, zu lösen.

    (Beifall bei der CDU.)