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ID0117600700

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    Deutscher Bundestag — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1951 7209 176. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. November 1951. Geschäftliche Mitteilungen . 7211A, 7214D, 7240A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über öffentliche Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsordnungsgesetz) (Nr. 1102 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung (5. Ausschuß) (Nr. 2759 der Drucksachen) 7211A Beratung abgesetzt 7211B Erste Beratung des Entwurfs. eines Fünften B) Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Nr. 2819 der Drucksachen) 7211B Ausschußüberweisung 7211B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Ermächtigung der Delegierten zum Europarat zur Vereinbarung der Verfassung einer europäischen Föderation (Nr. 2790 der Drucksachen) 7211B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP), Antragsteller ,7211C, 7223A Dr. Pünder (CDU) 7215A Dr. Mommer (SPD) 7215D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 7218A Frau Wessel (Z) 7219A Renner (KPD) 7220A Dr. von Merkatz (DP) 7221B von Thadden (Fraktionslos) 7222B Beschlußfassung 7223C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Paßwesen (Nr. 2509 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (24. Ausschuß) (Nr. 2 797 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (24. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Vogel, Dr. Blank (Oberhausen), Dr. von Campe, Dr. Seelos u. Gen. betr. Ausstellung von deutschen Reisepässen (Nrn. 2735, 2226 der Drucksachen), mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Visenzwang (Nr. 2647 der Drucksachen), mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Einreise- und Ausreisekartei (Nr. 2648 der Drucksachen), mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Schwarze Listen (Nr. 2649 der Drucksachen) sowie mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Abschaffung der Visen im gegenseitigen Reiseverkehr (Nr. 2650 der Drucksachen) 7223C Hoppe (CDU), Berichterstatter . . 7223D Paul (Düsseldorf) (KPD) . . 7225B, D, 7233B Gleisner (SPD), Berichterstatter . . . 7226D Dr. Mommer (SPD), Interpellant . . 7227A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 7229A Maier (Freiburg) (SPD), Interpellant 7230B Neumayer (FDP) 7232C Wittmann (WAV) 7234C Abstimmungen 7225C, 7226C, 7235C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Stundung von Soforthilfeabgabe und über Teuerungszuschläge zur Unterhaltshilfe (Soforthilfeanpassungsgesetz) (Nrn. 2848, 2708 [neu], 2743, 2794 der Drucksachen) . . . 7211B, 7235D Kunze (CDU), Berichterstatter . . . 7235D Tichi (BHE-DG) 7236C Beschlußfassung 7236C Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nr. 2471 der Drucksachen; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2754 der Drucksachen) 7236C Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 7236D Dr. Flecken, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 7237C, 7248C Gundelach (KPD) 7240B Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 7240D von Thadden (Fraktionslos) 7241C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 7242A Matzner (SPD) 7242D Dr. Wuermeling (CDU) 7243B Gaul (FDP) 7244B Farke (DP) 7245B Fröhlich (BHE-DG) 7245D Kuntscher (CDU) 7246A, 7248C Mellies (SPD) 7246D Dr. Miessner (FDP) 7247D Dr. von Merkatz (DP) 7248B Abstimmungen 7249A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Investitionshilfe der deutschen gewerblichen Wirtschaft (Nr. 2450 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 2758 [neu] der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 353, 364, 365, 366, 367, 368, 369, 370, 371) 7249B Etzel (Duisburg) (CDU), Berichterstatter 7249B Dr. Bertram (Z) 7255C, 7267B Kurlbaum (SPD) 7257D Dr. Leuchtgens (DP) 7261C Dr. Preusker (FDP) 7262A Paul (Düsseldorf) (KPD) 7264C Juncker (FDP) 7265D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 7266C Dr. Nölting (SPD) 7268A Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 7268D Abstimmungen 7267B, '7268C, 7269A Weiterberatung vertagt 7269A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Gebühren durch die Außenhandelsstelle des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Nr. 2448 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2798 der Drucksachen, Umdruck Nr. 363) 7269A Kriedemann (SPD): als Berichterstatter 7269B als Abgeordneter 7271B Spies (CSU) 7271A Dannemann (FDP) 7271C Dr. Horlacher (CSU) 7272A Abstimmungen 7271A, 7272A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft (Nr. 2532 der Drucksachen); Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2799 der Drucksachen) . . . . 7272B Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU), Berichterstatter 7272C Beschlußfassung 7272C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei (Nr. 2287 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2821 der Drucksachen) 7272D Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD), Berichterstatter 7272D Beschlußfassung 7273B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Heinrich Keseberg, Leiter der Landesgruppe SRP Nordrhein-Westfalen, wegen Beleidigung des Bundestages gemäß Schreiben des Bundesministers der Justizom 27. August 1951 (Nr. 2781 der Drucksachen) 7273B Dr. Mende (FDP), Berichterstatter 7273C Beschlußfassung 7274A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Reismann gemäß Schreiben des Notars Dr. jur. Mandelarzt, Becker, Sterkrade, vom 3. Juli 1951 (Nr. 2472 [neu] der Drucksachen) 7274A Saßnick (SPD), Berichterstatter . . 7274A Beschlußfassung 7274D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 362) 7275A Beschlußfassung 7275A Beratung der Übersicht Nr. 42 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 360) . 7275C Beschlußfassung 7275C Nächste Sitzung 7275C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Karl Mommer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der Bemerkung von Herrn Dr. Becker über den richtigen Zeitpunkt wage ich es doch, meine Kritik am Anfang wie folgt zusammenzufassen: Dieser Antrag steht zwar heute auf der Tagesordnung unserer Sitzung; aber er steht nicht auf der Tagesordnung der praktischen europäischen Politik.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von der CDU: Warum nicht?)

