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ID0117608800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1951 7209 176. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. November 1951. Geschäftliche Mitteilungen . 7211A, 7214D, 7240A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über öffentliche Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsordnungsgesetz) (Nr. 1102 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung (5. Ausschuß) (Nr. 2759 der Drucksachen) 7211A Beratung abgesetzt 7211B Erste Beratung des Entwurfs. eines Fünften B) Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 2819 der Drucksachen) 7211B Ausschußüberweisung 7211B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Ermächtigung der Delegierten zum Europarat zur Vereinbarung der Verfassung einer europäischen Föderation (Nr. 2790 der Drucksachen) 7211B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP), Antragsteller ,7211C, 7223A Dr. Pünder (CDU) 7215A Dr. Mommer (SPD) 7215D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 7218A Frau Wessel (Z) 7219A Renner (KPD) 7220A Dr. von Merkatz (DP) 7221B von Thadden (Fraktionslos) 7222B Beschlußfassung 7223C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Paßwesen (Nr. 2509 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (24. Ausschuß) (Nr. 2 797 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (24. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Vogel, Dr. Blank (Oberhausen), Dr. von Campe, Dr. Seelos u. Gen. betr. Ausstellung von deutschen Reisepässen (Nrn. 2735, 2226 der Drucksachen), mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Visenzwang (Nr. 2647 der Drucksachen), mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Einreise- und Ausreisekartei (Nr. 2648 der Drucksachen), mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Schwarze Listen (Nr. 2649 der Drucksachen) sowie mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Abschaffung der Visen im gegenseitigen Reiseverkehr (Nr. 2650 der Drucksachen) 7223C Hoppe (CDU), Berichterstatter . . 7223D Paul (Düsseldorf) (KPD) . . 7225B, D, 7233B Gleisner (SPD), Berichterstatter . . . 7226D Dr. Mommer (SPD), Interpellant . . 7227A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 7229A Maier (Freiburg) (SPD), Interpellant 7230B Neumayer (FDP) 7232C Wittmann (WAV) 7234C Abstimmungen 7225C, 7226C, 7235C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Stundung von Soforthilfeabgabe und über Teuerungszuschläge zur Unterhaltshilfe (Soforthilfeanpassungsgesetz) (Nrn. 2848, 2708 [neu], 2743, 2794 der Drucksachen) . . . 7211B, 7235D Kunze (CDU), Berichterstatter . . . 7235D Tichi (BHE-DG) 7236C Beschlußfassung 7236C Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nr. 2471 der Drucksachen; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2754 der Drucksachen) 7236C Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 7236D Dr. Flecken, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 7237C, 7248C Gundelach (KPD) 7240B Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 7240D von Thadden (Fraktionslos) 7241C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 7242A Matzner (SPD) 7242D Dr. Wuermeling (CDU) 7243B Gaul (FDP) 7244B Farke (DP) 7245B Fröhlich (BHE-DG) 7245D Kuntscher (CDU) 7246A, 7248C Mellies (SPD) 7246D Dr. Miessner (FDP) 7247D Dr. von Merkatz (DP) 7248B Abstimmungen 7249A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Investitionshilfe der deutschen gewerblichen Wirtschaft (Nr. 2450 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 2758 [neu] der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 353, 364, 365, 366, 367, 368, 369, 370, 371) 7249B Etzel (Duisburg) (CDU), Berichterstatter 7249B Dr. Bertram (Z) 7255C, 7267B Kurlbaum (SPD) 7257D Dr. Leuchtgens (DP) 7261C Dr. Preusker (FDP) 7262A Paul (Düsseldorf) (KPD) 7264C Juncker (FDP) 7265D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 7266C Dr. Nölting (SPD) 7268A Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 7268D Abstimmungen 7267B, '7268C, 7269A Weiterberatung vertagt 7269A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Gebühren durch die Außenhandelsstelle des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Nr. 2448 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2798 der Drucksachen, Umdruck Nr. 363) 7269A Kriedemann (SPD): als Berichterstatter 7269B als Abgeordneter 7271B Spies (CSU) 7271A Dannemann (FDP) 7271C Dr. Horlacher (CSU) 7272A Abstimmungen 7271A, 7272A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft (Nr. 2532 der Drucksachen); Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2799 der Drucksachen) . . . . 7272B Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU), Berichterstatter 7272C Beschlußfassung 7272C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei (Nr. 2287 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2821 der Drucksachen) 7272D Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD), Berichterstatter 7272D Beschlußfassung 7273B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Heinrich Keseberg, Leiter der Landesgruppe SRP Nordrhein-Westfalen, wegen Beleidigung des Bundestages gemäß Schreiben des Bundesministers der Justizom 27. August 1951 (Nr. 2781 der Drucksachen) 7273B Dr. Mende (FDP), Berichterstatter 7273C Beschlußfassung 7274A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Reismann gemäß Schreiben des Notars Dr. jur. Mandelarzt, Becker, Sterkrade, vom 3. Juli 1951 (Nr. 2472 [neu] der Drucksachen) 7274A Saßnick (SPD), Berichterstatter . . 7274A Beschlußfassung 7274D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 362) 7275A Beschlußfassung 7275A Beratung der Übersicht Nr. 42 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 360) . 7275C Beschlußfassung 7275C Nächste Sitzung 7275C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vom Herrn Präsidenten eben verlesene Änderungsantrag zu § 1 ist ein Eventualantrag für den Fall, daß unser Antrag auf Umdruck Nr. 364, die Teile I und II mit den Paragraphen 1 bis 35 zu streichen, der Ablehnung verfallen sollte. Ich werde deshalb zunächst nur den weitestgehenden Antrag zu begründen haben, die §§ 1 bis 35 zu streichen.
    Zunächst halte ich das Gesetz in verschiedenen Punkten nicht für mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung stehend. Man kann darüber streiten, ob es sich bei der Investitionshilfe um eine Steuer oder um eine öffentliche Abgabe besonderer Art handelt. Jedenfalls fällt sie unter den Begriff der öffentlichen Abgaben im Sinne des § 18 der Reichsabgabenordnung und ist deshalb eine Abgabe, die den entsprechenden Bestimmungen des Grundgesetzes unterliegt, und zwar hier insbesondere dem Artikel 110 des Grundgesetzes, der die Totalität des Haushalts vorschreibt. Nach Art. 110 des Grundgesetzes ist die Verwaltung der aufkommenden Beträge durch ein Kuratorium ohne weiteres nicht möglich. Die Verwaltung, wie sie hier vorgesehen ist, verstößt gegen den Grundsatz der Totalität des Haushalts, da alle Ausgaben in den Haushaltsplan eingesetzt werden müssen.
    Das Gesetz verstößt auch gegen Art. 14 des Grundgesetzes insofern, als es einen Entzug von Vermögenswerten vorsieht, eine Enteignung also, ohne daß auf der anderen Seite eine gleichwertige Gegenleistung gewährt wird. Nach. Art. 14 des Grundgesetzes ist eine Enteignung ohne vollwertige Entschädigung nicht möglich. Daß es sich hierbei nicht um eine vollwertige Entschädigung handelt, liegt auf der Hand und ist in dem Gesetz selbst ja auch zum Ausdruck gekommen, indem bestimmt worden ist, daß etwaiger Minderwert bei der Steuerbilanz nicht zum Abzug gebracht werden kann. Der Verfasser des Gesetzes ist also von vornherein davon ausgegangen, daß die gewährten Gegenleistungen nicht vollwertig sind, sondern einen entsprechenden Minderwert darstellen. Dieser Minderwert kann von jedem Verpflichteten — wenn wir uns nicht auf den Standpunkt stellen, daß es sich um eine in den Haushalt einzustellende öffentliche Abgabe handelt — sogar vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden, und die ordentlichen Gerichte wären in der Lage, hier festzustellen, daß insofern das Gesetz dem Grundgesetz widerspricht. — Diese rein rechtlichen Betrachtungen nur zuvor.
    Aber auch die volkswirtschaftlichen Grundlagen des Gesetzes sind mehr als umstritten. Zunächst beweist die Produktionsentwicklung in der eisenschaffenden Industrie nichts für die Kapazität in der eisenschaffenden Industrie. Bei der eisenschaffenden Industrie sind große Kapazitätsreserven vorhanden, die sich aus der Zahl der stillliegenden Hoch- und Siemens-Martin-Öfen infolge der Kohlennot ergeben.

