Rede von
Dr.
Karl Georg
Pfleiderer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist im Inland und im Ausland schon häufig bemerkt worden, daß in Deutschland ein merkwürdiges Mißverhältnis bestehe, ein Mißverhältnis zwischen der Tüchtigkeit und dem Geschick und dem Erfolg, den die Deutschen in ihren häuslichen und kleinen Angelegenheiten, in der Verwaltung ihrer Gemeinden und ihrer Kreise und in ihren wirtschaftlichen Angelegenheiten hätten, und der merkwürdigen Glücklosigkeit und Zerspaltenheit, die bei ihren großen Aufgaben zutage trete. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, dieser Glücklosigkeit und Zerspaltenheit unseres Volkes zu Leibe zu gehen und dieses Mißverhältnis zu brechen.
Es geschieht deshalb in einem Gefühl der Verantwortung und des Ernstes und auch der Sorge, in dem ich mich heute meiner Aufgabe hier entledige. Trotzdem möchte ich meine Ausführungen über den Haushalt des Auswärtigen Amts mit einem Wort der Anerkennung beginnen, der Anerkennung für vieles, was in der letzten Zeit geleistet worden ist, mit einem Wort auch der Anerkennung besonders für jenen kleinen Kreis von Beamten, auf denen die Hauptlast der Arbeit gelegen hat. Und wenn es nicht unbescheiden wäre, dann möchte ich darum bitten, dieses Wort der Anerkennung auch dem Chef der Regierung aussprechen zu dürfen, von dem man jedenfalls das eine sagen kann, daß er sich im Dienste für diesen Staat verzehrt.
Aber, meine Damen und Herren, wir sind als Abgeordnete des deutschen Volkes verpflichtet, das Gute als selbstverständlich hinzunehmen, und wir sind verpflichtet, bei Mißständen auf Abstellung zu drängen. Wenn es auch der Haushalt des Auswärtigen Amts ist, den wir zu behandeln haben, dann sind wir dadurch nicht gezwungen, diplomatische Liebenswürdigkeiten auszutauschen oder Schmeicheleien zu sagen. Ich möchte nicht zu Fragen der großen Politik Stellung nehmen — das ist bereits geschehen —, sondern ich möchte mich auf das Technische des Auswärtigen Dienstes beschränken. Wenn ich hier Sorgen vorzubringen habe, dann sind es Sorgen, die zum Teil auf dem Parteitag der FDP schon vorgebracht worden sind; dann sind es Sorgen, die nicht fraktionell gebunden sind, sondern die sich aus der Stellung des Parlaments im ganzen und aus der Beschäftigung mit der Materie von Stunde zu Stunde ergeben,
Meine erste und größte Sorge ist die — und das ist heute in der Aussprache über den Haushalt des Bundeskanzleramtes gelegentlich schon hervorgetreten —, daß das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament bei uns in vielem unbefriedigend ist. Das deutsche Volk ist in den letzten beiden Jahren — abgesehen von der letzten Zeit — kaum in der Lage gewesen, sein außenpolitisches Schicksal und damit sein Schicksal schlechthin an den Erklärungen der Regierung und an den Aussprachen dieses Hohen Hauses zu verfolgen. So etwas ist schädlich für das Staatswesen im ganzen. Es besteht die Gefahr, daß die politischen Gedanken und Erwartungen des Volkes an Bonn und dem Bundestag vorbeigehen; denn das Parlament ist meiner Ansicht nach das Herzstück der Demokratie, und jeder Schaden, den das Parlament erleidet, überträgt sich auf den Staat und auf seine Verfassung..
Die Regierung steht heute parlamentarisch vor einer ganz neuen Lage. Sie hat in den letzten beiden Jahren ihre Geschäfte mit der Hohen Kommission verhandelt, ohne der Zustimmung des Hauses im einzelnen zu bedürfen. Nun aber ist der Augenblick gekommen, da Abkommen zur Erörterung stehen und Verhandlungen geführt werden, die alle eines Tages der Ratifikation durch den Bundestag bedürfen. Das ist der Fall bei der Schuldenanerkennung, das wird der Fall sein beim Schumanplan, beim Plevenplan, bei der Revision des Besatzungsstatuts und bei allem, was damit zusammenhängt.
Es ist sicher, daß sich die auswärtigen Angelegenheiten nicht immer zu einer öffentlichen Erörterung eignen, aber sie eignen sich doch sehr viel mehr dazu, als man denkt. Man muß eben hierfür einen bestimmten Stil entwickeln und die Grundregel beachten, daß es erforderlich ist, das Politische, die Konzeption, von dem Diplomatischen, d. h. von der Durchsetzung in den Verhandlungen, zu trennen.
Ich möchte keine Eifersucht auf die Presse und auf den Rundfunk zum Ausdruck bringen, aber es war doch häufig so, daß manches über Presse und Rundfunk gesagt worden ist, -was vielleicht zuerst in diesem Hause hätte erklärt werden sollen. Ich möchte auch keine Eifersucht auf die Hohen Kommissare zum Ausdruck bringen, die den Herrn Bundeskanzler sehr viel häufiger sehen, als wir es tun dürfen. Das Bild hat ja etwas Eindrucksvolles, sich den Herrn Bundeskanzler vorzustellen, begleitet von seinen Schildknappen, auf der Fahrt von Schloß zu Schloß, wo er für die Einigung Deutschlands streitet und wo man sich häufig nur bemüht, ihm den Weg von der unbedingten Kapitulation zur bedingten Kapitulation zu zeigen.