    — Ich werde Ihnen das jetzt im einzelnen darlegen.
    Zunächst gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu der Form dieses Antrags. Es heißt dort, daß die Delegierten eine solche Verfassung vereinbaren sollen „vorbehaltlich der Zustimmung der Organe der Bundesrepublik". Wenn man sagt „vorbehaltlich der Zustimmung", dann meint man also, daß diese Delegierten in Wirklichkeit die Verfassung nur ausarbeiten, einen Text festlegen sollen.
    Meine Damen und Herren, um das zu tun, brauchen wir keine Ermächtigung des Bundestages. Diese Verfassung können wir, wenn es uns Spaß macht, jeden Tag niederschreiben, und wir


    (Dr. Mommer)

    brauchen uns dabei nicht einmal sehr in geistige Unkosten zu stürzen; denn das haben andere schon vor uns getan. An solchen Verfassungen, die auf dem Papier stehen und auf dem Papier stehenbleiben, ist weiß Gott kein Mangel in Europa. Ich darf nur in Ihr Gedächtnis zurückrufen, daß in Interlaken 1948 eine solche Verfassung ausgearbeitet wurde. In Basel entwarf kürzlich die Internationale Parlamentarier-Union eine weitere europäische Verfassung. In Lugano machte der sogenannte Rat der Völker, der Rat der Orangerie, eine dritte europäische Verfassung. Und das sind nur die bekanntesten; es gibt daneben noch viele andere!
    Wenn aber mit dem Antrag gemeint ist, daß die Delegierten in ihrer Arbeit das tun sollten, was etwa die Regierungsvertreter bei der Ausarbeitung des Textes des Schuman-Plans getan haben, dann ist doch das Pferd am Schwanze aufgezäumt. Denn man muß doch zuerst mit den anderen eine Vereinbarung darüber treffen, wie man zu Werke geht, und kann nicht von sich aus eine wichtige Frage vorentscheiden, nämlich die Frage, wer für diese Staaten und Völker beauftragt und ermächtigt sein soll, die Verfassung auszuarbeiten. Sie treffen hier eine Vorentscheidung, die in keiner Weise in sich evident ist. Daß die wenigen Vertreter im Europarat die Repräsentanten des Volkes zur Ausarbeitung einer europäischen Verfassung sein sollen, die mehr sein soll als unverbindlicher Entwurf, nehme ich doch an. Diese Entscheidung ist eine äußerst wichtige Entscheidung, und sie muß doch zuerst mit den anderen abgesprochen werden. Wie aber aus den Darlegungen von Herrn Dr. Becker hervorgeht, ist eine solche Absprache nicht erfolgt, und es handelt sich um ein völlig isoliertes Vorgehen der Regierungsparteien des Deutschen Bundestages. Es kommt also in Wirklichkeit darauf hinaus, daß dieser Antrag den Wunsch ausdrückt, daß n o c h ein Entwurf einer europäischen Verfassung zu den anderen, die es schon gibt, ausgearbeitet werde.
    Herr Dr. Pünder hat hier auf die frühere Entschließung des Bundestages Bezug genommen, die vom ganzen Hause angenommen worden ist und in der der Bundestag nicht etwas forderte, sondern sich zu einem europäischen Bundespakt bekannte. Meine Damen und Herren, das war im Juli 1950! Inzwischen haben wir gesehen, und zwar gerade in Straßburg, daß es nicht möglich ist, den gesamteuropäischen Bundespakt in diesem Zeitpunkt zustande zu bringen. Wir haben gesehen, daß es überhaupt unmöglich ist, Europa von einer bundesstaatlichen Verfassung her zustande zu bringen.

