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ID0116818100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 168. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951 6871 168. Sitzung Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 6872C, 6898D Zustimmung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz betr. Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 6872D Anfrage Nr. 208 der Fraktion der SPD betr Behebung der durch den Bau der Autobahn zwischen Grünstadt und Frankenthal entstandenen Schäden (Nrn. 2623, 2673 der Drucksachen) 6872D Anfrage Nr. 214 der Zentrumsfraktion betr Steuererklärungen zur Einkommensteuer und Heranziehung zur Körperschaftsteuer (Nm. 2641, 2688 der Drucksachen) . . . . 6873A Bericht des Bundesministers der Finanzen betr. Geschäftsbericht sowie Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. April bis zum 30. September 1950 (Nr. 2682 der Drucksachen) 6873A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947 (Nr. 2595 der Drucksachen) 6873A Ausschußüberweisung 6873A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (Nr. 2504 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2660 der Drucksachen; Anträge Umdrucke Nrn. 330, 331, 332) 6873A Miessner (FPD): als Berichterstatter 6873B als Abgeordneter 6877C Mellies (SPD): zur Geschäftsordnung 6875B zur Sache 6877A, 6887B, 6889A Dr. Kather (CDU) 6875C, 6877B Tichi (BHE-DG) (zur Geschäftsordnung) 6876C Gundelach (KPD) . . . . 6878A, D, 6881C, 6882C, 6887D Böhm (SPD) 6878A, 6881A Dr. Kleindinst (CSU) 6878B Farke (DP) 6879A Dr. Wuermeling (CDU): zur Sache 6879B, 6884B, 6888D zur Geschäftsordnung . . . . 6887A, D Pannenbecker (Z) 6882B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 6882D 6888C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6883C Bausch (CDU) 6884A, 6886A von Thadden (Fraktionslos) 6885B Fisch (KPD) 6885C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 6886C Euler (FDP): 6887C Abstimmungen 6878A, B, 6881B, 6882A, 6888A, C, 6889A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Handelsabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Königlich Ägyptischen Regierung (Nr. 2410 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2661 der Drucksachen; Umdruck Nr. 302) 6889B Freudenberg (FDP-Hosp.), Berichterstatter 6889B Beschlußfassung 6889C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handelsvertrag vom 2. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile (Nr. 2534 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2662 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 6889B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens (Nr. 2519 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr 2663 der Drucksachen) 6889D Freudenberg (FDP-Hosp.), Bericht- erstatter 6890A Beschlußfassung 6390A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts (Nr. 2603 der Drucksachen) in Verbindung mit Einzelplan IVa — Haushalt des Auswärtigen Amts (Nr. 2604 der Drucksachen) ferner in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wegnahme der bundeseigenen, im Auslande gelegenen Dienstgebäude des ehemaligen Auswärtigen Dienstes (Nr. 2468 der Drucksachen; Umdruck Nr. 329), der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Beschlagnahme deutschen Auslandsvermögens (Nr. 2549 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Ungehinderter Verkehr mit den politischen Gefangenen der Besatzungsmächte (Nr. 2563 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nr. 2577 der Drucksachen), sowie der Beratung des Antrags der Abg. Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz u. Gen. betr. Räumung des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung (Oberpfalz) (Nr. 2597 der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 333, 334); im Zusammenhang damit: Erklärung der Bundesregierung (Ergebnis der von der Bundesregierung bei den Alliierten unternommenen Schritte betr. Wiederherstellung der deutschen Einheit und gesamtdeutsche Wahlen) . . 6890B, 6915D zur Sache: Dr. Blank (Oberhausen) (FDP), Berichterstatter 6890D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 6892B, 6894B, 6905B, 6931A, 6946A zur Geschäftsordnung bzw. zur Abstimmung: Mellies (SPD) . . . . 6893D, 6896A, 6898C Renner (KPD) 6894C Euler (FDP) 6895B, 6896D Dr. Tillmanns (CDU) 6895D Kunze (CDU) 6896C von Thadden (Fraktionslos) 6897A Dr. Hasemann (FDP) 6897B Dr. von Merkatz (DP) 6897C Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6897D Dr. von Brentano (CDU; 6898A Ewers (DP) . . . . . . . . . . . 6898B Dr. Ehlers (CDU) 6898D zur Sache: Fisch (KPD) 6899A Ollenhauer (SPD) . . 6901B, 6945C, 6952A Dr. Reismann (Z) 6905C, 6940C Ewers (DP) 6907A Dr. Wuermeling (CDU) 6909A Dr. Schäfer (FDP) 6911C von Thadden (Fraktionslos) 6913C Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6914D Dr. von Merkatz (DP), Antragsteller 6916A, 6953D Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller 6916B Erler (SPD), Antragsteller 691'7D Kahn (CDU), Antragsteller 6921B Dr. Meitinger (BP), Antragsteller . 6923A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6923D Dr. Luetkens (SPD) 6925C Euler (FDP) 6933C Dr. Pfleiderer (FDP) 6934C Dr. von Brentano (CDU) . . 6943C, 6953B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 6944C Renner (KPD) 6946C von Thadden (Fraktionslos) 6950A Kohl (Stuttgart) (KPD) 6951D Abstimmungen 6815C, 6954A Nächste Sitzung 6954C Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Karl Georg Pfleiderer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist im Inland und im Ausland schon häufig bemerkt worden, daß in Deutschland ein merkwürdiges Mißverhältnis bestehe, ein Mißverhältnis zwischen der Tüchtigkeit und dem Geschick und dem Erfolg, den die Deutschen in ihren häuslichen und kleinen Angelegenheiten, in der Verwaltung ihrer Gemeinden und ihrer Kreise und in ihren wirtschaftlichen Angelegenheiten hätten, und der merkwürdigen Glücklosigkeit und Zerspaltenheit, die bei ihren großen Aufgaben zutage trete. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, dieser Glücklosigkeit und Zerspaltenheit unseres Volkes zu Leibe zu gehen und dieses Mißverhältnis zu brechen.
    Es geschieht deshalb in einem Gefühl der Verantwortung und des Ernstes und auch der Sorge, in dem ich mich heute meiner Aufgabe hier entledige. Trotzdem möchte ich meine Ausführungen über den Haushalt des Auswärtigen Amts mit einem Wort der Anerkennung beginnen, der Anerkennung für vieles, was in der letzten Zeit geleistet worden ist, mit einem Wort auch der Anerkennung besonders für jenen kleinen Kreis von Beamten, auf denen die Hauptlast der Arbeit gelegen hat. Und wenn es nicht unbescheiden wäre, dann möchte ich darum bitten, dieses Wort der Anerkennung auch dem Chef der Regierung aussprechen zu dürfen, von dem man jedenfalls das eine sagen kann, daß er sich im Dienste für diesen Staat verzehrt.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber, meine Damen und Herren, wir sind als Abgeordnete des deutschen Volkes verpflichtet, das Gute als selbstverständlich hinzunehmen, und wir sind verpflichtet, bei Mißständen auf Abstellung zu drängen. Wenn es auch der Haushalt des Auswärtigen Amts ist, den wir zu behandeln haben, dann sind wir dadurch nicht gezwungen, diplomatische Liebenswürdigkeiten auszutauschen oder Schmeicheleien zu sagen. Ich möchte nicht zu Fragen der großen Politik Stellung nehmen — das ist bereits geschehen —, sondern ich möchte mich auf das Technische des Auswärtigen Dienstes beschränken. Wenn ich hier Sorgen vorzubringen habe, dann sind es Sorgen, die zum Teil auf dem Parteitag der FDP schon vorgebracht worden sind; dann sind es Sorgen, die nicht fraktionell gebunden sind, sondern die sich aus der Stellung des Parlaments im ganzen und aus der Beschäftigung mit der Materie von Stunde zu Stunde ergeben,


    (Dr. Pfleiderer)

    Meine erste und größte Sorge ist die — und das ist heute in der Aussprache über den Haushalt des Bundeskanzleramtes gelegentlich schon hervorgetreten —, daß das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament bei uns in vielem unbefriedigend ist. Das deutsche Volk ist in den letzten beiden Jahren — abgesehen von der letzten Zeit — kaum in der Lage gewesen, sein außenpolitisches Schicksal und damit sein Schicksal schlechthin an den Erklärungen der Regierung und an den Aussprachen dieses Hohen Hauses zu verfolgen. So etwas ist schädlich für das Staatswesen im ganzen. Es besteht die Gefahr, daß die politischen Gedanken und Erwartungen des Volkes an Bonn und dem Bundestag vorbeigehen; denn das Parlament ist meiner Ansicht nach das Herzstück der Demokratie, und jeder Schaden, den das Parlament erleidet, überträgt sich auf den Staat und auf seine Verfassung..
    Die Regierung steht heute parlamentarisch vor einer ganz neuen Lage. Sie hat in den letzten beiden Jahren ihre Geschäfte mit der Hohen Kommission verhandelt, ohne der Zustimmung des Hauses im einzelnen zu bedürfen. Nun aber ist der Augenblick gekommen, da Abkommen zur Erörterung stehen und Verhandlungen geführt werden, die alle eines Tages der Ratifikation durch den Bundestag bedürfen. Das ist der Fall bei der Schuldenanerkennung, das wird der Fall sein beim Schumanplan, beim Plevenplan, bei der Revision des Besatzungsstatuts und bei allem, was damit zusammenhängt.
    Es ist sicher, daß sich die auswärtigen Angelegenheiten nicht immer zu einer öffentlichen Erörterung eignen, aber sie eignen sich doch sehr viel mehr dazu, als man denkt. Man muß eben hierfür einen bestimmten Stil entwickeln und die Grundregel beachten, daß es erforderlich ist, das Politische, die Konzeption, von dem Diplomatischen, d. h. von der Durchsetzung in den Verhandlungen, zu trennen.

