— Herr Kollege Schmid, wir müssen hier nicht vom Rechtszustand, sondern vom Besitzstand ausgehen. Wenn der Besitzer einen Gegenstand durch einen einseitigen Akt zurückgibt und wenn diese Rückgabe die Bedingung des Abschlusses eines Vertrages ist, so ist doch die bloße Besitzrückgabe meines Erachtens eine Vorleistung. Der Vertrag selbst enthält über diese Frage bekanntlich nichts. Fr beschränkt sich darauf, daß eine Hafenbetriebsgemeinschaft gebildet wird und daß das Land Baden die ihm gehörenden Grundstücke — das sind die Hafenanlagen und etwa ein Viertel des Hafengebiets — pachtweise in diese Gesellschaft einbringt. Ich bin nicht der Meinung, daß hier ein politischer Vertrag vorliegt. Man hat lediglich die Wahl, entweder zu sagen, es liegt ein reines Verwaltungsabkommen vor; dann ist die Zustimmung des Bundes überhaupt nicht erforderlich. — Oder man sagt, es liegt ein Vertrag mit einem ausländischen Staat vor; dann ist allerdings die Zustimmung des Bundes notwendig. Die badische Landesregierung hat vorsorglich unter Bezugnahme auf den Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes um die Zustimmung des Bundes gebeten. Diese ist ja inzwischen auch erteilt worden. Der Vertragspartner ist der autonome Hafen von .Straßburg. Ich gebe zu, daß dieser autonome Hafen ermächtigt worden ist, diesen Vertrag abzuschließen. Das dürfte ja auch der Anlaß dafür gewesen sein, daß die Bundesregierung den Fall der Erteilung der Genehmigung nach Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes als gegeben angesehen hat.
Nun ist vom Herrn Kollegen Schmid beanstandet worden, daß die Stadt Kehl nicht oder nur in ungenügender Weise gehört worden sei. Die Verhandlungen zur Herbeiführung dieses Vertrags haben in einem Zeitpunkt begonnen, als es keine Stadt Kehl mehr gab. Die Exilverwaltung der Stadt Kehl ist am 7. Juli 1946 aufgelöst worden, zu einem Zeitpunkt, als das gesamte Gebiet von Stadt und Hafen Kehl sich ausschließlich innerhalb des französischen Sonderregimes befand. Weil die Gemeindeverwaltung der Stadt Kehl zu Beginn der Vertragsverhandlungen nicht bestanden hat, war es damals noch gar nicht möglich, sie irgendwie zu hören. Die Vertragsverhandlungen mußten vertraulich geführt werden. Als dann nach der Räumung eines kleineren Stadt Kehl wieder eine Gemeinde-
verwaltung aufgebaut worden war, bestand zunächst wegen des vertraulichen Charakters dieser Verhandlungen noch nicht die Möglichkeit — aber auch nicht die Verpflichtung —, die Stadt Kehl zu hören. Die badische Verfassung sieht vor, daß lediglich bei .gesetzgeberischen Maßnahmen, nicht aber beim Abschluß von Verträgen die Gemeinden gehört werden sollen. Der Gemeindeverwaltung ist schließlich im letzten Stadium der Aushandlung sowohl seitens der Landesregierung als auch seitens der Bundesregierung in einem sehr weiten Maße die Möglichkeit gegeben worden, ihre Bedenken vorzutragen. Daß sie von dieser Möglichkeit in sehr großem Umfange Gebrauch gemacht hat, geht aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid und des Herrn Berichterstatters hervor, die die von der Gemeinde Kehl vor dem Abschluß des Abkommens vorgetragenen Bedenken in einem großen Umfang gewürdigt und zu den ihren gemacht haben.
Ich glaube also nicht, daß man sagen kann, die formellen Bestimmungen seien irgendwie verletzt worden. Die Bundesregierung hat den Fall des Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes als gegeben angesehen. Das Prüfungsrecht der Bundesregierung kann sich nur auf den sachlichen Inhalt des Vertrages erstrecken und nicht darauf, welche landesrechtlichen Bestimmungen noch angewendet werden müßten, um den Vertrag nach Landesrecht gültig zu machen.
Man hat eine Reihe von Bedenken gegen den Inhalt des Vertrages geäußert. Es liegt mir durchaus fern, den Vertrag und seinen Inhalt als ideal hinzustellen. Das wesentliche Ergebnis der Verhandlungen ist, daß die Räumung des Hafens und eines größeren Teiles der Stadt, die sich bisher eben nicht hat ermöglichen lassen, jetzt zu einem festen Zeitpunkt, nämlich am 1. Januar des nächsten Jahres, erfolgen wird.
