Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Objekt, das hier in Frage steht, ist keine Kleinigkeit. Bei der Bavaria-Filmkunst in Geiselgasteig setzt sich das zu veräußernde Vermögen aus einem vollausgerüsteten Filmatelierbetrieb mit allen dazugehörigen Gebäuden und Ausstattungen sowie acht Aufnahmehallen zusammen. Sechs dieser Aufnahmehallen und ein großer Teil der Apparate und Anlagen sind erst nach der Währungsreform angeschafft worden. Die Werte in Wiesbaden umfassen einen Atelierbetrieb mit drei Tonaufnahmehallen, ein Kopierwerk und Nebengebäude, die sämtlich erst seit 1949 errichtet worden sind; die festen Anlagen nebst Ausrüstung in Wiesbaden stellen einen Gesamtwert von etwa 2,4 Millionen D-Mark dar. Soviel zur wirtschaftlichen Größenordnung der in Frage stehenden Objekte! An sich schon ist es unmöglich, aus dem gesamten Ufa-Filmvermögen gerade diese beiden Objekte herauszugreifen, die für ein Wiederaufleben der deutschen Filmtätigkeit unerläßlich sind. Wollte ein Käufer diese Werte erwerben, so würde er etwa 20 Millionen aufzuwenden haben und vielleicht weitere 20 Millionen, um produzieren zu können. Das ist nach Lage der Verhältnisse unmöglich, und daraus allein schon geht die schwere Schädigung der deutschen Filmindustrie hervor, die. eintreten würde, wenn die Absichten der Alliierten durchgeführt werden sollten.
Das Problem hat, wie Herr Dr. Vogel schon ausgeführt hat, eine juristische Seite, die, wie ich glaube, heute noch nicht erschöpfend behandelt werden konnte. Sicherlich wird diese Sache noch ihr Nachspiel haben. Wir wollen uns gegenwärtig an die wirtschaftliche und politische Seite halten. Der letzte deutsche Gesetzentwurf, der nach dem beanstandeten ersten eingereicht worden ist, trägt all den Bedenken der Alliierten Rechnung, die sich auf die Entflechtung beziehen, so daß die Monopolbestimmungen der alliierten Gesetzgebung in keiner Weise verletzt werden. Damit müßte eigentlich jeder vernünftigen Forderung Genüge getan sein.
Ich muß jetzt doch noch etwas ausführlicher, als Herr Kollege Dr. Vogel es soeben getan hat, auf das merkwürdige Antwortschreiben der Alliierten Hohen Kommission an das Bundeskanzleramt vom 10. August 1951 eingehen. Dort heißt es:
Die Alliierte Hohe Kommission teilt Ihnen mit,
daß der vorgelegte Gesetzentwurf im allgemeinen annehmbar ist. Die Alliierte Hohe
Kommission erkennt die Schwierigkeiten an, die sich in diesem Zusammenhang aus dem Grundgesetz ergeben. Aus diesem. Grunde wünscht die Alliierte Hohe Kommission keine Einwendungen zu erheben gegen den jetzt vorgelegten Entwurf.
Da kann man nur sagen: Na also! Aber nun fährt man fort:
Die Alliierte Hohe Kommission hat Ihre Bitte zur Kenntnis genommen, mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten, denen die deutsche Filmindustrie zur Zeit gegenübersteht, den Verkauf der fraglichen Filmvermögen, insbesondere des Vermögens der Bavaria-Filmkunst, aufzuschieben. Die Alliierte Hohe Kommission nimmt Ihre Besorgnis in diesem Zusammenhang zur Kenntnis,
— und nun kommt das Entscheidende! —
bedauert jedoch, Ihrer Bitte nicht stattgeben zu können, und beabsichtigt, so bald wie möglich die für den Verkauf der betreffenden Vermögenswerte erforderlichen Schritte einzuleiten. Die Alliierte Hohe Kommission hofft, daß es möglich sein wird, den Bundesbehörden in nächster Zeit die Vermögenskontrollaufgaben der täglichen Verwaltung der UFI-Ufa-Konzerne zu übertragen, die gegenwärtig von den alliierten Behörden wahrgenommen werden.