    (Sehr richtig!)

    Ich möchte keine Eifersucht auf die Presse und auf den Rundfunk zum Ausdruck bringen, aber es war doch häufig so, daß manches über Presse und Rundfunk gesagt worden ist, -was vielleicht zuerst in diesem Hause hätte erklärt werden sollen. Ich möchte auch keine Eifersucht auf die Hohen Kommissare zum Ausdruck bringen, die den Herrn Bundeskanzler sehr viel häufiger sehen, als wir es tun dürfen. Das Bild hat ja etwas Eindrucksvolles, sich den Herrn Bundeskanzler vorzustellen, begleitet von seinen Schildknappen, auf der Fahrt von Schloß zu Schloß, wo er für die Einigung Deutschlands streitet und wo man sich häufig nur bemüht, ihm den Weg von der unbedingten Kapitulation zur bedingten Kapitulation zu zeigen.
    Das Verhältnis der Regierung zum Auswärtigen Ausschuß ist ebenfalls noch immer problematisch. Das mag mit gewissen strukturellen Bedingtheiten des Ausschusses zusammenhängen. Auf der einen Seite erwartet man dort die Geheimhaltung, da ja häufig auch über Verhandlungen berichtet wird; auf der anderen Seite ist der Kreis der Zuhörer ungewöhnlich groß, da ja auch die Stellvertreter um der Stetigkeit willen immer an den Beratungen teilnehmen. Man hat nun versucht, Abhilfe durch die Einsetzung kleinerer Unterausschüsse zu schaffen. Es ist zu früh, als daß man über den Erfolg Endgültiges sagen könnte; aber das eine ist zu bemerken, daß von seiten der Regierung und auch von seiten des Bundesrats immer ungewöhnlich viele Zuhörer in den Auswärtigen Ausschuß entsandt werden. Ich habe neulich bei Beratungen deren 26 auf einmal gezählt. Wenn die Regierung das Recht hat, Beauftragte in den Ausschuß zu entsenden, dann möchte ich ihr empfehlen, von diesem Recht einen beschränkten und maßvollen Gebrauch zu machen.

    (Abg. Dr. Gerstenmaier: Sehr gut!)

    Die Abgeordneten und die Institutionen des Parlaments sind nicht als Gegenspieler der Ministerialräte und Referenten gedacht, sondern wir wollen es mit politisch verantwortlichen Persönlichkeiten zu tun haben. Wir wollen nicht Sprach- und Hörrohre der Minister in den Ausschüssen haben, sondern die Herren Minister selbst. Sie sollen dann nachher ihre Mitarbeiter von dem unterrichten, was für deren Arbeit unerläßlich ist.
    Der Stellenplan des Auswärtigen Amts ist an der Spitze meiner Ansicht nach zu schwach ausgestaltet oder die Kräfte sind dort, zum Teil, wenn ich so sagen darf, zweckfremd eingesetzt. Diesen Punkt müssen wir besonders ins Auge fassen, da er für uns als Parlament besonders interessant und wichtig ist. Der Herr Bundeskanzler hat jetzt eine Verhandlungsgruppe, bestehend aus dem Herrn Staatssekretär und einem Ministerialdirektor, zusammengestellt. Ich glaube, es ist notwendig, eine solche Gruppe zusammenzustellen; und es ist dem Herrn Bundeskanzler zuzubilligen, sich das so einzurichten, wie er es für seine Interessen und seine Art braucht. Denn an der Spitze des Staates trifft, wenn ich so sagen darf, das Institutionelle mit dem Personellen zusammen. Dabei soll man dem Regierungschef Freiheit lassen. Ich glaube, ein Bundeskanzler hat das Recht, eine Individualität zu sein, aber er hat auf der anderen Seite die Pflicht, die Folgen zu bedenken. Und diese Folgen sind empfindlich, weil kein Außenminister vorhanden ist und der Herr Bundeskanzler diese Geschäfte nur zusätzlich zu seinen anderen versehen kann. Es fällt praktisch für die laufende Arbeit der Behörde der Herr Staatssekretär aus, es fällt ein Ministerialdirektor aus, und es fehlt überdem der Außenminister. Diese Tatsachen wirken sich in verschiedener Beziehung nachteilig aus. Es fehlt, so hat man den Eindruck, der Behörde, dem Auswärtigen Amt, an der Leitung im ganzen. Ich habe in meiner früheren Tätigkeit im Auswärtigen Amt zweimal den Fall erlebt, daß längere Zeit hindurch der Kanzler zugleich Außenminister war. Es war unter Stresemann sowohl wie unter Brüning, aber in diesen Fällen wurde der Staatssekretär ausdrücklich mit der Leitung des Auswärtigen Amts beauftragt und konnte in seiner Zuständigkeit auch Personalien mehr oder weniger selbst entscheiden. Es waren die Jahre zwischen 1923 und 1933, vielleicht die besten und die glücklichsten des auswärtigen Dienstes, in denen das Auswärtige Amt so sein konnte, wie es eigentlich aus seiner inneren Struktur her sein sollte und wollte. Es ist ihm in diesen zehn Jahren gelungen, nach einem verlorenen Weltkrieg Deutschland in friedlicher Weise in die Reihe der Großmächte zurückzuführen.
    Es leidet heute der Aufbau der Behörde — ich werde nachher noch einige Ziffern hierzu bringen —, es leidet aber auch die Bearbeitung der Berichterstattung, soweit eine solche von draußen eingeht. Es fehlt damit die Voraussetzung für einen Gedankenaustausch mit den Missionen. Das Auswärtige Amt ist eine neue Behörde. Viele Missionschefs kommen aus den verschiedenartigsten Lebenskreisen. Sie haben keine einheitliche Schulung und sind heute über die Welt zerstreut. Hier liegt eine außerordentlich schwierige erzieherische


    (Dr. Pfleiderer)

