Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, von dieser Tribüne aus die von dem Herrn Staatssekretär vorgetragenen philosophischen Sentenzen und Maximen über das Problem des Vertrauens unter politischen Partnern zu diskutieren,
auch nicht die von ihm vorgetragenen Prolegomena zu einem noch ausstehenden Knigge für den Verkehr mit internationalen Beamten. Es ist auch nicht meine Absicht, über Vergangenes zu rechten. Aber ich möchte nun doch festgehalten wissen, daß es zu den Befugnissen dieses Hauses gehört, immer, wenn dies nötig sein sollte, an Maßnahmen Kritik zu üben, durch die die Bundesregierung mit Vergangenem fertig werden zu können geglaubt hat oder , durch deren Unterlassung sie ihre Unfähigkeit hierzu kundgetan hat.
Dar über ist heute zu sprechen.
Aber ich möchte dazu noch eines vorausschicken: ich glaube, daß der Herr Staatssekretär es sich vor diesem Hause mit der Apologie der Weigerung der Bundesregierung, mit der Zustimmung zu dem von der badischen Regierung geschlossenen Vertrag bis zum Abschluß der Debatte zu dieser Interpellation zu warten, nicht hätte so leicht machen dürfen.
Das Verhalten der Bundesregierung und die Rede, die wir soeben gehört haben, zeugen nicht von einem großen Respekt vor den Prärogativen dieses Hauses!
Ich möchte glauben können, meine Damen und Herren, daß in dieser Frage auf allen Seiten dieses Hauses die gleiche Meinung besteht!
Man sagt uns von der Regierungsbank herab- bei Diskussionen über Verträge, die zur Liquidation des Krieges oder zur Fundamentierung der Zukunft abgeschlossen worden sind, gerne, man möge doch Vertrauen in den Geist der Ausführung dieses oder jenes Vertrages haben. Auch heute hat dieses Wort wieder angeklungen. Meine Damen und Herren, in erster Linie sollte uns interessieren, welcher Geist in dem Vertrag selbst zum Ausdruck gekommen ist!
Und in dem Kehler Vertrag scheint mir doch eine sehr bedauerliche Geisteshaltung zum Ausdruck gekommen zu sein! Wenn heute, wo jedermann von Europa spricht, heute, wo man insbesondere von Frankreich her das Europa-Vokabular fast jeden Tag um neue Varianten bereichert, Verträge mit solch diskriminatorischem Inhalt von uns verlangt werden, — nun, da fällt es mir schwer, sehr viel Gutes für die Europäer eines Europa zu erhoffen, wie es die Leute zu wollen scheinen, die für diesen Vertrag verantwortlich sind!
Wenn der Kehler Vertrag etwas wie ein MiniaturModell für das sein soll, was man jenseits des Rheins unter Europa verstehen will, — nun, man könnte die Idee Europa doch nicht wirksamer ruinieren als durch eine Politik, deren Ausdruck Verträge wie dieser sind.
Es kommt doch in diesem Vertrag letzten Endes nichts anderes zum Ausdruck als die schlecht verhüllte Absicht, mit Hilfe vertragstechnischer Kunststückchen wiederum ein Stück deutschen wirtschaftlichen Vermögens, deutschen Potentials unter fremde Verfügungsgewalt zu bringen, zum mindesten aber die Entfaltung deutscher ökonomischer Möglichkeiten zu sperren.
Im allgemeinen sagt man uns, das sei - leider Gottes — da und dort nötig, weil die Deutschen in jüngster Vergangenheit noch bewiesen hätten, daß man sich auf ihre Friedensliebe nicht verlassen könne; deswegen müsse man aus Sicherheitsgründen ihrer Freiheit voller und ungehemmter wirtschaftlicher Entfaltung Beschränkungen auferlegen. Nun: glaubt man denn wirklich, daß die freie Verfügung der Deutschen über den Hafen von Kehl die Sicherheit Frankreichs gefährden könnte? In diesem Vertrag ist wahrlich nichts anderes am Werk gewesen als schäbiger Neid wirtschaftlicher Konkurrenz, die eine günstige Gelegenheit sieht, sich politischer Macht bedienen zu können.
Nun zu der Frage: Hätte die Bundesregierung das Aushandeln eines solchen Vertrages überhaupt der badischen Regierung überlassen dürfen — einmal an und für sich, dann aber auch im Hinblick auf die doch nicht ganz unbekannte Bereitwilligkeit der Freiburger Regierung, französische Intentionen schlechthin als Parallelaktionen zu deutschen Interessen anzusehen?
Ich glaube nicht, daß man das hätte tun dürfen. Dieses Abkommen stellt sich zwar äußerlich in den Formen eines Verwaltungsvertrages dar; es ist aber keine nur technische Vereinbarung über die Führung von Hafengeschäften. Dieser Vertrag ist doch wahrhaftig kein Verwaltungsabkommen. Man stelle sich vor, die Regierung des Landes Hamburg hätte einen Vertrag abgeschlossen, der für alle wesentlichen wirtschaftspolitischen Angelegenheiten die Verfügung über den Hafen von Hamburg
in außerdeutsche Hände gelegt hätte. Würde da irgend jemand sagen, es handle sich hier lediglich um eine Regelung hafentechnischer Belange? Was für Hamburg im großen gilt, gilt auch für Kehl, wenn auch in kleinerem Maßstab, denn das Prinzip, um das es dabei geht, ist dasselbe.
Der Vertrag, der über die Verwaltung des Hafens von Kehl abgeschlossen worden ist, ist keine administrative Vereinbarung, sondern ein Instrument zur Regelung der politischen Beziehungen der Bundesrepublik!