    (Abg. Etzel [Duisburg] : Das sollten die Franzosen hören!)



    (Dr. Bertram)

    Die entscheidende Differenz liegt darin, daß die innerdeutsche Kohlenförderung nicht ausreicht, um die eisenschaffende Industrie voll auszulasten. Die Produktion der eisenschaffenden Industrie ist in den letzten Monaten zu 30% auf ausländischem Brennstoff aufgebaut worden. Das beweist doch eindeutig, daß der eigentliche Engpaß zur Zeit jedenfalls nicht in der eisenschaffenden Industrie, sondern in der Kohlenindustrie liegt.
    Dazu ist zu sagen, daß die Gesamtkapazität der eisenschaffenden Industrie einschließlich der Kohlenindustrie bei weitem nicht ausreicht, um die Bedürfnisse der deutschen Wirtschaft zu decken. Das Problem ist hier aber auch nicht aktuell, sondern hier, bei der Investitionshilfe, ist die Frage aktuell, wo die Mittel schwerpunktmäßig eingesetzt werden müssen, um im gegenwärtigen Zeitpunkt die vorhandenen Engpässe zu beseitigen; und diese Engpässe sind nicht bei der eisenschaffenden Industrie, sondern — das beweisen die Kohleneinfuhren ganz deutlich — bei der Kohlenindustrie zu suchen.
    Es kommt hinzu, daß die Demontagen ganz bestimmte Werke viel härter getroffen haben als andere Werksgruppen. Die Kapazitätsausweitung gerade bei den durch die Demontage am härtesten betroffenen Werken ist aber zur Zeit noch gar nicht möglich.
    Der entscheidende Grund für die sogenannte Investitionshilfe ist aber die Behauptung, daß die verarbeitende Industrie stark begünstigt warden sei, da sie dem Preisstop nicht unterlegen habe, während die Grundstoffindustrie dem Preisstop unterlegen habe.

    (Abg. Dr. Preusker: Ja, wollen Sie denn das bestreiten?)

    — Ich will das bestreiten. Ich will Ihnen gleich die Gründe dafür sagen, Herr Preusker. Die Behauptung, daß ein Teil der Wirtschaft dem Preisstop unterlegen hat, ein anderer nicht, ist zwar richtig. Es ist aber nicht richtig, daß etwa die unter dem Preisstop liegende Wirtschaft schlechtere Preise erzielt hätte als andere.

    (Abg. Dr. Preusker: Das ist ja der Sinn des Preisstops!)

    — Das ist zwar der Sinn des Preisstops; der Preisstop ist aber seit langem in sein Gegenteil verwandelt worden, wie der Preisindex für Stahl beweist, der mit 291 ganz erheblich über dem Preisindex für die verarbeitende Industrie von 202 liegt.

    (Zurufe.)

    Ich bitte, das in den letzten statistischen Monatsberichten des Statistischen Bundesamtes nachzulesen. Ich bitte, es nachzulesen; Sie können sich überzeugen.