    Aufgabe vor, die des vollen Einsatzes der Leitung der Behörde bedarf. Es muß eine einheitliche Linie geschaffen und es müssen ein einheitlicher Geist und ein einheitlicher Wille in diese Behörde gebracht werden. Sehr unzulänglich ist noch immer die Information der auswärtigen Behörden über die Vorgänge in der Heimat. Man sollte die Missionschefs, wenn sie es wünschen, häufiger auch zur Berichterstattung hierher befehlen. Ich möchte wissen, was in der letzten Zeit wohl schon an echten Informationserlassen und Erlassen zur Sprachregelung herausgegangen ist, zum Friedensvertrag von San Franzisko, zu den Vorgängen in Washington und zu den Ostproblemen. Es fehlt aber auch heute noch sehr stark an einer sorgfältigen und umfassenden Durcharbeitung des politischen Stoffes, soweit er sich nicht unmittelbar auf die laufenden und aktuellen Verhandlungen bezieht. Der Herr Bundeskanzler ist, das wissen wir und er bekennt es mit Stolz, im wesentlichen westlich eingestellt, und auch der Herr Staatssekretär hat seine diplomatischen Erfahrungen im wesentlichen in Verhandlungen mit dem Westen gesammelt. Auch die politische Abteilung des Auswärtigen Amts ist sehr stark westlich orientiert, und so bleibt für die ganz schwierigen Fragen des Ostens eigentlich nur „ein junger Herr aus Polen" übrig, der heute als Referent bei uns tätig ist. Wenn man demgegenüber betrachtet, mit welchen Mächten man es im Osten tatsächlich zu tun hat, dann kann man es mit der Angst bekommen. Niemand wird mir vorwerfen, daß ich ein Bolschewik wäre, aber ich habe niemals den Bolschewismus und die Sowjetunion unterschätzt. Man muß einmal vergleichen, was dort seit dem Jahre 1917 bis heute geschaffen worden ist, seit der Zeit der Interventionskriege, als ein Wrangel, ein Denikin, Koltschak, ein Judenitsch und Ungern-Sternberg auf russischem Boden standen. Heute ist es so, daß Königsberg eine russische Stadt ist, daß die Stadt Luthers, die Stadt Goethes und die Stadt Friedrichs des Großen unter russischer Herrschaft stehen. Dort hat man es wahrhaftig mit Hochspannungen zu tun, und man hat manchmal das Gefühl, als würde man im Westen nur mit Taschenlampen funkeln.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Dies ist eine meiner größten Sorgen, und diese Sorge stammt aus einer persönlichen Kenntnis der Verhältnisse und aus einer unablässigen Beschäftigung mit ihnen.
    Meine Damen und Herren! Es leidet aber auch der Verkehr mit dem Parlament, wenn bei wichtigen Aussprachen in diesem Hause kein Außenminister zugegen ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Freunde und ich sind der Ansicht, daß auch der beamtete Staatssekretär nicht eigentlich für das Parlament vorhanden ist. Er bildet die Spitze der beamteten Verwaltung, und er soll nicht politisch verbraucht werden. Er soll nicht in der Öffentlichkeit polemisch für die Politik einer Regierung eingesetzt werden und dadurch vielleicht gezwungen sein, eines Tages unter einer anderen Regierung öffentlich das Gegenteil zu sagen. Das Ethos der Verwaltung besteht darin, die Stetigkeit und die Sachlichkeit zu wahren und die Regierung zu beraten. Sie soll, wie die Engländer sagen, „a silent service", ein schweigender Dienst sein. Ich bin sehr unglücklich darüber, daß über diesen Punkt in diesem Hause noch keine allgemeine Übereinstimmung besteht. Wenn ich mich hier vielleicht in manchem mit den Gesichtspunkten der
    Opposition treffe, dann vor allen Dingen deshalb, weil es sich hier wohl überhaupt nicht um einen Gegensatz von Koalition und Opposition handelt, sondern um ein gemeinsames Bemühen und An-. liegen aller beteiligten und berufenen Deutschen, die ihrem Staat die richtige Form und Verfassung geben wollen.
    Der Herr Bundeskanzler hat vorhin Aufschlüsse darüber gegeben, wie die Dienststellen in der letzten Zeit besetzt worden sind. Ich möchte fragen, ob die Zahlen zutreffend sind, die dem Haushaltsausschuß für die Besetzung der inländischen Haushaltsposten gegeben worden sind. Es heißt dort: Es ist ein Posten „Staatssekretär" vorhanden; der ist besetzt. Von sechs Posten für Ministerialdirektoren sind zwei besetzt, von sieben Dirigentenposten war am 1. Oktober einer besetzt, von vierzig Ministerialratsposten waren es am 1. Oktober nur vier.
    Auch von seiten meiner Freunde werden erhebliche Sorgen und Bedenken angemeldet, daß die Wirtschaftsabteilung noch nicht weiter gediehen ist. Wenn man nicht nur daran denkt, wie das Geld ausgegeben wird, sondern auch daran, wo es herkommt, dann wird man hier mit ganz besonderen Bedenken und Sorgen erfüllt.
    Ich möchte noch besonders auf die demoralisierende Wirkung hinweisen, die von dem langen Warten ausgeht. Es gibt Hunderte von Personen, mit denen das Auswärtige Amt in Verbindung steht, die für einen Eintritt in die Behörde vorgemerkt sind und die seit Jahr und Tag auf ihre Einberufung warten. Die Besten laufen einfach davon. Die Regierung sollte wohl alles tun, um hier Abhilfe zu schaffen. Wir haben vorhin gehört — und ich stimme dem zu —, daß der Haushalt nicht nur eine Ermächtigung darstellt, sondern auch einen Auftrag an die Regierung. Wir möchten gern die Gründe kennenlernen, aus denen es der Bundesregierung bisher nicht möglich war, diesen Auftrag, jedenfalls was die Besetzung der inländischen Posten anlangt, zu erfüllen. Ich darf deshalb dem Hohen Hause den Antrag vorlegen, den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten zu ersuchen, dem Bundestag bis zur dritten Lesung des Haushaltsgesetzes einen Bericht über die Ausführung des Haushaltsplans des Auswärtigen Amtes für 1950 vorzulegen. In diesem Bericht wäre auch insbesondere klarzumachen, wieviele der im Haushaltsplan 1950 bewilligten Stellen bis jetzt unbesetzt geblieben sind und welche Gründe hierfür maßgebend waren.
    Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein Wort zu einem schwierigen Kapitel sagen, nämlich zu dem der Gehälter. Das ist ja eine sehr beliebte Angelegenheit, und sie wird sehr viel erörtert. Der Kummer der Beamten ist in manchen Fällen sogar in die Presse gedrungen, was ungewöhnlich und abträglich ist. Ich darf zu Beginn die Schwierigkeit der Sache hervorheben, die ohne weiteres zuzugeben ist. Gehälter festzusetzen ohne genaue Unterlagen, ohne genaue Vergleichsmaßstäbe und bei unbekannten Teuerungsverhältnissen in verschiedenen Ländern, das erfordert naturgemäß einige Zeit. Ich möchte lobend die absolute Sauberkeit hervorheben, die in finanzieller Hinsicht im Auswärtigen Amt herrscht, womit eine gute Überlieferung aufrechterhalten worden ist, die auch der neuen Behörde nicht tief genug eingeprägt werden kann. Auf der anderen Seite verstummen nicht die Klagen über eine gewisse Engherzigkeit bei der Verausgabung der bewilligten Mittel. Zweifellos


    (Dr. Pfleiderer)

    hat die Abteilung, die hierfür zuständig ist, auch mit der Entwicklung nicht völlig Schritt gehalten. So sind für die Beamten im Ausland häufig unerträgliche Spannungen entstanden. Noch heute werden die Diplomaten, die bereits Beglaubigungsschreiben übergeben haben, als Konsuln besoldet. Ich möchte wünschen, daß hier bald Abhilfe geschaffen und daß die Frage der Nachzahlung der Unterschiedsbeträge positiv behandelt wird.

    (Sehr gut! rechts.)

    Nun ist es eine allgemein bekannte Tatsache, daß wir durch den Verlust der Ostprovinzen, durch den Zustrom der Heimatvertriebenen und durch die Unterbindung des Ost-West-Handels mehr denn je auf das Ausland angewiesen sind. Dies erfordert einen besonders leistungsfähigen auswärtigen Dienst. Ein solcher Dienst kostet eben Geld. Das haben andere Staaten schon sehr lange und besser begriffen. Dort werden die Bezüge der leitenden Beamten des auswärtigen Dienstes als das behandelt, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich als politische Ausgaben. Man denkt dort nicht daran, das Politische sozial anzusehen, sondern umgekehrt: Es wird dort das Soziale mit allem Ernst in die Kategorie des Politischen gehoben und entsprechend auf dieser Ebene behandelt. Man kann die Lebenshaltung der Deutschen so, wie sie heute ist, in einer Zeit internationaler Schwierigkeiten nicht aufrechterhalten und kann sie unter den jetzigen Umständen nicht verteidigen, wenn der auswärtige Dienst nicht voll leistungsfähig ist. Dazu muß er auch finanziell auf der Höhe seiner Aufgaben gehalten werden. Der frühere deutsche Gesandte in Bern, Adolf Müller, der der SPD angehörte, hat einmal in einem berühmt gewordenen Bericht zum Ausdruck gebracht: „Wir vertreten keine Konjunktur, sondern einen Staat". Die deutschen Diplomaten sind heute ja auch fast alle arm; viele von ihnen sind Flüchtlinge und sind ausgebombt. Soweit sie aus dem alten Dienst stammen, haben sie bei Beginn des Krieges ihre Habe im Ausland zurückgelassen und verloren. Längst sind die Zeiten von vor 1914 vorbei, in denen einmal ein Beamter von der Legationskasse gemahnt werden mußte, sein Gehalt abzuheben, weil er vergessen hatte, daß man Geld auch vom Staate zu bekommen hat.
    Der Stil der deutschen Diplomaten war im Ausland früher schon immer gemäßigt. Es war nicht in deutschen Botschaften, daß ich es erlebt habe, daß die Speisen auf goldenen Platten serviert wurden; es waren andere Botschaften, die berühmt waren für die Buffets, die sich unter Leckerbissen bogen. Ich glaube, hier hat der auswärtige Dienst, wenn er seiner Überlieferung treu bleibt, nicht viel umzulernen.
    Ich möchte hier auch nicht an die Bezüge der Diplomaten anderer, vergleichbarer Staaten erinnern und möchte nicht an den Luxus erinnern, der auf weniger wichtigen Gebieten in Deutschland getrieben wird; aber ich möchte glauben, daß man auf hundert D-Mark, die man an fremde Staaten für Besatzungskosten bezahlt, wohl eine D-Mark für unsere eigenen auswärtigen Angelegenheiten ausgeben könnte.
    Lassen Sie mich noch einige kurze Worte zur Personalpolitik sagen. Es ist zuzugeben, daß wir beim Aufbau dieses neuen Dienstes vor schwierigen Fragen stehen. Aber vor solche Schwierigkeiten sind andere Staaten auch gestellt worden. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß nach dein ersten Weltkrieg die baltischen Staaten und die österreichungarischen Nachfolgestaaten in kurzer Zeit unter den schwierigsten äußeren Verhältnissen einen Dienst aufbauen mußten. Ich möchte daran erinnern, daß in Italien praktisch das gesamte frühere Personal übernommen worden ist und niemand in jenem Lande daran gedacht hat, sich der Erfahrung dieser Beamten zu berauben.
    Die Beratungen im Unterausschuß des Auswärtigen Amts haben ergeben, daß vom alten Auswärtigen Amt nicht mehr allzu viele Beamte übrig sind. Sie sind natürlich diejenigen, die jetzt in erster Linie zur Verfügung stehen. Aber beim weiteren Ausbau werden nicht mehr viele vorhanden sein. Das mögen einige bedauern und andere begrüßen. Jedenfalls hat die Regierung die große Möglichkeit, den Dienst ohne allzu viel Beschwer durch die Vergangenheit neu aufzubauen.
    Es ist in letzter Zeit in den auswärtigen Dienst eine gewisse professorale Strähne gekommen.