Meine Damen und Herren, man weiß wirklich nicht: ist das Hohn oder ist das Ernst? Die tägliche Verwaltung der UFI-Ufa-Konzerne soll die Bundesregierung bekommen, — wahrscheinlich als Entschädigung für die Tatsache der Verauktionierung der großen Substanz, von der ich eingangs gesprochen habe! Dagegen muß man sich verwahren. Es ist nicht nur der deutschen Bundesregierung nicht würdig, eine solche Note zu empfangen; sie ist auch derer nicht würdig, die sie geschrieben haben. Sie ist sogar ganz offensichtlich logisch widerspruchsvoll, und man muß glauben, daß der Mittelsatz, der ankündigt, daß man trotz der Zustimmung zu dem Gesetz zu verauktionieren gedenke, dem Briefschreiber eine Art genießerisches Vergnügen gemacht hat, zu zeigen, wer in Deutschland denn nun eigentlich Herr sei.
Meine Damen und Herren! Anläßlich der Münchner Sitzung des Ausschusses für Presse, Rundfunk und Film hat einer unserer Kollegen, Herr Jacobs, in der Pressekonferenz ungefähr folgendes gesagt: „Wenn eines Tages die formelle Möglichkeit besteht, werden wir im Wege der Restitution jeden haftbar machen, der heute etwa unter Ausnutzung der politischen Lage Filmeigentum dieser Art erwerben sollte". Diese Äußerung hat man sehr übel genommen; man wollte darin eine Bedrohung erblicken. Wie ich soeben hörte, hat man sich von alliierter Seite sogar bei der Bundesregierung darüber beschwert. Nun, ich glaube, sich darüber zu beschweren, liegt kein Grund vor. Die Bundesregierung soll auch, was selbstverständlich ist, erklärt haben, daß sie nicht zuständig sei, die Äußerungen von Abgeordneten irgendwie unter Zensur zu stellen. Aber ich möchte sagen: Diese Äußerung war eine wohlberechtigte Warnung. Es könnte sich, wie die verworrene Rechtslage vermuten läßt, eines Tages herausstellen, daß dieses Filmeigentum zu Unrecht verkauft worden ist, und besonders die Restitutionsansprüche, die gegen das ehemalige Ufa-Vermögen vorliegen, lassen solche Entwicklungen durchaus wahrscheinlich erscheinen. Es ist sehr angebracht,
dieses Warnungszeichen an den Rand zu schreiben, und wir wundern uns darüber, daß die Besatzungsmacht eine solche Warnung übelnimmt. Es ist allerdings leichter, sich über diese Warnung zu entrüsten, als formgerecht zu urteilen, wenn die Besatzungsmacht deutsche Rechtsprechung aufhebt. Ich erinnere an den Fall Kemritz und ähnliches.
Nun hat das Ganze natürlich auch politische Aspekte. Herr Dr. Vogel hat bereits darauf hingewiesen und hat den Geist von Washington beschworen. Was man darunter verstehen soll, ist freilich heute noch nicht klar. Aber immerhin, wir wissen wohl, was gemeint ist. Herr Dr. Vogel wollte sagen — und wir stimmen ihm dabei vollständig zu —, daß mittlerweile seit dem Briefwechsel zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren sich doch etwas in der Welt getan hat und daß sich weltgeschichtliche Entwicklungen größten Stiles vollziehen und schwerwiegende Entscheidungen auf der Tagesordnung stehen. Wir sind der Meinung, daß ein Zustand de jure nicht haltbar sein und wirksam werden kann, wenn er nicht de facto schon vorbereitet ist oder gar schon besteht. Es hätte also aller Anlaß vorgelegen, an einem solchen Einzelbeispiel darzulegen, wie dieser Geist von Washington wirklich aussehen soll, und das vermissen wir. Hier wäre eine wunderbare Gelegenheit gewesen, eine reichlich verwickelte Lage fair zu bereinigen. Wir müssen unser Erstaunen zum Ausdruck bringen — nicht darüber, daß sich Interessenten finden oder finden dürften, die vielleicht bereit wären, solches Vermögen möglichst billig zu erwerben —, darüber daß sich die Besatzungsmächte dazu hergeben, solchen Interessenten das Spiel zu erleichtern oder vielleicht sogar - darf ich das sagen? — dieses Spiel zu begünstigen. Denn schließlich steht der Konkurrenzkampf dahinter, der Konkurrenzkampf des Auslandsfilms. der die deutsche Filmproduktion nicht wieder hochkommen lassen will.
Wir wissen, daß' die Entwicklung des deutschen Films — wir haben es hier oft betont — in erster Linie eine Frage der Qualitätsentfaltung ist. Aber damit sich die Qualität entfalten kann, müssen auch die materiellen Voraussetzungen gegeben sein, und soweit sie noch vorhanden sind, müssen sie gewahrt bleiben.