Das Verhältnis der Regierung zum Auswärtigen Ausschuß ist ebenfalls noch immer problematisch. Das mag mit gewissen strukturellen Bedingtheiten des Ausschusses zusammenhängen. Auf der einen Seite erwartet man dort die Geheimhaltung, da ja häufig auch über Verhandlungen berichtet wird; auf der anderen Seite ist der Kreis der Zuhörer ungewöhnlich groß, da ja auch die Stellvertreter um der Stetigkeit willen immer an den Beratungen teilnehmen. Man hat nun versucht, Abhilfe durch die Einsetzung kleinerer Unterausschüsse zu schaffen. Es ist zu früh, als daß man über den Erfolg Endgültiges sagen könnte; aber das eine ist zu bemerken, daß von seiten der Regierung und auch von seiten des Bundesrats immer ungewöhnlich viele Zuhörer in den Auswärtigen Ausschuß entsandt werden. Ich habe neulich bei Beratungen deren 26 auf einmal gezählt. Wenn die Regierung das Recht hat, Beauftragte in den Ausschuß zu entsenden, dann möchte ich ihr empfehlen, von diesem Recht einen beschränkten und maßvollen Gebrauch zu machen.
Die Abgeordneten und die Institutionen des Parlaments sind nicht als Gegenspieler der Ministerialräte und Referenten gedacht, sondern wir wollen es mit politisch verantwortlichen Persönlichkeiten zu tun haben. Wir wollen nicht Sprach- und Hörrohre der Minister in den Ausschüssen haben, sondern die Herren Minister selbst. Sie sollen dann nachher ihre Mitarbeiter von dem unterrichten, was für deren Arbeit unerläßlich ist.
Der Stellenplan des Auswärtigen Amts ist an der Spitze meiner Ansicht nach zu schwach ausgestaltet oder die Kräfte sind dort, zum Teil, wenn ich so sagen darf, zweckfremd eingesetzt. Diesen Punkt müssen wir besonders ins Auge fassen, da er für uns als Parlament besonders interessant und wichtig ist. Der Herr Bundeskanzler hat jetzt eine Verhandlungsgruppe, bestehend aus dem Herrn Staatssekretär und einem Ministerialdirektor, zusammengestellt. Ich glaube, es ist notwendig, eine solche Gruppe zusammenzustellen; und es ist dem Herrn Bundeskanzler zuzubilligen, sich das so einzurichten, wie er es für seine Interessen und seine Art braucht. Denn an der Spitze des Staates trifft, wenn ich so sagen darf, das Institutionelle mit dem Personellen zusammen. Dabei soll man dem Regierungschef Freiheit lassen. Ich glaube, ein Bundeskanzler hat das Recht, eine Individualität zu sein, aber er hat auf der anderen Seite die Pflicht, die Folgen zu bedenken. Und diese Folgen sind empfindlich, weil kein Außenminister vorhanden ist und der Herr Bundeskanzler diese Geschäfte nur zusätzlich zu seinen anderen versehen kann. Es fällt praktisch für die laufende Arbeit der Behörde der Herr Staatssekretär aus, es fällt ein Ministerialdirektor aus, und es fehlt überdem der Außenminister. Diese Tatsachen wirken sich in verschiedener Beziehung nachteilig aus. Es fehlt, so hat man den Eindruck, der Behörde, dem Auswärtigen Amt, an der Leitung im ganzen. Ich habe in meiner früheren Tätigkeit im Auswärtigen Amt zweimal den Fall erlebt, daß längere Zeit hindurch der Kanzler zugleich Außenminister war. Es war unter Stresemann sowohl wie unter Brüning, aber in diesen Fällen wurde der Staatssekretär ausdrücklich mit der Leitung des Auswärtigen Amts beauftragt und konnte in seiner Zuständigkeit auch Personalien mehr oder weniger selbst entscheiden. Es waren die Jahre zwischen 1923 und 1933, vielleicht die besten und die glücklichsten des auswärtigen Dienstes, in denen das Auswärtige Amt so sein konnte, wie es eigentlich aus seiner inneren Struktur her sein sollte und wollte. Es ist ihm in diesen zehn Jahren gelungen, nach einem verlorenen Weltkrieg Deutschland in friedlicher Weise in die Reihe der Großmächte zurückzuführen.
