Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Geehrte Damen und Herren! Die Existenz, Aufrechterhaltung und Handhabung der sogenannten Schwarzen Listen wirft in einer Zeit, da man soviel von Demokratie, Umerziehung und Erhaltung der Freiheit in Europa, von der Rettung der christlich-abendländischen Kultur und der Neugestaltung des europäischen Raumes spricht, sehr dunkle Schatten auf die Lehrmeister und auf die atomstarken Machtbesitzer, dies um so mehr, als es sich hier zum Teil nicht um Leute handelt, die etwa antidemokratisch gesinnt sind, die kommunistische Funktionäre oder Mitglieder der Kommunistischen Partei sind. Es ist doch nicht so, als ob hier nur die Kommunisten auf die Märtyrersäule erhoben werden könnten. Es sind ganz andere Leute auf den Schwarzen Listen, die nie in diesen Verdacht kommen können. Es sind keine Entnazifizierten, keine Antidemokraten; es sind auch keine Devisenschieber. Ich erlaube mir, zur Klarstellung gerade dieser Angelegenheit nur auf zwei Personen hinzuweisen, bezüglich derer ich genaue Kenntnisse habe, auf den schon erwähnten Pfarrer Reichenberger und Professor Dr. App.
In der Begründung der Drucksache betreffend die Schwarzen Listen ist vorzüglich auch darauf hingewiesen worden, daß man in vielen Fällen nicht weiß, wie der eine dazu gekommen ist, daß er auf die Schwarzen Listen gekommen ist, und wie der andere dazu gekommen ist, daß er nicht auf die Listen gelangt ist. Dr. App und Pfarrer Reichen-berger, beides Männer von charakterlichem Format und demokratischer Gesinnung und Haltung, sind den Fabrikanten der Schwarzen Listen unbequem und wurden mehr behindert als jene Gruppe, die beim kommunistischen Jugendfest mit dem Sternenbanner ins Berliner Stadion eingezogen ist. Und doch sind beide für nichts anderes eingetreten als dafür, wozu uns Deutsche Herr G. Textor bereits im Jänner 1948 aufgemuntert hat.
Zur Untermauerung habe ich einige Quellen zu zitieren, und ich bitte den Herrn Präsidenten um die freundliche Erlaubnis hierzu. Textor schreibt 1948 bereits besonders in Beziehung auf die Deutschen:
Wahre Gemeinschaft erfordert Menschen, die frei denken, sprechen, handeln und glauben können, was ihnen ihr Gewissen vorschreibt, ohne Behinderung und Furcht von Verfolgung.
In diesem Sinne sprachen und schrieben sowohl App als auch Reichenberger. Das läßt sich leicht nachkontrollieren.
Ich darf kurz auf die Bücher dieser Männer hinweisen. Dr. App schrieb: „Hungerpolitik", „Frauenschändung", „Friedensgrundlage", „Der erschrekkendste Friede". Reichenberger schrieb: „Ostdeutsche Passion", „Fahrt durch befreites Land", „Europa in Trümmern", „Die neue Herrenrasse", „Besuch bei armen Brüdern", „Appell an das Weltgewissen". Ihr Kampf in Wort, Schrift und Vor-
trägen galt doch dem gleichen Ziel, dem auch der amerikanische Staatspräsident zu dienen angibt. Dieser sagte:
Wir müssen glauben an den endlichen Sieg der Wahrheit und Sittlichkeit und Freiheit, glauben, daß die Menschheit in Freiheit leben wird.
Lasset uns frei sein von Bosheit und Haß,
damit es von nun an unter uns weder Sieger
noch Besiegte, sondern nur gleichberechtigte
Partner des Friedens gebe.
Beide Männer haben doch in ihren Schriften und Vorträgen nichts anderes zum Ausdruck gebracht als z. B. der amerikanische Senator William Langer, der wörtlich gesagt hat:
Die Massenaustreibung ist eines der größten Verbrechen, an welchem auch wir Amerikaner direkt Anteil nahmen. Es ist unglaublich, daß amerikanische Vertreter an diesen gewaltsamen Massenwanderungen beharrenden Anteil haben sollten. In der ganzen Geschichte findet sich nirgends ein so scheußliches Verbrechen aufgezeichnet wie in den Berichten über die Begebenheiten in Ost- und Mitteleuropa. Frauen, Kinder, Alte, Hilfslose, Unschuldige und Schuldige wurden Greueltaten ausgesetzt, die noch von niemanden übertroffen wurden.
Ich zitiere weiter Rechtsanwalt Gerhard Charles, ebenfalls Amerikaner, der gesagt hat:
Wir sind eine Gruppe von Amerikanern, die es für ihre Pflicht hält, das Möglichste zu tun, um dieses schwere Verbrechen gegen ein unschuldiges Volk zu berichtigen.
Man könnte auch an den amerikanischen Außenminister denken, der gesagt hat:
Der erwähnte Friede bedeutet für uns die Möglichkeit auch im Sinne der Konvention über die Menschenrechte, Art. 13, in voller Freiheit unser eigenes Leben zu führen und in wahrer Freundschaft mit allen Völkern dieser Erde zusammenzuarbeiten, um bessere Lebensmöglichkeiten zu schaffen.
Betreffend Reichenberger, App und auch andere, die auf den Schwarzen Listen stehen, darf ich noch hinweisen, daß sie in keiner Weise Nazisten waren. Pfarrer Reichenberger hat zum Beispiel gegen den Geist des braunen Bolschewismus bereits zu einer Zeit gekämpft, als die späteren „Kreuzfahrer" mit dem Braunauer noch auf freundschaftlichem Fuße standen. Wer die Werke beider Männer inhaltlich kennt, ist über ihren sachlichen Freimut und ihren Gerechtigkeitssinn begeistert.
— Ich bitte noch um einen kleinen Augenblick, um
nicht mehr Zeit, als die beiden Kollegen drüben
hinzubekommen haben.