    (Abg. Dr. Preusker: Sie wissen doch, daß da die Auslandsrohstoffe den Ausschlag geben!)

    Ich behaupte nur, daß die Preisentwicklung bei der eisenschaffenden Industrie wesentlich stärker nach oben tendiert hat — trotz Preisstops! — als bei der eisenverarbeitenden Industrie. Und die eisenverarbeitende Industrie hat ja auch diese Rohstoffe, dieses Eisen verarbeiten müssen.
    Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Das Eisen ist ja von der eisenschaffenden Industrie an die eisenverarbeitende Industrie zum großen Teil zu erheblichen Überpreisen geliefert worden. Außerdem sind große Mengen in das Exportgeschäft gegangen, Mengen von monatlich 180 000 t,
    die ganz außerordentliche Überpreise ermöglicht haben, wenn man davon ausgeht, daß der durchschnittliche Mehrerlös des Exports bei rund 250 DM je Tonne gelegen hat. Es ist also zweifellos nicht richtig, wenn man behauptet, daß der Preisstop eine unterschiedliche Begünstigung der Grundstoffindustrie und der verarbeitenden Industrie, zum mindesten was die Eisenindustrie anlangt, bewirkt habe.
    Die Art der Entschädigung ist ebenfalls so, daß wir sie nicht akzeptieren können. Es ist vorgesehen, daß neben Aktien, also neben wertbeständigen Sachwerten, auch Entschädigungsbeträge in Form von Darlehen, die allerdings durch Hypotheken gesichert sein sollen, gewährt werden. Derartige Darlehen basieren aber auf der Verrechnungseinheit D-Mark und sind in keiner Weise sachwertgesichert. Während die Darlehensempfänger berechtigt sind, sich ihrerseits Sachwerte mit den Mitteln der Investitionshilfe anzuschaffen, ist der sogenannte Verpflichtete nicht gegen irgendwelche Preisänderungen geschützt.
    Die Einschaltung des Kuratoriums kann daran nichts ändern, da auch das Kuratorium — —

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sie können Ihre Währungssabotage ruhig für sich behalten!)

    — Gestatten Sie bitte, wenn Sie von Währungssabotage reden, dann wären Sie als Mitglied der Regierungskoalition wahrscheinlich in der Lage gewesen, die Preisentwicklung, die in den letzten Jahren den Wert der D-Mark entsprechend herabgesetzt hat, zu verhindern.

    (Abg. Etzel [Duisburg]: Wir geben Ihnen zu, daß Ihnen das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit fehlt!)

    — Herr Kollege, es dreht sich nicht um Währungssabotage, sondern um die Preisentwicklung. (Zuruf rechts: Bewußte Sabotage!)

    — Also darüber mag ich mit Ihnen hier nicht streiten. — Es kommt lediglich darauf an, daß die Preise in der letzten Zeit in erheblichem Maße in die Höhe gegangen sind und daß niemand von uns sagen kann, wie die Preisentwicklung in Zukunft angehalten werden kann.

    (Zuruf von der FDP: Keinen Schimmer hat er! — Abg. Dr. Wuermeling: Wovon kommt denn das im Ausland?)

    — Ich behaupte ja auch nicht, daß im Ausland eine andere Entwicklung als in Deutschland gewesen sei. Ich behaupte lediglich, daß hier keine Wertsicherung vorgenommen worden ist, sondern daß die empfangende Industrie in der Lage ist, reine D-Mark-Verbindlichkeiten zu kontrahieren, für die eine Wertsicherung in dem Gesetz nicht vorhanden ist.

    (Abg. Dr. Preusker: Dann gucken Sie sich doch einmal das Gesetz an! — Zuruf von der Mitte: Sie waren ja nie da, Sie wissen ja gar nicht, was drinsteht!)

    — Ich kenne genau die Art der Behandlung dieses Gesetzes in den verschiedenen Ausschüssen, insbesondere die Art der Abstimmung, Herr Kollege. Wir haben uns darüber in den Ausschüssen schon unterhalten.
    Der entscheidende Gesichtspunkt aber, der gegen die §§ 1 bis 35 dieses Gesetzes spricht, ist doch der, daß von Freiwilligkeit auch nicht mehr das geringste übriggeblieben ist. Damals wurde behauptet, der Gemeinschaftsausschuß des Bundesverbandes der Deutschen Industrie habe freiwillig eine


    (Dr. Bertram)

    Leistung versprochen, habe freiwillig eine Leistung bestimmter begünstigter Industriezweige zugunsten der benachteiligten Grundstoffindustrien zugesagt. Wir haben das angebliche Versprechen im Sommer vorigen Jahres gehört. Ganz abgesehen davon, daß die Versprechenden zu diesem Versprechen nicht legitimiert waren - sie waren dazu weder gewählt, noch hatten sie sonst irgendeine Vollmacht zu diesem Versprechen —, ist doch das Entscheidende, daß dieses Versprechen in keiner Weise innegehalten wurde. Wir haben jetzt über das Gesetz fast ein halbes Jahr debattiert. In diesem halben Jahr hätten von denjenigen, die sich so groß hingestellt haben, schon einmal irgendwelche Beträge geleistet werden können.
    Davon ist nicht die Rede. An Freiwilligkeit hat im Ernst wahrscheinlich niemand gedacht, sondern im Ernst war von vornherein eine Art von Zwangssparen vorgesehen. Der Zwangssparcharakter dieses Gesetzes ist es, der uns am meisten mißfällt. Wir sind grundsätzlich gegen derartige kollektivistische Maßnahmen

    (Abg. Etzel [Duisburg] : Auf einmal!)