Es leidet heute der Aufbau der Behörde — ich werde nachher noch einige Ziffern hierzu bringen —, es leidet aber auch die Bearbeitung der Berichterstattung, soweit eine solche von draußen eingeht. Es fehlt damit die Voraussetzung für einen Gedankenaustausch mit den Missionen. Das Auswärtige Amt ist eine neue Behörde. Viele Missionschefs kommen aus den verschiedenartigsten Lebenskreisen. Sie haben keine einheitliche Schulung und sind heute über die Welt zerstreut. Hier liegt eine außerordentlich schwierige erzieherische
Aufgabe vor, die des vollen Einsatzes der Leitung der Behörde bedarf. Es muß eine einheitliche Linie geschaffen und es müssen ein einheitlicher Geist und ein einheitlicher Wille in diese Behörde gebracht werden. Sehr unzulänglich ist noch immer die Information der auswärtigen Behörden über die Vorgänge in der Heimat. Man sollte die Missionschefs, wenn sie es wünschen, häufiger auch zur Berichterstattung hierher befehlen. Ich möchte wissen, was in der letzten Zeit wohl schon an echten Informationserlassen und Erlassen zur Sprachregelung herausgegangen ist, zum Friedensvertrag von San Franzisko, zu den Vorgängen in Washington und zu den Ostproblemen. Es fehlt aber auch heute noch sehr stark an einer sorgfältigen und umfassenden Durcharbeitung des politischen Stoffes, soweit er sich nicht unmittelbar auf die laufenden und aktuellen Verhandlungen bezieht. Der Herr Bundeskanzler ist, das wissen wir und er bekennt es mit Stolz, im wesentlichen westlich eingestellt, und auch der Herr Staatssekretär hat seine diplomatischen Erfahrungen im wesentlichen in Verhandlungen mit dem Westen gesammelt. Auch die politische Abteilung des Auswärtigen Amts ist sehr stark westlich orientiert, und so bleibt für die ganz schwierigen Fragen des Ostens eigentlich nur „ein junger Herr aus Polen" übrig, der heute als Referent bei uns tätig ist. Wenn man demgegenüber betrachtet, mit welchen Mächten man es im Osten tatsächlich zu tun hat, dann kann man es mit der Angst bekommen. Niemand wird mir vorwerfen, daß ich ein Bolschewik wäre, aber ich habe niemals den Bolschewismus und die Sowjetunion unterschätzt. Man muß einmal vergleichen, was dort seit dem Jahre 1917 bis heute geschaffen worden ist, seit der Zeit der Interventionskriege, als ein Wrangel, ein Denikin, Koltschak, ein Judenitsch und Ungern-Sternberg auf russischem Boden standen. Heute ist es so, daß Königsberg eine russische Stadt ist, daß die Stadt Luthers, die Stadt Goethes und die Stadt Friedrichs des Großen unter russischer Herrschaft stehen. Dort hat man es wahrhaftig mit Hochspannungen zu tun, und man hat manchmal das Gefühl, als würde man im Westen nur mit Taschenlampen funkeln.
Dies ist eine meiner größten Sorgen, und diese Sorge stammt aus einer persönlichen Kenntnis der Verhältnisse und aus einer unablässigen Beschäftigung mit ihnen.
Meine Damen und Herren! Es leidet aber auch der Verkehr mit dem Parlament, wenn bei wichtigen Aussprachen in diesem Hause kein Außenminister zugegen ist.
Meine Freunde und ich sind der Ansicht, daß auch der beamtete Staatssekretär nicht eigentlich für das Parlament vorhanden ist. Er bildet die Spitze der beamteten Verwaltung, und er soll nicht politisch verbraucht werden. Er soll nicht in der Öffentlichkeit polemisch für die Politik einer Regierung eingesetzt werden und dadurch vielleicht gezwungen sein, eines Tages unter einer anderen Regierung öffentlich das Gegenteil zu sagen. Das Ethos der Verwaltung besteht darin, die Stetigkeit und die Sachlichkeit zu wahren und die Regierung zu beraten. Sie soll, wie die Engländer sagen, „a silent service", ein schweigender Dienst sein. Ich bin sehr unglücklich darüber, daß über diesen Punkt in diesem Hause noch keine allgemeine Übereinstimmung besteht. Wenn ich mich hier vielleicht in manchem mit den Gesichtspunkten der
Opposition treffe, dann vor allen Dingen deshalb, weil es sich hier wohl überhaupt nicht um einen Gegensatz von Koalition und Opposition handelt, sondern um ein gemeinsames Bemühen und An-. liegen aller beteiligten und berufenen Deutschen, die ihrem Staat die richtige Form und Verfassung geben wollen.
Der Herr Bundeskanzler hat vorhin Aufschlüsse darüber gegeben, wie die Dienststellen in der letzten Zeit besetzt worden sind. Ich möchte fragen, ob die Zahlen zutreffend sind, die dem Haushaltsausschuß für die Besetzung der inländischen Haushaltsposten gegeben worden sind. Es heißt dort: Es ist ein Posten „Staatssekretär" vorhanden; der ist besetzt. Von sechs Posten für Ministerialdirektoren sind zwei besetzt, von sieben Dirigentenposten war am 1. Oktober einer besetzt, von vierzig Ministerialratsposten waren es am 1. Oktober nur vier.
Auch von seiten meiner Freunde werden erhebliche Sorgen und Bedenken angemeldet, daß die Wirtschaftsabteilung noch nicht weiter gediehen ist. Wenn man nicht nur daran denkt, wie das Geld ausgegeben wird, sondern auch daran, wo es herkommt, dann wird man hier mit ganz besonderen Bedenken und Sorgen erfüllt.
Ich möchte noch besonders auf die demoralisierende Wirkung hinweisen, die von dem langen Warten ausgeht. Es gibt Hunderte von Personen, mit denen das Auswärtige Amt in Verbindung steht, die für einen Eintritt in die Behörde vorgemerkt sind und die seit Jahr und Tag auf ihre Einberufung warten. Die Besten laufen einfach davon. Die Regierung sollte wohl alles tun, um hier Abhilfe zu schaffen. Wir haben vorhin gehört — und ich stimme dem zu —, daß der Haushalt nicht nur eine Ermächtigung darstellt, sondern auch einen Auftrag an die Regierung. Wir möchten gern die Gründe kennenlernen, aus denen es der Bundesregierung bisher nicht möglich war, diesen Auftrag, jedenfalls was die Besetzung der inländischen Posten anlangt, zu erfüllen. Ich darf deshalb dem Hohen Hause den Antrag vorlegen, den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten zu ersuchen, dem Bundestag bis zur dritten Lesung des Haushaltsgesetzes einen Bericht über die Ausführung des Haushaltsplans des Auswärtigen Amtes für 1950 vorzulegen. In diesem Bericht wäre auch insbesondere klarzumachen, wieviele der im Haushaltsplan 1950 bewilligten Stellen bis jetzt unbesetzt geblieben sind und welche Gründe hierfür maßgebend waren.
Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein Wort zu einem schwierigen Kapitel sagen, nämlich zu dem der Gehälter. Das ist ja eine sehr beliebte Angelegenheit, und sie wird sehr viel erörtert. Der Kummer der Beamten ist in manchen Fällen sogar in die Presse gedrungen, was ungewöhnlich und abträglich ist. Ich darf zu Beginn die Schwierigkeit der Sache hervorheben, die ohne weiteres zuzugeben ist. Gehälter festzusetzen ohne genaue Unterlagen, ohne genaue Vergleichsmaßstäbe und bei unbekannten Teuerungsverhältnissen in verschiedenen Ländern, das erfordert naturgemäß einige Zeit. Ich möchte lobend die absolute Sauberkeit hervorheben, die in finanzieller Hinsicht im Auswärtigen Amt herrscht, womit eine gute Überlieferung aufrechterhalten worden ist, die auch der neuen Behörde nicht tief genug eingeprägt werden kann. Auf der anderen Seite verstummen nicht die Klagen über eine gewisse Engherzigkeit bei der Verausgabung der bewilligten Mittel. Zweifellos
hat die Abteilung, die hierfür zuständig ist, auch mit der Entwicklung nicht völlig Schritt gehalten. So sind für die Beamten im Ausland häufig unerträgliche Spannungen entstanden. Noch heute werden die Diplomaten, die bereits Beglaubigungsschreiben übergeben haben, als Konsuln besoldet. Ich möchte wünschen, daß hier bald Abhilfe geschaffen und daß die Frage der Nachzahlung der Unterschiedsbeträge positiv behandelt wird.
Nun ist es eine allgemein bekannte Tatsache, daß wir durch den Verlust der Ostprovinzen, durch den Zustrom der Heimatvertriebenen und durch die Unterbindung des Ost-West-Handels mehr denn je auf das Ausland angewiesen sind. Dies erfordert einen besonders leistungsfähigen auswärtigen Dienst. Ein solcher Dienst kostet eben Geld. Das haben andere Staaten schon sehr lange und besser begriffen. Dort werden die Bezüge der leitenden Beamten des auswärtigen Dienstes als das behandelt, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich als politische Ausgaben. Man denkt dort nicht daran, das Politische sozial anzusehen, sondern umgekehrt: Es wird dort das Soziale mit allem Ernst in die Kategorie des Politischen gehoben und entsprechend auf dieser Ebene behandelt. Man kann die Lebenshaltung der Deutschen so, wie sie heute ist, in einer Zeit internationaler Schwierigkeiten nicht aufrechterhalten und kann sie unter den jetzigen Umständen nicht verteidigen, wenn der auswärtige Dienst nicht voll leistungsfähig ist. Dazu muß er auch finanziell auf der Höhe seiner Aufgaben gehalten werden. Der frühere deutsche Gesandte in Bern, Adolf Müller, der der SPD angehörte, hat einmal in einem berühmt gewordenen Bericht zum Ausdruck gebracht: „Wir vertreten keine Konjunktur, sondern einen Staat". Die deutschen Diplomaten sind heute ja auch fast alle arm; viele von ihnen sind Flüchtlinge und sind ausgebombt. Soweit sie aus dem alten Dienst stammen, haben sie bei Beginn des Krieges ihre Habe im Ausland zurückgelassen und verloren. Längst sind die Zeiten von vor 1914 vorbei, in denen einmal ein Beamter von der Legationskasse gemahnt werden mußte, sein Gehalt abzuheben, weil er vergessen hatte, daß man Geld auch vom Staate zu bekommen hat.
Der Stil der deutschen Diplomaten war im Ausland früher schon immer gemäßigt. Es war nicht in deutschen Botschaften, daß ich es erlebt habe, daß die Speisen auf goldenen Platten serviert wurden; es waren andere Botschaften, die berühmt waren für die Buffets, die sich unter Leckerbissen bogen. Ich glaube, hier hat der auswärtige Dienst, wenn er seiner Überlieferung treu bleibt, nicht viel umzulernen.
Ich möchte hier auch nicht an die Bezüge der Diplomaten anderer, vergleichbarer Staaten erinnern und möchte nicht an den Luxus erinnern, der auf weniger wichtigen Gebieten in Deutschland getrieben wird; aber ich möchte glauben, daß man auf hundert D-Mark, die man an fremde Staaten für Besatzungskosten bezahlt, wohl eine D-Mark für unsere eigenen auswärtigen Angelegenheiten ausgeben könnte.
Lassen Sie mich noch einige kurze Worte zur Personalpolitik sagen. Es ist zuzugeben, daß wir beim Aufbau dieses neuen Dienstes vor schwierigen Fragen stehen. Aber vor solche Schwierigkeiten sind andere Staaten auch gestellt worden. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß nach dein ersten Weltkrieg die baltischen Staaten und die österreichungarischen Nachfolgestaaten in kurzer Zeit unter den schwierigsten äußeren Verhältnissen einen Dienst aufbauen mußten. Ich möchte daran erinnern, daß in Italien praktisch das gesamte frühere Personal übernommen worden ist und niemand in jenem Lande daran gedacht hat, sich der Erfahrung dieser Beamten zu berauben.