    (Heiterkeit. — Zuruf von der Mitte: Sie haben recht!)

    Der Herr Staatssekretär stammt von der Universität, zwei große Völkerrechtsgelehrte sind mit laufenden Verhandlungen beauftragt, und ein weiterer Professor von einem anderen Ministerium ist eine Art Verkehrsgast im Auswärtigen Amt geworden.

    (Abg. Dr. Gerstenmaier: Das ist eine solide Grundlage!)

    Ich glaube, wir haben allen Anlaß, der deutschen Wissenschaft dankbar zu sein, daß sie hier in die Bresche gesprungen ist und dem auswärtigen Dienst so ausgezeichnete Kräfte zur Verfügung gestellt hat. Auch der Herr Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses fühlt sich ja bei den Beratungen mit dem Auswärtigen Amt durchaus im Kreise von Kollegen.
    .(Heiterkeit.)

    Aber ich möchte glauben, auch diese Gelehrten werden mir zugeben, daß auswärtige Politik nicht nur eine Wissenschaft ist. Sie ist auch eine Kunst, und das wichtigste Instrument ist eine Nase. Die braucht nicht schön zu sein, aber sie muß präzise sein und wittern, wie der Hase läuft.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Die hat er doch! — Heiterkeit.)

    Jeder, der von Verwaltung etwas versteht und der einmal einer Behörde vorgestanden hat, weiß, daß es nicht nur nötig ist, die Beamten richtig auszuwählen, sondern daß es auch nötig ist, sie von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde mit einer richtigen Leidenschaft und mit einem richtigen Geist zu erfüllen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich weiß nicht, ob nicht das Nachwuchshaus des
    Auswärtigen Amts etwas zu weit weg ist von
    dieser inspirierenden Wirkung unserer Behörde.
    In letzter Zeit ist nun in die Personalpolitik des Auswärtigen Amts eine große Unruhe gekommen, und zwar durch die bekannte, heute schon vielfach berührte Artikelserie der „Frankfurter Rundschau" und besonders auch durch die Art, wie unsere Regierung darauf reagiert hat. Es ist für mich nicht sehr angenehm, hierzu Stellung zu nehmen, da ja zu erwarten steht, daß ich persönlich angegriffen und für befangen erklärt werde. Aber schließlich hat ein Abgeordneter nur soviel Wert, als er Mut hat,

    (Bravo! bei der SPD und der CDU)



    (Dr. Pfleiderer)

    und zwar nicht nur gegenüber seiner eigenen Regierung, sondern auch sonst. Jedenfalls freue ich mich als ehemaliger Angehöriger des deutschen auswärtigen Dienstes, daß ich im Jahre 1948 in meinem eigenen heimatlichen Kreise zum Landrat gewählt und anderthalb Jahre später in dieses Hohe Haus entsandt wurde. — Die Artikel der „Frankfurter Rundschau" zeigen, daß dieses Blatt den Beamten eine große Bedeutung beimißt. Fast möchte man glauben, es würde dort alles Unheil, das man vom Staate glaubt befürchten zu müssen, von den Beamten befürchtet; und fast sieht es so aus, als wäre es weniger wichtig, wer die politische Macht ergreift und wer sie verliert und wer dazu verhilft, daß sie ergriffen und daß sie verloren wird. Es scheint dort weniger wichtig zu sein, wer politisch dafür verantwortlich ist, daß Kriege ausbrechen oder verloren gehen oder daß ein Friede verwirtschaftet wird. Das eigentlich Politische scheint dort nicht so sehr interessant zu sein, und man hat den Eindruck, als würde das Werkzeug über die Hand gestellt, die es politisch zu führen hat. Man sollte nun einmal die Lage und das Schicksal der Beamten betrachten und einmal die ganze Angelegenheit vom Standpunkt der Beamten aus ansehen, die in der Zeit von 1918 bis 1945 dreimal den Zusammenbruch des politischen Systems erlebten, auf das sie vereidigt waren; und sie waren bei Gott nicht schuld daran. Dann kam das Lager, dann kamen die Alliierten, und dann kam Bonn, auf das sie jetzt den vierten Eid abzulegen haben. Und wenn Bonn mißlingt — j a, was kommt dann? Wenn nach der „Frankfurter Rundschau" vielleicht die „Tägliche Rundschau" kommt — werden dann die Vorwürfe wieder den Beamten gemacht werden?

    (Abg. Dr. Gerstenmaier: Wir wollen der „Frankfurter Rundschau" nicht zu viel Ehre antun, lieber Freund!)

    Das Mißtrauen gegen das Auswärtige Amt ist kein Vorrecht und ist auch keine Erfindung der Zeitung. Diese Zeitung hat nur getan, was Hitler und die Gestapo auch getan haben. Kein Ministerium ist zur Zeit des Dritten Reiches so bespitzelt, so bezichtigt und so verdächtigt worden wie das Auswärtige Amt. Etwa die Hälfte der alten aktiven Beamtenschaft ist, wie das schöne Wort heißt, „abgeschossen" worden. Noch heute können Eingeweihte nicht ohne Erregung an jene abscheuliche Lage denken, als Gestapospitzel in den Botschaften und Gesandtschaften saßen und die Beamten überwachten und als die Herren Landesgruppenleiter sich in tausend Dienstgeschäfte zu mischen versuchten und als deren Personalberichte für die Laufbahn der deutschen Beamten entscheidend wurden. Und doch, wieviele Verfolgte des Naziregimes waren auch froh, im alten Auswärtigen Amt und in den auswärtigen Vertretungen Beamte des alten Stils zu finden, die im entscheidenden Augenblick schweigend halfen.

    (Abg. Dr. Gerstenmaier: Richtig!)

    Die Diplomaten waren im Dritten Reich verdächtig und wurden gehaßt, weil sie wesensmäßig anders waren, als ein echter Nazi war. Denn, meine Damen und Herren, Diplomatie und Saalschlacht schließen sich gegenseitig aus. Die Beamten des Auswärtigen Amtes haben früher die Kehrseite entdeckt als andere und sie haben die doppelte Buchführung geführt. Von dem, was zu Hause bejubelt wurde, konnten sie die Gegenwirkung im Ausland feststellen. Bei ihnen war das Mißtrauen am frühesten und der Widerstand wahrhaftig instinktiv.
    Ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, in diesem Hause und zu dieser abendlichen Stunde die Namen derer aus dem Auswärtigen Amt verlesen zu dürfen, die nach dem 20. Juli hingerichtet wurden. Ich erwähne den greisen Botschafter Grafen von der Schulenburg, dessen schweren Weg zum Galgen unsere Kollegen Gerstenmaier und Fürst Fugger von Glött Zelle an Zelle mit ihm verfolgten. Ich erwähne den Namen des Botschafters Herrn von Hassell, den Botschaftsrat Grafen Bernstorff. Ich erwähne den vortragenden Legationsrat Hans-Bernd von Haeften, den unerreichten Freund und den hochgemuten, unbeugsamen Christen, der noch in der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof sagte, er halte Adolf Hitler für die Inkarnation des Bösen in dieser Welt. Ich erwähne den Legationsrat Adam von Trott zu Solz, einen der begabtesten, seine Zeit am weitesten umspannenden Angehörigen des auswärtigen Dienstes, dessen Mitarbeit wir heute aufs schmerzlichste vermissen. Ich erwähne den Legationssekretär Herbert von Mumm, eine lodernde, steile Flamme des Hasses gegen alles, was böse und unmenschlich war, und mit ihm im Geiste verbunden den Gesandten Kiep, den vortragenden Legationsrat Kuenzer und den Legationsrat Eduard Brückemeier, einen Gefährten eindrucksvoller Jahre. Ich könnte die Liste all der Beamten fortsetzen, die nach Rußland verschleppt wurden und von denen wir heute noch kaum Kunde haben.
    Die heute in den Artikeln der „Frankfurter Rundschau" Genannten und Angegriffenen sind zum großen Teil die Überlebenden von damals. Weil die „Frankfurter Rundschau" diese Seite der Sache übersieht, betrachten wir ihre Artikel als ungerecht. Die Darstellung, die von der Zeitung gegeben wird, ist vielfach auch unrichtig. Sie ist auf den Nürnberger Vernehmungsprotokollen aufgebaut. Wir wissen, daß in der neueren Rechtsgeschichte keine Verfahren so umstritten sind wie die der Nürnberger Prozesse. Denn ein Recht, das unter der Voraussetzung steht, daß es nur gegen Deutsche gilt, ist für uns ein fragwürdiges Recht. Auch die Art der Verhöre ist bekannt. Es heißt, daß dort Drohungen und Einschüchterungen an der Tagesordnung gewesen seien. Der Kläger war dort in ganz anderer Weise Partei, als es im deutschen Strafprozeß der Staatsanwalt ist. Mir scheint es bedenklich, sich auf Nürnberger Protokolle zu berufen. Wenn es geschieht, müßte man alle Verhöre vor deutschen Instanzen nachprüfen. Ich glaube, diese Verhöre können keine Grundlage für die Beurteilung von Deutschen sein.
    Überall ertönt der Ruf nach Beendigung der Entnazifizierung. Dies ist auch der allgemeine Wunsch des deutschen Volkes. Im Auswärtigen Amt hat man sich nun den besonderen Aufgaben entsprechend nicht mit der üblichen Denazifizierung begnügt, sondern jeden Beamten nochmals besonders unter die Lupe genommen. Es erscheint uns ungerecht, nunmehr einer bestimmten Beamtengruppe gegenüber so zu tun, als ob die Denazifizierung nicht stattgefunden hätte und als ob man in derselben Sache unter Preisgabe aller Regeln des Rechts zweimal und dreimal urteilen wolle.
    Der Untersuchungsausschuß wird eingesetzt. Wir von der FDP haben den Wunsch, daß der Ausschuß klein sei, daß er rasch arbeite und ein endgültiges Urteil spreche. Es ist nötig, daß wieder eine Beruhigung eintritt. Denn den Beamten sind große Aufgaben gestellt, und sie sollen unangefochten