    — ja, immer schon, Herr Etzel —, auch wenn sie von rechts kommen. Es kommt gar nicht darauf an, von wem derartige Maßnahmen ausgebrütet werden, sondern es kommt darauf an, daß hier das System der Freiwilligkeit durchbrochen worden ist und daß wir es hier mit einem rein kollektivistischen Zwangssparen zu tun haben, wie wir es aus vergangenen Zeiten bei uns in höchst unguter Erinnerung haben und wie wir es aus östlichen Nachbarländern kennen. Der Erfolg wird der sein, daß der gesamte Kapitalmarkt weiter in Verfall gerät, wenn die Methode des Zwangssparens mit diesem Gesetz überhaupt begonnen wird. Auch wer am Kapitalmarkt gespart hat, wer Aktien gezeichnet hat, muß nach diesem Gesetz Investitionshilfe leisten. Der Sparsame wird wieder einmal zugunsten des leichtsinnigen Finanziers bestraft. Der Kreis der Berechtigten ist im übrigen weit über die ursprünglich vorgesehene Grenze hinaus erweitert worden.

    (Abg. Dr. Preusker: Im Gegenteil!)

    — Sie sagen: Im Gegenteil! Nach den jetzt vorliegenden Bestimmungen muß beispielsweise ein Elektromeister mit mitarbeitender Ehefrau bei einem Jahresumsatz von 80 000 DM 840 DM Investitionshilfe bezahlen.

    (Abg. Dr. Preusker: Das rechnen Sie mir mal vor!)

    — Das will ich gern tun. Bei einem Elektromeister mit mitarbeitender Ehefrau, der 80 000 DM Umsatz hat, beträgt der Gewinn plus Abschreibung plus 4% vom Umsatz rund 20 %; macht 32 000 DM. Minus Freibetrag 20 000 DM macht 12 000 DM. Davon die 7 %!

    (Abg. Dr. Preusker: Diesen kapitalistischen Handwerksmeister weisen Sie einmal in der Bundesrepublik nach!)

    — Die Zahlen, die ich Ihnen hier vortrage, stammen von einer Buchstelle des Handwerks und sind nicht gegriffen, sondern aus den tatsächlichen Buchführungsunterlagen entnommen. Ich kann auch auf das Beispiel eines Kürschners verweisen, der bei einem Umsatz von 60 000 DM bereits 623 DM Investitionshilfe zu zahlen hätte, will aber die Einzelaufzählung hier nicht durchführen, um Sie nicht aufzuhalten. Jedenfalls ist doch sicher richtig: Was hat der Kürschner mit der Investitionshilfe zu tun?

    (Zuruf rechts: Gar nichts!)

    Er muß aber bezahlen, ohne daß irgendeine innere Gerechtigkeit dafür spricht.
    Ein anderes Beispiel! Wenn eine ländliche Konsum- und Absatzgenossenschaft im Norden unseres Vaterlandes einen Jahresumsatz von 45 Millionen DM und eine Abschreibung von 300 000 DM hat, so muß sie bei dem jetzigen System 147 000 DM abführen. Daß das gar nicht möglich ist und daß bei einer solchen Berechnung die betreffende Genossenschaft ohne weiteres Konkurs anmelden müßte, liegt auf der Hand. Aber man sagt, nach § 10 bestehe die Möglichkeit, entsprechende Erleichterungen zu gewähren. Meine Damen und Herren, wenn Sie so auf § 10 verweisen, dann müssen Sie praktisch die eigentliche Steuergrundlage in den § 10 hineinsetzen, und für den Normalfall bleibt nicht mehr viel übrig. Und das darf doch nicht der Sinn eines Steuergesetzes sein, daß die Ausnahmefälle die Regel werden und die Regel, wie sie im Gesetz vorgesehen ist, die wirtschaftliche Ausnahme ist.
    Die §§ 1 bis 35 entsprechen also nicht unserer grundsätzlichen Einstellung. Entscheidend ist, daß es sich um eine zwangswirtschaftliche Maßnahme handelt, die wir unter allen Umständen vermeiden wollen,

    (Abg. Dr. Wuermeling: Mit einem Mal!)

    die Zwangswirtschaft, die wir fürchten, auch wenn sie von rechts kommt. — Sie haben sich so auf die Marktwirtschaft berufen, Herr Preusker, und jetzt lachen Sie, wenn ich Sie an Ihre eigenen Versprechungen in bezug auf die Marktwirtschaft erinnere! — Wir haben deshalb den Antrag gestellt, zunächst die §§ 1 bis 35 zu streichen, haben aber nicht das absolut vorhandene Investitionsbedürfnis übersehen und deshalb beantragt, eine Bestimmung in § 37 a einzusetzen. Eine solche Bestimmung wird das Investitionsbedürfnis, das vorhanden ist, besser und marktgerechter zu befriedigen gestatten, als es auf dem Wege über das hier befohlene Zwangssparen möglich wäre. Ich werde mir erlauben, zu diesen unseren weiteren Anträgen die Begründung zu geben, wenn die betreffenden Paragraphen aufgerufen sein werden.


Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Dr. Bertram, ich weiß nicht, ob Sie in bezug auf die Annahme dieser Anträge sehr positiv sind. Falls das nicht der Fall sein sollte, würde ich Ihnen vorschlagen, den Antrag Umdruck Nr. 353 auch gleich zu begründen.

(Abg. Dr. Bertram: Später!)

— Schön, das ist mir recht. —
Dann kommen wir zum Antrag der SPD Umdruck Nr. 367.
Herr Abgeordneter Kurlbaum, bitte!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Georg Kurlbaum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 1 regelt Umfang und Dauer der gesamten Investitionshilfe und ist damit entscheidend für die Wirkung dieses Gesetzes überhaupt. Aus diesem Grunde wird es nötig sein, daß ich auch einmal etwas Grundsätzliches über Investitionspolitik und über die Bedeutung sage, die der Investitionspolitik im Rahmen unserer Wirtschaftspolitik zukommt.
    Es ist unsere Konzeption in der Wirtschaftspolitik, daß wir grundsätzlich Eingriffe in die persönliche Entscheidungsfreiheit in wirtschaftlicher Beziehung bei der großen Menge der Verbraucher und kleinen Gewerbetreibenden vermeiden wollen.