Die Beratungen im Unterausschuß des Auswärtigen Amts haben ergeben, daß vom alten Auswärtigen Amt nicht mehr allzu viele Beamte übrig sind. Sie sind natürlich diejenigen, die jetzt in erster Linie zur Verfügung stehen. Aber beim weiteren Ausbau werden nicht mehr viele vorhanden sein. Das mögen einige bedauern und andere begrüßen. Jedenfalls hat die Regierung die große Möglichkeit, den Dienst ohne allzu viel Beschwer durch die Vergangenheit neu aufzubauen.
Es ist in letzter Zeit in den auswärtigen Dienst eine gewisse professorale Strähne gekommen.
Der Herr Staatssekretär stammt von der Universität, zwei große Völkerrechtsgelehrte sind mit laufenden Verhandlungen beauftragt, und ein weiterer Professor von einem anderen Ministerium ist eine Art Verkehrsgast im Auswärtigen Amt geworden.
Ich glaube, wir haben allen Anlaß, der deutschen Wissenschaft dankbar zu sein, daß sie hier in die Bresche gesprungen ist und dem auswärtigen Dienst so ausgezeichnete Kräfte zur Verfügung gestellt hat. Auch der Herr Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses fühlt sich ja bei den Beratungen mit dem Auswärtigen Amt durchaus im Kreise von Kollegen.
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Aber ich möchte glauben, auch diese Gelehrten werden mir zugeben, daß auswärtige Politik nicht nur eine Wissenschaft ist. Sie ist auch eine Kunst, und das wichtigste Instrument ist eine Nase. Die braucht nicht schön zu sein, aber sie muß präzise sein und wittern, wie der Hase läuft.
Jeder, der von Verwaltung etwas versteht und der einmal einer Behörde vorgestanden hat, weiß, daß es nicht nur nötig ist, die Beamten richtig auszuwählen, sondern daß es auch nötig ist, sie von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde mit einer richtigen Leidenschaft und mit einem richtigen Geist zu erfüllen.
Ich weiß nicht, ob nicht das Nachwuchshaus des
Auswärtigen Amts etwas zu weit weg ist von
dieser inspirierenden Wirkung unserer Behörde.
In letzter Zeit ist nun in die Personalpolitik des Auswärtigen Amts eine große Unruhe gekommen, und zwar durch die bekannte, heute schon vielfach berührte Artikelserie der „Frankfurter Rundschau" und besonders auch durch die Art, wie unsere Regierung darauf reagiert hat. Es ist für mich nicht sehr angenehm, hierzu Stellung zu nehmen, da ja zu erwarten steht, daß ich persönlich angegriffen und für befangen erklärt werde. Aber schließlich hat ein Abgeordneter nur soviel Wert, als er Mut hat,
und zwar nicht nur gegenüber seiner eigenen Regierung, sondern auch sonst. Jedenfalls freue ich mich als ehemaliger Angehöriger des deutschen auswärtigen Dienstes, daß ich im Jahre 1948 in meinem eigenen heimatlichen Kreise zum Landrat gewählt und anderthalb Jahre später in dieses Hohe Haus entsandt wurde. — Die Artikel der „Frankfurter Rundschau" zeigen, daß dieses Blatt den Beamten eine große Bedeutung beimißt. Fast möchte man glauben, es würde dort alles Unheil, das man vom Staate glaubt befürchten zu müssen, von den Beamten befürchtet; und fast sieht es so aus, als wäre es weniger wichtig, wer die politische Macht ergreift und wer sie verliert und wer dazu verhilft, daß sie ergriffen und daß sie verloren wird. Es scheint dort weniger wichtig zu sein, wer politisch dafür verantwortlich ist, daß Kriege ausbrechen oder verloren gehen oder daß ein Friede verwirtschaftet wird. Das eigentlich Politische scheint dort nicht so sehr interessant zu sein, und man hat den Eindruck, als würde das Werkzeug über die Hand gestellt, die es politisch zu führen hat. Man sollte nun einmal die Lage und das Schicksal der Beamten betrachten und einmal die ganze Angelegenheit vom Standpunkt der Beamten aus ansehen, die in der Zeit von 1918 bis 1945 dreimal den Zusammenbruch des politischen Systems erlebten, auf das sie vereidigt waren; und sie waren bei Gott nicht schuld daran. Dann kam das Lager, dann kamen die Alliierten, und dann kam Bonn, auf das sie jetzt den vierten Eid abzulegen haben. Und wenn Bonn mißlingt — j a, was kommt dann? Wenn nach der „Frankfurter Rundschau" vielleicht die „Tägliche Rundschau" kommt — werden dann die Vorwürfe wieder den Beamten gemacht werden?
Das Mißtrauen gegen das Auswärtige Amt ist kein Vorrecht und ist auch keine Erfindung der Zeitung. Diese Zeitung hat nur getan, was Hitler und die Gestapo auch getan haben. Kein Ministerium ist zur Zeit des Dritten Reiches so bespitzelt, so bezichtigt und so verdächtigt worden wie das Auswärtige Amt. Etwa die Hälfte der alten aktiven Beamtenschaft ist, wie das schöne Wort heißt, „abgeschossen" worden. Noch heute können Eingeweihte nicht ohne Erregung an jene abscheuliche Lage denken, als Gestapospitzel in den Botschaften und Gesandtschaften saßen und die Beamten überwachten und als die Herren Landesgruppenleiter sich in tausend Dienstgeschäfte zu mischen versuchten und als deren Personalberichte für die Laufbahn der deutschen Beamten entscheidend wurden. Und doch, wieviele Verfolgte des Naziregimes waren auch froh, im alten Auswärtigen Amt und in den auswärtigen Vertretungen Beamte des alten Stils zu finden, die im entscheidenden Augenblick schweigend halfen.