    (Dr. Pfleiderer)

    arbeiten können. Ich glaube, sie brauchen und verdienen unseren Schutz.
    Ich bitte, nunmehr mit der Begründung des Antrages beginnen zu dürfen, den die FDP auf Drucksache Nr. 2468 gestellt hat. In Einzelplan IV a Kap. E 12 Tit. 2 und 3 sind hohe Beträge, beinahe 4 Millionen DM, für die räumliche Unterbringung der Vertretungen des Bundes im Ausland und für die erstmalige Ausstattung der Vertretungen mit Einrichtungsgegenständen sowie Geschäfts- und Bürobedarf vorgesehen. Hier hat sich die Frage erhoben, was mit den deutschen Botschafts- und Gesandtschaftsgebäuden geworden ist, die im Laufe vieler Jahrzehnte und unter hohen Kosten erworben wurden und zum Teil noch aus einzelstaatlichem Besitz, aus der Zeit vor der Gründung des Deutschen Reiches, stammten. Im ganzen handelt es sich hier um einen Vermögenswert von 80 bis 100 Millionen DM. Die Frage ist auch bei der Erörterung der Anerkennung der Vorkriegsauslandsschulden aufgetaucht. Man wollte nicht von den Schulden sprechen, ohne nicht auch vom Vermögen zu sprechen. Die Sache wurde aber dann in diesem Zusammenhang nicht weiterbehandelt, da der Ausschuß der Ansicht war, daß weniger eine Geld- und Vermögensfrage in Rede stehe als eine Frage des Völkerrechts und der Politik. Seit Staaten, Stämme und Horden jemals miteinander in Verbindung traten, hat das Gesandtschaftsrecht als ein heiliges Recht und als ein Recht gegolten, das alle Wechselfälle von Krieg und Frieden überdauerte. Und wenn wir jetzt vor der Tatsache stehen, daß in Abkehr von diesem Recht alle unsere auswärtigen Gebäude enteignet sind, dann stehen wir, glaube ich, vor einer der bemerkenswertesten und ernstesten Tatsachen des Staatenverkehrs und des Völkerrechts überhaupt. Wenn irgendwo eine Flagge verletzt wird, oder nehmen wir an, es würde heute in Bonn in einer fremden Gesandtschaft eine Fensterscheibe eingeschlagen, dann müßte man um Entschuldigung bitten, Schadenersatz leisten, die Schuldigen bestrafen und Vorsorge gegen Wiederholung treffen. Hier aber handelt es sich nicht um eine Flaggenverletzung oder um eine eingeschlagene Fensterscheibe, sondern um eine Enteignung, um die völlige Wegnahme und in vielen Fällen um die Versteigerung und den Verkauf mit allem Drum und Dran, einschließlich der dienstlichen Ausstattungsgegenstände wie Panzerschränke und Schreibmaschinen, Möbel und Gemälde, Teppiche und Beleuchtungskörper, Kristall und Silber, Porzellan und Wäsche, ja einschließlich der persönlichsten Habe der ehemaligen Diplomaten und ihrer Frauen, einschließlich der Anzüge und der Familienbilder und was es sonst gewesen sein mochte.
    Meine Freunde und ich haben es für richtig gehalten, zunächst einmal die genauen Unterlagen darüber zu erbitten, um welche Gebäude es sich hierbei handelte und was in den einzelnen Staaten vorgefallen ist. Das ist zum Teil sehr verschieden. Wir wollen wissen, wie die Fachleute der Regierung die Rechtslage von Fall zu Fall ansehen. Es wird auch nötig sein, von Land zu Land die Gesetze festzustellen, die dort ergangen sind und die Enteignung ausgesprochen haben. Und wir wollen wissen, wie sich die Regierungen in den einzelnen Ländern — auch das ist sehr verschieden — zu der Frage der Rückgabe stellen und was die Bundesregierung getan hat. Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, werden wir politisch beschließen können, wie wir uns diesen Tatsachen gegenüber verhalten sollen. Ich möchte glauben, daß der richtige Zeitpunkt dafür sein wird, wenn hier der [Nachtragshaushalt Nr. 2 zur Beratung und Erörterung steht. Denn dann sollen ja die Mittel für die diplomatischen Posten bewilligt werden, und wir werden dann sehen und Beschluß fassen müssen über die Art unseres diplomatischen Verkehrs mit jenen Staaten, in denen die Frage der weggenommenen Dienstgebäude nicht geregelt worden ist.
    Meine Damen und Herren, der diplomatische Verkehr ist ja ein Verkehr besonderer Art. Er geht von Staatsoberhaupt zu Staatsoberhaupt. Vom Staatsoberhaupt wird das Beglaubigungsschreiben ausgestellt, von einem Staatsoberhaupt wird es entgegengenommen. Es steht also hier die Würde der Völker und der Staaten mit auf dem Spiele. Und nun frage ich: Wie soll man einen solchen diplomatischen Verkehr pflegen, wenn man sich über die einfachsten Verkehrssitten nicht einig ist, nämlich darüber, ob man die silbernen Löffel, die das Zeichen des Staates tragen, nimmt oder nicht nimmt? Wir werden beraten müssen, ob wir die Bewilligung für Botschafter und Gesandte nicht mit einem Sperrvermerk versehen sollen, bis diese Frage geregelt ist, und ob wir bis dahin nur Geschäftsträger entsenden sollen und nur Geschäftsträger bei uns empfangen wollen. Jedenfalls wäre es gut, wenn die Regierung diesem Sachverhalt inzwischen schon Rechnung trüge. Man spricht heute sehr viel von der Würde des Menschen, aber man soll dabei die Würde der Staaten und der Völker nicht außer acht lassen.

    (Sehr gut! bei der FDP. — Abg. Kunze: Die Redezeit ist doch abgelaufen! Schluß!)

    Man wird vielleicht einwenden, auch die Deutschen hätten das Gesandtschaftsrecht im Kriege verletzt, und man wird von der Sowjetbotschaft sprechen, die vom „Dritten Reich" in Anspruch genommen wurde. Nun, das ist ein heikles und weites Gebiet. Ich habe keine Veranlassung zu Maßnahmen des „Dritten Reiches" hier Stellung zu nehmen. Erwähnt sei nur, daß für diese Sowjetbotschaft Miete an den Treuhänder für feindliches Eigentum bezahlt wurde.
    Aber es ist ein deutsches Botschaftsgebäude mit der ganzen amtlichen und privaten Ausstattung in einem befreundeten und damals fast sogar verbündeten Staate weggenommen, versteigert und, ich glaube, sogar abgebrochen worden in einem Staate, dessen Regierungschef unter Einsatz von deutschem Gut und Blut einen Bürgerkrieg gewonnen hat und so zur Macht gelangt ist. In einem anderen neutralen Staate, mit dessen Volk sich das deutsche Volk durch die tiefste und rückhaltloseste Zuneigung verbunden fühlte, die unter Völkern überhaupt möglich ist, ist das deutsche Eigentum auch in besonders harter Weise liquidiert und das Gebäude der Gesandtschaft eigenmächtig hinter unserm Rücken verkauft worden. Meine Damen und Herren, was soll man in solchen Fällen noch sagen?

    (Abg. Kunze: Nichts!)

