Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Möglichkeit, in der Debatte den Etat des Bundeskanzleramts von dem des Auswärtigen Amts zu trennen, besteht nicht, wie die beiden Herren Vorredner bewiesen haben. Es geht um so mehr eins ins andere über, als nun einmal der Herr Bundeskanzler gleichzeitig das Amt des Außenministers übernommen hat. Ich möchte daher zu beiden Reden der Oppositionsparteien, der SPD und des Zentrums, über das gesamte angeschnittene Thema — soweit sie von Interesse sind — Stellung nehmen.
Ich möchte voranschicken, daß meine Fraktion auf das tiefste beklagt, daß wir uns in diesen Schicksalsstunden des deutschen Volkes über Einzelheiten der momentan in schwierigen außenpolitischen Verhandlungen auszurichtenden Politik der Regierung in einem Parlament vor der breitesten Öffentlichkeit unterhalten sollen, wenn es nach dem Wunsch der beiden Herren Vorredner geht.
Etwas Derartiges ist in keinem Parlament der Welt, das demokratische Tradition hat, bisher üblich gewesen und ist auch, wie sich für jeden Denkenden von selbst versteht, völlig unmöglich. Wir können uns über Etatsfragen, Organisationsfragen der Regierung unterhalten. Aber die Dinge, die hier zur Sprache gekommen sind, sollten wir, wenn uns daran gelegen ist, daß der Herr Bundeskanzler für das deutsche Volk das Bestmögliche herausholt, beileibe heute hier nicht erörtern.
Wir schließen uns dem Herrn Bundeskanzler darin völlig an, daß es undenkbar ist, hier dazu etwas zu sagen.
Deswegen nur das Grundsätzliche heute.
Der Herr Ollenhauer hat die Saarnote der Alliierten, die während unserer Ferien eingegangen ist, herangezogen. Für meine Fraktion kann ich bekennen, daß sie während der Ferien noch andere Nackenschläge erlebt hat, sei es in der Frage der Ruhrbehörde, sei es in der Frage des alliierten Gesetzes bezüglich des Auslandsvermögens, sei es in anderen Dingen. Wenn wir schon zu diesen Dingen Stellung nehmen sollen, so darf ich für meine Fraktion erklären: Gott schütze uns vor einer Wiederholung der Zeit nach 1925! Was heute ein großes Geschenk von den Alliierten an uns ist, kann morgen eine Selbstverständlichkeit sein und übermorgen zuwenig. Denn wir haben es hier im deutschen Volk mit lebendigen Menschen zu tun, die jetzt sechs bis sieben Jahre auf Menschwerdung, Volkwerdung gewartet haben. Wir müssen allerdings — offen gesagt — erwarten, daß wir die Qualität des „Besiegten" endlich einmal verlieren und daß man Achtung vor unserer Historie hat, nicht vor der letzten, aber vor der Herkunft aus alten zentraleuropäischen Quellen, und daß man Achtung davor hat, was man von diesem Volk in Zentraleuropa erwarten kann und wie man ihm vertrauen kann. Daß wir insofern Vertrauen gutzumachen haben, meine sehr geehrten Herren von links, vergessen Sie doch bitte nicht! Sie dürfen auch nie vergessen, daß die Stellung des Herrn Bundeskanzlers in seinen Bemühungen für dieses deutsche Volk im Jahre 1951 denkbar schwer ist, daß sie nicht mit einem Federstrich zum Erfolg führen können. Daß man aber solche kitzligen Fragen wie, die des Saargebiets — darüber sind wir uns von ganz rechts bis ganz links im Bundestag einig; darüber bestehen doch keine Meinungsverschiedenheiten — nicht an die große Glocke hängen kann, wenn man Schicksalsfragen, ich hätte beinahe gesagt: für die Ewigkeit zu erörtern hat, das sollte auch die Linke verstehen.
Wir fassen daher diese ganze Debatte, die hier mit Hilfe des Herrn Dr. Reismann geführt worden ist — der etwa gesagt hat: „mein SPD-Freund hat recht, ich zerrede das nur noch ein bißchen" — nur als Kritik um jeden Preis auf, die nach Möglichkeit erstrebt, daß dieser Herr Bundeskanzler, dessen Etat man von jener Seite auf jeden Fall ablehnen wird, nur keine Lorbeeren erntet.