Die Diplomaten waren im Dritten Reich verdächtig und wurden gehaßt, weil sie wesensmäßig anders waren, als ein echter Nazi war. Denn, meine Damen und Herren, Diplomatie und Saalschlacht schließen sich gegenseitig aus. Die Beamten des Auswärtigen Amtes haben früher die Kehrseite entdeckt als andere und sie haben die doppelte Buchführung geführt. Von dem, was zu Hause bejubelt wurde, konnten sie die Gegenwirkung im Ausland feststellen. Bei ihnen war das Mißtrauen am frühesten und der Widerstand wahrhaftig instinktiv.
Ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, in diesem Hause und zu dieser abendlichen Stunde die Namen derer aus dem Auswärtigen Amt verlesen zu dürfen, die nach dem 20. Juli hingerichtet wurden. Ich erwähne den greisen Botschafter Grafen von der Schulenburg, dessen schweren Weg zum Galgen unsere Kollegen Gerstenmaier und Fürst Fugger von Glött Zelle an Zelle mit ihm verfolgten. Ich erwähne den Namen des Botschafters Herrn von Hassell, den Botschaftsrat Grafen Bernstorff. Ich erwähne den vortragenden Legationsrat Hans-Bernd von Haeften, den unerreichten Freund und den hochgemuten, unbeugsamen Christen, der noch in der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof sagte, er halte Adolf Hitler für die Inkarnation des Bösen in dieser Welt. Ich erwähne den Legationsrat Adam von Trott zu Solz, einen der begabtesten, seine Zeit am weitesten umspannenden Angehörigen des auswärtigen Dienstes, dessen Mitarbeit wir heute aufs schmerzlichste vermissen. Ich erwähne den Legationssekretär Herbert von Mumm, eine lodernde, steile Flamme des Hasses gegen alles, was böse und unmenschlich war, und mit ihm im Geiste verbunden den Gesandten Kiep, den vortragenden Legationsrat Kuenzer und den Legationsrat Eduard Brückemeier, einen Gefährten eindrucksvoller Jahre. Ich könnte die Liste all der Beamten fortsetzen, die nach Rußland verschleppt wurden und von denen wir heute noch kaum Kunde haben.
Die heute in den Artikeln der „Frankfurter Rundschau" Genannten und Angegriffenen sind zum großen Teil die Überlebenden von damals. Weil die „Frankfurter Rundschau" diese Seite der Sache übersieht, betrachten wir ihre Artikel als ungerecht. Die Darstellung, die von der Zeitung gegeben wird, ist vielfach auch unrichtig. Sie ist auf den Nürnberger Vernehmungsprotokollen aufgebaut. Wir wissen, daß in der neueren Rechtsgeschichte keine Verfahren so umstritten sind wie die der Nürnberger Prozesse. Denn ein Recht, das unter der Voraussetzung steht, daß es nur gegen Deutsche gilt, ist für uns ein fragwürdiges Recht. Auch die Art der Verhöre ist bekannt. Es heißt, daß dort Drohungen und Einschüchterungen an der Tagesordnung gewesen seien. Der Kläger war dort in ganz anderer Weise Partei, als es im deutschen Strafprozeß der Staatsanwalt ist. Mir scheint es bedenklich, sich auf Nürnberger Protokolle zu berufen. Wenn es geschieht, müßte man alle Verhöre vor deutschen Instanzen nachprüfen. Ich glaube, diese Verhöre können keine Grundlage für die Beurteilung von Deutschen sein.
Überall ertönt der Ruf nach Beendigung der Entnazifizierung. Dies ist auch der allgemeine Wunsch des deutschen Volkes. Im Auswärtigen Amt hat man sich nun den besonderen Aufgaben entsprechend nicht mit der üblichen Denazifizierung begnügt, sondern jeden Beamten nochmals besonders unter die Lupe genommen. Es erscheint uns ungerecht, nunmehr einer bestimmten Beamtengruppe gegenüber so zu tun, als ob die Denazifizierung nicht stattgefunden hätte und als ob man in derselben Sache unter Preisgabe aller Regeln des Rechts zweimal und dreimal urteilen wolle.
Der Untersuchungsausschuß wird eingesetzt. Wir von der FDP haben den Wunsch, daß der Ausschuß klein sei, daß er rasch arbeite und ein endgültiges Urteil spreche. Es ist nötig, daß wieder eine Beruhigung eintritt. Denn den Beamten sind große Aufgaben gestellt, und sie sollen unangefochten
arbeiten können. Ich glaube, sie brauchen und verdienen unseren Schutz.
