Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frau Kollegin Niggemeyer und auch der Vertreter des Ministeriums haben uns hier gesagt, daß der Bundestag und die Bundesregierung an die bestehenden Gesetze gebunden seien. Bedauerlicherweise sind die Personen, um deren Winterbedarf es sich hier handelt, auch an die bestehenden Wohlfahrtsrichtsätze und Rentensätze gebunden. Wie diese Personen draußen über die Höhe der Renten denken und welche Forderungen sie erheben, das dürfte dem Bundestag in seiner Gesamtheit bekannt sein. Hinter uns liegen zwei große Verbandstage der beiden entscheidenden Kriegsopferorganisationen. Täglich gehen uns aus allen Kreisen der Rentenberechtigten gleichlautende Anträge auf Erhöhung der Renten zu. In allen Anträgen wird festgestellt, daß die derzeitigen Renten und die derzeitigen Unterstützungssätze völlig unzureichend sind. In allen Anträgen und in allen Zuschriften wird die Bewilligung von Teuerungszulagen zu den heute gezahlten Renten und Unterstützungen gefordert. Die Millionenmassen der Sozialberechtigten draußen erwarten also vom Bundestag und von der Bundesregierung eine sofortige Erhöhung der derzeitigen Renten und Unterstützungssätze. Das ist die Situation draußen. Nun werden wir auf die bestehenden Gesetze hingewiesen. Frau Kollegin Niggemeyer, davon wird leider der Ofen nicht warm, ganz abgesehen davon, daß Ihr Kohlenminister auch keine Kohlen zur Verfügung stellen kann.
Wenn man in den Ländern die Frage der Bewilligung von Weihnachtsbeihilfen und Winter-
beihilfen stellt, wird einem gesagt: wir haben keine Mittel, der Bund ist daran schuld. Wenn man die Frage in den Gemeinden stellt, reden dieselben Herren von der CDU von der Ausblutungspolitik der Länderregierungen und der Bundesregierung gegenüber den Gemeinden. Jeder sagt: Ich habe kein Geld, und jeder sagt: Ich bin nicht zuständig. Nun haben wir gehört, der Bund ist wenigstens für die Empfänger von Kriegsfolgehilfe zu 85 % zuständig.
Dazu darf ich auf folgendes hinweisen. Bei den Gemeinden und demzufolge auch bei den Ländern haben die letzten, minimalen Erhöhungen der Rentenbezüge dazu geführt, daß große Einsparungen in den laufenden Haushalten gemacht werden konnten. In Gemeinden von der Größenordnung der Stadt Essen z. B. ist allein durch die beiden letzten Erhöhungen der Invalidenrente ein Betrag von mehr als einer halben Million DM an Wohlfahrtsmitteln eingespart worden. Beachten Sie also die Auswirkung: jede minimale Rentenerhöhung, die hier oben erfolgt, führt in der Gemeinde zu einem Abzug von den Leistungen der ergänzenden Wohlfahrtspflege und zu Einsparungen. Aber den Rentenberechtigten ist weder durch das, was hier geschieht, noch viel weniger durch das, was in der Folge in den Gemeinden geschieht, irgendwie geholfen. Das tatsächliche Einkommen bleibt für den armen Invaliden dasselbe wie vordem. Hungerrenten, Hungerunterstützungen! Die Rentenberechtigten fordern von uns Hilfe.
Nun zurück zu dem Antrag der SPD. Der sozialdemokratische Antrag unterscheidet sich in zwei Punkten von einem Antrag, den wir eingereicht haben. Ich meine unseren Antrag vom 3. September. Der eine Unterschied besteht in dem Datum; unser Antrag ist vom 3. September, der sozialdemokratische Antrag vom 24. Oktober. Unser Antrag unterscheidet sich aber von dem sozialdemokratischen Antrag auch in der Höhe der geforderten Leistungen. Wir haben in unserem Antrag die Bewilligung von Winterbeihilfen generell für alle Bezieher von Invalidenrenten, von Alu und Alfü, von Kriegsopferrenten, soweit Ausgleichsrente gezahlt wird, für alle Empfänger von öffentlicher Wohlfahrtsunterstützung usw. gefordert. In unserem Antrag ist auch gesagt, daß wir diese Zuschläge unabhängig vom Vorliegen der Bedürftigkeit gezahlt wissen wollen. Wir sind der Auf fassung, daß die derzeitigen Rentensätze es den Rentenbeziehern unmöglich machen, den notwendigen Winterbedarf zu decken. Von diesem Tatbestand aus muß man an die Angelegenheit herangehen.
Nun liegt, wie ich schon sagte, unser bereits am 3. September gestellter Antrag im Ausschuß. Hoffentlich erlebt er nicht dasselbe Schicksal wie der Antrag, den wir Ende des vorigen Herbstes gestellt haben und der bekanntlich erst vor einigen Wochen hier beerdigt worden ist. Was wir wollen, was wir fordern müssen, ist, angesichts der unverkennbaren Steigerung der gesamten Lebenshaltungskosten und angesichts der derzeitigen elenden Rentenbezüge diesem gesamten Personenkreis — ganz unabhängig davon, ob er nach den Begriffen der Fürsorgepflichtverordnung bedürftig ist — eine einmalige Beihilfe zu gewähren, die zur Deckung des notwendigen Winterbedarfs ausreicht. Das ist unsere Auffassung von diesen Dingen.
Ich wiederhole, die Organisationen, die berufenen Sprecher der Sozialberechtigten und der Kriegsopfer, verlangen, daß der Bundestag hilft. Was der Herr Vertreter des Ministeriums uns hier in Aussicht gestellt hat, ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein und weniger als das, was im vorigen Jahr von der Regierung gegeben worden ist. Ich kann von ihm auch gar keine andere Antwort erwarten, da ja vor ungefähr 14 Tagen ein Beschluß des Kabinetts bekanntgegeben worden ist, nach dem die Regierung die Auffassung vertritt, daß eine Erhöhung der derzeitigen Bezüge der Sozialberechtigten in ihrer Gesamtheit unmöglich ist und abgelehnt werden muß. Angesichts der Tatsache, daß die Adenauer-Regierung und ihr Finanzminister Schäffer ihre Haltung bereits öffentlich festgelegt haben, bleibt nur übrig: daß die Kollegen aus der sozialdemokratischen Fraktion diesmal mit größerer Entschiedenheit als bei dem im vorigen Winter von uns gestellten Antrag für unseren Antrag kämpfen, der ja schon acht Wochen alt ist. Stimmen wir also für unseren Antrag, kämpfen wir für unseren Antrag! Vielleicht kommt dann wenigstens so viel heraus, wie Sie von der sozialdemokratischen Fraktion in Ihrem Antrag gefordert haben. Aber kämpfen muß man gegen diese Regierung des Hungers, wenn man den Notleidenden draußen helfen will. Kämpfen muß man und darf nicht beantragen, die Angelegenheit an den Ausschuß zu überweisen.