Es ist richtig, daß eine gemeinsame Hafenbehörde geschaffen worden ist; aber es wäre falsch, die Bedeutung der Schaffung dieser gemeinsamen Institution zu überschätzen. Die gemeinsame Verwaltung des Hafens ist zeitlich bis zum Inkrafttreten der Friedensregelung beschränkt. Sie kann nach § 8 schon vorher den Verhältnissen angepaßt werden. Sie ist auch sachlich beschränkt; es werden lediglich die Grundstücke des Landes Baden — Hafenanlagen und etwa ein Viertel des Hafenterritoriums — in das Pachtverhältnis eingebracht. Ich würde es nicht für angemessen halten, diese lokal doch sehr beschränkte Angelegenheit zu überschätzen und ihr eine politische Bedeutung beizumessen, die sie nicht hat. Die politische Bedeutung erblicke ich in der positiven Tatsache der Rückgabe von Stadt und Hafen Kehl unter die deutsche Hoheit.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß das Land
Baden, soweit es auf Grund der Bestimmungen des
Grundgesetzes hier stellvertretend tätig gewesen
ist, neben den Interessen der unmittelbar beteiligten Kehler Bevölkerung deutsche Interessen, wahrgenommen hat, genau so wie auch die Bundesregierung deutsche Interessen wahrgenommen hätte,
wenn sie die Verhandlungen gepflogen und nach
Art. 32 Abs. 2 das Land Baden hierzu gehört hätte.
Es ist richtig, daß dem Abkommen der Makel der Einseitigkeit anhaftet. Auch wir bedauern das. Aber der Herr Staatssekretär hat bereits mit Recht darauf abgehoben, daß das Möglichste getan worden ist, und zwar unter Assistenz der Bundesregierung und der beteiligten Ministerien, um die Vertragsverhandlungen so zu einem guten Ende zu führen, wie es einerseits unter Berücksichtigung des Endziels der baldigen Räumung von Stadt und Hafen und andererseits unter Berücksichtigung der berechtigten deutschen Forderungen möglich gewesen ist. Inzwischen sind — ich weiß nicht, wieweit das dem Herrn Kollegen Schmid bekannt ist — durch den Notenwechsel zwei wesentliche Bedenken ausgeräumt worden. Der Stichentscheid des französischen Verwaltungsratsvorsitzenden erstreckt sich nurmehr auf Fragen des Transitverkehrs, und zwar auch, wenn der wiederholt zitierte Geist des Abkommens in Frage gestellt ist. Es ist klargestellt, daß nur dann der erste Vorsitzende entscheiden kann, wenn es sich um Transitfragen handelt. In den Fragen des Binnenverkehrs steht dem deutschen stellvertretenden Vorsitzenden der Stichentscheid zu. Zweitens ist durch diesen Notenwechsel auch klargestellt worden, daß die Schiedsgerichtsbarkeit auf Streitfragen aus der Satzung ausgedehnt ist. Es trifft meines Erachtens auch nicht zu, daß dieser Schiedsgerichtsbarkeit nur Rechtsfragen unterstellt werden können. Die Schiedskommission soll vielmehr dann tätig werden, wenn Schwierigkeiten bei der Anwendung des Abkommens entstehen.
Ich möchte nicht auf die finanziellen Fragen eingehen. Die Aussicht, daß der Hafen Kehl am 1. Januar des nächsten Jahres in die deutsche Hohem zurückkehrt, gibt Anlaß zu der Überlegung, daß große finanzielle Aufwendungen notwendig werden. Dankenswerterweise hat sich der Haushaltsausschuß heute mit dieser Frage befaßt und dem Bundestag einen Vorschlag unterbreitet; den wir durchaus begrüßen und über den mein Kollege Rümmele nachher sprechen wird.
Ich möchte zusammenfassend folgendes sagen. Der Vertrag hat vielleicht den Charakter eines Amphibiums, wie ihn Verträge in Übergangszeiten zu haben pflegen. Auf der einen Seite spricht die Präambel davon, daß eine wirtschaftliche Zusammenarbeit im Sinne der Einigung Europas erfolgen soll; andererseits muß man sagen, daß das Abkommen in der Tat einseitig ist. Wenn wir den Vertrag gutheißen, können wir ihn nur als den Vorläufer und Wegbereiter einer zweiseitigen Regelung gutheißen, die auf der völligen Gleichberechtigung, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und der Chancengleichheit aufgebaut ist. Wir können nur die Hoffnung aussprechen, daß der Vertrag in diesem Sinne eine derartige zweiseitige und gerechte Regelung vorbereitet, daß er auch so von beiden Seiten angesehen und loyalerweise als ein Vorläufer der ernstgemeinten Einigung Europas gehandhabt wird.