Ich bitte, nunmehr mit der Begründung des Antrages beginnen zu dürfen, den die FDP auf Drucksache Nr. 2468 gestellt hat. In Einzelplan IV a Kap. E 12 Tit. 2 und 3 sind hohe Beträge, beinahe 4 Millionen DM, für die räumliche Unterbringung der Vertretungen des Bundes im Ausland und für die erstmalige Ausstattung der Vertretungen mit Einrichtungsgegenständen sowie Geschäfts- und Bürobedarf vorgesehen. Hier hat sich die Frage erhoben, was mit den deutschen Botschafts- und Gesandtschaftsgebäuden geworden ist, die im Laufe vieler Jahrzehnte und unter hohen Kosten erworben wurden und zum Teil noch aus einzelstaatlichem Besitz, aus der Zeit vor der Gründung des Deutschen Reiches, stammten. Im ganzen handelt es sich hier um einen Vermögenswert von 80 bis 100 Millionen DM. Die Frage ist auch bei der Erörterung der Anerkennung der Vorkriegsauslandsschulden aufgetaucht. Man wollte nicht von den Schulden sprechen, ohne nicht auch vom Vermögen zu sprechen. Die Sache wurde aber dann in diesem Zusammenhang nicht weiterbehandelt, da der Ausschuß der Ansicht war, daß weniger eine Geld- und Vermögensfrage in Rede stehe als eine Frage des Völkerrechts und der Politik. Seit Staaten, Stämme und Horden jemals miteinander in Verbindung traten, hat das Gesandtschaftsrecht als ein heiliges Recht und als ein Recht gegolten, das alle Wechselfälle von Krieg und Frieden überdauerte. Und wenn wir jetzt vor der Tatsache stehen, daß in Abkehr von diesem Recht alle unsere auswärtigen Gebäude enteignet sind, dann stehen wir, glaube ich, vor einer der bemerkenswertesten und ernstesten Tatsachen des Staatenverkehrs und des Völkerrechts überhaupt. Wenn irgendwo eine Flagge verletzt wird, oder nehmen wir an, es würde heute in Bonn in einer fremden Gesandtschaft eine Fensterscheibe eingeschlagen, dann müßte man um Entschuldigung bitten, Schadenersatz leisten, die Schuldigen bestrafen und Vorsorge gegen Wiederholung treffen. Hier aber handelt es sich nicht um eine Flaggenverletzung oder um eine eingeschlagene Fensterscheibe, sondern um eine Enteignung, um die völlige Wegnahme und in vielen Fällen um die Versteigerung und den Verkauf mit allem Drum und Dran, einschließlich der dienstlichen Ausstattungsgegenstände wie Panzerschränke und Schreibmaschinen, Möbel und Gemälde, Teppiche und Beleuchtungskörper, Kristall und Silber, Porzellan und Wäsche, ja einschließlich der persönlichsten Habe der ehemaligen Diplomaten und ihrer Frauen, einschließlich der Anzüge und der Familienbilder und was es sonst gewesen sein mochte.
Meine Freunde und ich haben es für richtig gehalten, zunächst einmal die genauen Unterlagen darüber zu erbitten, um welche Gebäude es sich hierbei handelte und was in den einzelnen Staaten vorgefallen ist. Das ist zum Teil sehr verschieden. Wir wollen wissen, wie die Fachleute der Regierung die Rechtslage von Fall zu Fall ansehen. Es wird auch nötig sein, von Land zu Land die Gesetze festzustellen, die dort ergangen sind und die Enteignung ausgesprochen haben. Und wir wollen wissen, wie sich die Regierungen in den einzelnen Ländern — auch das ist sehr verschieden — zu der Frage der Rückgabe stellen und was die Bundesregierung getan hat. Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, werden wir politisch beschließen können, wie wir uns diesen Tatsachen gegenüber verhalten sollen. Ich möchte glauben, daß der richtige Zeitpunkt dafür sein wird, wenn hier der [Nachtragshaushalt Nr. 2 zur Beratung und Erörterung steht. Denn dann sollen ja die Mittel für die diplomatischen Posten bewilligt werden, und wir werden dann sehen und Beschluß fassen müssen über die Art unseres diplomatischen Verkehrs mit jenen Staaten, in denen die Frage der weggenommenen Dienstgebäude nicht geregelt worden ist.
Meine Damen und Herren, der diplomatische Verkehr ist ja ein Verkehr besonderer Art. Er geht von Staatsoberhaupt zu Staatsoberhaupt. Vom Staatsoberhaupt wird das Beglaubigungsschreiben ausgestellt, von einem Staatsoberhaupt wird es entgegengenommen. Es steht also hier die Würde der Völker und der Staaten mit auf dem Spiele. Und nun frage ich: Wie soll man einen solchen diplomatischen Verkehr pflegen, wenn man sich über die einfachsten Verkehrssitten nicht einig ist, nämlich darüber, ob man die silbernen Löffel, die das Zeichen des Staates tragen, nimmt oder nicht nimmt? Wir werden beraten müssen, ob wir die Bewilligung für Botschafter und Gesandte nicht mit einem Sperrvermerk versehen sollen, bis diese Frage geregelt ist, und ob wir bis dahin nur Geschäftsträger entsenden sollen und nur Geschäftsträger bei uns empfangen wollen. Jedenfalls wäre es gut, wenn die Regierung diesem Sachverhalt inzwischen schon Rechnung trüge. Man spricht heute sehr viel von der Würde des Menschen, aber man soll dabei die Würde der Staaten und der Völker nicht außer acht lassen.
Man wird vielleicht einwenden, auch die Deutschen hätten das Gesandtschaftsrecht im Kriege verletzt, und man wird von der Sowjetbotschaft sprechen, die vom „Dritten Reich" in Anspruch genommen wurde. Nun, das ist ein heikles und weites Gebiet. Ich habe keine Veranlassung zu Maßnahmen des „Dritten Reiches" hier Stellung zu nehmen. Erwähnt sei nur, daß für diese Sowjetbotschaft Miete an den Treuhänder für feindliches Eigentum bezahlt wurde.