    (Zuruf von der FDP.)

    Man kann nicht mit dem Dach anfangen. Man kann nicht so verfahren, Herr Kollege, wie etwa der Parlamentarische Rat mit der Bundesrepublik. Dieser konnte eine Verfassung für das Bundesgebiet ausarbeiten, weil die Basen vorhanden waren, auf die das Dach gestützt werden konnte. In Europa sind die Basen nicht vorhanden, von denen man ausgehen muß, um schließlich bei dem Dach zu landen.

    (Zuruf rechts: Die Basen sind doch die Völker; sie sind doch da!)

    Ich habe hier ein anderes, wie mir scheint, nicht unwesentliches Argument. Sie hätten wahrscheinlich diesen Antrag nicht eingebracht, wenn Sie sich etwas mehr um das gekümmert hätten, was Sie vorher in Straßburg getan haben. Dort hat wohl im
    Sommer vorigen Jahres Herr Kollege von Campe, mit Unterschrift auch der übrigen Vertreter der Regierungsparteien, in der Beratenden Versammlung einen Antrag auf Ausarbeitung einer Verfassung für einen europäischen Bundesstaat eingebracht. Welches ist das Schicksal dieses übrigens sehr viel konkreteren, sehr viel besseren Antrags im Europarat gewesen? Herr von Campe wollte, daß die Beratende Versammlung durch eine Verfassungskommission binnen drei Monaten eine bundesstaatliche Verfassung ausarbeiten lassen und daß binnen weiterer drei Monate die Beratende Versammlung im Juni 1951 zu einer außerordentlichen Sitzung zusammentreten sollte, die endgültig über diese Verfassung zu beschließen gehabt hätte.
    Nun, im Juni 1951 ist diese außerordentliche Sitzung natürlich nicht zustande gekommen. Aber im September hat der für solche Verfassungsfragen zuständige politische Ausschuß der Beratenden Versammlung über den Antrag von Campe und Genossen beraten, und da hat dieser Ausschuß einstimmig, einschließlich zweier Unterzeichner, zweier Mitglieder Ihrer Parteien, nämlich der Herren Dr. Gerstenmaier und von Rechenberg, den Antrag sang- und klanglos unter den Tisch fallen lassen,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    weil man der Meinung war, daß das, was hier gewollt ist, weit jenseits der wirklichen politischen Möglichkeiten im gegenwärtigen Europa liege. Und keine Stimme, auch nicht aus Ihren Fraktionen, hat sich in diesem Ausschuß, wo man mit relativ viel Sachverstand an diese Dinge herangeht, für den Antrag von Campe erhoben.
    Nun, Sie erneuern heute den Antrag von Campe in anderer und keineswegs besserer Form. Ich habe hier das Dokument; Sie können es vergleichen. Der Antrag von Campe wurde aus jener Atmosphäre in Straßburg geboren, in der dort historische Erinnerungen beschworen wurden und viele begeisterte Föderalisten einen Schwur leisten wollten, wonach sie nicht eher in Straßburg auseinandergehen würden, als bis sie den europäischen Völkern eine bundesstaatliche Verfassung gegeben hätten. Aber darum ist es still geworden. Es ist auch still geblieben, nachdem der Conseil de l'Orangerie ein wenig die vor Ungeduld kochende europäische Volksseele dargestellt hatte.
    Die mögliche Entwicklung in Europa ist andere Wege als die der bundesstaatlichen Verfassung gegangen; die wirkliche Entwicklung ist in Richtung auf die Einrichtung von Sonderbehörden gegangen, eine an sich nicht zu beanstandende Behelfsform für europäische Entwicklungen. Nur haben die Franzosen, die französischen Diplomaten, die geniale Entdeckung gemacht, daß man durch geschickte Auswahl der Sektoren, auf denen man solche Sonderbehörden errichtet, und auch durch überlegenes Verhandlungs- und Gestaltungsgeschick — das muß man unserer Bundesregierung sagen — nationale französische politische Belange sehr wohl in europäische Formen kleiden kann. Aus dieser Politik ist der Vorschlag der Kohle- und Stahlunion entstanden, und in diesen Vorschlag ist alles Wesentliche aus der Besatzungsinstitution Ruhrbehörde hinübergerettet worden. In der Europaarmee hat man das Mittel gefunden, um die deutsche Wehrkraft mitzuverwenden, ohne deshalb Deutschland

