Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Vor der Korea-Intervention war die Lage so, daß in zahlreichen Stahlwerken — ich denke hier z. B. an Huckingen — Stahl auf Lager war und man sich schon mit dem
Gedanken trug, einige Abteilungen kurzarbeiten zu lassen. Ich mache darauf aufmerksam, daß es bereits vor der Intervention der USA in Korea auf den Kohlengruben große Bestände an Kohle gab. Sie verschwanden in dem Augenblick, in dem die militärische Intervention in Korea und damit, wie man in der westdeutschen Wirtschaft sagt, eine bestimmte Korea-Konjunktur einsetzte. Der westdeutschen Wirtschaft wurde ein ungeheurer Zwangsexport an Kohle und an Halbfabrikaten der eisenschaffenden Industrie auferlegt, um den sogenannten Beitrag für die Wiederaufrüstung und den Atlantikpakt zu leisten. Das sind die wesentlichen Ursachen für die Engpässe in der westdeutschen Grundstoffindustrie.
Ich habe bereits vor Monaten bei der Beratung über die Zuteilung der ECA-Mittel an die Wirtschaft aus einem vertraulichen Rundschreiben der Wirtschaft hier bekanntgemacht, daß die ECA-Mittel in erster Linie in jene Industriezweige gelenkt werden sollten, die für die Wiederaufrüstung, d. h. für den sogenannten Wehrbeitrag von entscheidender Bedeutung seien.
Dieses Investitionsgesetz, das uns jetzt vorgelegt wurde, dient gar keinem anderen Zweck als dem, Mittel in die Grundstoffindustrie zu leiten, um die Produktion zu steigern, aber nicht im Interesse des friedlichen Bedarfs der deutschen Bevölkerung und der Durchführung eines friedlichen Handels mit allen Völkern, sondern um die Grundlagen zu schaffen für die Wiederaufrüstung, für die Durchführung jener Anweisungen und Maßnahmen, die jetzt in Rom und in Paris weiter zum Schaden des deutschen Volkes ausgeheckt werden.
Wir sind die letzten, die dagegen wären, daß man die Engpässe in der Wirtschaft mit Hilfe des ganzen Volkes beseitigen sollte, wenn diese Hilfe der Hebung des Lebensstandards des ganzen Volkes, der Steigerung der friedlichen Produktion und eines friedlichen Außenhandels diente. Aber dem ist nicht so. Und weil dem nicht so ist, muß man sich diesem Gesetz aus nationalen und sozialen Gründen im Interesse des Volkes widersetzen. Man will in der Tat zugunsten der Rüstungsindustrie eine Zwangssteuer eintreiben.
Meine Damen und Herren, in einer demokratischen, dem Frieden dienenden Volkswirtschaft hätte man nicht 58 Milliarden DM so wahllos und so planlos angelegt, wie es nach der Währungsreform in Westdeutschland geschehen ist. Man hätte die Gelder zugunsten der Beseitigung der Engpässe angelegt und damit zum Nutzen des gesamten deutschen Volkes.
Aber das hat man nicht getan. Im Gegenteil: Freibeutertum auf der ganzen Linie auf Kosten und zu Lasten der breiten Volksmassen. Die Preise klettern unweigerlich immer mehr in die Höhe, und das Realeinkommen der Arbeiter und Angestellten geht auf Grund dieser Wirtschaftspolitik gewaltig zurück.
Wir Kommunisten fragen uns, und wir richten diese Frage auch an die sozialdemokratischen Abgeordneten: Für wen beantragt die sozialdemokratische Fraktion in ihrem Änderungsantrag zu § 1 die Aufbringung von Mitteln im laufenden Jahr in Höhe von 1 Milliarde und in den folgenden Jahren in Höhe von 2 Milliarden DM? Ich frage die sozialdemokratische Fraktion: Ist denn die Grundstoffindustrie bereits in Gemeinwirtschaft übergeführt?
Ist die Grundstoffindustrie bereits in Volkseigentum übergeführt, oder ist es nicht so, daß in der Grundstoffindustrie durch die Einwirkungen der Alliierten und durch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung heute wieder die alten Monopol-und Konzernherren am Ruder sind?
Man hat durch alliierte Gesetze bestimmt, daß die Altaktien, selbst bei den neuen Gesellschaften, im Verhältnis 1 zu 1 umzutauschen sind. Und Sie beantragen jetzt in Ihrem Abänderungsantrag, daß man zugunsten dieser großkapitalistischen Eigentümer und zum Teil zugunsten amerikanischer Be sitzer aus den deutschen Volksmassen eine, sogar zwei Milliarden Mark herausholen soll,
um sie in der Grundstoffindustrie zu investieren. Kein sozialdemokratischer Arbeiter in der Kohlenindustrie und in der Stahlindustrie, der täglich den Druck dieser Konzernherren spürt, wird — davon bin ich fest überzeugt — diese wirtschaftliche Konzeption der Sozialdemokratischen Partei begreifen. Hier kommt es darauf an, daß, wie wir es vor Wochen gefordert haben, die Grundstoffindustrien, damit sie nicht an die kapitalistischen Freibeuter und an die Rüstungsherren ausgeliefert werden, zuerst einmal in das Eigentum des Volkes übergeführt werden. Dann werden die Grundstoffindustrien, die die entscheidenden Industrien sind, dem Volksganzen dienen.
Tausende und aber Tausende von Gewerkschaftskollegen sind mit mir der Auffassung, daß dieses Gesetz und auch die Abänderungsanträge der sozialdemokratischen Fraktion zu § 1 nicht im Interesse der arbeitenden Masse liegen. Wir werden jedenfalls mit aller Entschiedenheit gegen jene Tendenzen ankämpfen, die Monopolherren in ihrem Machtstreben auf Kosten der verarbeitenden Industrie noch weiter zu festigen; denn letzten Endes werden doch nur wieder die Millionenmassen der Verbraucher diese Zwangssteuer aufzubringen haben. Die verarbeitende Industrie und alle anderen Industriezweige, die diese Abgaben aufzubringen haben, werden versuchen, einen Teil der Zwangssteuer umzulegen und sie den breiten Volksmassen aufzuerlegen.
Aus den genannten Gründen werden wir weder dem § 1 noch dem ganzen Gesetz unsere Zustimmung geben.