    (Kurlbaum)

    Wir wissen aber, daß es zur Erreichung dieses Zieles notwendig ist, die Wirtschaftsfreiheit einer kleinen Minderheit einzuschränken, Und in diesem Sinne sind wir allerdings für eine Einschränkung der Freiheit der kleinen Minderheit der wirtschaftlich Starken. Das einmal zu sagen, ist, glaube ich, nötig — da man immer wieder den Versuch macht, uns die Zwangswirtschaft zu unterschieben, die wir ebenso verdammen, wie Sie, meine Herren von den Koalitionsparteien, es immer von sich sagen —, um einmal klarzumachen, daß wir uns von ihr genau so absetzen wollen.

    (Abg. Dr. Preusker: Das höre ich gern! — Weiterer Zuruf rechts: Das gelingt Ihnen aber nicht!)

    — Das gelingt uns sehr wohl! Ich möchte einmal versuchen, den grundsätzlichen Unterschied zwischen uns beiden gerade an Hand dieses Gesetzes darzustellen.
    Ihnen, meine Damen und Herren, kommt es darauf an, die Freiheit einer kleinen Minderheit wirtschaftlich Starker möglichst weit auszudehnen.

    (Abg. Dr. Preusker: Keine Spur!)

    Wir sind der Meinung, daß das mit der wirtschaftlichen Freiheit der großen Mehrheit der Verbraucher nicht vereinbar ist.

    (Abg. Etzel [Duisburg]: Bertram ist aber anderer Meinung!)

    — Wenn Herr Bertram anderer Meinung ist, hat das mit mir nichts zu tun.

    (Abg. Etzel [Duisburg]: Gott sei Dank! Das spricht für Sie!)

    Was bedeutet das nun für die Investitionshilfe? Wir sind allerdings der Meinung, daß eine aktive Investitionspolitik, weil sie ja letzten Endes nur in die wirtschaftliche Freiheit eines sehr eng begrenzten Kreises eingreift, das geeignete Mittel ist, um unser Ziel des Schutzes der großen Mehrheit zu erreichen. Auch wir bevorzugen natürlich Mittel, die die Freiheit nur soweit einschränken, als es zur Erzielung dieses konkreten Zweckes unmittelbar notwendig ist. Das ist der Grund, warum wir der Investitionslenkung, und zwar einer staatlichen Investitionslenkung die allergrößte Bedeutung beimessen.
    Aus diesem Grunde hat unsere Partei auch von Anfang an in diesem Hause immer wieder auf die Investitionspolitik den allergrößten Wert gelegt. Ich verweise nur auf unsere Interpellation zur Investitionspolitik vom Januar 1950. Ich verweise in diesem Zusammenhang — gerade weil immer wieder davon gesprochen wird, unsere Partei habe niemals konkrete und reale Vorschläge — auf die sehr konkreten Vorschläge, die im März dieses Jahres von dem Sprecher unserer Partei über die Aufbringung einer Investitionsanleihe im Wege der Steuergesetzgebung gemacht worden sind.

    (Abg. Dr. Bucerius: Anleihe über Steuer?)

    - Das waren die Vorschläge, die Herr Kollege Dr. Harald Koch über diese Dinge gemacht hat.

    (Abg. Dr. Bucerius: Anleihe über Steuern, Herr Kollege Kurlbaum?)

    - Jawohl! Im Wege der Steuergesetzgebung,
    um zu erzwingen, daß bestimmte Sparbeträge aufgebracht werden! Ich empfehle Ihnen, sich diese Vorschläge einmal genau anzusehen. Sie scheinen es bisher nicht getan zu haben, Herr Dr. Bucerius! Die Vorschläge meines Kollegen Dr. Koch sind es bestimmt wert.
    Nun möchte ich auch einige andere Meinungen wiedergeben; man könnte sonst auf dem Standpunkt stehen, das, was ich bisher gesagt habe, sei nur unsere eigene Meinung. Ich möchte einmal etwas zitieren, was der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums schon im Dezember 1950 gesagt hat. Er hat erklärt, daß es notwendig sei, die bisherige Investitionspolitik auf andere Gebiete zu lenken.
    Das Bundeskanzler-Wirtschaftsministerium im Bundeskanzleramt

    (Zuruf rechts: Wer ist das? — Heiterkeit rechts)

    hat bekanntlich einen Gutachterausschuß zusammengestellt. Dieser hat im Februar 1951 — es ist das bekannte Stratus-Gutachten, das ich Ihnen auch sehr empfehlen möchte — eine planvolle Investitionspolitik vorgeschlagen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Schließlich möchte ich auf das Memorandum der Bundesregierung an die OEEC vom März 1951 verweisen. Hier hat man die konkrete Zusage gemacht, daß man dafür sorgen würde, daß die erforderlichen Investitionskapitalien in die Schlüsselindustrien geführt werden würden.

    (Abg. Dr. Schröder: Sehr gesunder Gedanke!)

    Man könnte nun meinen, daß auf Grund dieser einhelligen Meinung über die Wichtigkeit einer wirklich aktiven Investitionspolitik die Bundesregierung eine gewisse Aktivität entfaltet hätte. Genau das Gegenteil ist der Fall gewesen, meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich trotz dieser sehr konkreten Zusagen darauf beschränkt, in einer sehr bedauerlichen 'Weise die Gesetzesinitiative an eine reine Interessentengruppe abzugeben. O

    (Abg. Dr. Schröder: Wer hat das Gesetz denn vorgelegt? — Zuruf von der SPD: Der Gemeinschaftsausschuß der deutschen Industrie!)