Aber es ist ein deutsches Botschaftsgebäude mit der ganzen amtlichen und privaten Ausstattung in einem befreundeten und damals fast sogar verbündeten Staate weggenommen, versteigert und, ich glaube, sogar abgebrochen worden in einem Staate, dessen Regierungschef unter Einsatz von deutschem Gut und Blut einen Bürgerkrieg gewonnen hat und so zur Macht gelangt ist. In einem anderen neutralen Staate, mit dessen Volk sich das deutsche Volk durch die tiefste und rückhaltloseste Zuneigung verbunden fühlte, die unter Völkern überhaupt möglich ist, ist das deutsche Eigentum auch in besonders harter Weise liquidiert und das Gebäude der Gesandtschaft eigenmächtig hinter unserm Rücken verkauft worden. Meine Damen und Herren, was soll man in solchen Fällen noch sagen?
Ich glaube, man findet keine Worte des Vorwurfs mehr; man kann nur noch Trauer und Enttäuschung empfinden.
Besonders schmerzlich ist die Lage in Rom. Wir haben in einem Menschenalter dort drei geschichtlich wertvolle Botschaftspaläste verloren, den Palazzo Caffarelli, den Palazzo Wolkonski und die Villa Bonaparte. Für den Palazzo Caffarelli, der nach dem ersten Kriege enteignet worden ist, weil er auf dem Kapitol lag und das Kapitol als italie-
nisches Heiligtum nicht von Deutschen besiedelt sein sollte, haben wir einen Ersatz bekommen, den Palazzo Vidoni, der später verkauft wurde, und Mussolini hat von sich aus noch eine Zahlung, wie es heißt, angeboten, weil er der Ansicht war, daß es doch ein sehr tiefer Eingriff in die deutschen Rechte war. Ich weiß nicht, ob, besonders auch bei der Villa Bonaparte, die Mächte eingegriffen haben. Ich möchte hier weder die derzeitige italienische Regierung noch den Heiligen Stuhl erwähnen. Wohl aber ist die Tatsache verbürgt, daß heute der Vertreter einer fremden Macht in der Villa Bonaparte wohnt, und ich glaube, es ist der Vertreter derselben Macht, die in ihrer Hauptstadt als Beitrag zur deutschen Umerziehung die deutsche Kirche enteignete, so daß die Deutschen dort nur noch in fremden Tempeln, gewissermaßen zur Miete, beten können.
Meine Damen und Herren, diese Enteignungen werden zum Teil mit den Reparationen in Zusammenhang gebracht. Aber wir anerkennen keine Erledigung der Reparationsfrage ohne einen Friedensschluß. Und wenn wir an unsere zerstörten Städte denken, an Würzburg und an Köln, an Hamburg und an Stuttgart, dann möchten wir fragen, ob das nicht genügend Reparationen sind, ob man darüber hinaus auch noch Häuser enteignen soll. Als nach dem ersten Weltkrieg die Reparations-frage das ganze Gefüge ins Wanken brachte, wurden die Gesandschafts- und Botschaftsgebäude nicht weggenommen. Auch im japanischen Friedensvertrag wurden, obwohl Reparationen verlangt werden, doch die amtlichen und privaten diplomatischen und konsularischen Eigentumsgegenstände ausdrücklich zurückgegeben.
Meine Damen und Herren, es gibt in Deutschland einen Hohen Kommissar, und wenn ich von ihm spreche, dann tue ich das mit all der Achtung, die einem hohen Vertreter einer fremden Macht in unserem Lande gebührt. Dieser Hohe Kommissar verfügt über die glänzendsten Eigenschaften seiner Rasse in der glänzendsten Weise.
Er besitzt die vollkommenste Kenntnis der deutschen Sprache und handhabt sie wie ein Künstler.
Dieser Hohe Kommissar hat, wenn ich recht unterrichtet bin, uns empfohlen, wir sollten nicht nur fordern und verlangen, wir sollten auch einmal bitten, auch einmal empfehlen und einmal anheimstellen. Was aber sollen wir in diesem Falle tun? Nun, wir wollen nicht fordern und wollen nicht verlangen. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte die Alliierten beschwören,
hier von Unrecht zu lassen. Wir wollen ihnen zur Kenntnis bringen, daß wir diese Angelegenheit als einen Maßstab betrachten, an dem wir ablesen, wie hoch wir als Volk und Staat gewertet und geachtet werden.
Wir wollen hoffen, daß wir auch in den fremden Parlamenten hierbei Unterstützung finden und daß es nicht die Deutschen allein sind, die hierauf aufmerksam machen müssen.
Die Staaten haben sich durch Abkommen zu gemeinsamem Handeln verbunden. Es wäre schade, wenn hier aus einem falsch verstandenen Prestige heraus eine Solidarität entstünde, die unseren diplomatischen und politischen Verkehr mit vielen Staaten auf lange hinaus belasten müßte. Wir wollen ja weg vom Krieg, und wir wollen weg von der Entwürdigung und wollen zu einer Solidarität der Staaten gelangen, die sich wechselseitig mit Achtung behandeln.
Der Erweiterung des von der SPD eingebrachten Antrages stimmen wir zu, und ich möchte das Hohe Haus bitten, unsern Antrag, die Regierung um die Vorlage des erforderlichen Materials zu ersuchen, anzunehmen, ohne ihn erst dem Ausschuß zu überweisen.