    (Abg. Dr. von Merkatz: Von dem, was Sie da sagen, ist kein Wort richtig!)



    (Dr. Mommer)

    gleichberechtigte Mitbestimmung in der politischen und in der strategischen Verwendung der Europaarmee zuzugestehen.
    Im Zuge dieser französischen Politik, die Besatzungspolitik in europäische Formen umkleidet, ergab sich nun eine Lücke. Das Besatzungsstatut bröckelt ab und wird vielleicht gerade in dem entscheidenden Punkt über die Kontrolle der deutschen Außenpolitik abgeschafft. In Frankreich hat man wegen dieser Entwicklung große Sorgen, um so mehr, als das Problem der deutschen Einheit auf der Tagesordnung der Politik steht und als die Saar bei einem schlechten Gewissen auch sehr viel Sorge bereitet. Man überlegt sich in Paris, wie man auch weiterhin die deutsche Außenpolitik kontrollieren kann, so wie man es bisher mit dem Besatzungsstatut getan hat.
    Aus dieser Überlegung ist der zweite Schuman-plan geboren. Das ist der Kern des ganzen Vorschlags eines politischen Pools, wie ihn Außenminister Schuman kürzlich gemacht hat, .und sehr viel weniger die sicher nicht geringen Schwierigkeiten, die auch die französische Politik mit der Verwirklichung des Schuman- und des PlevenPlans hat. Diese unsere Erfahrung mit den Tendenzen, die im Schuman-Plan und im Pleven-Plan enthalten sind und die doch auch von Ihnen nicht geleugnet werden, wenn Sie sie auch verkleinern, müßte uns zur Vorsicht mahnen. Wenn ein solcher Vorschlag aus Paris kommt, dann ist es nicht Aufgabe der deutschen Außenpolitik, sofort begeistert ja dazu zu sagen, sondern dann ist es die Aufgabe, so etwas sehr aufmerksam zu prüfen und mit seinem Urteil zurückhaltend zu sein.
    Das Gegenteil ist aber der Fall. Heute zeigt es sich ja auch, daß der Antrag, der hier zur Debatte steht, als eine Unterstützung des zweiten SchumanPlanes gedacht ist. Dabei ist Ihnen aber eine Verkennung unterlaufen. Sie verkennen, daß der Vorschlag Schumans keineswegs ein Vorschlag zur Bildung der Kontinentalföderation in Europa ist, sondern er ist der Vorschlag zur Bildung einer neuen Sonderbehörde auf außenpolitischem Gebiet, und das ist etwas ganz anderes. Sie stellen sich mit Ihrem Vorschlag vor, daß die Föderation sehr vieles enthält, nicht nur die gemeinsame Außenpolitik; das darf ich doch annehmen. Sie meinen, daß da auch der gemeinsame europäische Markt geschaffen wird. Sie denken sicher nicht daran, daß es dann noch der Visen bedarf, um über die französische Grenze zu reisen. Der Schuman-Plan, so wie er jetzt entwickelt worden ist, enthält die Sonderbehörde, und Frankreich wird Ihnen weiterhin den Jugendpaß verweigern, wenn Sie ihn durch den Außenminister und Bundeskanzler beantragen sollten. Das ist also alles andere als eine europäische Föderation, das ist eine supranationale Sonderbehörde, in der mit Mehrheitsbeschlüssen auch über die deutsche Außenpolitik einschließlich der Fragen der deutschen Einheit und der Saar und der Oder-Neiße-Linie usw. beschlossen werden soll. Wenn Ihr Antrag auch in Straßburg wiederholt wird, läuft er Gefahr, das gleiche und doch nicht gerade rühmliche Schicksal zu erleiden wie der Antrag von Campe, der vor einem Jahr eingereicht wurde. Die Gefahr ist um so größer, als Sie ja nicht vergessen sollten, daß der Herr Außenminister Schuman mit seinem Vorschlag etwas voreilig gewesen ist und sich in Frankreich sehr viel Kritik dafür zugezogen hat. Sein eigenes Kabinett hat ihm die Erlaubnis versagt, seinen Plan auf der