    Meine Damen und Herren, wer an den Unterhaltungen im Wirtschaftsausschuß teilgenommen hat, der hat allerdings einen anderen Eindruck. In den ersten Beratungen des Wirtschaftsausschusses haben wir auf die Frage nach der Zweckmäßigkeit bestimmter Einzelheiten — daran möchte ich Sie erinnern, Herr Dr. Schröder — von den Vertretern der Bundesministerien die Antwort bekommen: „Ja, wir wollten es ja so vorlegen, wie es uns vom Gemeinschaftsausschuß vorgelegt worden ist!"

    (Abg. Dr. Schröder: Vielleicht wußte er es besser!)

    Damit hat man nun versucht, uns zu überzeugen!
    Wir stellen also fest, daß sich die Koalitionsparteien und die Bundesregierung — und das ist das bedauerlichste — in einer Abhängigkeit von gewissen Wirtschaftskreisen zu befinden scheinen, die der Sache sehr wenig dienlich ist.
    Ein zweiter Grund mag allerdings auch noch mitgespielt haben, daß die Bundesregierung unfähig war, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen; die sehr bedauerliche Rivalität zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Bundeswirtschaftsminister.

    (Heiterkeit bei der CDU.)

    Ein Beispiel davon auf ganz anderem Gebiete! (Abg. Dr. Preusker: Die beiden Herren gucken sehr erstaunt!)

    — Ich glaube nicht, daß sie erstaunt sind! — Ich
    möchte die Herren aus Ihrer Fraktion einmal an das
    erinnern, was sich in den letzten Wochen z. B. be-


    (Kurlbaum)

    züglich der Devisenkontrolle abgespielt hat. Wir hatten ja die Freude, in dem Unterausschuß Devisenkontrolle die Schriftsätze dieser beiden Ministerien zu lesen, und ich glaube, in der Beurteilung der Gegensätzlichkeit der Auffassungen dieser beiden Schriftsätze hat es in dem Unterausschuß einschließlich der Herren selbst keinerlei Zweifel gegeben.

    (Abg. Dr. Bucerius: Bei uns sind nicht immer alle Leute gleicher Meinung!)

    — Aber in diesem Fall waren erfreulicherweise alle Parteien in der Beurteilung der Zusammenarbeit bzw. der Nicht-Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Ministerien nur einer Meinung!

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Folge dieser Entwicklung ist nun gewesen, daß wir das Investitionshilfegesetz ungefähr genau ein Jahr später bekommen haben, als wir es hätten bekommen müssen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Erkenntnis, daß diese Dinge notwendig waren, war bereits vor einem Jahr vorhanden. Wir von der Opposition sind gar nicht so, meine Damen und Herren, daß wir der Bürokratie der Bundesministerien nicht zugetraut hätten, dem Bundestage ein solches Gesetz in verhältnismäßig kurzer Zeit vorzulegen. Aber hier handelt es sich um etwas ganz anderes: Hier war entweder nicht die Fähigkeit vorhanden, im Kabinett eine gemeinsame Grundlage für dieses Gesetz zu finden, oder man wagte nicht, gewissen Interessentengruppen eine Lösung aufzuzwingen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Folge dieser sehr uhgünstigen Entwicklung war, daß wir ein Gesetz bekommen haben, über das sich die Interessentenverbände zunächst einmal monatelang intern gestritten haben. Als wir dann wenige Tage vor den Sommerferien dieses Gesetz vorgelegt bekamen, um es im Hundsgalopp, wie von uns verlangt wurde, hier durchzupeitschen, haben wir uns mit Recht gewehrt. Ich erinnere an die Entrüstungsstürme, die unsere Weigerung hier erzeugt hat.
    Ich erinnere Sie daran, was sich nach den Ferien abgespielt hat; es war notwendig, in wochenlangen Verhandlungen im Wirtschaftspolitischen Ausschuß aus diesem äußerst mangelhaften Gesetz überhaupt erst etwas rein technisch Brauchbares zu machen! Aus dieser Entwicklung kann man, glaube ich, wenigstens eine Hoffnung schöpfen: Die Öffentlichkeit hat erkannt, daß der Weg, den die Bundesregierung in diesem Falle gegangen ist, nämlich die Gesetzesinitiative in einer so wichtigen Angelegenheit an eine Interessentengruppe zu vergeben, unter keinen Umständen jemals wieder gegangen werden kann.

    (Beifall bei der SPD. — Dr. Bucerius: Die haben immerhin nicht mit Streik gedroht, Herr Kurlbaum!)