Das ist das Bedauerliche, meine sehr geehrten Herren von links. Herr Dr. Schumacher hat einmal gesagt, daß ein Abgeordneter einen Klassenplatz herunterkäme. Ich möchte ihm zurufen: in der Außenpolitik hat er noch nichts gelernt. Es soll uns ganz gleichgültig sein, welcher Kanzler das Bestmögliche herausholt. Dr. Adenauer gehört nicht meiner Partei an. Wir wollen nur einen Kanzler haben, der seiner Persönlichkeit, seinem Wissen, seinem deutschen Herzen nach das denkbar Beste erreicht. Wenn das die CDU bereichert, soll mir das recht sein. Und d a s deutsche Volk sollte sich schämen, das diese Dinge nur vom Standpunkt der engstirnigsten rosaroten Parteipolitik aus ansehen würde.
Das zum Allgemeinen. Des weiteren dazu nur noch das eine Wort, daß meine Fraktion in dieser Stunde dem Herrn Bundeskanzler jeden Erfolg wünscht, den ein Deutscher im Herbst und Winter 1951/52 für sein Volk und dessen fernste Zukunft nur irgend erreichen kann, und daß wir ihm Vertrauen schenken, daß er nach den Richtlinien seiner Politik, die uns bekannt sind, das Beste herauszuholen mit allen Mitteln versuchen wird.
Zum Schluß einige Bemerkungen zu Einzelheiten der Rede des Herrn Kollegen Ollenhauer. Ich muß sagen, daß der sachliche Ton seiner Ausführungen gegenüber anderen Rednern, die wir von links gehört haben, mir wohlgetan hat. Herr Ollenhauer ist auf die Debatte bezüglich der Monarchie beim Etat des Innenministers zurückgekommen. Herr Ollenhauer, diese Debatte hat Ihr Fraktionskollege Herr Dr. Bergstraeßer ja selbst gewollt. Er hat einen Beamten, der einen sehr sachlichen und von unserer Fraktion durchaus begrüßten Aufsatz in der „Frankfurter Allgemeinen" geschrieben hatte, wegen landesverratsähnlichen Vergehens unter Anklage zu stellen versucht. Darauf hat — auch zu der Frage, wieweit Minister bei einer monarchischen
Hochzeit, d. h. der Hochzeit ehemaliger Monarchen teilnehmen können — mein Fraktionsfreund Dr. Merkatz geantwortet, und zwar in einer durch Ihre Zwischenrufe zwar persönlich erhitzten und erregten, aber, wie ich betonen möchte, hochanständigen Form, die ihm in diesem Hause von ganz links bis ganz rechts viele danken, die ebenso denken wie er. Das vorweg!
Und nun kommen Sie und erklären, es handle sich — da haben Sie recht — nicht um Demokratie oder Monarchie; nein, weiß Gott nicht! Denn allerdings die Monarchie, die man überhaupt nur theoretisch erörtern kann — praktisch spielt sie ja gar keine Rolle heute —, ist die konstitutionelle Monarchie nach schwedischem oder nach englischem Muster — um nur den möglichen Typ zu. nennen —, und das sind natürlich Demokratien. Wenn Sie meinen, es verstoße gegen das Grundgesetz, sich darüber auch nur Gedanken zu machen, so darf ich Ihnen erwidern: dann, bitte, gründen Sie Ihren totalen Staat sofort. Denn davon kann keine Rede sein. Eine Umwandlung der Republik in eine Monarchie mit Gewalt herbeizuführen, das ist natürlich Hochverrat; es aber nur zu erörtern, ist durchaus erlaubt. Und wir im Strafrechtsausschuß haben uns peinlich gehütet,
die Frage etwa nach der Stellung des Bundespräsidenten als verfassungswidrig zu unterbinden.
— Ich bitte, mich doch ausreden zu lassen! — Nein, wir haben es bei der Staatsgefährdung abgestellt auf die Frage der „demokratischen Grundordnung", und in der demokratischen Grundordnung wird die Frage, wie das Staatsoberhaupt gestaltet wird, überhaupt nicht berührt. Das allerdings ist selbstverständlich: Ehe wir legal etwa die Staatsform ändern könnten, wäre eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Darüber, meine sehr geehrten Damen und Herren, brauchen wir uns keinen Augenblick zu streiten. Und daß derjenige, der mit Gewalt die Monarchie einführen will, wenn er nicht obsiegt, wegen Hochverrats — heute nicht mehr zum Tode, sondern nur zu lebenslänglichem Zuchthaus — verurteilt wird, darüber besteht kein Zweifel. Aber das Bekenntnis dazu dürfte in einer freien republikanischen Staatsform demokratischer Natur eine selbstverständliche Möglichkeit sein. Und zu einem solchen Bekenntnis war mein Fraktionskollege Dr. von Merkatz hier durchaus berechtigt; und er tat dies, wie ich noch einmal betonen möchte, in einer äußerst eindrucksvollen Form, als vertriebener Deutscher aus dem Osten; das ist nicht namens der Fraktion geschehen, wenngleich in den Reihen unserer Wähler, wie wir uns klar sind und wie es keinem Zweifel unterliegen kann, genau wie übrigens auch in gewissen Wählerkreisen der SPD zum Beispiel die Frage aufgeworfen wird, ob nicht vielleicht Monarchie das Bessere sei. In unserem Parteiprogramm steht allerdings davon kein Sterbenswörtchen, wie ich betonen möchte! Diese Frage ist also nur angeschnitten worden, weil Herr Professor Dr. Bergstraeßer dazu Erklärungen wünschte.