    kommenden Session in Straßburg als einen neuen französischen Vorschlag zur Einigung Europas vorzutragen.
    Es hat einen zweiten französischen Fehlstart mit diesem Plan gegeben. Der Vorsitzende des allgemeinen Ausschusses der Beratenden Versammlung, der französische Sozialist Guy Mollet, hat versucht, den allgemeinen Ausschuß dazu zu bewegen, diesen Plan dem Europarat vorzuschlagen. Es zeigte sich aber eine so kritische Aufnahme, daß Guy Mollet darauf verzichten mußte. Die Kritik bei der Aufnahme des Plans war so groß, daß auch ein „eingeschrumpfter" Pool-Antrag, wie ihn der Belgier Struye vorschlug und der sich auf die Fragen beschränken wollte, die unmittelbar mit der Europa-Armee in Zusammenhang stehen, nicht der Beratenden Versammlung vorgelegt werden kann. Alle diese Pläne sind gescheitert.
    Ich hatte geglaubt, daß Sie vielleicht in dieser Sache Verbindung mit den Italienern aufgenommen hatten. In jenem politischen Ausschuß der Beratenden Versammlung wurde von einem italienischen Delegierten ein Vorstoß in Richtung auf die Verwirklichung des zweiten Schumanplans gemacht. Aber auch die Italiener sind sich des Unterschiedes bewußt, der zwischen einer außenpolitischen Sonderbehörde und einer kontinental-europäischen Föderation besteht. Ich darf Ihnen einen Satz aus einem Dokument vorlesen, das der italienische christlich-soziale Delegierte Sandero unterbreitete. Da heißt es:
    Wenn auch in diesem Augenblick eine Kontinentalföderation nicht zu empfehlen zu sein scheint, so ist doch eine engere Verbindung namentlich auf bestimmten Gebieten der Außenpolitik unerläßlich.
    Er tritt also für den Vorschlag Schumans ein, sagt aber: „Eine Kontinentalföderation steht nicht auf der Tagesordnung der möglichen Politik".
    Wenn der Vorschlag doch in Straßburg zur Debatte stehen sollte, so können wir Sozialdemokraten jetzt schon sagen, daß wir so, wie wir gegen den Pleven-Plan sind, konsequenterweise auch gegen den neuen Vorschlag von Robert Schuman sind.

    (Abg. Dr. Hasemann: Also gegen Europa überhaupt!?)

    — Warten Sie, ich sage es Ihnen. — Die SPD steht zu der großen Föderation so, wie wir seinerzeit in der Drucksache Nr. 1193 unseren Willen ausgedrückt haben. Diese Föderation steht aber nicht auf der Tagesordnung der möglichen Politik.

    (Zuruf rechts: Draufsetzen!)

    Wir sind für alle praktischen Schritte, die man in Richtung auf Abbau der Schranken zwischen den europäischen Nationen tun kann. Diese Schritte können groß oder klein sein; es kann sich um Visen oder um die Post oder um wirtschaftliche und soziale und politische Dinge handeln.

    (Zuruf des Abg. Dr. Hasemann.)