    Ich glaube, man findet keine Worte des Vorwurfs mehr; man kann nur noch Trauer und Enttäuschung empfinden.
    Besonders schmerzlich ist die Lage in Rom. Wir haben in einem Menschenalter dort drei geschichtlich wertvolle Botschaftspaläste verloren, den Palazzo Caffarelli, den Palazzo Wolkonski und die Villa Bonaparte. Für den Palazzo Caffarelli, der nach dem ersten Kriege enteignet worden ist, weil er auf dem Kapitol lag und das Kapitol als italie-


    (Dr. Pfleiderer)

    nisches Heiligtum nicht von Deutschen besiedelt sein sollte, haben wir einen Ersatz bekommen, den Palazzo Vidoni, der später verkauft wurde, und Mussolini hat von sich aus noch eine Zahlung, wie es heißt, angeboten, weil er der Ansicht war, daß es doch ein sehr tiefer Eingriff in die deutschen Rechte war. Ich weiß nicht, ob, besonders auch bei der Villa Bonaparte, die Mächte eingegriffen haben. Ich möchte hier weder die derzeitige italienische Regierung noch den Heiligen Stuhl erwähnen. Wohl aber ist die Tatsache verbürgt, daß heute der Vertreter einer fremden Macht in der Villa Bonaparte wohnt, und ich glaube, es ist der Vertreter derselben Macht, die in ihrer Hauptstadt als Beitrag zur deutschen Umerziehung die deutsche Kirche enteignete, so daß die Deutschen dort nur noch in fremden Tempeln, gewissermaßen zur Miete, beten können.
    Meine Damen und Herren, diese Enteignungen werden zum Teil mit den Reparationen in Zusammenhang gebracht. Aber wir anerkennen keine Erledigung der Reparationsfrage ohne einen Friedensschluß. Und wenn wir an unsere zerstörten Städte denken, an Würzburg und an Köln, an Hamburg und an Stuttgart, dann möchten wir fragen, ob das nicht genügend Reparationen sind, ob man darüber hinaus auch noch Häuser enteignen soll. Als nach dem ersten Weltkrieg die Reparations-frage das ganze Gefüge ins Wanken brachte, wurden die Gesandschafts- und Botschaftsgebäude nicht weggenommen. Auch im japanischen Friedensvertrag wurden, obwohl Reparationen verlangt werden, doch die amtlichen und privaten diplomatischen und konsularischen Eigentumsgegenstände ausdrücklich zurückgegeben.
    Meine Damen und Herren, es gibt in Deutschland einen Hohen Kommissar, und wenn ich von ihm spreche, dann tue ich das mit all der Achtung, die einem hohen Vertreter einer fremden Macht in unserem Lande gebührt. Dieser Hohe Kommissar verfügt über die glänzendsten Eigenschaften seiner Rasse in der glänzendsten Weise.

    (Lachen und Zurufe: Welche Rasse? Was ist das für eine Rasse? — Abg. Renner: Das ist ein Kapitalist! Das ist die besondere Rasse!)

    Er besitzt die vollkommenste Kenntnis der deutschen Sprache und handhabt sie wie ein Künstler.

    (Abg. Rische: Millionäre!)

    Dieser Hohe Kommissar hat, wenn ich recht unterrichtet bin, uns empfohlen, wir sollten nicht nur fordern und verlangen, wir sollten auch einmal bitten, auch einmal empfehlen und einmal anheimstellen. Was aber sollen wir in diesem Falle tun? Nun, wir wollen nicht fordern und wollen nicht verlangen. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte die Alliierten beschwören,

    (Lachen und Zurufe von der KPD)

    hier von Unrecht zu lassen. Wir wollen ihnen zur Kenntnis bringen, daß wir diese Angelegenheit als einen Maßstab betrachten, an dem wir ablesen, wie hoch wir als Volk und Staat gewertet und geachtet werden.

    (Abg. Euler: Rische, Sie müssen mal Ihre Zwischenrufe verstärken!)

    Wir wollen hoffen, daß wir auch in den fremden Parlamenten hierbei Unterstützung finden und daß es nicht die Deutschen allein sind, die hierauf aufmerksam machen müssen.

    (Abg. Rische: Souverän nennt sich das!)

    Die Staaten haben sich durch Abkommen zu gemeinsamem Handeln verbunden. Es wäre schade, wenn hier aus einem falsch verstandenen Prestige heraus eine Solidarität entstünde, die unseren diplomatischen und politischen Verkehr mit vielen Staaten auf lange hinaus belasten müßte. Wir wollen ja weg vom Krieg, und wir wollen weg von der Entwürdigung und wollen zu einer Solidarität der Staaten gelangen, die sich wechselseitig mit Achtung behandeln.
    Der Erweiterung des von der SPD eingebrachten Antrages stimmen wir zu, und ich möchte das Hohe Haus bitten, unsern Antrag, die Regierung um die Vorlage des erforderlichen Materials zu ersuchen, anzunehmen, ohne ihn erst dem Ausschuß zu überweisen.

    (Beifall.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit Sie von vornherein klar sehen, was unsere Kritik an dem Verhalten der Bundesregierung zu bedeuten hat, will ich vorausschicken, daß wir hinsichtlich der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und hinsichtlich der Frage der Zurückerlangung unserer Souveränität der Bundesregierung unsere volle Unterstützung verleihen und mit ihrem Verhalten einverstanden sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Bundesregierung in dieser Hinsicht aus voller Überzeugung nach besten Kräften tut, was ihr möglich erscheint. Wir halten es aber auch für durchaus angebracht und richtig, daß sie gegenüber den Verlockungen und den Sirenenklängen aus dem Osten die gebotene Vorsicht obwalten läßt, woraus ihr kein Vorwurf zu machen ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn vorhin von meiner Fraktion und auch von mir Worte der Kritik an der Methode und an dem Verhalten der Bundesregierung laut geworden sind, so hat das mit diesen Fragen nichts zu tun. Wir behalten uns auch vor, in anderen außenpolitischen Fragen von Fall zu Fall Abstand zu nehmen von dem, was die Regierung tut und wie sie es tut. Aber in den zur Zeit im Vordergrund stehenden Fragen der Wiedererlangung unserer Souveränität und der Wiedervereinigung unseres in Besatzungszonen getrennten Volkes wissen wir uns mit ihrem Bestreben völlig verbunden.
    Das Organ, dessen sich unsere Außenpolitik bedient, das Auswärtige Amt, befindet sich im Aufbau. Die Schwierigkeiten, die gerade der Aufbau
    einer solchen Behörde bereitet, und die Verantwortung, die sie mit sich bringt, sollten eigentlich
    eine volle Kraft erfordern. Deswegen bedauern wir
    es, daß sich der Herr Bundeskanzler noch immer.
    nicht hat dazu entschließen können, entweder einen.
    Außenminister zu ernennen oder aber, wenn ihm
    dieser Beruf so lieb geworden ist und er es im
    Augenblick für das Wichtigere hält, den Posten
    des Außenministers selber zu übernehmen, den
    Posten des Bundeskanzlers niederzulegen; dann
    müßten wir einen neuen Bundeskanzler wählen.

    (Zurufe von der Mitte. — Abg. Kunze: Da lachen Sie ja selbst!)

    Jedenfalls bedarf es dringend einer Trennung dieser beiden Ämter. Das zeigt sich vor allen Dingen dann, wenn man einmal die Organisation und die Funktionsweise des Auswärtigen Amts in Betracht zieht.


    (Dr. Reismann)