    — Das hat mit dem Streik gar nichts zu tun.
    Meine Damen und Herren, schauen wir uns aber das Gesetz an, wie es aus dem Ausschuß gekommen ist. § 1, wie ihn uns die Koalitionsparteien vorgelegt haben, sieht also eine Dauer der Investitionshilfe von einem Jahr vor und beschränkt sich auf eine einmalige Aufbringung von insgesamt einer Milliarde. Wenn Sie nun alle fachmännischen Äußerungen zusammenfassen, dann können Sie feststellen, daß über die Höhe der Investitionsmittel, die aufgebracht werden müssen, praktisch überhaupt keine Meinungsverschiedenheit besteht; ich möchte von den Ausführungen des Herrn Dr. Bertram einmal ganz absehen. Aber ich glaube, zwischen den Koalitionsparteien und uns besteht nicht die geringste Meinungsverschiedenheit über den Umfang der notwendigen Investitionen. Das kann ich schon damit dartun, daß in Ihrem Niederbreisiger Programm eine Ziffer von 6 Milliarden genannt wird. Ich glaube daher, daß über diesen Punkt nichts mehr im einzelnen gesagt werden muß. Im übrigen wird sich nachher noch ein Sprecher unserer Partei zur Frage der eisenschaffenden Industrie und zu dem, was hier eben gesagt worden ist, im einzelnen äußern.
    Wir müssen also von diesen 6 Milliarden ausgehen, von der Notwendigkeit, Investitionen in der Höhe von 6 Milliarden nun wirklich durchzuführen. Jedem, der sich einmal praktisch mit Investitionsfragen beschäftigt hat, muß klar geworden sein, daß man ein solches Programm nicht etwa in einem Jahr durchführen kann. Die Durchführung eines solchen Programms in einem Jahr würde eine höchst unrationelle Verwendung der Mittel bedeuten, die wir uns bei unserem Kapitalmangel unter keinen Umständen leisten können. lm übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß nicht nur die augenblicklichen Engpässe geschlossen werden müssen, sondern daß wir auf lange Sicht auf dem Gebiet der planmäßigen Investierungen etwas tun müssen, weil letzten Endes das gesamte Wachstum unseres Sozialprodukts und die Steigerung des Lebensstandards davon abhängt.
    Wir haben uns daher in den Ausschußverhandlungen sehr darüber gewundert, daß man uns über diesen inneren Widerspruch überhaupt keine Aufklärung geben konnte, nämlich über die Einhelligkeit der Meinung, daß ungefähr 6 bis 7 Milliarden notwendig sind, und daß man uns ein Gesetz vorgelegt hat, das nur 1 Milliarde vorsieht. Ich bin nicht der Auffassung des Berichterstatters, daß von Anfang an die Meinung vorhanden war, jetzt schon weitere Maßnahmen zu treffen, die auch die späteren Investitionen sicherstellen sollten. Wir haben jedenfalls nichts davon gemerkt. Man hat uns in den Ausschußverhandlungen sehr irreale Dinge genannt. Auf unsere Frage, wie man dann die Differenz zwischen 6 und 1 Milliarde überbrücken will, haben wir von dem Vertreter des Wirtschaftsministeriums sehr merkwürdige Dinge gehört: den Hinweis auf den Schumanplan, den Hinweis auf eine Kredithilfe der USA und dann — ich glaube, das ist das größte aller Phantome — auf das demnächst selbsttätige Funktionieren des Kapitalmarkts. Es befindet sich wohl kein ernsthafter Mensch unter uns, der daran glaubt, daß der deutsche Kapitalmarkt innerhalb der nächsten Jahre zu einem selbständigen Funktionieren gebracht werden kann.

    (Abg. Dr. Bucerius: Bei weiterem Abbau der Planwirtschaft ist damit zu rechnen!)

    — Meine Damen und Herren, wir wollen uns hier nicht über solche Schlagworte unterhalten. Ich habe schon mal an Sie als Koalitionsparteien den Wunsch gerichtet: Wir wollen doch endlich damit aufhören, uns die Worte Planwirtschaft und freie Wirtschaft an den Kopf zu schmeißen; wir wollen versuchen, uns über konkretere Maßnahmen zu unterhalten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Dann wird unser Ansehen in der deutschen Öffentlichkeit steigen. Sie werden feststellen, daß ich in


    (Kurlbaum)

    der Tat heute den Versuch mache, mich mit Ihnen über sehr konkrete Maßnahmen zu unterhalten.

    (Zurufe von der CDU: Sehr gut! — Einverstanden!)

    — Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mir das zugeben.
    Bis vor wenigen Tagen wußten wir also nicht, wie dieses Rätsel „6 zu 1" gelöst werden sollte. Da hat man uns dann nach Abschluß der Ausschußverhandlungen, nach Abschluß des Drucks des ersten Berichts sozusagen eine Minute vor 12 diesen wunderbaren § 36 aufgetischt.

    (Abg. Dr. Wellhausen: Immer noch früh genug!)

    Lassen Sie mich dazu einiges sagen. Warum ist
    dieser § 36 innerhalb unserer Konzeption kein — —(Abg. Dr. Wellhausen: Wir sprechen von § 1!)

    — Herr Wellhausen, wenn wir uns darüber unterhalten wollen, ob wir den § 1 im Sinne unseres Vorschlages so ausbauen wollen, daß er auch in der weiteren Zeit wirksam ist, dann müssen wir uns allerdings über die Frage unterhalten, ob Ihr § 36 ein vollständiger Ersatz für die von uns vorgeschlagene Verlängerung ist. Ich glaube, darüber kann gar kein Zweifel bestehen.

    (Zuruf von der Mitte: Einverstanden!)

    Wie sieht es nun damit aus? Ich glaube, der § 36 ist leider ein völliger Fremdkörper in diesem Gesetz. Er sieht keine Investitionsumlenkung vor. Das ist das Entscheidende für uns, und darum müssen wir den § 36 zur Zeit — so, wie die Wirtschaftslage bei uns jetzt ist — unter allen Umständen ablehnen. Wir können es uns jetzt nicht leisten, auf eine Beschränkung der Investitionen in gewissen Wirtschaftszweigen, wo sie nicht nötig sind, zu verzichten. Wir können es uns nicht leisten und können es der Bevölkerung nicht zumuten, alle diese sinnlosen Investitionen, die wir jahrelang auf gewissen Gebieten hatten, weiter mit anzusehen. Ich verweise nur auf die zahllosen Tankstellen, auf die luxuriösen Verwaltungsgebäude der Versicherungsgesellschaften und Banken.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Meinen Sie die Arbeitsämter?)