    Die Voraussetzung dafür ist, daß Europa nicht mehr erneut aufgespalten wird, daß nicht zu der Spaltung in Ost und West noch eine Spaltung in Nord und Süd hinzutritt; und Voraussetzung ist, daß Deutschland gleichberechtigt — rechtlich und tatsächlich gleichberechtigt — in jede europäische Kombination eingehen kann.
    Was im Augenblick verfassungsrechtlich möglich ist, wird in dem Bericht über ein neues Statut zusammengefaßt sein, das vom politischen Ausschuß


    (Dr. Mommer)

    des Europarats jetzt der Session unterbreitet werden wird. Jedem, der sich dafür interessiert, kann ich dieses Dokument zum Studium empfehlen. Dort sind die Ideen des englischen Delegierten Mackay und des Italieners La Malfa verwertet. Dort werden Anfänge einer europäischen Exekutive vorgeschlagen. Dieser Vorschlag zeigt, wie verhindert werden kann, daß Europa weiter auseinanderfällt. An diesem Statut, das das äußerst Mögliche festhalten will, haben zwei Sozialdemokraten aktiv mitgearbeitet, und wir werden weiter überall da, wo praktische Schritte möglich sind, aktiv mitarbeiten.
    Wir widersetzen uns der Politik Klein-Europas, und wir widersetzen uns auch jener Politik, die versucht, altmodische Besatzungspolitik in modische europäische Gewänder zu kleiden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir halten uns außerdem fern von allen europäischen Konstruktionen über den Wolken. Wir glauben, daß es sich bei dem Anliegen dieses Antrags um SQ etwas handelt, und wir stimmen deshalb gegen diesen Antrag.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hasemann: Die „Europäer" applaudieren!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Regierungsparteien fällt in eine Zeit, da die Spannung zwischen Ost und West andauert, da der Bundeskanzler zu Gesprächen mit den westlichen Außenministern in Paris weilt und da sich alle wesentlichen Probleme der europäischen Politik, in vollem Gärungsprozeß begriffen, ungelöst in der Schwebe befinden, das Vertragswerk, das an die Stelle des Besatzungsstatuts treten soll, der Schumanplan, der erst von einem der sechs Vertragsstaaten ratifiziert worden ist, das Projekt der europäischen Armee und des europäischen Verteidigungsministers und vor allem die Schicksalsfrage eines föderativ geeinten Gesamtdeutschlands als Mitglied einer europäischen Konföderation.
    Sofort erhebt sich die Frage, ob Europa in seinem ursprünglichen politischen, geographischen und geschichtlichen Bestande gemeint ist, ob das Land Johann Sobieskis, das Land der ehemaligen Stephanskrone, ob Österreich, die Schweiz, Spanien, Portugal, die nicht Mitglieder des Europarats sind, zu Europa im Sinne der weiteren Planungen gehören sollen, ob nur kontinentaleuropäische Nationen oder auch England eingeschlossen sein sollen oder ob an eine Konstruktion gedacht ist, welche sich gegebenenfalls nur auf einen Teil der außerhalb des östlichen Kombinats befindlichen europäischen Welt beschränkt.

    (Zuruf von der FDP: Das hat doch Dr. Becker sehr deutlich erklärt!)

    Nach dem Antrag sollen die vom Bundestag in die Versammlung des Europarats entsandten Abgeordneten mit Delegierten anderer Nationen die Verfassung einer europäischen Föderation nicht nur beraten, sondern auch vereinbaren. Es ist aufschlußreich, daß von den Initiatoren ganz nach dem hergebrachten Denkschema eine bundesstaatliche, im weiteren Verlauf erfahrungsgemäß sich stets zentralistisch entwickelnde,

    (Abg. Dr. Mende: Aha!) .