    Die Schwierigkeiten des Neuaufbaus sind schlecht und recht bewältigt worden, mehr schlecht als recht, von Leuten, die dazu weder politisch die Verantwortung noch auch den Beruf mitbrachten. Da ist zunächst einmal die schleppende Erledigung der Besetzung ausländischer Missionen zu erwähnen. Der Herr Bundeskanzler hat eben darauf hingewiesen, daß inzwischen 27 Generalkonsulate errichtet und nur noch 4 frei seien. Aber wann ist das denn geschehen? Es liegt jetzt noch ein Verzeichnis von ungefähr 40 Missionschefs zur Genehmigung vor. Offenbar sind das Vertreter diplomatischer Missionen und nicht von Generalkonsulaten. Wie lange liegt das schon zur Beratung vor, und wie lange haben die Generalkonsuln zur Bestätigung oder Ernennung angestanden! Darüber hat er geschwiegen. Aber in der Zeit, in der man darauf wartete, wo diese Vorschläge einer Bestätigung oder Ablehnung oder Änderung harrten, sind sehr große Werte verlorengegangen, Werte, die wir hätten retten können. In dieser Zeit haben unsere Kaufleute und unsere Freunde im Ausland des Rates und der Hilfe entbehrt, die unsere Generalkonsulate, Gesandtschaften und Botschaften hätten geben können und geben sollen.
    Die Missionen, die wir draußen aber nun inzwischen haben, sind keineswegs so gestellt, wie das zu einem Funktionieren erforderlich ist. Die Verhältnisse aller dieser ausländischen Missionen müssen noch einmal eingehend überprüft werden. Bei Stichproben, die ich selber zu machen Gelegenheit hatte, habe ich feststellen müssen, daß zunächst die finanzielle Versorgung keineswegs überall ausreichend ist. Man hat von der zu geringen Besoldung der unteren Stellen gesprochen. Das trifft aber nicht allein zu. Wir haben im Inland — es scheint auch in der Verwaltung des Auswärtigen Amtes so zu sein — nicht immer die rechte Vorstellung von den Teuerungs- und Lebensverhältnissen, die im Ausland bestehen, wenn man z. B. hört, daß das Gehalt eines Beamten, umgerechnet in D-Mark, 2000 DM beträgt. Wenn er 600 DM für eine Vier- oder Fünfzimmer-Wohnung ausgeben muß, zeigt das allein das Mißverhältnis; denn die hohen Preise beschränken sich j a nicht auf die Wohnungsmieten, sondern erstrecken sich auch auf etwas anderes. Wenn man hört, daß ein Generalkonsulat in einem Staat mit über 20 Millionen Einwohnern zur Zeit noch keine Kraftwagen zur Verfügung hat und lediglich Taxis benutzen muß, dann muß man sagen, daß das auch nicht in Ordnung ist. So tritt man, selbst wenn man ein Land vertritt, das arm ist und sparen muß, doch nicht auf, wenn man Wert auf Repräsentation und Arbeitsfähigkeit legt.
    Es spielt auch noch etwas anderes eine Rolle, nämlich die Verleihung passender Dienstbezeichnungen. Als Angehöriger eines freien Berufes und Muß-Preuße glaube ich gegen den Verdacht einigermaßen sicher zu sein, daß ich auf Orden und Ehrenzeichen sowie Titel und Dienstbezeichnungen persönlichen Wert lege. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Ausland, im Verkehr mit anderen ausländischen Missionen bereitet es Schwierigkeiten, unsere Leute einzureihen, und bereitet es Schwierigkeiten, offiziell mit ihnen zu verkehren, wenn sie nicht von uns aus in einen diplomatischen Rang eingereiht sind; und wenn nun Herr X oder Herr Y dort Dienst tut, so soll man ihm diese Schwierigkeiten nicht bereiten, sondern dafür sorgen, daß er auf gleichem Fuß mit den Kollegen anderer Missionen verkehren kann.
    Es fällt auf, daß unter diesen Erscheinungen in erster Linie die Neulinge dort zu leiden haben, die Outsider also, diejenigen, die früher nicht im Amt waren. Dabei fällt mir in der Statistik, die der Herr Bundeskanzler eben nannte, auf, daß die Addition nicht stimmte. — Herr Euler, Sie lächeln mich so freundlich an; Sie haben es wohl auch gemerkt. — Wenn es 303 Angehörige des höheren Dienstes gibt, dann verstehe ich nicht, wieso 130 schon früher im Auswärtigen Amt und 245 neu waren; denn beides zusammen macht 375 gegen 303 höhere Beamte, die es überhaupt nur geben soll. Wo steckt da der Fehler? Jedenfalls: die Neulinge darunter leiden unter diesem Mangel am meisten, und die Neulinge haben auch darunter zu leiden, daß sie keine Umzugsentschädigung bekommen. Sie haben unter manchen Beschwernissen sonst zu leiden, und es erhebt sich die Frage, ob das nicht eine behördenmäßig bewußte Benachteiligung derjenigen ist, die keiner Crew angehört haben, die deshalb als Eindringlinge noch so ein bißchen über die Schulter angesehen werden. Wenn wir Wert darauf legen, erstklassige Kräfte als Außenseiter in den auswärtigen Dienst zu bekommen, dann meine Damen und Herren, müssen wir sie so stellen und so behandeln, daß dieser Dienst auch attraktiv ist. Daran fehlt es schon beim Nachwuchs: bei der Besoldung und bei der Behandlung. Die Behandlung wird deswegen wenig geschätzt, weil man in weitesten Kreisen von der Objektivität dieser Behandlung nicht überzeugt ist.
    Die Statistik kann nur Hilfsdienste dabei leisten. Es kann nicht darauf ankommen, eine statistische Gleichmäßigkeit zwischen den verschiedenen Gruppen herzustellen. Aber wenn statistisch hartnäckig auf längere Zeit hin Mißverhältnisse zutage treten, dann stimmt etwas nicht. Daß hier etwas nicht stimmt, ergibt sich nicht bloß aus der Statistik und nicht bloß aus der, die der Herr Bundeskanzler eben nannte, als er die Konfessionsstatistik erwähnte, die meiner Beanstandung recht gegeben hat und an der sich noch nichts geändert hat, die aber widerlegt, was Herr Kollege Luetkens sagt, der das umgekehrte darstellen wollte. Die Statistik müßte man richtig auswerten, wenn man für das Verhältnis der früheren und der heutigen Angehörigen das Verhältnis bestimmter Freundeskreise, sei das nun der Ostasienkreis, seien es die SCer oder sei es die Gruppe von Weizsäcker — das spielt dabei keine Rolle —, in Betracht zieht.
    Sie wissen, daß man mit Statistiken nahezu alles beweisen kann, wenn man geschickt genug ist, sie zusammenzustellen und auszuwerten. Wenn beispielsweise Herr Luetkens eine Statistik von acht Leuten nahm, so ergab sich dabei ja ein völlig unrichtiges Bild. Das gleiche ist aber auch der Fall, wenn man sagt, frühere Leute habe man 130 und neue 245. Wo sitzen denn die 245 neuen Leute? Die 245 neuen Leute sind Nachwuchskräfte, Leute ohne jeden Einfluß, Außenseiter, die weder Titel haben noch Trennungsentschädigung bekommen und die so unter „ferner liefen" mitarbeiten dürfen, während die maßgeblichen Schlüssel- und Schaltpositionen in Händen der Leute sind, die nicht dahin gehören. Das ist es nämlich, und daran hat sich auch nichts geändert. Es hat sich vor allen Dingen nichts daran geändert, daß die Schalt- und Schlüsselpositionen in den Händen bestimmter Freundeskreise liegen, die sich die Bälle zuwerfen, die man als Lobe-Klub bezeichnet hat, über die sich die Presse des In- und Auslandes schon lustig gemacht hat und die, wie ich früher hier schon darlegen durfte, ohne Rück-


    (Dr. Reismann)

    sieht auf die Fähigkeiten, mit Rücksicht lediglich auf die gegenseitige Entnazifizierungsbescheinigung oder was immer, jedenfalls mit Rücksicht auf persönliche Beziehungen und nicht mit Rücksicht auf sachliche Qualitäten arbeiten. Es hat sich nicht niederhalten lassen, was sich in dieser Hinsicht bei der Begründung des Auswärtigen Amtes getan hatte, und zwar deswegen nicht, weil gerade der Bundeskanzler auf dieses Amt nicht die nötige Energie und Beobachtung gelegt hat. Wäre ein Außenminister dagewesen und wäre der Staatssekretär in seiner Kraft frei gewesen, die persönlichen Verhältnisse seines Amtes zu beobachten, wäre er nicht durch Reisen und außenpolitische Tätigkeit abgelenkt worden, die an sich Sache des Ministers gewesen wären, so hätte er das sicherlich wahrgenommen und hätte er diese Auswüchse vermieden.
    Wenn man von den Nationalsozialisten von früher spricht, so spielt dabei die Zahl gar keine Rolle. Wir sind alle miteinander über das Stadium der Hexenverfolgung längst hinaus. Da gibt es keinen mehr, der jeden, der zu irgendeiner Zeit in die Partei eingetreten war, nun für einen Nazi hält. Aber man kann keineswegs für gering erachten, wenn Leute, die zugleich die rechte und linke Hand maßgeblicher Nationalsozialisten waren, heute, nachdem sie damals Rang und Ehrenzeichen wie beispielsweise eines Standartenführers annahmen, wieder einen Rang haben, eine Rolle spielen und Leiter einer politischen Abteilung des Auswärtigen Amts sein wollen. Ich will hier gar nicht auf Einzelheiten und Kleinigkeiten eingehen, zumal meine Fraktion auch den Antrag gestellt hat, einen Untersuchungsausschuß zur Prüfung dieser Verhältnisse einzusetzen. Der Unterausschuß, den Herr Kollege Luetkens eben zitiert hat, hatte nicht den Zweck, den der Untersuchungsausschuß haben soll. Er war in der Tat zwar in ungefährem zeitlichen Zusammenhang, aber nicht nach meiner Kritik, jedenfalls nicht nach der Kritik, die ich in der Etatsdebatte geübt hatte und in der ich zum erstenmal Näheres dargestellt habe, sondern allenfalls nach meiner schriftlichen Kritik in der Presse eingesetzt worden. Er hatte weder zu entscheiden noch zu prüfen, sondern er hatte Material zu sammeln. Insofern gebe ich Herrn Kollegen Luetkens recht. Aber wenn er sagte, daß er allein damals neben mir beanstandet habe, so muß ich darauf erwidern, daß ich zu meinem Bedauern damals allein gestanden habe und daß ich von dieser Unterstützung des Herrn Kollegen Luetkens damals nichts gemerkt habe. Infolge der Aufgabenstellung dieses Unterausschusses konnte es zu einer Prüfung der Verhältnisse, die jetzt überprüft werden müssen, nicht kommen.
    Nach meiner Kenntnis des Materials haben die Verlautbarungen, die in der „Frankfurter Rundschau" vor nicht langer Zeit erschienen sind — von denen, wie ich gehört habe, mir einige in die Schuhe geschoben wurden; ich habe aber nichts damit zu tun; den eben als nom de guerre bezeichneten Verfasser dieser Aufzeichnungen gibt es, und er lebt unter diesem Namen; ich habe ihn erst heute in diesem Hause gesehen, ich habe ihn bis heute nicht gekannt, so daß man nicht etwa die Identität der Quellen annehmen kann —, mit vielen, mit den meisten Beanstandungen ins Schwarze getroffen. Deswegen bedarf es einer Überprüfung. Es ist eine andere Frage, wieweit der eine oder andere Teil des Hauses Wert auf seine Feststellungen legt, ob es sie positiv wertet — vielleicht — oder ob es sie vielleicht sogar negativ wertet. Aber die Verlautbarungen, die er gebracht hat, treffen im großen und ganzen zu. Wenn Herr Kollege Pfleiderer soeben meinte, erwähnen zu müssen, daß sie sich auf Nürnberger Protokolle bezögen, so kann man das allenfalls gelten lassen, wenn er — das bedürfte allerdings der Spezifizierung — sagen würde, dieses oder jenes Protokoll sei unter Druck zustande gekommen — ich weiß es nicht, er hat es nicht von einem bestimmten Protokoll gesagt —,