    Ich glaube, Sie werden auch zugeben, daß das Dinge sind, die uns aus der augenblicklichen Klemme überhaupt nicht herausführen können und die nicht im geringsten zur Steigerung des allgemeinen Lebensstandards beigetragen haben. Das ist das Entscheidende: Wir brauchen eine Investitionspolitik, die die Investitionen in den Wirtschaftszweigen, wo keine Investition notwendig ist, eindeutig beschränkt. Dieser Erfolg wird weder durch den § 36 noch kann er durch den § 36a erreicht werden, wie er außerdem noch vorgeschlagen worden ist.
    Und noch etwas zu diesem Thema! Wenn Sie also darauf verzichten, die Investitionen in bestimmten Bereichen einzuschränken, wenn Sie also darauf hinauswollen, daß das Investitionsvolumen im ganzen erhöht wird — das wird die Folge Ihres Vorschlages sein —, dann müssen Sie unter den heutigen Verhältnissen bei den Engpässen, die wir haben, mit Preissteigerungen rechnen. Das ist der zweite Grund, warum wir diese Vorschläge ablehnen müssen; die Gefahr von Preissteigerungen liegt nun einmal im Wesen der von Ihnen und der Bundesregierung geführten Wirtschaftspolitik. Preissteigerungen führen aber in jedem Fall unter unseren Verhältnissen dazu, daß der Anteil der Arbeitnehmer, der Rentenempfänger am Sozialprodukt geschmälert wird. Das ist eine ganz eindeutige Angelegenheit.

    (Abg. Etzel [Duisburg] : Die derzeitige Preisbindung führt zwangsläufig zu den unerfreulichen Verhältnissen, die wir zur Zeit haben!)

    — Viel unerfreulicher ist für uns, meine Herren, wenn der Anteil der Arbeitnehmerschaft und der Rentner, der Empfänger von Sozialrenten am Sozialprodukt geschmälert wird.

    (Abg. Etzel [Duisburg] : Einverstanden, aber die werden hier nicht tangiert!)

    — Die werden sehr wohl tangiert; ich werde Ihnen gleich einige Zahlen dazu sagen.
    In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf das eingehen — weil wir jetzt über allgemeine wirtschaftspolitische Fragen sprechen —, was vom Kollegen Etzel und vom Kollegen Dr. Wuermeling vor einiger Zeit im Bundestag gesagt worden ist. Der Kollege Wuermeling hatte extra Wert darauf gelegt, daß wir zu seinen Ausführungen Stellung nehmen. Ich möchte dazu folgendes sagen: es nützt nichts, wenn wir Vergleiche ziehen über die Lohn-und Preisentwicklung. Damit überzeugen Sie uns nicht von der Güte Ihrer Politik, das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende habe ich eben schon angedeutet, es ist der Anteil der Arbeitenden an dem gesamten Sozialprodukt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dazu möchte ich Ihnen gern einige Zahlen nennen, die ich der Statistik des Bundesamtes entnommen habe.
    Das Sozialprodukt, das im ersten Halbjahr 1950 0 in der Industrie entstanden ist, betrug 14,2 Milliarden. Es ist im ersten Halbjahr 1951 auf 20,6 Milliarden gestiegen. Es ist also um 44 % gestiegen.

    (Zurufe rechts.)

    - Darauf sind Sie besonders stolz; ich werde Ihnen aber zeigen, warum Sie nicht so sehr stolz darauf sein können. Die Bruttolöhne sind in derselben Zeit vom ersten Halbjahr 1950 von 5,4 Milliarden auf 7,2 Milliarden im ersten Halbjahr 1951 gestiegen, d. h. nur um 33 %. Damit komme ich zu dem Kriterium, das für uns ein Kriterium für die soziale Gerechtigkeit einer Wirtschaftspolitik ist, und es ist für uns auch das Kriterium für eine gerechte Einkommensverteilung. Ich meine die Tatsache, daß die Wertschöpfung in der Industrie einschließlich der Preiserhöhung wesentlich stärker gestiegen ist als die Löhne. In den entsprechenden Industriezweigen bedeutet das, daß der Anteil der Lohn- und Gehaltsempfänger am Sozialprodukt gesunken ist.

    (Abg. Etzel [Duisburg]: Ganz falsche Betrachtungsweise! Sie übersehen das Rationalisierungsergebnis!)

    — Das ist keine falsche Betrachtungsweise, Herr Etzel. Sie haben nachher Gelegenheit, sich zu diesen Dingen zu äußern. Jetzt kann ich mich nicht auf Zwischenrufe einlassen, daß diese Dinge hier „falsch" seien; denn dafür hat, glaube ich, dieses Wort „falsch" keine Beweiskraft!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Denken Sie mal an die Sozialrentner! Die haben das Mehr bekommen, und das war richtig!)



    (Kurlbaum)

    — Das hat doch mit der Betrachtung der Verhältnisse in der Industrie nichts zu tun!

    (Abg. Dr. Wuermeling: Natürlich! Aus den Steuern der Wirtschaft haben sie es bekommen! — Lachen und Unruhe bei der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, es läßt sich doch ebenso klar nachweisen — das wird nachher ein anderer Sprecher unserer Partei noch tun —, daß die Steuern, die in dem gleichen Zeitraum gezahlt worden sind, sogar geringer geworden sind.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Fünf Milliarden mehr Sozialleistungen!)

    — Herr Kollege Wuermeling, ich empfehle Ihnen, sich einmal wirklich mit diesen Dingen zu beschäftigen;

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das tue ich laufend!) weil die Zwischenrufe, die Sie machen, mir leider beweisen, daß Sie das, wovon ich gesprochen habe, überhaupt nicht verstanden haben!


    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Sie kommen nicht ganz mit, Herr Kollege!)