    nicht eine echt föderative, staatenbündische Organisationsform, eine Konföderation gewollt ist.
    Die Antragsteller wissen natürlich, daß die Beratende Versammlung des Europarats nur ein einflußloses, ohnmächtiges Konsultativorgan ist. Es ist ihnen selbstverständlich auch bekannt, daß England wegen seiner Verbindung mit dem Commonwealth und dem Sterlingblock es bisher streng abgelehnt hat, den gegenwärtigen Status des Europarats weiter zu entwickeln. Es ist bis jetzt nicht sichtbar geworden, ob die konservative britische Regierung bereit ist, hierin von der Linie des Labourkabinetts abzugehen. Nichts deutet darauf hin, daß es geschieht. Darum will der Antrag, daß die Delegierten des Bundestags mit gleichgesinnten und willigen Delegierten der im Europarat vertretenen Nationen, also offenbar in einem Gremium außerhalb der Versammlung, zusammenwirken. Aber ist eine solche Teilaktion nicht schon in der zweiten Straßburger Tagung im August/November 1950 gescheitert bzw. im Sande verlaufen? In der letzten Vollsitzung der August-Tagung waren diejenigen, welche im Falle des Abseitsstehens eines Teiles der europäischen Staaten eine Teilföderation befürworteten, in der Minderheit geblieben. Und was ist aus dem sogenannten Verfassungsausschuß geworden, den Delegierte mehrerer westeuropäischer Länder außerhalb des Europarats zu dem Zweck ins Leben riefen, einen Verfassungsentwurf für ein vereinigtes Europa auszuarbeiten?
    Ein prominenter Abgeordneter dieses Hauses hat am 22. August vorigen Jahres vor Pressevertretern erklärt, er habe den Eindruck gewonnen, daß die Beratende Versammlung den in den ersten Tagen ihrer August-Beratungen dokumentierten revolutionären Geist in Richtung auf die praktische Verwirklichung der Einheit Europas nicht nur bewahrt habe, sondern angesichts der zu erwartenden Widerstände des Ministerrats noch verstärken werde; es werde wahrscheinlich zu einer Machtprobe kommen. Nun, die Delegierten des Straßburger Europarats ließen es im November nicht darauf ankommen. Was wurde aus der Hochspannung der angekündigten revolutionären Entschlossenheit, was aus dem Europäischen Aktionsrat, was aus dem Rat der Dreißig, was aus der Initiative der drei föderalistischen Verbände, der Union Européenne, der Nouvelles Equipes, des Mouvement Socialiste? Die Hochspannung wurde in die Niederspannung des Conseil Européen de l'Orangerie umgeformt, der den Europarat nicht unter Druck setzen konnte, weil er selbst ohne innere Spannung war.
    Ich fasse den Standpunkt der Fraktion der Bayernpartei, die sich zu einem einigen Gesamteuropa bekennt, wie folgt zusammen: 1. Ziel und Mittel einer europäischen Zusammenarbeit und Gemeinschaft ist die Bildung einer staatenbündischen, Zentralismus und Majorisierung ausschließenden Konstruktion, nicht einer bundesstaatlichen Föderation, sondern einer bündischen Konföderation. 2. Eine europäische Konföderation kann wie jede andere nur nach den Prinzipien der Partnerschaft und Zusammenarbeit, das ist auf der Grundlage der vollen Gleichberechtigung der konföderierten Staaten, erfolgen. 3. Nicht ein Teil Deutschlands, sondern nur ein bündisch aufgebautes Gesamtdeutschland kann Mitglied einer europäischen Konföderation werden. 4. Der Gedanke einer europäischen Konföderation kann nur und erst verwirklicht werden, wenn der politische und wirtschaftliche Nationalismus der Vergangenheit angehört. Die jüngste Entscheidung des militärischen Sicherheitsamtes der Besatzungsmächte, durch welche die maßvollen Remontageanträge der August-Thyssen-


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    Hütte schroff und. ohne Angabe der Gründe abgewiesen wurden, beweist, daß diese Voraussetzung noch nicht erfüllt ist. 5. Die Fraktion der Bayernpartei gibt der Meinung Ausdruck, daß außenpolitische Initiativen, welche die in einer bestimmten Phase bestehenden Verhältnisse, Realitäten und Entwicklungstendenzen außer acht lassen, mehr schaden als nützen und den Vorwurf des politischen Literarismus hervorrufen können.
    Meine Fraktion hält die Einbringung des vorliegenden Antrags der Koalitionsparteien im gegenwärtigen Zeitpunkt für unzweckmäßig und wird sich der Stimme enthalten.

    (Beifall bei der BP.)