Und nun noch die Frage der Ministerreden und die des sogenannten autoritären Regiments des Herrn Bundeskanzlers. Meine sehr geehrten Herren von links und von der Mitte, wenn Sie annehmen, daß eine demokratische Staatsform ohne
Führereigenschaften möglich und durchführbar wäre, so lassen Sie sich mit Ihrer ganzen Demokratie begraben!
Ich möchte glauben, daß Ihr Herr Dr. Schumacher ein typisches Beispiel dafür ist, daß es ohne Führerqualitäten gar nicht geht.
Die Frage ist nur die, ob nicht Dr. Schumacher schon ein totalitärer Führer ist. Wir aber sind glücklich darüber, daß Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer kein Politiker ist, der bei seinem Alter, seiner Reife und seiner Weisheit Neigung hätte, sich führen zu lassen,
sondern daß er vielmehr den inneren Mut und den inneren Zwang fühlt, selbst zu führen, indem er sein hohes Alter opfert für sein Volk und Vaterland.
Und noch ein anderes! Sie haben uns besonders eindrucksvoll, Herr Ollenhauer, erklärt, im Erwägungsstadium einer Frage sei die SPD eine freie Partei, wo die Dinge erörtert werden könnten; zum Schluß aber bilden Sie dann mit Ihrem Fraktionszwang eine Linie. — Erstens lehnen wir den Fraktionszwang völlig ab und zwar in allen drei Fraktionen.
Zweitens wollen Sie aber bedenken: wir sind nicht
die Regierung einer einzigen Partei, sondern drei
Parteien haben sich zusammengeschlossen. Und da
es drei sind, sollte Ihnen klar sein, daß da wohl
noch gewisse Unterschiede obwalten dürften, und
keiner unserer Minister — jedenfalls keiner meiner
Partei — hat sich dadurch, daß er ins Kabinett
ging, verpflichtet, eine Binde vors Maul zu legen.
Auch Herr Dr. von Merkatz nicht! Sie lassen ja
bei jeder Gelegenheit, wenn Herr Dr. Adenauer
auf dem Spiel steht, die Merkatze aus dem Sack!
Und auch er ist mit einbegriffen. Diese Herren haben sich also dadurch, daß sie einer Koalitionsregierung beigetreten sind, nicht verpflichtet, ihrerseits nun mit zusammengeschlagenen Hacken dem Führer zu folgen und anbetend vor ihm zu stehen, sondern sich ihre eigene Meinung genau wie in ihren eigenen Reihen im Erwägungsstadium vorbehalten.
Und was die Rede von Herrn Dr. Seebohm — übrigens in Nürtingen, einem sonst unbekannten kleinen Nest in Schwaben — angeht, so handelt es sich um ein Treffen von sudetendeutschen Flüchtlingen, die, wie Ihnen bekannt sein sollte, in der Art, wie sie zur Flucht gezwungen worden sind, allerhand Beschwerden auf dem Herzen haben. Und daß einer ihrer führenden Menschen diesen Gefühlen gerade angesichts europäischen Gemeinschaftsstrebens mit einer gewissen eindrucksvollen Entrüstung Ausdruck verleiht, das können Sie keinem Sudetendeutschen verdenken.
Deswegen möchte ich Sie bitten, solche Reden nicht
aus dem Zusammenhang zu reißen, Herr Ollenhauer; das wird heute nur verbreitet, weil es der
„Neuen Zeitung", dieser amerikanisch lizenzierten
Zeitung, aus irgendwelchen trüben Gründen paßt.
— Ich schäme mich keinen Augenblick; aber Sie sollten sich schämen, daß Sie sich auf solche trüben Quellen berufen, um Kritik zu üben.
Diese Dinge zurückzuweisen, lag mir am Herzen. Im übrigen schließe ich mit den Worten: ich hoffe, daß durch die Reden von Herrn Ollenhauer und Herrn Reismann alles Porzellan, was zu zerschlagen war, endgültig zerschlagen ist und daß keiner meiner nachfolgenden Redner an diesem Polterabend noch weiter teilnimmt.
Dem Bundeskanzler wünsche ich, daß er bei seinen schweren Verhandlungen für das ganze deutsche Volk, also auch für die SPD-Mitglieder, den bestmöglichen Erfolg hat.