    (Abg. Dr. Horlacher: Ihr seid doch große Geister!)

    das sei nachzuprüfen; aber der Umstand allein, daß das gleiche Verfahren nicht auch gegen andere Diplomaten in Gang gebracht ist, beweist gar nichts.

    (Abg. Dr. Horlacher: Meinen Sie, es interessiert jemanden?)

    — Es scheint Sie doch soweit zu interessieren, daß Sie sich bemühen, mich zu stören, Herr Kollege.
    Aber wir wollen einmal von dem höheren Dienst absehen. Sehen wir uns ruhig einmal an, wie der auswärtige Dienst gerade die behandelt hat, die in der nationalsozialistischen Zeit besonders hervorgeragt haben. Da ist z. B. von einem Mann, der in Tirana der dortige Ortsgruppenleiter
    — im Ausland nannte man das Stützpunktleiter; da war das anders — war, bekannt, daß er in der Nazizeit vom mittleren Dienst zum Regierungsrat befördert wurde und daß ihm diese Beförderung jetzt bestätigt worden ist; er ist es jetzt wieder geworden. Als ob wir keine anderen Leute hätten! Und der Parteirichter aus Japan, der den zeilenfüllenden Titel „Landesgruppenrechtsamtsleiter" gehabt hat, ist jetzt nach den Verlautbarungen der „Frankfurter Rundschau" sogar noch zum vortragenden Legationsrat, also Ministerialrat, befördert worden.

    (Abg. Kunze: Furchtbar!)

    — Nein, ich halte es nicht für furchtbar. Aber wenn solche Dinge laufen, dann sollte man allerdings erst das Ende der Prüfung dieser Verhältnisse abwarten. Wenn es sich dann als zutreffend erweist, was behauptet wird, dann wäre zu überlegen, ob eine solche Beförderung richtig ist. Sollten die Angaben sich als widerlegt erweisen, dann könnte sie immer noch erfolgen. Weshalb diese Hast und diese Eile?
    Es fällt mir bei den Verlautbarungen der Regierung zu diesen Angriffen auf das Auswärtige Amt, die nicht die ersten sind, und, wenn sie nicht widerlegt werden, auch nicht die letzten sein werden, auf, daß man sich da auf einen Weg begeben hat, der so aussieht, als sollte er eine Tätigkeit nur vortäuschen. Daß eine Prüfung vorgenommen werden muß, sieht offenbar auch der Herr Außenminister ein. Aber was für eine Prüfung? Es ist da ein dienststrafrechtliches Ermittlungsverfahren angekündigt worden. Damit ist das Thema der Arbeiten des Juristen, der damit beauftragt worden ist, umrissen, so daß gerade der politische Kerngehalt dieser Vorwürfe überhaupt nicht zur Prüfung gelangen kann. Wenn das die Absicht und der Zweck dieser Formulierung der Untersuchung ist, dann bedeutet das doch, daß sich die jetzige Leitung des Auswärtigen Amts schützend vor den Mann stellt, der vor ihr dieses Amt aufgezogen hat, und zwar durchaus im Sinne der Renazifizierung aufgezogen hat, indem er gerade die früher maßgeblichen Leute in den mittleren wie auch in den maßgeblichen, leitenden Stellungen, sogar die


    (Dr. Reismann)

    Beamten aus der Personalabteilung Ribbentrop wieder in die Personalabteilung hineingebracht hat. Diese Leute werden jetzt gedeckt.
    Ich hatte Anfang August anläßlich des Wandels in der Besetzung dieses Amtes geglaubt, nun werde dort ein neuer Wind wehen, jetzt werde dort ein neues Regiment mit dem aufräumen, was da bisher geschehen war. So sah es zunächst aus. Aber jetzt hat mich diese Erklärung zweifeln gemacht, ob es ernst damit ist oder ob nicht vielleicht die ersten publizistischen Verlautbarungen, die im „Berner Bund" und in einer südwestdeutschen Zeitung erschienen, als Schüsse vor den Bug diesen Herren die Tätigkeit genommen haben, die damals das Beste zu wollen versprachen. Damals nämlich, als kaum der neue Leiter der Personalabteilung das Amt betreten hatte, hieß es dort: Hoffentlich werde er die unabhängige — d. h. vom Bundestag unabhängige; das war wohl gemeint - Personalpolitik, diejenige, die nur auf seine persönlichen Beziehungen Rücksicht nahm, fortführen. Dieser Artikel, der in einer etwas abgewandelten Fassung auch in einer deutschen Zeitung erschien, war ganz offensichtlich bestellte Arbeit. Wie es mehrfach dem Kenner der Verhältnisse evident wurde, daß der inzwischen zurückgetretene oder zurückgetreten wordene Vorgänger des jetzigen Leiters es meisterhaft verstand, die Presse unter Umständen gegen sich selbst, auch gegen den Außenminister und gegen das Amt und für das Amt spielen zu lassen, so wie es ihm in den Kram paßte. Der Stil verriet immer wieder deutlich die Herkunft und der Inhalt dazu. Daß diese Verhältnisse durch einen Untersuchungsausschuß aufgehellt werden müssen, namentlich nachdem nunmehr Material — soviel ich weiß, noch nicht erschöpfend, aber immerhin in doch großem Umfang — in der Öffentlichkeit genannt ist, daß man endlich feststellen muß, was daran wahr ist, dürfte wohl jedermann klar sein.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Es ist an sich zu bedauern, daß die Regierung nicht die Inititative ergriffen hat. Denn der Versuch, da so ein „Tüchsken vors Auge" zu hängen, also durch so eine Untersuchung, die vorm Wesentlichen halt macht, die Öffentlichkeit über die Mißstände hinwegzutäuschen, der hat doch wenig Aussicht auf Erfolg.

    (Lachen in der Mitte.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nun das drittemal, daß der Bundestag mit der Frage .des Auswärtigen Amts befaßt wird. Das ist bei keiner anderen Behörde bislang der Fall gewesen, weil dort nicht bloß überall ein Minister sich selber verantwortlich fühlte, sondern sich auch die Zeit nahm, sich persönlich darum zu kümmern. Es ist allerdings auch bei keiner anderen Behörde der Fall, daß so wenig Kollegialität unter den einzelnen Mitgliedern dieses Amtes herrscht. Mir ist kürzlich ein fast unvergleichliches Beispiel zu Ohren gekommen, wie dort der eine Beamte den anderen abzuschießen trachtet, gerade dann abzuschießen trachtet, wenn er selbst durch seine Personalpolitik aufgefallen ist, wie man dann gerade dem, mit dem man bislang gut Freund gewesen ist, in der Presse des In- und Auslandes Schwierigkeiten zu machen versucht und wie man sich nicht scheut, die früheren Freunde dann deswegen anzugreifen, weil sie versuchen, da Recht zu machen und Ordnung zu schaffen, wo der Vorgänger versagt hat. Deswegen scheint es uns notwendig zu sein, die ganzen Verhältnisse dieses Amtes durch unvoreingenommene Prüfer gründlich aufzuklären; nicht durch solche, die mehr willens 1 sind, aus Gründen der Kollegialität oder aus Gründen des Korpsgefühls die Angegriffenen zu schützen und abzudecken, sondern durch solche, die nun willens sind, endgültig aufzuräumen.

    (Beifall beim Zentrum.)