Man hat uns doch gesagt, einmal, daß dieser Vertrag in Ausführung eines so hochpolitischen Dings wie des Londoner Abkommens geschlossen worden sei; zum andern, daß er ein Glied in der langen Reihe von Maßnahmen sei, deren Endergebnis die endgültige Regelung der deutsch-französischen politischen Beziehungen sein soll. Damit ist doch klar zum Ausdruck gebracht, daß dieser Vertrag ein politischer Vertrag ist und als solcher gewollt wird!
Und er ist schon darum ein politischer Vertrag, weil durch ihn auf einem, wenn auch kleinen Teil des deutschen Territoriums im Wege der vertraglichen Übernahme von Lasten politische Servituten begründet werden sollen, die die Verfügungsfreiheit der Deutschen über deutsches Staatsgebiet in schwerer Weise einschränken.
Wenn solch ein Vertrag kein politischer Vertrag ist, möchte ich wirklich wissen, was man noch als solchen ansprechen könnte.
Dieser Vertrag fällt also unter Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes, der bestimmt, daß Verträge, durch die die politischen Beziehungen der Bundesrepublik geregelt werden, der Zustimmung des Bundestages bedürfen.
Ohne eine förmliche Zustimmung des Bundestages nach Art. 59 Abs. 2 kann dieses Vertragswerk nicht in Rechtswirksamkeit erwachsen. Und ich kündige an, daß, wenn unseren Bedenken nicht Rechnung getragen werden sollte, die sozialdemokratische Fraktion Klage beim Bundes verfassungsgericht erheben wird.
Nun noch ein Wort nebenbei. Man hat uns ermahnt: nicht davon sprechen, daß die badische Regierung es für überflüssig gehalten hat, in dieser für Kehl so vitalen Angelegenheit die Stadt Kehl selbst zu hören!
Meine Damen und Herren, man ist auf der Regierungsseite des Hauses doch immer so sehr dafür, der jeweils höheren Stufe staatlicher Ordnung nur subsidiäre Kompetenzen zuzuerkennen. In Verfolg dieser These ist man der Meinung, daß man bei staatlichen Entscheidungen möglichst nahe an den Staatsbürger selbst herangehen soll. Ich glaube, daß es in dieser Sache mehr als ein Gebot bloßer Höflichkeit oder administrativer Nützlichkeit gewesen wäre, die Bewohner von Kehl und ihre gewählten Vertreter rechtzeitig zu unterrichten und sie zu fragen, was sie denn für ihr Interesse
halten.
Ich meine, daß es die rechtliche Pflicht der badischen Regierung gewesen wäre, so zu handeln.
Und wenn wir im Bundestag feststellen, daß die badische Regierung in diesem Falle ihrer Rechtspflicht nicht genügt hat, dann usurpieren wir nicht Rechte, die uns nicht zustünden, sondern dann tun wir nichts als unsere parlamentarische Pflicht.
Dieser Vertrag bringt uns — wenn auch nur in bezug auf einen kleinen Teil des Bundesgebietes — in eine Situation, die man heute niemand und früher bestenfalls einem Levantestaat zugemutet hat.
Man verlangt unsere Einwilligung dafür, daß — ohne Gegenseitigkeit — auf einen Teil des deutschen Staatsgebietes nicht deutsche Hoheitsgewalt, sondern eine scheinbar gemischte internationale, aber in Wirklichkeit doch sehr einseitig bestimmte fremde Hoheitsgewalt hoheitliche Entscheidungen fällen soll. Wir hätten nicht das geringste dagegen gehabt, wenn man aus den Häfen Kehl und Straßburg eine international verwaltete Hafengemeinschaft gemacht und beide Häfen unter dasselbe internationale Regime gestellt hätte. Das wäre eine gute Sache gewesen, und wir meinen, daß man auf solchem Wege recht viel ernsthaften Internationalismus praktizieren sollte. Aber was hier geschehen ist, ist doch etwas ganz anderes: Man hat nicht gegenseitig Einrichtungen, an denen ein gemeinsames Interesse besteht, internationalisiert, sondern lediglich den Hafen von Kehl unter ein gegenüber dem Hafen von Straßburg differentielles Regime gestellt und dieses Regime so gestaltet, daß es sich ausschließlich zum Vorteil von Straßburg auswirken soll und ausschließlich zum Nachteil von Kehl auswirken kann.
Ein Beispiel! Es gibt zwar einen deutschen Hafendirektor, dem ein französischer Stellvertreter zur Seite steht; aber jedesmal, wenn der französische Stellvertreter der Meinung ist, er könne dem deutschen Direktor nicht zustimmen, kann die Zuständigkeit des Verwaltungsrates begründet werden, und in dem Verwaltungsrat — fünf zu fünf — gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des französischen Vorsitzenden den Ausschlag.
Dieser Verwaltungsrat hat außerdem noch eine Reihe ausschließlicher Zuständigkeiten und kann überdies jedesmal zuständig gemacht werden, wenn seine französischen Mitglieder irgendwann der Meinung sind, daß es sich um eine Entscheidung handle, die den „Geist" der Anwendung des Vertrages betreffe.
Mit dieser Generalklausel kann man doch schlechthin in jedem Falle, in dem man es für nützlich hält, die Zuständigkeit des Verwaltungsrats und damit praktisch einseitig französische Entscheidungsgewalt begründen.
Ich will heute nicht im einzelnen von all den Bestimmungen des Art. 14 sprechen, die die besonderen Zuständigkeiten des Verwaltungsrates statuieren: die Probleme des Transitverkehrs, die Möglichkeiten der Evokation, die Bestimmung, daß in allen wirtschaftspolitischen Angelegenheiten keine Entscheidung ohne Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat ergehen kann, so daß letztlich, wenn man die Zuständigkeiten untersucht, dem